Geschichte

Schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts hatten sich im Norden tungusische Stämme zu einem Staatsgebilde zusammengeschlossen, das auf Grundlage einer straffen militärischen Organisation eine bedeutende Schlagkraft entfaltete und so naturgemäß zur Expansion drängte. Bereits im 12. Jahrhundert hatten Tungusen große Teile Nordchinas erobert und als Jin-Dynastie von 1115 bis 1234 geherrscht siehe auch. Auf diesen Dynastienamen griff der Staatsgründer Nurhaci (Reg. 1583-1626) zurück und verdeutlichte so, dass er zwei Traditionen folgte: der seines Volkes und der des chinesischen Kaisertums. Mit der Einführung einer eigenen Schrift schuf er eine wesentliche Voraussetzung für eine Staatsverwaltung. Anders als die Mongolen, waren die Mandschu, wie sie sich als Volk nannten, von der chinesischen Kultur angezogen. Nach einem Sieg über die Ostmongolen, wobei das Reichssiegel der Yuan erobert wurde, und mit der Umbenennung der Dynastie in „Da Qing“ (Große Reinheit) 1636, erhob Huangtaiji (Abahai, Reg. 1626-1643) den Anspruch auf den chinesischen Kaiserthron, den erst sein Nachfolger Shunzhi (Reg. 1644-1661) besteigen sollte. Wirtschaftliche Maßnahmen und militärische Interventionen der Ming suchten den jungen Staat niederzuzwingen, doch sie scheiterten. Den Mandschu lag der desolate Zustand des Ming-Reiches offen vor Augen: der Hof von Intrigen zerrissen und isoliert von den Untertanen, der Kaiser unfähig zu handeln, die Beamtenschaft frustriert, soweit sie loyal war, oder sie war korrumpiert, das Bürgertum ohne politischen Einfluss, die Masse des Volkes in Elend und Aufruhr.

Noch während der Besetzung Nordchinas siehe auch warb die mandschurische Führungsschicht um einflussreiche chinesische Würdenträger und suchte sie auf ihre Seite zu ziehen. Beispielhaft dafür ist ein berühmter Briefwechsel zwischen dem Mandschu-Regenten Prinz Dorgan und dem Ming-General Shi Kefa. Mochten solche Versuche auch gewichtige politische Gründe gehabt haben, so zeigen sie zugleich das Bemühen, den Chinesen nicht als Barbaren gegenüberzutreten, sondern als kulturell ebenbürtig auf dem Boden chinesischer Tradition und konfuzianischen Denkens. Die Mandschu wollten nicht als fremdländische Eroberer angesehen werden, sondern als legitime Nachfolger der Ming.

Nachdem sie 1644 von dem Ming-General Wu Sangui als Verbündete gegen die Rebellenarmeen ins Land geholt worden waren, blieben die Mandschu als Herrn. Aber sie taten alles, um ihre Legitimität zu beweisen: Peking wurde nicht geplündert, das zivile Leben konnte ungehindert seinen Fortgang nehmen, und man erwies dem letzten Ming-Kaiser alle ihm zukommenden Ehren einer zeremoniellen Bestattung. Auf diese Weise suchte man den Herrschaftsanspruch durch eine scheinbare Kontinuität zu untermauern. Man hatte ja auch nicht gegen die Ming gekämpft, sondern gegen illegitime Rebellen. Diese Fiktion ließ sich jedoch nicht lange aufrecht erhalten, denn in Südchina formierte sich der Widerstand von Ming-Loyalisten. Nach dem Fall von Yangzhou 1645, das von Shi Kefa verteidigt wurde, fand ein zehn Tage dauerndes Gemetzel unter der Bevölkerung statt. Die Kämpfe sollten sich noch vierzig Jahre hinziehen unter verschiedenen Ming-Prinzen, die, anstatt ihre Kräfte zu vereinigen, unabhängig voneinander Krieg führten und unterlagen. Der General Wu Sangui, als Statthalter nomineller Untertan der Mandschu, herrschte praktisch unumschränkt im Westen. Der Versuch, sein Gebiet unabhängig zu machen und eine Dynastie zu gründen, scheiterte endgültig 1681. Damit waren die Qing unangefochtene Herrn Chinas.

Sie behielten im wesentlichen die Organisation der Ming-Verwaltung bei, zumal diese ihrer eigenen Administration zum Vorbild gedient hatte, seit mit der Ausweitung ihres Staatsgebietes die überkommene Feudalordnung nicht mehr den Anforderungen genügte. Militärische Großverbände nach Art der chinesischen Garnisonen, nach ihren Standarten „Banner“ genannt, bildeten die Grundlage der mandschurischen Macht. Bereits seit 1636 wurden auch chinesische Banner aufgestellt. Wie die Yuan hatten die Mandschu das Problem der zahlenmäßigen Unterlegenheit, weshalb eine effektive militärische Organisation überlebenswichtig war. Zu den Bannern gehörten die Familien der Soldaten, die im Frieden als Bauern oder Handwerker ihren Berufen nachgingen. Für den Unterhalt der Banner wurden in China riesige Ländereien beschlagnahmt, bis die Mandschu-Herrschaft Ende des 17. Jahrhunderts endgültig konsolidiert war. Ämter wurden paritätisch von Mandschuren und Chinesen besetzt, um eine loyale chinesische Beamtenschaft in die Qing-Verwaltung zu integrieren. Dabei wurden allerdings Mandschuren allgemein und insbesondere Bannermitglieder bevorzugt. So mussten sie beispielsweise keine der strengen literarischen Beamtenprüfungen ablegen. Auch hatten sie in den höchsten Regierungsorganen das Übergewicht. Das Prüfungssystem wurde beibehalten. Besonders die höchsten Staatsprüfungen (jin shi) wurden äußerst restriktiv gehandhabt. Von einigen tausend chinesischen Bewerbern bestanden nur wenige hundert. Für den Durchgefallenen bedeutete dies einen schweren Gesichtsverlust, weshalb viele Kandidaten sich den Examina erneut stellten. Wie schon in früheren Dynastien scheiterten originelle Geister - darunter zahlreiche Künstler - am starren Formalismus der Prüfungen, und auch Selbstmorde kamen immer wieder vor. Während in der Ming-Zeit die meisten missglückten Promotionen lediglich jener verknöcherten Formalisierung zuzuschreiben sind, trat nun eine politische Steuerung hinzu, um die Zahl der von Chinesen besetzten höchsten Ämter möglichst gering zu halten.

