Wandmalereien
Seinen Ruhm aber begründen die Wandmalereien, die am vollständigsten erhaltenen aus der Yuan-Zeit. In der Haupthalle San qing dian stellen sie das gesamte daoistische Pantheon dar mit allen seinen Göttern der Welt- und Himmelszonen sowie deren Hofstaat .
Aus Himmelsbeobachtung, dem Volksglauben mit seiner großen Zahl von Hausgöttern und Naturgeistern, aus legendären Persönlichkeiten wie den Acht Unsterblichen (ba xian), hatte sich bis zur Song-Zeit eine vielfältige Vorstellungswelt herausgebildet, die nun von daoistischen Gelehrten zu einer Hierarchie geordnet und in einem Erlass des Song-Kaisers Huizong staatlich sanktioniert wurde. Eine solche Zusammenfassung und ihre Gesamtdarstellung in einem Malerei-Zyklus war die Antwort des Daoismus auf die weit verbreiteten Darstellungen buddhistischer Themen, vornehmlich des „Westlichen Paradieses“ oder der Predigten Buddhas. Man suchte Glaubensinhalte aus einheimischen Wurzeln zu vermitteln im Gegensatz zu dem - aus daoistischer Sicht - noch immer als fremdländisch empfundenen Buddhismus. Unter den Barbaren-Regimen der Jin und der Yuan, die ja den Buddhismus förderten, gewann der Daoismus an Einfluss in weiten Kreisen der Bevölkerung als autochtone Religion, die im Zuge einer Art „Gegenreformation“ den buddhistischen Einfluss einzudämmen suchte.
Die acht in der San qing-Halle überlebensgroß dargestellten Herrschergestalten und ihr Gefolge personifizieren im wesentlichen die Sternbilder der Himmelspole, die um den Polarstern gruppiert sind: darunter die Drei Himmelskaiser der Hauptrichtungen und die „Mutter-Königin des Westens“ (Xi Wang Mu), die große Muttergottheit der Han-Zeit, sowie der Herrscher des Obersten Himmels, der Jade Kaiser. Unter dem Gefolge befinden sich daoistische Unsterbliche, vergöttlichte Philosophen und auch Konfuzius.
Die Gestalten sind in die feierlichen Roben des Kaiserlichen Hofzeremoniells gekleidet: der göttliche Hofstaat macht den drei höchsten Gottheiten seine Aufwartung. Bei der Anhäufung von ehemals 360 Figuren - 286 sind erhalten - kommt keine Gleichförmigkeit auf. Innerhalb der dicht zusammengedrängten Gruppierungen unterscheidet sich jede Gestalt durch Haltung, Gewand und Gesichtstypus. Besonders die Charakterisierung der Köpfe zeugt von hoher Meisterschaft, wobei das Wesen jeder einzelnen Persönlichkeit treffend zum Ausdruck kommt. Neben Heroen, goldenen Jünglingen, zarten Jadefrauen geben ältere Männer und Greise Anlass zu phantasievoller Gestaltung, insbesondere die dämonenhaften Wesen unter ihnen. Ebenso bietet der Reichtum an Kopfputz, Schmuck und Kleidung eine breite Skala an Variationen. Die unterschiedlichen Handhaltungen ergeben einen weiteren Abwechslungsreichtum: manche der Gestalten tragen Geschenke, andere Ehrenschirme, Waffen oder die Hu-Täfelchen höherer Hofbeamter, zuweilen sind ihre Hände in den Gewändern verborgen. In vier Reihen übereinander geordnet schreiten sie gravitätisch auf altertümlich ornamental stilisierten Wolken.
In der eher dunklen Palette von Braun, Ocker- und Rottönen sowie hellerem Grün und Blau sind die schwarzen Konturen und die Binnenzeichnung in fast gleichbleibender Linienstärke gegeben ohne die Akzente einer persönlichen Handschrift. Da jede Einzelform in realistischer Zeichnung mit Konturen umrissen ist, entsteht in den lang fallenden Gewandfalten ein dichtes, ornamentales und elegant schwingendes Liniennetz ähnlich dem des Jugendstils. Dieser Malerei fehlt jedoch vollständig die Unmittelbarkeit und Frische der Wandbilder, die wir aus den Tang-Gräbern kennen, sie hat nichts von deren lebendigem Linienspiel, geschweige von der Spontaneität der großen Song-Meister. Die Wirkung dieser Kunst ist bedachtsam kalkuliert und mit großem Können realisiert. Die Schwere des Stils entspricht natürlich dem zeremonialen Inhalt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die gewisse Manieriertheit dieser Malerei zum Teil auf spätere Restaurierungen zurückzuführen ist.
