Ausbreitung des Buddhismus

Im unruhigen China der späten und der Nach-Han-Ära traf die Lehre auf eine verbreitete Erlösungssehnsucht in den von Not und Unsicherheit bedrückten Volksmassen, die ihre Zuflucht zu Wunderglaube und Zauberpraktiken nahmen und zu Göttern und Geistern des Daoismus. Gewisse Parallelen der beiden Religionen, wie Erlösungsversprechen und Götterwelt, führten anfangs zu Verwechslungen: man hielt den Buddhismus für eine barbarische Version des Daoismus. Allmählich gelang es den buddhistischen Mönchen, beim Familienkult mitzuwirken, durch geistlichen Zuspruch beim Ahnendienst, indem sie für eine günstige Wiedergeburt des Verstorbenen beteten. Der den Chinesen bis dahin unbekannte Gedanke der Wiedergeburt musste tröstlich wirken und konnte Hoffnung erwecken, wünschte man doch den Ahnen ewiges Leben. Ebenso besaß die Lehre von der Vergeltungskausalität ihre Faszination, die Vorstellung nämlich, dass jede Tat, ob gut oder böse, in diesem oder einem anderen Leben auf den Urheber zurückwirke.

Und schließlich war den Mahayana-Mönchen der Gebrauch magischer Formeln nicht fremd, wodurch sie sich im Volke auch als Magier empfahlen.

Der endgültige Durchbruch des Buddhismus in einer so schriftgläubigen Kultur wie der chinesischen konnte jedoch nur gelingen, wenn seine kanonischen Texte den gebildeten und herrschenden Schichten zugänglich gemacht wurden. Somit wurde die Übersetzungsarbeit eine der wichtigsten Aufgaben der buddhistischen Missionare. Ganze Übersetzerschulen waren über Jahrhunderte tätig. Sie standen vor kaum vorstellbaren Schwierigkeiten, da sie für die ausgefeilten metaphysischen Spekulationen des indischen Denkens im chinesischen keinen adäquaten Begriffskanon vorfanden. Anfangs musste man sich deshalb mit einem daoistischen Vokabular behelfen.

Allmählich bildeten sich verschiedene Schulen heraus, die einen unverwechselbar chinesischen Charakter annahmen. Hier sei nur auf die in Europa bekannteste hingewiesen, da sie in Malerei und Kalligraphie den typischsten Ausdruck des chinesischen Kunstwollens finden sollte: die chan-Sekte, bekannter unter dem japanischen Namen Zen. Chan ist die chinesische Aussprache des Sanskrit-Wortes dhyana = Meditation. Sie lehnte jede intellektuelle Textauslegung ab, verwarf Gebet wie Ritual und baute allein auf die plötzliche, unvermittelte Erleuchtung in der Meditation oder gar inmitten alltäglicher Verrichtungen.

Es ist anzunehmen, dass der Buddhismus sich auf alle Fälle gegen den Widerstand der so festgefügten, von ihrer kulturellen Überlegenheit überzeugten chinesischen Gesellschaft durchgesetzt hätte mit der ihm eigenen Ausdauer und Überzeugungskraft. Ihm kam jedoch ein entscheidendes Moment zur Hilfe, das ihn in Nordchina zur Staatsreligion werden ließ. Dieser Umstand hatte einen gewaltigen Aufschwung der bildenden Künste während der gesamten Epoche zur Folge und wies die chinesische Kunst darüber hinaus in eine neue Richtung. Für die Barbaren-Dynastien des Nordens konnte es nämlich kein geeigneteres Instrument geben zur Legitimierung ihrer kulturellen Ebenbürtigkeit mit den Chinesen als den Buddhismus. Er besaß ein geschlossenes, hochentwickeltes System der Welterklärung, dem chinesischen zumindest gleichwertig. Er war fremdstämmig wie sie selbst und ebenso von weiten Kreisen mit Misstrauen und Ablehnung angesehen. Er war von keiner anderen politischen Macht gesteuert, hatte keine Familienbindungen mit Einheimischen und war deshalb zuverlässig. Sein Universalismus kannte weder kulturelle noch rassische oder Klassenschranken.

Als erste erhob eine Hunnen-Dynastie, die Chao, den Buddhismus zur Staatskirche. Aus dieser Zeit stammt eine Kleinbronze, die älteste bekannte Buddhastatuette Chinas, datiert 338 n. Chr., heute im Asian Art Museum, San Francisco . Zwar stark schematisiert, ist an Faltenwurf und Haarbehandlung das hellenistisch geprägte Vorbild aus der nordwestindischen Landschaft Gandhara, im heutigen Afghanistan, zu erkennen. Solche Votivstatuen brachten buddhistische Mönche von Indien nach China, wo sie von den einheimischen Künstlern kopiert wurden.

Unter den Wei und den nachfolgenden Dynastien erfuhr der Buddhismus die gleiche Förderung, unterbrochen von mehreren heftigen Verfolgungen durch den Einfluss konfuzianischer und daoistischer Kreise, ohne dass dies die weitere Ausbreitung des Glaubens hemmen konnte. Eine Flut von Stiftungen ergoss sich über die Ordensgemeinschaften zur Errichtung von Klöstern, Tempeln und Weihestatuen. Die Herrscher erwarteten sich davon Gewinn für ihr Seelenheil und das Gedeihen ihrer Herrschaft, und nicht zuletzt dienten die prachtvoll ausgestatteten Heiligtümer der Darstellung ihrer Macht und Frömmigkeit.