Suchte man auf der einen Seite traditionelle chinesische Einrichtungen aufrecht zu erhalten, wie den Konfuzianismus, in dessen Sinn die Beamtenschaft erzogen wurde, so wurde andererseits die Herrschaft autoritär und absolutistisch ausgeübt. Vermutete Regimegegner wurden erbarmungslos verfolgt und eine Reihe Zwangsmaßnahmen eingeführt. Die bekannteste und von den Chinesen anfangs meist gehasste war die Kleiderordnung: als Zeichen der Unterwerfung hatten die Männer bei Todesstrafe mandschurische Tracht und den langen Zopf zu tragen. Ehen zwischen Mandschuren und Chinesen waren verboten.

Soweit Änderungen in der Staatsverwaltung vorgenommen wurden, galten sie der Stärkung der autokratischen Stellung des Kaisers. Das Innere Kabinett oder Großsekretariat (neige) siehe auch verlor Anfang des 18. Jahrhunderts an Einfluss. Seine Stelle nahm seit 1729 ein geheimer Staatsrat ein (jun ji chu), mit welchem der Kaiser alle zentralen Probleme beriet. Das Zensorat blieb bestehen als Gegengewicht zum Staatsrat. Zu den sechs Hauptministerien kam ein Amt für die Außengebiete. Eine solche Aufteilung der Macht erleichterte dem Kaiser deren Kontrolle. Zudem ernannte er persönlich die höchsten Beamten. Drei Banner des Heeres waren ihm unmittelbar unterstellt.

Dennoch waren dem Absolutismus Grenzen gesetzt. So trafen Mitte des 18. Jahrhunderts bestimmte Maßnahmen der Zentrale auf zähen Widerstand in der Beamtenschaft. Der Apparat hatte sich bereits so stark verselbständigt, dass er seine eigenen Interessen allmählich durchsetzen konnte. So war das reformierte Steuerwesen, das unter anderem große Erleichterungen für die Masse der Kleinbauern brachte, den Beamten ein Dorn im Auge, da auf diese Weise erhebliche Einnahmequellen versiegten. Und dies, obwohl die Beamtengehälter heraufgesetzt worden waren, gerade um die Steuereinnehmer davon abzuhalten, ungerechtfertigte Abgaben einzutreiben. Es waren aber auch die legalistischen Methoden der Zentralgewalt, wogegen die Beamtenschaft opponierte. Sie strebte direkteren Einfluss auf Verwaltungsentscheidungen an, in erster Linie auf der unteren Ebene. Das heißt altüberlieferte „konfuzianische“ Rechte sollten nicht angetastet werden, was natürlich auch Nachlässigkeit sowie Korruption und die üblichen Pressionen beinhaltete. Gewisse Einschränkungen erlegte sich der Absolutismus selbst auf. Es war ein Grundsatz der Mandschu-Politik, möglichst wenig in die chinesischen Verhältnisse einzugreifen, da man so die konservativen Eliten zu gewinnen suchte. Dies war auch der Grund, weshalb Großgrundbesitz nicht weiter enteignet wurde, nachdem die Bedürfnisse der Banner befriedigt waren und weshalb es nie zu echten Sozialreformen kam. Die führenden Schichten duldeten die Fremdherrschaft, da diese weitgehend in ihrem Sinne agierte und ihre Privilegien nicht antastete.

Es war ein Glücksfall für die Qing und das Reich, dass von der Frühzeit bis etwa zur Mitte der Dynastie drei bedeutende Herrscher aufeinander folgten. Denn insgesamt brachten sie Frieden und Wohlstand und den Menschen im allgemeinen bessere Lebensumstände. Kaiser Xuanye (Reg. 1661-1722), nach seiner Regierungsdevise Kangxi genannt, übernahm bereits mit vierzehn Jahren die Regierungsgeschäfte selbst und entmachtete den mächtigen Clanführer und Regenten Oboi. Während dieser, ähnlich wie die Yuan, eine klare Vormachtstellung des Eroberervolkes durchsetzen wollte, erkannte Kangxi, dass nur ein Ausgleich mit den chinesischen Untertanen den Mandschu auf Dauer die Macht sichern konnte. Zu seinen wichtigsten Maßnahmen gehörten die Steuerbefreiung für die in den Kriegen verwüsteten Gebiete und die Abschaffung des Dienstleistungszwangs für öffentliche Arbeiten. Zudem wurden die Steuern auf dem gleichen Niveau eingefroren, das bereits 100 Jahre zuvor gültig war. Die Folgen von Missernten suchte man durch Steuererleichterungen aufzufangen. Ausgedehnte Arbeiten wurden zur Regulierung des Huang He vorgenommen, ebenso umfangreiche Ausbesserungen des Kaiserkanals.

Bewusst trat Kangxi in die Nachfolge des chinesischen Kaisertums, ohne mandschurische Überlieferungen zu leugnen. Die großen Staatsriten wurden in chinesischer Tradition abgehalten, während schamanische Kulte im Palast ausgeübt wurden. Durch seine Politik manifestierte er den Anspruch auf Universalherrschaft, das heißt auf die Herrschaft über alle Völker Chinas. Demzufolge suchte er Konflikte und Gegensätze zwischen den verschiedenen Volksgruppen zu schlichten, hauptsächlich Streitigkeiten zwischen mandschurischen und chinesischen Amtsträgern oder Bannerleuten und anderen Ständen. Um seine Verbundenheit mit dem Süden zu zeigen, von wo so lange Widerstand ausgegangen war, und um einer alten Kaisertradition gerecht zu werden, unternahm er sechs Inspektionsreisen in den Süden, deren Verlauf von Hofmalern in allen Einzelheiten festgehalten wurde.