Die Malerei in der Chun yang dian zeigt 52 Episoden aus dem Leben des Unsterblichen Lu Dong bin. Ihr Zusammenhang wird durch Landschaftsschilderungen hergestellt . Eine Szene zeigt Lu im Gespräch mit dem Meister Zhong Liquan, einem der Acht Unsterblichen. Beide scheinen auf historische Persönlichkeiten zurückzugehen. Sie genossen besondere Verehrung während der Yuan-Zeit. Hier findet sich nichts mehr von dem höfischen Zeremoniell des San qing Tempels. Die Geschehnisse werden locker und ungezwungen erzählt. Zuweilen sind Landschaft und Architektur, besonders wenn sie in einer Art Vogelperspektive dargestellt sind, mit einer gewissen Naivität einem provinziellen Tang-Stil nachgebildet. Die Figurendarstellung zeigt größere Reife.
Ähnliches gilt für die Malerei der Zhong yang-Halle, wo die Lebensgeschichte des Sektengründers Wang Zhong yang und seiner Schüler in 49 kompositorisch zusammenhängenden Szenen geschildert wird.
Die Inschriften von 1325 und 1358 in der San qing und der Chun yang-Halle nennen mehrere Maler, deren Namen sonst nirgends erwähnt sind. Ein Meister Ma Qi bezeichnet sich als Daizhao, ein Hoftitel, der nur den Malern der Kaiserlichen Akademie verliehen wurde siehe auch.
Pagoden
Die Pagode des Kyong ch’on Tempels
Die einzige erhaltene Yuan-Pagode, die aus chinesischem Formenvokabular entwickelt ist und zu einer stilistischen Eigenart gelangte, steht in Seoul. Sie war ein Geschenk des letzten Yuan-Kaisers zur Hochzeit seiner Enkelin mit dem koreanischen König. Es handelt sich nicht um ein betretbares Gebäude, sondern um einen Steinpfeiler, vergleichbar mit den Dharani-Pagoden siehe auch. Wie diese im Stile der zeitgenössischen Großpagoden ausgeführt waren, könnte die Pagode des heute verschwundenen Kyong ch’on Tempels yuanzeitlichen Großpagoden geglichen haben .
Im Kern ist ihr Grundriss quadratisch, scheint also abgeleitet vom Typus der alten Tang-Pagoden. Das Erscheinungsbild der Kyong ch’on Pagode unterscheidet sich jedoch völlig von der einfachen und klaren Struktur der Tang-Vorläufer. Während die Stockwerke der Tang-Pagoden zu einer Einheit verschmolzen sind, ihre Gestalt also stets geschlossen wirkt, behält dieses Bauwerk einen additiven Charakter. Über der Basis der drei Untergeschosse erheben sich sieben aufeinandergesetzte Pavillons, die vereinzelte Baukörper bleiben. Den obersten Pavillon krönt ein Kreuzdach ohne die Spitze des buddhistischen Juwels. Die drei unteren Geschosse verjüngen sich deutlich von Stufe zu Stufe. Vor jeden der quadratischen Kernpavillons ist nach jeder Himmelsrichtung ein vorspringender Annex angefügt. Die vier oberen Pavillons sind quadratisch und ohne Anbau, und sie verjüngen sich nur unmerklich. Dieser Unterschied zwischen unteren und oberen Geschossen hat eine deutliche Zweiteilung zur Folge. Es ist aber vor allem die metikulöse Ausarbeitung jedes einzelnen Pavillons, was die Verschmelzung zu einer einheitlichen Baugestalt verhindert. In Nachahmung von Holzkonstruktionen sind in jedem Geschoss konsolengestützte umlaufende Galerien mit Balustraden dargestellt, Pfeiler, Kapitelle, von Konsolenreihen getragene, weit vorkragende und ziegelgedeckte Traufdächer, deren Ecken nach oben gekrümmt sind. In den Einzelheiten also alles Elemente des Song-Stils.
