Figurenmalerei
Die bedeutenden Maler der Qing-Dynastie - durchweg Literatenmaler - widmeten ihre Aufmerksamkeit weiterhin den klassischen Themen des wenrenhua: der Pflanzen- und zuweilen auch der Tiermalerei und der Landschaft. Figurendarstellung als Hauptmotiv eines Bildes kam bei ihnen nur selten vor. Wenn die menschliche Gestalt bei den führenden Meistern auftaucht, so gewöhnlich in landschaftlichem Kontext. Man überließ das Figurenthema weitgehend den professionellen Malern religiöser Stoffe, den Porträtspezialisten von Ahnenbildnissen und den Hofmalern. Die Figurenmalerei kam bei diesen nicht über Tang Yin siehe auch und oder Qiu Ying siehe auch hinaus, deren Niveau niemals erreicht wurde. Unter den Figurenmalern am Kaiserhof sind Leng Mei (ca. 1677-1742) und Yu Zhiding (1647-1705) erwähnenswert.
Leng Mei fußte auf Qiu Yings höfischen Szenen. In seinen besten Bildern knüpft er an die Tradition der Tang-Hofmalerei an, an einen Typus von Gewandfiguren wie ihn Zhou Fang siehe auch siehe auch oder Zhang Xuan vertreten hatten . Seine Frauenbildnisse sind von zarter Delikatesse, doch gewöhnlich recht puppenhaft. In den gelungensten Arbeiten bleibt das hauchfeine Linienspiel der Gewandfalten fließend, trotz äußerster Genauigkeit, im Gegensatz zur Manieriertheit und Starre der damals üblichen Hofmalerei.
Den Gewandstil Yu Zhidings in seinen eleganten Frauenfiguren hat man mit dem des Tang-Meisters Wu Daozhi siehe auch verglichen wegen des wellenartig schwingenden Lineaments in bai miao-Technik, das man mit dem Tang-Maler in Verbindung bringt .
Versuche, den kalligraphischen Duktus der chan-Malerei in der Figur wiederzubeleben, gelangen nur wenigen. Die Bemühungen zum Beispiel des Kaisers Shunzhi in dieser Richtung wirken dilettantisch. Dagegen haben einige der Literatenmaler zuweilen bemerkenswerte Figurenbilder geschaffen, ohne dass jedoch eine besondere Entwicklung des Themenkreises zu verzeichnen wäre. Einige dieser Meister sind hervorzuheben. Zhang Feng siehe auch schrieb seine Gelehrten- und Literatenfiguren in lockerem, kalligraphischem Duktus mit wenigen sicheren Pinselzügen nieder . Expressiv hingeworfen, schon fast wieder in Auflösung begriffen, sind die Gestalten von Philosophen oder Poeten des Fingermalers Gao Qipei siehe auch .
Luo Ping (1733-1799), einer der letzten großen Individualisten, malte Dämonenwesen, charaktervolle alte Männer und buddhistische Heilige mit betont kantigen Linien und in exzentrischem Stil, wobei die Gewänder zuweilen Holzstrukturen gleichen . Auch griff er auf den Figurenstil Chen Hongshous zurück mit seinen dünnen, leicht schattierten „Eisendrahtlinien“. Immer aber findet sich ein humoristischer oder gar ironischer Zug in seinen Darstellungen. Es ist die Sichtweise des chan-Mönchs, der dieser flüchtigen Welt keine ernsthafte Bedeutung zumisst.
Eine verwandte Geisteshaltung zeigen die Arbeiten Huang Shens (1687 - ca.1768) siehe auch, der sich neben Holzfällern und Fischern gerne Dichter, Philosophen und daoistische Unsterbliche zum Vorwurf nahm . Die Leichtigkeit seines Pinselstrichs, oft skizzenhaft und flüchtig, erfasst die Geschilderten lebendig und humorvoll. So leicht sie geführt sind, so präzise sind seine Linien. Oft weisen sie in kantigen Gewandfalten eine sensible Differenzierung auf zwischen hellen und dunklen, breiten und dünnen Pinselspuren. Mit zarten Lavierungen und leichten Farben schafft er eine schwebende Atmosphäre.
Von dieser Art Malerei war auch Ren Bonian (1840-1896) siehe auch beeinflusst, der zu den Gründern der Shanghai-Schule gehörte . In seinen Darstellungen historischer Persönlichkeiten führte er den lockeren Pinselstrich der Individualisten des 17. und 18. Jahrhunderts, den er mit kraftvollen Farblavierungen unterstützte. Ein „westlicher“ Blickwinkel, der den subjektiven Standpunkt des Betrachters einbezieht, verleiht seinen Bildern etwas Ausschnitthaftes, wodurch der Eindruck einer Illustration entsteht. Bildhafte Eigenständigkeit, die in Struktur, Aufbau und Formensprache einer Komposition liegt, ist hier geschwunden. Der Bezug zur Tradition wird nur noch maltechnisch und mit Hilfe des literarischen Gehalts aufrecht erhalten. Die vielschichtige Beziehungsvielfalt der älteren Meister zu ihren Vorgängern scheint verloren gegangen zu sein.