Nach der Niederringung des Wu Sangui-Aufstandes war das Kernland befriedet. Nur im Südosten beunruhigten Piratenüberfälle die Küstenstädte. Die Seeräuber operierten von Formosa aus, das sie 1661 eingenommen und die Holländer vertrieben hatten. Ihr Anführer, im Westen als Koxinga bekannt, hatte sich zeitweise den Ming zur Verfügung gestellt, war aber mit seinem über 100.000 Mann starken Heer von den Mandschu geschlagen worden. Mit der Eroberung und Annexion der Insel 1663 machten die Mandschu dem Piratenwesen ein Ende.

Im Nordwesten entstand ein neues Machtzentrum. Unter ihrem Herrscher Galdan (Reg. 1676-1697) suchten die Westmongolen (Oiraten oder Dsungaren) wieder ein mongolisches Großreich zu errichten. Sie eroberten Ostturkestan und wandten sich dann nach Osten, um die mit den Mandschu verbündeten Ostmongolen (Khalkha) ihrem Reich einzuverleiben. Nachdem Verhandlungen gescheitert waren, griff Galdan die Khalkha an, was diese veranlasste, sich dem Qing-Reich zu unterstellen. In den folgenden Kämpfen unterlagen die Oiraten den mandschurisch-chinesischen Truppen. Galdans Nachfolger Rabtan (Reg. 1697-1727) herrschte weiterhin über Ostturkestan, die westliche Mongolei und Teile Südsibiriens. 1717 fiel er in Tibet ein. Um zu verhindern, dass der Dalai Lama unter oiratischen Einfluss geriet, was Auswirkungen auf die lamaistischen Khalkha-Mongolen haben würde, entschloss sich Kangxi 1720 zum Eingreifen in Tibet. Nach dem Sieg über die Mongolen verblieb ein Kontingent chinesischer Truppen dort bis Tibet 1751 als Protektorat dem Qing-Reich angeschlossen wurde.

Welche Bedeutung Kangxi dem Lamaismus beimaß, zeigt die Tatsache, dass er einen Großlama mit Sitz in Peking berief, der die Belange der tibetischen und mongolischen Anhänger vertrat und der theologisch in einem synkretistischen Sinne wirkte, indem er chinesische Gottheiten in das tibetisch-buddhistische Pantheon einband. Die Mandschu förderten den Lamaismus nach Kräften. So besuchte der fünfte Dalai Lama bereits 1651 Peking. Die aus diesem Anlass errichtete „Weiße Pagode“ (Bai Ta) siehe auch ist nur ein Beispiel einer Reihe buddhistischer Sakralbauten der Qing-Zeit. Ebenso förderten die Mandschu tibeto-buddhistische Kunst. Kaiser Qianlong ließ sich sogar auf einer Tangka als Großlama darstellen mit einem geistigen Stammbaum, der über tibetische Patriarchen bis zu Buddha Shakyamuni reicht. Übersetzungen der heiligen Schriften Kanjur und Tanjur ins Mongolische veranlassten eine umfangreiche Begleitliteratur, darunter auch Wörterbücher und Sprachlehren.

Allgemein setzte unter Kangxi eine gewaltige Aktivität auf allen wissenschaftlichen Gebieten ein, die bis in die Regierungszeit Qianlongs andauerte. Die Bemühungen, alles Wissen der Zeit und der Vergangenheit zu sammeln, stand jenen der Ming-Zeit nicht nach, ja übertraf sie auf zahlreichen Feldern. Unter kaiserlicher Protektion entfaltete sich ein ungeheuerer Gelehrtenfleiß. Es entstanden riesige Enzyklopädien mit bis zu 10.000 Kapiteln. Kangxi ließ eine Geschichte der Ming verfassen und ein Lexikon der Schriftzeichen. Unter ihm erschien eine Kompilation sämtlicher Tang-Gedichte und eine Enzyklopädie der Kalligraphie und Malerei in einhundert Bänden. Wie die Ming-Kaiser protegierte er die Jesuiten an seinem Hof, deren Kenntnisse von Technik, Astronomie und Mathematik er als Bereicherung des chinesischen Wissensstandes erkannte. Alle diese kulturellen Aktivitäten waren stets mit einem politischen oder zumindest mit einem praktischen Kalkül verbunden. Die Beschäftigung ganzer Heere von Gelehrten diente nicht zuletzt dazu, die Aufmerksamkeit der Intellektuellen auf politisch unbedenkliche Betätigungsfelder zu lenken. Welche Anstrengungen die Qing-Kaiser unternahmen, sich in die Tradition ihrer Vorgänger einzufügen, zeigt auch ihre Sammeltätigkeit. Kaiserliche Sammlungen bedeuteten von jeher weit mehr als eine Liebhaberei des Monarchen. Sie schufen nicht allein Prestige und demonstrierten kaiserliche Macht, sondern die Kunstwerke, insbesondere natürlich antike Objekte, manifestierten kulturelle Kohärenz und bedeuteten somit auch politische Legitimität. Ursprünglich hatten die kaiserlichen Schätze, wie Bronzegefäße, Dreifüße, Jade, Waffen und anderes geradezu magische Funktion. Sie galten als Garanten der Macht und als Beweis für das Mandat des Himmels. Ebenso ist aus den persönlichen Bemühungen der Mandschu-Kaiser, sich traditionelles chinesisches Erbe anzueignen zu ersehen, wie hoch sie die chinesische Kultur schätzten, ja als überlegen anerkannten. Sie betrieben Musik, Malerei, Dichtung und Kalligraphie. Kangxi schrieb 1.000 Zeichen täglich und übte sich in allen Schriftarten. Über 1.000 Gedichte in chinesisch sollen von ihm stammen.