In den drei unteren Geschossen wechseln die Dachformen dem Yuan-Geschmack gemäß, um größeren Variationsreichtum zu erhalten. Das obere dieser drei Geschosse schließt mit einem Doppeldach ab. Die Flächen zwischen den Pfeilern eines jeden Pavillons sind mit Buddhas, Bodhisattvas, Wächtern und buddhistischen Szenen vollständig ausgefüllt. Die so sorgfältig ausgeführten Details in Anlehnung an den Song-Stil werden jedoch konterkariert durch die Schwere der Dachformen, die trotz ihrer Aufwärtskrümmung plump wirken. Weil sie weit überhängen, erzeugen sie zudem tiefe Schatten, die zusammen mit den vorspringenden Annexen, Galerien, Brüstungen und Gesimsen optisch eine Unruhe verursachen, die eine architektonische Geschlossenheit verhindert.
Lamaistische Bauformen
Die Lama-Pagode
Mit der Einführung des tibetischen Buddhismus kam neben fremdartigen Kultformen auch ein neuer Architekturtypus nach China: der Chörten (Opferbehältnis) siehe auch, die tibetische Form des indischen Stupas. Dieser lamaistische Symbolbau steht in allen seinen Teilen dem altindischen Vorbild so nahe, dass er im Lande der Pagoden einen Anachronismus darstellte, ein von der Entwicklung der Pagode aus gesehen, längst überwundenes archaisches Stadium.
Der formale Unterschied zum indischen Stupa besteht darin, dass die Kuppel des Chörten eher einem Zylinder gleicht, als einer Halbkugel, einem Zylinder, der unten zu einer Taille eingeschnürt ist und über dem sich ein mächtiger Kegel erhebt mit 13 eingekerbten Ringen, die aus den Ehrenschirmen des Stupa entstanden sind. Diese Baugestalt erhielt die treffende Bezeichnung „Flaschenstupa“. In China wird sie ebenfalls ta genannt, Pagode siehe auch siehe auch siehe auch. Neben der grundsätzlichen Symbolik der Verkörperung des Buddhawesens und ihrer Funktion als Reliquienschrein, welche die lamaistische Pagode mit der chinesischen gemein hat, besitzt sie noch eine esoterische.
Symbolik der Lama-Pagode
Es ist eine kosmische Symbolik, worin die Bauglieder mit kosmischen Zonen gleichgesetzt werden, die zugleich Existenz- oder Bewusstseinsebenen manifestieren, welche der Erlösungsuchende durchlaufen muss, will er die höchste Erkenntnis gewinnen. In jeder dieser Zonen wirkt einer der fünf Dhyani-(Meditations)-Buddhas siehe auch siehe auch. Vier von ihnen sind oft an der Außenseite des lamaistischen Stupas dargestellt, jeweils in der Himmelsrichtung, welcher sie vorstehen. Der rechteckige Sockel entspricht dem Element Erde. Hier wirkt Ratna-sambhava. Er ist zugleich der Buddha des Südens. Der eigentliche Stupa, die einstige Halbkugel, symbolisiert das Element Wasser, den Urozean, in dem das kosmische Bewusstsein existiert. Es ist die Ebene des Akshobhya, dessen Paradies im Osten liegt. Der Kegel, den die Ehrenschirme bilden, ist die Zone des Elements Feuer. Ihr steht Amitabha vor, Herr des Reinen Landes im Westen. Die folgenden Elemente sind in dem kupfernen Baldachin enthalten, welcher die Lama-Pagode krönt: Sonnenscheibe und Halbmond, vereint zum Symbol der All-Einheit, stellen das Element Luft dar. Ihr Buddha ist Amoghasiddhi, Herr des Nordens. Darüber manifestiert die Flamme das Element des Geistigen, den Äther. Sie weist hinauf zum nicht mehr Darstellbaren, zum Nirvana. Im Äther, dieser höchsten vom Bewusstsein noch fassbaren Seinsschicht, wird Vairocana gedacht, der Buddha des Zenits. Da er die Mitte beherrscht, wird er als der höchste Buddha angesehen und oft gleichgesetzt mit dem Adi-Buddha, dem allumfassenden Urbuddha, dessen Sitz sich im Zentrum des Stupa befindet, d. h. im Zentrum des Universums.
