Felsskulpturen
Die Steinplastiken des Feilaifeng
Eine weitere Gruppe yuanzeitlicher Skulpturen, die dem neu eingeführten Kult dienten, befindet sich bei Hangzhou (Prov. Zhejiang), der alten Song-Hauptstadt . Die insgesamt 280 Steinfiguren sind teils in Höhlen und Nischen, teils freistehend aus dem Fels eines steilen, bewaldeten Hügels herausgeschlagen, dem Feilaifeng. Der Name bedeutet „Gipfel, der hier her geflogen kam“, denn der Gründer des gegenüberliegenden Ling Yin si-Tempels soll in ihm den Geierhügel von Rajagriha in Indien erkannt haben, wo Buddha einst predigte. Von den Felsbildnissen, die zum Teil schon unter den Süd-Song entstanden waren, unterscheiden sich die Yuan-Skulpturen stilistisch kaum, jedoch in der Ikonographie. So erscheint Vajrapani, der Donnerkeilträger, dickleibig in tänzerischer Bewegung, ein altindischer Schutzgott, der auch im tibetischen Pantheon als Verteidiger des Glaubens Aufnahme fand. Sein dämonisches Wesen ist gekennzeichnet durch rund hervorquellende Augäpfel und das dritte Auge auf der Stirn In einer Nische sitzt in der Haltung der Königlichen Lässigkeit auf einer Lotosblüte eine beleibte Gestalt mit nacktem Oberkörper, einem rundlichen Gesicht und reich geschmückt mit Diamantenkrone und schwerem Ohrgehänge. Ein Blütenkranz fällt von der linken Schulter herab. In der Rechten hält er eine Glückskugel, aus der Linken quillt eine dreifache Perlenschnur hervor. Es ist Kubera, der altindische Gott des Reichtums .
Aus einer Grotte bricht ein gewaltiger fauchender Löwe hervor. Umhang und Schärpe seines Reiters sind vom Wind gebläht und flattern in schwingenden Kurven um ihn her. Der Geharnischte gleicht einem mongolischen Reiter. Es ist Vaishravana, Beschützer des Nordens, einst ein indischer Erdgeist. Auch er trägt nun tibetische Züge: der breite Gesichtstypus, die rollenden Augen, die hohe Lama-Krone .
Dem chinesischen Buddhismus vollends fremd ist das Auftreten von indischen Göttinnen: eine der halbnackten weiblichen Gottheiten könnte eine der Varianten Taras darstellen, der Erlöserin . Sie ist die weibliche Entsprechung eines Bodhisattvas. Sollte sie dagegen Pandara repräsentieren, wäre damit die Shakti Amitabhas gemeint, also seine Gemahlin. Ihre Nacktheit erinnert daran, dass im Vajrayana bestimmte Inkarnationen von Schutzgöttern, Bodhisattvas, ja sogar Buddhas in sexueller Vereinigung mit ihren Partnerinnen erscheinen können.
Eine andere Göttin stellt Ushnisha vijaya dar, „Die mit Hilfe des Ushnisha Siegende“ (Fo ding) . Diese Göttin ist aus der Verehrung des Ushnisha hervorgegangen, des Schädelauswuchses Buddhas, eines seiner Erleuchtungszeichen siehe auch. Die jugendliche Gottheit besitzt drei Köpfe mit drei Augen, sowie acht Arme. Sie hält neben anderen Symbolen die Attribute ihrer Macht: Vajra, Pfeil, Bogen und Schlinge.
Kaum eine dieser Gestalten erreicht die Aussagekraft der Reliefs des Juyong-Tores. Die Wildheit der Vajrayana-Gottheiten ist hier gezähmt, angeglichen an den weich fließenden kurvigen Stil der späten Song-Zeit. Die fürchterlichen Visionen der tibetischen Götter erscheinen nun in einer vom Formgefühl der chinesischen Bildhauer gemäßigten Version. Ebensowenig wie die tibetische Form des Buddhismus in China wirklich heimisch wurde, trotz kaiserlicher Förderung, so gering war die Neigung der chinesischen Künstler, diesen barbarisch empfundenen Gottheiten eine unverwechselbare chinesische Prägung zu verleihen. Wie die lamaistischen Kulte mit ihren wilden, dämonischen Aspekten, blieben sie ihnen wesensfremd. Lediglich in Imitationen tibetischer Bronzen konnte die Vajrayana-Ikonographie aufrechterhalten werden bis ins 18. und 19. Jahrhundert.
Ganz chinesischem Empfinden dagegen entspricht die Gestalt des Bu dai, des „Hanfsacks“, jenes dickleibigen, stets lachenden Chan-Mönchs, den der Volksglaube zum künftigen Buddha Mi le fo machte . In seiner Armut immer vergnügt, lachte er die Sorgen des Lebens hinweg. Seine Diesseitigkeit machte ihn so volkstümlich, dass man zu ihm mit allen Nöten kam. Er prägte die westlichen Vorstellungen vom Aussehen Buddhas. Am Feilaifeng erscheint er mehrfach, am berühmtesten ist seine Darstellung umgeben von den 16 Luohan. Mit seinem riesigen nackten Wanst, der ihm aus der Mönchskutte quillt, räkelt er sich auf seinem Bettelsack und scheint vor Lebensfülle zu bersten. Man glaubt, aus dem breit geöffneten Mund sein dröhnendes Gelächter zu hören. Ein humoristischer Zug kennzeichnet auch die äußerst lebendige Gruppe der Luohan, die sich um ihn scharen. Diese Mönche sind weise Männer auf dem Weg zur Erleuchtung. Ihre große Individualität bot den Künstlern Gelegenheit zur Charakterdarstellung bis zur karikierenden Übertreibung in Ausdruck und Gestik.
Am meisten verehrt wurde hier jedoch Guan yin, dessen Bildnis vielfach erscheint . Zu den Kultfiguren der Song-Periode gehört eine bedeutende Gruppe des höchsten Mahayana-Buddha, Vairocana, in Begleitung von Manjushri, dem Bodhisattva der Weisheit auf seinem Löwen und Samantabhadra auf seinem Elefanten. Er ist Beschützer jener, welche die Lehre darlegen und verbreiten siehe auch.
Zu den ikonographischen Besonderheiten des Feilaifeng gehört die einmalige Zusammenfassung all jener Patriarchen, die in der Entwicklung des chinesischen Buddhismus maßgebend waren: Matanga und Zhufalan mit ihren Pferden, jene indischen Mönche, welche als erste buddhistische Sutren nach Luoyang brachten , der Inder Bodhidharma (Pu ti da mo), Gründer der Chan-Sekte und Xuan Zang, der Erbauer der Großen Wildgans-Pagode in Chang an, der die heiligen Mahayana-Texte aus Indien mit sich führte.
So bietet der Feilaifeng eine Gegenüberstellung der Steinbildhauerei der Song- und der Yuan-Epoche, die einzigartig ist. Einheimische und fremde Geistesart stehen sich hier gegenüber. Wenn auch nicht durchweg geglückt, so gebührt den chinesischen Künstlern Hochachtung für den Versuch, sie miteinander zu versöhnen.