Sein Nachfolger Yinzheng (Regierungsname Yongzheng, Reg. 1722-1735), vermutlich durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen, setzte die Konsolidierungspolitik seines Vaters fort. Eine Steuerreform brachte größere Steuergerechtigkeit und Erleichterungen für die Landwirtschaft, vor allem für die Kleinpächter. Yongzheng führte ein Rechnungsprüfungswesen ein und unterwarf die Beamten scharfen Kontrollen. Zugleich erhöhte er ihre Gehälter. Damit und mit der „Pflege der Unbestechlichkeit“ (yang lian), das heißt dem Recht, überhöhte Steuern bis zu einer festgelegten Höchstgrenze einzutreiben, suchte er dem üblichen amtlichen Missbrauch zu begegnen. Unter seinen Nachfolgern hatte diese Regelung das Gegenteil zur Folge, denn wegen nachlassender Überwachung bereicherten sich die Steuereintreiber rücksichtslos. Unter Yongzheng wirkten sich diese Maßnahmen jedoch positiv aus. Da zugleich Manufakturen und Binnenhandel gefördert wurden, erlebte das Land eine wirtschaftliche Blüte, die dem Staatshaushalt enorme Überschüsse einbrachte. Auch in privater Hand sammelten sich riesige Vermögen, hauptsächlich bei der Kaufmannschaft und da besonders im Salzhandel. Der Außen- und Überseehandel spielte dagegen noch eine geringe Rolle. China wurde autark und bedurfte kaum fremder Güter. Man beschränkte den Seehandel auf wenige Häfen.

Außenpolitisch hatte Yongzheng sich weiterhin mit den Westmongolen auseinanderzusetzen. Unter seinem Nachfolger kam es zu einem Vertrag (1738), worin das Altai-Gebirge als Grenze festgelegt wurde, und wodurch sich die Lage in Zentralasien eine Zeit lang stabilisierte.

Durch Reorganisation an der Staatsspitze, wie die Einführung des geheimen Staatsrates und die Entmachtung des Großsekretariats, festigte er seine absolutistische Machtstellung. Ähnlich wie Ludwig XIV. befahl er die Fürsten und Prinzen des Reichs an den Hof, wo er sie unter Kontrolle hatte und ihren politischen Einfluss beschneiden konnte. Der Überwachung der Beamten diente ein ausgedehntes Spitzelsystem. Strenge Gesetze, nicht zuletzt gegen Korruption, und die straff gegliederte Staatsorganisation sollten den kaiserlichen Legalismus bis in die untere Verwaltungsebene durchsetzen.

Yongzheng war dem Buddhismus zugeneigt und förderte die Sammlung und den Druck buddhistischer Schriften. In der christlichen Mission sah er eine Gefahr. Er ließ daher Missionare ausweisen und Kirchen zerstören. Sein strenges Regime hat sich insgesamt segensreich ausgewirkt. Seinem Nachfolger konnte er einen gewaltigen Überschuss im Staatsschatz hinterlassen.

Unter Kaiser Hongli (Devise Qianlong, Reg. 1735-1796) erreichte das Reich die größte Ausdehnung seiner Geschichte. Es war größer als die heutige Volksrepublik. In mehreren Feldzügen gelang es, die Oiraten endgültig niederzuwerfen, nachdem diese erneut ihre gewaltsame Expansionspolitik aufgenommen hatten. Nach dem Sieg der kaiserlichen Armee wurde ein grausames Blutbad unter den führenden Familien angerichtet (1757) und selbst der Name der Oiraten wurde aus den geschichtlichen Annalen getilgt. Damit schieden die Mongolen, die so lange die Geschicke Asiens bestimmt hatten, als Machtfaktor aus der Geschichte aus. Gesamt Ostturkestan wurde nun unter Militärverwaltung gestellt und als „Neues Gebiet“ (Xinjiang) dem Reich angegliedert.

Das ausgedehnte Einflussgebiet brachte es mit sich, dass China nun immer wieder in Konflikte mit Grenzvölkern geriet. So mussten aufwendige Feldzüge in Osttibet geführt werden, dem „Goldstromland“, ebenso in Südtibet, als Gurkhas von Nepal aus Klöster überfielen und ausraubten (1790). Sie wurden von den Mandschu-Truppen zurückgedrängt. Nepal wurde zeitweise besetzt und tributpflichtig gemacht. Aufstände einheimischer Stämme in Yunnan weiteten sich aus, sodass Burma in die Auseinandersetzungen hineingezogen wurde, was zu seiner Unterwerfung führte (1769). Während seiner gesamten Regierungszeit musste sich Qianlong mit dem Aufbegehren unterworfener Völker oder Volksgruppen auseinandersetzen, mehrfach mit den Mohammedanern in Turkestan und Gansu. Aber die Macht der Mandschu war gefestigt. Es gab damals keine vergleichbare Kontinentalmacht. Qianlong war der mächtigste Herrscher seiner Zeit.

Am Anfang seiner Herrschaft führte er die Regierungsgeschäfte straff. Er war ein disziplinierter und unermüdlicher Arbeiter mit einer genauen Tageseinteilung und einer bescheidenen Lebensführung. In späteren Jahren kam er unter den Einfluss schmeichlerischer und korrupter Berater. Mit dem zunehmenden Wohlleben am Hofe erschlaffte auch sein Führungsstil und er überließ wichtige Entscheidungen seinen Ministern, oft mit unheilvollen Folgen.

Das vernünftige Finanz- und Steuersystem seines Vaters blieb in Kraft und sicherte dem Staatshaushalt Überschüsse, trotz gewaltiger Ausgaben für die Feldzüge. Innerhalb von 60 Jahren verdoppelte sich die Bevölkerung. Von 143 Millionen im Jahre 1741 stieg sie an auf 295 Millionen um 1800. Das lässt auf ausreichende Ernährung in den Anfangsjahren dieser Entwicklung schließen. Selbst in dem Riesenreich waren jedoch die Anbauflächen begrenzt. Die Lebensmittel- und Bodenpreise stiegen. Aussiedler in den neueroberten Gebieten Zentralasiens und des Südwestens stießen auf den Widerstand der Einheimischen, sodass es zu Unruhen kam. Gegen Ende der Regierungszeit Qianlongs begannen Kleinbauern und Pächter aufzubegehren. Sie waren erneut unter doppelten Druck geraten: die Konzentration von Großgrundbesitz hatte viele Kleinbauern zu landlosen Pächtern gemacht. Die Pachten waren drückend, und zugleich nutzten die Steuerbeamten die Chance ungenügender Kontrolle, um willkürliche Abgabeerhöhungen zu erpressen. Nicht zuletzt soziale Gründe waren es, die Geheimsekten wie „Der Weiße Lotos“ regen Zulauf bescherten.