Die Pagode des Miao Ying si
Die älteste Lama-Pagode Chinas steht im „Tempel der Vollbrachten Wunder“ (Miao ying si) in Peking siehe auch . Der mächtige Ziegelbau erhebt sich weithin sichtbar über seiner Umgebung. Seine Ummantelung aus weißem Putz verlieh ihm den Namen „Weiße Pagode“ (Bai ta). An dieser Stelle stand einst ein Liao-Schrein aus dem Jahre 1096, den Kublai Khan 1271 öffnen ließ. Zur Aufbewahrung der Reliquien, die sich darin fanden, ließ er diese Pagode errichten. Der quadratische, zweistufige Sockel springt an jeder Seite zweifach vor und nimmt damit die Form des Mandala an, des magischen Diagramms, das an allen vier Seiten „Tore“ besitzt zum spirituellen Eintritt. Die Horizontalschichtung der Gesimse entspricht den verschiedenen Bewusstseinsstufen, welche auf dem Weg zur Erlösung durchlebt werden. Es folgt ein Kranz von riesigen Lotosblättern, aus dem der eigentliche „Körper“ des Chörten emporwächst, die zylindrische Kuppel. Darüber steigt von einer Basis, welche die Form des Sockels wiederholt, die gewaltige Kegelspitze auf, gekrönt von einem ausladenden Baldachin, von dessen Rand mächtige Bronzeplatten herabhängen.
Dieses Bauwerk wurde zum Prototyp aller späteren Lama-Pagoden Chinas. Als Typus ist es die letzte Neuerung, welche die chinesische Architektur aufgenommen hat. China hat seither keine neuen Bauformen entwickelt, sondern den überlieferten Formenkanon in vielfältigen Variationen kombiniert. Die lamaistischen Tempelanlagen haben sich dem axialen Schema der chinesischen angeglichen.
Das Tor des Juyong-Passes
An der Grenze zwischen Hebei und der inneren Mongolei erhebt sich ein Bauwerk von besonderer Eigenart: der Torbau des Juyong guan (1342 bis 1345), eines Passes in der Nähe der Großen Mauer, nördlich von Peking, der „Turm (oder Pagode), der über der Straße steht“, „Guo jie ta“ .
Die Straße, welche hindurchführte, verband die Sommerresidenz Kublei Khans Shangdu mit Peking. Der Steinbau war nicht Teil einer Befestigungsanlage, denn die Große Mauer war damals ohne strategische Bedeutung. Es handelt sich vielmehr um ein Triumph-Tor des Lamaismus. Es besteht aus einer quadratischen Plattform, durch welche ein tunnelartiger Durchgang führt. Die Terrasse ist über eine Treppe zugänglich. Die Pfosten der sorgfältig gearbeiteten ornamentierten Balustrade tragen das buddhistische Juwel. Die Steinbalken sind von kleinen Konsolen gestützt, wie sie in der Holzarchitektur Verwendung fanden. Ein Kranz von Wasserspeiern bildet nach außen plastische Akzente unter dem Geländer. Es entsprach vermutlich dem der Yuan-Paläste, denn ähnliche Balustraden schmückten später die kaiserlichen Palast-Terrassen. Der Widerspruch zwischen der detaillierten Durchgestaltung seiner Schmuckteile und der Schlichtheit des leicht geböschten Steinblockes macht die Überlieferung wahrscheinlich, dass es sich hier um den Unterbau einer Pagode handelt, worauf auch der Name hindeutet.
Der Torbogen ist abgekantet wie eine Holzkonstruktion, sodass über den Seitenwänden zwei Schrägflächen entstehen, die eine flache Decke verbindet. Dennoch ist der „Bogen“ in echter Wölbung gemauert. Vielleicht hat man auf die Gewölberundung verzichtet, um Flächen zu schaffen für die Mandalas der fünf höchsten Meditations-Buddhas, die hier nach Art von Holzkassettendecken ausgemeißelt sind.