Geschichte
Aus den Wirren am Ende der Qin-Dynastie ging ein Mann des Volkes siegreich hervor, ein Bauernsohn aus Shandong, Liu Bang (Kaisername Gao Zu). Er gründete eine der langlebigsten und mächtigsten Dynastien der chinesischen Geschichte: die Han-Dynastie. Nach Lage der jeweiligen Hauptstadt unterteilt sich die Epoche in Westliche Han, mit der Hauptstadt Changan, dem heutigen Xi’an (206 v. Chr. - 9 n. Chr.) und in Östliche Han, mit der Hauptstadt Luoyang (25-220 n. Chr.). Das kurze Interregnum wurde von dem letztlich erfolglosen Usurpator Wang Mang beherrscht.
Die Han bauten auf dem Verwaltungsapparat der Qin auf. Unter ihnen wurde die Staatsprüfung für Beamtenanwärter eingeführt, ein System, das bis zum Ende des Kaiserreichs erhalten blieb. Jeder, gleich welcher Herkunft, der in den Staatsdienst eintreten wollte, musste sich diesem Examen unterziehen. Da eine vielseitige Bildung gefordert wurde, basierend auf der konfuzianischen Morallehre und nicht zuletzt auf Kenntnissen in Literatur und Kunst, entstand eine breite Schicht Intellektueller, welche die Künste pflegten und auch selbst ausübten.
Die drakonischen Strafen und die unerträgliche Zwangsbesteuerung, welche zu den Aufständen geführt hatten, wurden abgeschafft. Der Feudaladel blieb von der Zentrale abhängig. Jedoch gewann eine neue Schicht zunehmenden Einfluss: Landbesitzer, die immer größere Latifundien an sich brachten, einmal durch Landgewinn im neu eroberten Südchina und dann durch verbesserte Anbautechniken wie Bewässerung und die Verbreitung eiserner Geräte. Die Bevölkerung wuchs an. Auch stieg der Wohlstand der mittleren Schichten. Der Handel blühte. Bergbau, Metall- und Salzgewinnung führten zu Monopolen. Neben dem politischen Druck der Großgrundbesitzer waren die Han während ihrer gesamten Regierungszeit mit einem sich stets wiederholenden Problem konfrontiert: dem Versuch der Kaiserinnen-Familie durch Komplotte die Macht zu gewinnen. Besonders in der Spätzeit erlangten Eunuchen am Hofe unheilvollen Einfluss. Sie eroberten zuletzt, Ende des zweiten Jahrhunderts, durch Intrigen und Mordkampagnen die Regierungsgewalt, waren aber unfähig, das Reich zu verwalten. In Bürgerkrieg und Chaos ging die Dynastie zugrunde.
Der Eingliederung des Südens unter den West-Han, der Unterwerfung Nordvietnams und Nordkoreas, folgte stets eine allmähliche Kolonisierung, welche eine Sinisierung der einheimischen Kulturen nach sich zog. Das Gefälle zwischen der chinesischen Hochkultur und der sie umgebenden weniger entwickelten Gesellschaften bewirkte sozusagen ein Vakuum, in welches die Han politisch und kulturell geradezu zwangsläufig eindrangen. Zugleich wirkte gewiss auch der Bevölkerungsdruck in den Kerngebieten des Reiches.
Anders im Norden und Nordwesten. Die Auseinandersetzung mit einem zentralasiatischen Reitervolk wurde bestimmend für die Entwicklung des Han-Reiches. Immer wieder brachen die Xiongnu in China ein, wahrscheinlich Vorfahren der Hunnen, die später Europa überrannten. Weder die Mauer noch Tributleistungen hielten sie ab. Ja, man schickte ihnen sogar Prinzessinnen. Gegen ihre schnellbeweglichen Horden waren die Han machtlos. Erst die Aufstellung großer Reiterheere ermöglichte es den Han-Kaisern, sie jenseits der Großen Mauer anzugreifen. In diesen Feldzügen dehnte sich das Reich bis nach Zentralasien aus, mehr gezwungen als mit imperialen Absichten. Denn China war autark, besonders nach Hinzugewinnung des Südens. Ackerland und Siedlungsflächen waren genügend vorhanden, ebenso die wichtigsten Bodenschätze.
Konnten die Chinesen bis dahin anderen Völkern gegenübertreten mit dem Bewusstsein der Überlegenheit ihrer Gesittung und Zivilisation, so trafen sie jetzt auf eine ebenbürtige Kultur, welche ihre eigene entscheidend prägen sollte: auf den Buddhismus, der aus Indien nach Zentralasien gelangt war.
Die chinesische Präsenz in dieser Region hatte eine weitere wichtige Folge, nämlich das Aufblühen des Handels und die Eröffnung von Handelswegen, die bis ins Römische Reich führten. Als Abgesandter des Kaiserhofs durchquerte ein hoher Militärbeamter namens Zhang Qian Innerasien, um Verbündete gegen die Xiongnu zu gewinnen. Er suchte Kontakt mit den Yue Qi, einem Reitervolk, das von den Xiongnu vertrieben worden war und später einen mächtigen Staat in Nordwest-Indien errichten sollte, das Kushan-Reich. Als Zhang Qian, nach zwölf Jahren, 126 v. Chr. nach Changan zurückkehrte, hatte er eine völlig neue Welt kennengelernt: die vom Hellenismus überlagerten Kulturen des Iran und der östlich angrenzenden Gebiete. In den kommenden Jahrhunderten folgten Wirtschafts- und Kulturgüter nach beiden Richtungen seinem Weg. Er hatte, ohne es zu ahnen, die Seidenstraße eröffnet. Zu den begehrtesten Handelsgütern, die aus dem Iran, besonders aus der Landschaft Ferghana, eingeführt wurden, zählten Pferde. In der Frühzeit der Dynastie waren sie so wertvoll und rar, dass selbst der Kaiser im Ochsenkarren fahren musste. Die Pferderassen der Steppenvölker waren besonders geschätzt wegen ihrer Ausdauer und Zähigkeit.