Selbst wenn die Qing-Regierung eine Bodenreform beabsichtigt hätte - entsprechende Vorschläge wurden zurückgewiesen - sie wäre am Widerstand der Beamtenklasse gescheitert, die ja selbst über den größten Anteil am Grundbesitz verfügte. Zudem duldete die konservative Gesinnung einer Mehrzahl der Beamten keinen Wandel und machte sie blind für neue Entwicklungen. So wurde die wachsende Bedeutung einer breiten Mittelschicht ignoriert. Bei der Ausdehnung des Reichs mussten über riesige Entfernungen ungeheuere Warenmengen bewegt werden, woran alle am Warenvertrieb Beteiligten profitierten, von Kleinhändlern und Fuhrunternehmern bis zu den Großkaufleuten. Trotz des zunehmenden ökonomischen Gewichts dieser Bevölkerungsgruppe gestand man ihr nicht den geringsten politischen Einfluss zu. Auf diese Weise bildete sich in diesen Schichten natürlich keine Identifizierung mit dem Mandschu-Staat heraus. Man kümmerte sich um Familie und Geschäfte und ignorierte - notgedrungen und aus Gewohnheit - Staat und Politik. Ebensowenig entwickelte sich das Gefühl einer national-chinesischen Identität, etwa in Opposition zu den Mandschu. Denn es war ja das mit der Macht verbundene chinesische Beamtentum, das die bürgerlichen Kreise von jeder Beteiligung an Politik und Verwaltung ausschloss. Dies sollte sich im 19. Jahrhundert bei der Auseinandersetzung mit den Kolonialmächten unheilvoll auswirken, da dem Bürgertum die innere Motivation fehlte für einen geschlossenen Widerstand gegen die Fremden, trotz eines weitverbreiteten Fremdenhasses.

Weder die Mandschu-Führung noch die Beamtenschaft begriffen die künftige Bedeutung des Überseehandels und die Chancen eines Austauschs mit dem Westen. Typisch dafür ist die gescheiterte Mission des englischen Gesandten Macartney 1793. Die Engländer, wie alle anderen Handelsnationen, wünschten Handelserleichterungen. Seit 1757 durfte der Außenhandel nur noch über Kanton und nur über wenige ausgesuchte chinesische Kaufleute abgewickelt werden. Für chinesische Waren war nur Silberwährung zugelassen. Macartney wurde auch vom Kaiser ehrenvoll in Audienz empfangen, doch zuletzt ließ man ihn wissen, dass für die Erzeugnisse seines Landes kein Bedarf bestünde. In einem Schreiben an den englischen König verlangte der Kaiser „ewigen Gehorsam“ von diesem. Nach altem Muster wurde jede diplomatische Mission als Tributgesandtschaft behandelt. Auf dem Höhepunkt der Macht, wirtschaftlich autark, ausgestattet mit scheinbar unerschöpflichen Mitteln, glaubte man auf jede fremde Errungenschaft verzichten zu können, obwohl man doch so manche technische und mechanische Erfindung durch die Jesuiten kennengelernt hatte und die Leistungen des Westens auf diesem Gebiet ins Auge springen mussten.

Auf ihren ureigenen Gebieten leisteten die Literatenbeamten Gewaltiges. Die Vielsprachigkeit des Reiches machte eine unendliche Fülle von Übersetzungen notwendig, allein schon wegen des amtlichen Schriftverkehrs. Man erarbeitete mehrsprachige Lexika und Grammatiken. Die gewaltigen enzyklopädischen Unternehmungen übertrafen womöglich noch die der Kangxi-Zeit. Die Sammelwut des Kaisers brachte die wahrscheinlich umfangreichste Kollektion von Kunstgegenständen zusammen, die es je gab. Er erteilte den Auftrag für einen Katalog sämtlicher Kalligraphien und Bilder der Palastsammlung, dessen Erstellung sich praktisch über seine gesamte Regierungszeit hinzog. Das riesige Werk führt mehr als 21.000 Objekte auf und beschreibt sie genau. Mit dem Ehrgeiz, „Sämtliche Schriften der vier Literaturgattungen“, das heißt die gesamte schriftsprachliche Literatur zu katalogisieren - mit Ausnahme der religiösen - entstand eine Bibliographie, die mit mehr als 79.500 Kapiteln in 36.000 Bänden über 10.000 Werke erfasste. Diese Aktivitäten hatten jedoch auch die erwünschte Nebenwirkung, oppositionellen und unorthodoxen Denkern auf die Spur zu kommen. Hier ging die in ihrer Ideologie erstarrte Gelehrtenklasse eine enge Allianz ein mit dem kaiserlichen Absolutismus. Religiöse Literatur erfuhr gleichfalls bedeutende Förderung, so die Übersetzungen tibeto-buddhistischer Schriften ins Chinesische, Mandschurische und Mongolische. Solchen Leistungen des Gelehrtenfleißes standen Arbeiten origineller Geister gegenüber, die naturgemäß eine Minderheit bildeten und meist weitab vom Machtzentrum wirkten. Vor allem im Süden bildeten sich unabhängige Akademien und private Zirkel in den Häusern reicher Männer, die Musik, Kunst und Literatur als erhöhten Lebensgenuss pflegten. In politischer Unmündigkeit gehalten, entfalteten sie ihre Möglichkeiten im kulturellen Bereich. Diese Sammelbecken gebildeter Eliten, zu denen auch Außenseiter gehörten - amtlose Gelehrte oder gescheiterte Kandidaten - waren Nährboden geistigen Widerstands. Intellektuelle Opposition konnte jedoch nur verdeckt an die Öffentlichkeit treten. Dies geschah vorwiegend in textkritischen Schriften, die sich mit so scheinbar unverfänglichen Themen wie den konfuzianischen Klassikern oder historischen Werken auseinandersetzten. Bereits in der frühen Qing-Zeit begannen Gelehrte, die alten Texte genauer zu untersuchen und die noekonfuzianischen Deutungen zu hinterfragen. Der erste, der dies in lockerer, essayistischer Weise tat, war Gu Yanwu (1613-1682). Das „Rizhi lu“ (Aufzeichnungen von Alltagserfahrungen) enthält kritische Anmerkungen zu geschichtlichen und klassischen konfuzianischen Schriften. Andere Autoren bezweifelten das Alter bestimmter sakrosankter Texte und wiesen ihre spätere Entstehung nach. Wan Sida (1633-1683) befasste sich mit dem zhou-zeitlichen Verfassungswerk Zhouli, Yan Rouju (1636-1704) mit dem kanonischen Werk Shujing. Cui Shu (1740-1816) entdeckte, dass die Urkaiser um so weiter ins Altertum versetzt wurden, je jünger die literarische Quelle ist. Ein bedeutender Historiker war Zhang Xuecheng (1738-1801), der Geschichte in völlig neuartiger Weise auffasste, indem er in ihr zusammenhängende Entwicklungen sah, wobei er ihrer dynastischen Gliederung nur sekundäre Bedeutung beimaß.

Die ming-zeitliche Volksliteratur fand ihre Fortsetzung in Romanen und Bühnenwerken der Umgangssprache. Auch im Westen bekannt geworden ist der Familienroman „Honglou meng“ (Der Traum der Roten Kammer). Ebenso das „Liaozhai zhiyi“ (Seltsame Geschichten aus dem Studierzimmer „Zuflucht“) mit seinen erotischen Erzählungen und Dämonengeschichten von Pu Songling (1640-1715). Dem Leben entfremdete, in konfuzianischer Ideologie verknöcherte Literaten sind Gegenstand der Satire „Rulin waishi“ (Inoffizielle Geschichte der konfuzianischen Gelehrten) des Wu Jingzu (170-1754). Yuan Mei (1716-1798) verfasste Gedichte und witzige Novellen, worin er sich ebenfalls über den herrschenden Konfuzianismus lustig machte, wie im „Zibu yu“ (Wovon der Meister (Konfuzius) nicht sprach). Zeit- und gesellschaftskritisch im Gewand einer märchenhaften Erzählung ist auch der Roman „Jinghua yuan“ (Die Vereinigung des Spiegels mit der Blume) von Li Ruzhen (1763-ca.1828), worin er die Unterprivilegierung der Frauen anprangert.

Qianlong verzichtete 1796 auf den Thron, da er nicht länger regieren wollte als sein Großvater Kangxi. Wahrscheinlich war er aber auch der wachsenden Schwierigkeiten müde. Bereits gegen Ende seiner Regierungszeit häuften sich Unruhen und Rebellionen immer mehr. Sein Nachfolger Yongyen (Jiaqing, Reg. 1796-1820) übernahm das immer noch mächtigste Reich der Zeit, das sich bald mit der erstarkenden britischen Kolonialmacht auseinanderzusetzen hatte.

Die verschiedenen Versuche westlicher Handelsnationen, vor allem Englands, durch Verhandlungen geregelte Zölle und Einfuhrerleichterungen für ihre industriellen Erzeugnisse zu erreichen, scheiterten. Auch Jiaqing ließ eine weitere englische Gesandtschaft unter William Pitt unverrichteter Dinge heimkehren (1816). Um ein Handelsdefizit gegenüber China zu vermeiden, gab nun die Britisch-Ostindische Kompanie den Handel mit Opium frei, das auf ihren bengalischen Besitzungen gewonnen wurde. Opium wurde in China von alters her als Arzneimittel angewandt. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde es als Rauschmittel entdeckt und hauptsächlich geraucht. Mehrere Verbotserlasse blieben ergebnislos. Sie förderten im Gegenteil den Schmuggel, der nun in immer größerem Stil organisiert wurde. Ausländische, vor allem englische Importeure bestachen chinesische Beamte und Händler mit riesigen Summen, wobei diese noch zusätzlich an dem florierenden Geschäft verdienten. Haupteinfuhrhafen war Kanton.

Unter Minning (Daoguang, Reg. 1821-1850) verschärften sich die Missstände im Inneren, nicht zuletzt erschwert durch das Anwachsen der Bevölkerung auf 400 Millionen bei ungenügender Produktivität der Landwirtschaft. Und auch für das Opiumproblem fand man keine Lösung. Verheerender noch als die Droge selbst - 1835 wurden 2 Millionen Süchtige geschätzt - war die Wirkung auf die Handelsbilanz, die sich ab etwa 1830 zunehmend negativ gestaltete. Die Qing-Regierung fand keine einheitliche Linie zwischen Verbot, Steuerung durch Legalisierung oder Duldung des Opiumhandels. Zunächst setzte sich die Verbotsfraktion durch. 1839 ließ der Oberkommissar Lin Zexu im kaiserlichen Auftrag sämtliches in Kanton gelagerte Opium vernichten und alle Engländer ausweisen. Diese Ereignisse waren Auslöser des ersten Opiumkrieges (1840-1842), worin die Engländer Tianjin angriffen, den Peking am nächsten gelegenen Hafen, ebenso Kanton und mehrere Küstenstädte Zhejiangs. Als eine britische Flotte auf dem Yangze vor Nanking aufkreuzte, kam es zum Vertrag von Nanking, worin China unter anderem gezwungen wurde, weitere vier Häfen zu öffnen, Hongkong an England abzutreten und Kriegsentschädigung zu zahlen. Der Opiumhandel wurde nicht mehr behindert. Die „Duldungspartei“ hatte sich durchgesetzt. Wahrscheinlich war es auch ihr Einfluss, der zu der schnellen Kapitulation geführt hatte.

Es ist erstaunlich, mit welch geringem Kraftaufwand die Engländer und später noch andere Kolonialmächte ihre Positionen verstärkten, wobei sie zudem noch untereinander konkurrierten. Trotz ihrer waffentechnischen Überlegenheit hätten ihre relativ kleinen Truppenkontingente niemals erfolgreich sein können, wären ihnen nicht mehrere Umstände zu Hilfe gekommen. Allerdings wurden diese von den Westmächten richtig eingeschätzt und ins Kalkül gezogen. Die Aufstände im Reichsinneren banden den überwiegenden Teil der Mandschu-Armeen. Innerhalb der Regierung gab es Fraktionsbildungen und Richtungskämpfe, die eine konsequente Politik gegenüber den Aggressoren verhinderte. Einerseits hielt man an einem starren Konservatismus fest und damit an der Abschottung nach außen, andererseits griff die Bestechlichkeit und Korrumpierung des Beamtentums weiter um sich, wodurch zahlreiche Maßnahmen unterlaufen wurden. Und es fehlte am Widerstandswillen sowohl der wohlhabenden bürgerlichen Schichten als auch der Masse des Volkes.

Das Ergebnis des ersten Opiumkrieges war die gewaltsame Aufhebung des chinesischen Isolationismus, eine unvorstellbare Demütigung, nicht nur in den Augen des konfuzianischen Beamtentums. Die Jahrtausende alte Vorstellung von der Überlegenheit des Reichs der Mitte und der konfuzianischen Gesellschaftsordnung hatte sich als Irrtum erwiesen, der allerdings vom größten Teil der Beamtenschaft nicht zur Kenntnis genommen wurde. Ablehnung und Feindschaft den Fremden gegenüber entwickelte sich nun in allen Schichten und brachte allmählich einen Umschwung von politischer Indifferenz zu vorläufig noch unklaren Gefühlen nationaler Zusammengehörigkeit.

Der Anlass zum zweiten Opiumkrieg (1856-1858), die Einholung der britischen Flagge auf einem von den Chinesen beschlagnahmten Schiff, war für England ein Vorwand, weiter gesteckte Ziele zu erreichen. Auch nach dem Friedensschluss war es zu Friktionen und Spannungen gekommen, in der Hauptsache ausgelöst durch Übergriffe westlicher Händler und Beamter. An den folgenden Militäraktionen beteiligte sich nun auch Frankreich. Unter anderem wurde Kanton von britischen und französischen Truppen besetzt und kam unter westliche Militärverwaltung. Nach weiteren Niederlagen, hauptsächlich aber wegen der Aufstände im Süden, die ihre Stellung schwer erschütterten, kapitulierte die Qing-Regierung im Vertrag von Tianjin, der den Westmächten weitere Konzessionen einräumte: darunter die Öffnung weiterer Häfen, Freizügigkeit für westliche Kaufleute und Missionare, sowie Kriegsentschädigung. Amerika und Russland, das Gebietsansprüche in Zentralasien und im Norden hatte, handelten ebenfalls ungleiche Verträge aus. Als auch nach Friedensschluss vereinzelte Kämpfe ausbrachen, drangen englische und französische Einheiten nach Peking vor, wobei sie sich als echte Barbaren erwiesen und unter anderem den Sommerpalast plünderten und niederbrannten (1860). Im Vertrag von Peking erzwangen die europäischen Mächte erneut riesige Reparationsleistungen und eine Reihe weiterer Zugeständnisse, darunter die Freigabe der Binnenschifffahrt für ausländische Schiffe. An den Küsten Chinas entstanden europäische Exterritorialzonen. Mit der Aufgabe zahlreicher Souveränitätsrechte war das gewaltige Reich in einen halbkolonialen Zustand geraten.

Um die Mitte des Jahrhunderts hatte sich die soziale Lage im Süden immer mehr zugespitzt. Akkumulierung von Grundbesitz auf der einen Seite, fortschreitende Verarmung der Landbevölkerung auf der anderen, trieben viele Menschen in Geheimgesellschaften oder Sekten, da ihnen ja keine Form politischer Einflussnahme offenstand. Die Menschen erhofften Schutz und Hilfe oder religiösen Trost. So war es denn auch eine Mischung aus sozialen und religiösen Vorstellungen, die in diesen Sekten verbreitet wurde. Ihnen erwuchs ein Anführer in Hong Xiuquan (1814-1864), einem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden gescheiterten Beamtenanwärter aus Guangdong. In seinen Predigten verkündete er sozialrevolutionäre Forderungen, durchsetzt von christlichen, buddhistischen und daoistischen Ideen. Ein gewaltiger Zustrom von Anhängern ermöglichte ihm die Gründung eines theokratischen Staates, des „Himmlischen Reichs allgemeinen Friedens“ (Taiping tianguo). Er selbst ließ sich zum „Himmlischen König“ (Tian wang) ausrufen. Wie viele solcher Gemeinschaften in der Geschichte, trug auch der Taiping-Staat kommunistische Züge: Gleichheit der Geschlechter, auch im Hinblick auf Ämter, Militärdienst und Wahl des Ehepartners. Ein strenger Puritanismus bis hin zur Bilderstürmerei, faktische Steuerfreiheit, Abschaffung von Privateigentum und Grundbesitz. Besonders dieser letzte Punkt musste viele oppositionelle kleine Landbesitzer abschrecken.

1850 begann der Aufstand in Guangxi mit zunächst durchschlagendem Erfolg. Eine kaiserliche Armee nach der anderen erlitt Niederlagen. 1853 wurde Nanking von den Aufständischen genommen und zur Hauptstadt erhoben. Die Wende wurde von überzeugten chinesischen Konfuzianern eingeleitet. Die Gouverneure Zeng Guofan (1811-1872) und Li Hongzhang (1823-1901) begannen regionale Milizen aufzubauen. Teilweise mit Hilfe westlicher Truppen konnte der Aufstand allmählich niedergerungen werden. 1864 fiel Nanking, nachdem Hong Xiuquan Selbstmord begangen hatte.

Die Taiping-Revolution musste an ihren zu weit gesteckten Zielen scheitern, denn sie riefen zu viele Gegner auf den Plan: außer der Zentralgewalt die konfuzianische Beamtenschaft, die ökonomisch mächtigen Schichten, konservativ religiöse Gruppen und nicht zuletzt die ausländischen Mächte wegen der betont nationalen Haltung der Taiping. Hinzu kamen strategische und politische Fehler, Abweichen von den eigenen Idealen und Führungskämpfe an der Spitze, wobei man nicht vor Massenmorden zurückschreckte. Für das chinesische Beamtentum bedeutete dieser Sieg eine Stärkung seiner Unabhängigkeit auf regionaler Ebene. Der Süden aber war verheert. Millionen von Toten, hunderte zerstörter Heiligtümer und Kunstwerke, ein unabsehbarer Schaden für die Volkswirtschaft waren das Ergebnis. Noch bis 1877 zogen sich Aufstände in Nord- und Zentralchina, in Yunan und in Turkestan hin, die ebenso verlustreich verliefen.

Einige führende Politiker suchten die Armee nach westlichem Muster zu reorganisieren und eine Industrie aufzubauen, vorwiegend für Rüstungszwecke. Doch der übliche Dirigismus einer Beamtenschaft, die in moderner Wirtschaftsführung oder gar Technik völlig unerfahren war, verhinderte positive Entwicklungen. Man glaubte mit Hilfe einer Restauration das Land aus der Krise führen zu können und bediente sich dabei alter Rezepte der Wirtschaftssteuerung, die den Gegensatz zur Kaufmannschaft beziehungsweise zu Unternehmern weiter vertiefte. Symptomatisch war, dass der Bau von Eisenbahnlinien zunächst erfolgreich verhindert wurde.

Einen weiteren Schlag musste China 1894-95 hinnehmen, nun von einer asiatischen Macht. Im Kampf um die Vorherrschaft in Korea unterlag es Japan und musste Formosa abtreten. Diese Niederlage offenbarte für viele Politiker und Intellektuelle in besonderer Weise die Brüchigkeit des Systems und die Überlegenheit eines modernisierten Staates.

Aber weder die Mandschu-Führung noch die Mehrzahl der Beamten waren Willens, notwendige Reformen durchzuführen, welche auch Änderungen des Sozialgefüges mit sich bringen mussten. Eine Gruppe von Reformern unter Führung von Kang Youwei (1858-1927), die tatsächliche Änderungen nach japanischem Vorbild anstrebte, verstand sich selbst als fest auf dem Boden des Konfuzianismus stehend. Die unter Einfluss Kang Youweis von Kaiser Zaitian (Guangxu, Reg. 1875-1908) eingeleiteten bescheidenen Reformen sahen eine Beschneidung des Bannerwesens vor, Förderung von Bildung, Kunst und Wissenschaft, Zulassung von Zeitungen und Verlagen, Gründung von Gesellschaften, Einführung eines Petitionswesens und eines kontrollierbaren Staatshaushaltes. All dies ging der erzkonservativen Kaiserinwitwe Ci Xi (1835-1908) zu weit. Gestützt auf eine reformfeindliche Hofclique inszenierte sie den Staatsstreich. Sie ließ den Kaiser gefangen setzen und ein Blutbad unter den Reformern anrichten, soweit sie nicht entkommen konnten. Wahrscheinlich wurde auch Kaiser Guangxu kurz vor Cixis Tod ermordet.

Die Kolonialmächte nutzten jede Gelegenheit, Stücke aus dem „Koloss auf tönernen Füßen“ herauszureißen und Zugeständnisse zu erpressen, wie nach dem Zwischenfall von Tianjin (1870), als französische Missionare und der französische Konsul von einer aufgebrachten Menge erschlagen wurden. Der Fremdenhass fand seinen sichtbarsten Ausdruck im sogenannten Boxeraufstand von 1900. Seine eigentlichen Ursachen waren die Verelendung der Landbevölkerung und des Kleingewerbes, ausgelöst durch erhöhte Steuern, wachsenden Konkurrenzdruck von Importen und Industrie, sowie durch verheerende Naturkatastrophen. Für alle Missstände wurden die Fremden, nicht die Regierung verantwortlich gemacht. Nach anfänglicher Duldung von Ausschreitungen und Überfällen auf ausländische Einrichtungen, stellte sich die Qing-Regierung auf die Seite der Rebellen und erklärte den Westmächten den Krieg. Nun beteiligten sich auch die USA, Russland, Italien, Japan und Deutschland, dessen Gesandter in Peking ermordet worden war, am Krieg. Peking wurde eingenommen und China hatte einmal mehr gewaltige Reparationszahlungen zu leisten.

Der Süden beteiligte sich nicht an dem Aufstand. Hier setzte sich die Erkenntnis durch, dass es das Mandschu-Regime war, das jeder Veränderung im Wege stand. Aus einer der traditionellen Geheimgesellschaften ging der aus Gungdomg stammende Arzt Sun Yatsen (1866-1925) hervor. Er entwickelte ein Programm, das auf drei Prinzipien beruhte: Nationalismus, Demokratie und Sozialismus. Er strebte eine Republik mit einem gewählten Präsidenten und einem Parlament an, sowie eine sozial gerechte Agrarreform. Unter Suns Führung schlossen sich mehrere Geheimorganisationen zusammen. Verschiedene Putschversuche scheiterten. Als im Jahre 1911 jedoch im Süden erneut Aufstände ausbrachen und die Gouverneure einiger Provinzen sich unabhängig erklärten und zudem noch Regierungstruppen meuterten, ließ sich der kaiserliche General Yuan Shikai (1859-1916), der die Elitetruppen der Armee kommandierte, auf Verhandlungen ein. Die Rebellenarmee besetzte Nanking, wo die Republik ausgerufen wurde. Die Abgeordneten der aufständischen Provinzen wählten Sun Yatsen am 29. Dezember zum Präsidenten. Am 12. Februar 1912 erklärte der Prinzregent Zaifeng (1883-1951) die Abdankung seines minderjährigen Sohnes, des Kaisers Puyi (1906-1967) (Xuantong) und berief Yuan Shikai zum Präsidenten der Republik. Um einen Bürgerkrieg zu verhindern, verzichtete Sun Yatsen daraufhin. Es war das Ende einer seit über zweitausend Jahren ununterbrochenen Folge kaiserlicher Dynastien im Reich der Mitte.