Malerei
Mit dem Dynastiewechsel änderten sich auch die Verhältnisse für die Künstler am Hofe. Zwar war der erste Qing-Kaiser Shizi (Shunzhi, Reg. 1644-1661) scheinbar mehr an Religion, Literatur und Kunst interessiert, als an Politik - er malte selbst - doch gab es keine Akademie mehr und keine ehrenvollen Hofämter für die Maler wie das eines Daizhao oder eines Offiziers der kaiserlichen Garde. Einige untergeordnete Titel wurden nur selten verliehen. Auch waren die mehr auf Sammeln und Bewahren, Wissenschaft und Geschichte gerichteten Interessen Kangxis der Hofmalerei kaum förderlich. Der kaiserliche Geschmack war konservativ, sozusagen „konfuzianisch“ und duldete keine Neuerungen. Zwar kam es zur Einrichtung einer Institution, die oft als Malakademie (Hua Yuan) bezeichnet wurde, jedoch den Namen einer Akademie nicht verdiente. Es war ein Amt für Malerei, das eher praktischen Überlegungen entsprang, als der Intension, schöpferische Kunst zu pflegen. Deshalb wurden auch keine Malwettbewerbe mehr abgehalten. Hier wurden Bilder katalogisiert und die Ausführung kaiserlicher Aufträge beaufsichtigt. Die Hofmalerei wurde als Handwerkskunst behandelt mit dekorativen Aufgaben, oder sie war Berichterstattung höfischer und historischer Ereignisse.
Naturgemäß hatte die Sammeltätigkeit der Kaiser Einfluss auf das Urteil von Zeitgenossen und Nachwelt. Soweit sich die Kaiser um Kunst kümmerten, bestimmten ihre persönlichen Vorlieben die Kunstpolitik. So wurden ganze Richtungen der Malerei ignoriert, darunter bedeutende Künstler. Werke der chan-Malerei siehe auch zum Beispiel wurden nicht in die Sammlungen aufgenommen. Man findet sie heute eher außerhalb Chinas, vor allem in Japan, wohin sie durch Pilger bereits seit der Song-Zeit gelangt waren. In China verbliebene chan-Bilder waren kaum bekannt. Gerade bei bestimmten Künstlern der Qing-Zeit hätten sie Bewunderung erregt. Es waren diese Künstler, deren malerischer Ausdruck in manchen Fällen der chan-Malerei verwandt war, welche vor dem kaiserlichen Urteil keine Gnade fanden: die Vielzahl unterschiedlichster Individualisten, die sich keinem höfischen Geschmacksdiktat oder akademischen Regeln unterwarfen. Sowohl Kangxi als auch Qianlong schätzten dagegen Maler, die bewährten Regeln folgten, wie die als „orthodox“ bezeichneten Nachfolger Dong Qichangs. Der Ruf dieser Maler profitierte von der Aufnahme in die Palastsammlung, denn abgesehen von tatsächlich vorhandenen Qualitäten, verlieh dies ihnen in den Augen der Kunstkritik einen besonderen Rang. Die Ausgeschlossenen dagegen wurden weitgehend erst in neuerer Zeit wiederentdeckt.
Bei Qianlong trieb die Identifizierung mit den gesammelten Werken groteske Blüten. Der Kaiser sah sich selbst als Künstler. Er glaubte eine Teilhabe an der Größe eines Meisterwerks beanspruchen zu können, wenn er ihm Eigenes hinzufügte. Die Sitte der Inbesitznahme eines Werkes durch Aufdrücken eines Sammlersiegels betrieb er exzessiv. Tausende Bilder und Kalligraphien sind von seinen Siegeln übersät. Und ebenso eifrig wie er seine Stempel gebrauchen ließ, so inflationär war seine dichterische Produktion. Kaum eine Rolle seiner Sammlung entging der Ehre, mit einem Gedicht seiner Majestät versehen zu werden, in seiner Handschrift, wenn auch kaum jedes von seiner Hand. Insgesamt soll er 42.000 Gedichte geschrieben haben. Hier nahm die alte Gepflogenheit von Bildaufschriften, der Freundschaft oder Bewunderung entsprungen, eine neue Qualität an.
Auch unter Qianlong gingen von der Hofmalerei keine anregenden Impulse aus, dazu war der kaiserliche Geschmack zu dominierend. Verlangt wurden weiterhin sorgfältige Ausführung, gutes Handwerk und Gefälligkeit. Selbst die Werke der begabteren Hofkünstler sind geprägt von der verordneten Sterilität. Eine besondere Kuriosität stellt die Malerei einiger europäischer Jesuiten bei Hofe dar. Sie entwickelten einen rokoko-chinesischen Mischstil, oft in Zusammenarbeit mit chinesischen Hofmalern. Der begabteste und produktivste unter ihnen war der Italiener Giuseppe Castiglione (Lang Shining, 1688-1766) siehe auch, der zahlreiche Porträts Qianlongs anfertigte und durch realistische Menschen- und Pferdedarstellung hervorstach. Dass auch im 19. Jahrhundert die Hofmalerei keinen Aufschwung mehr nahm, ist bei dem immer hartnäckigeren Konservatismus der Hofkreise nur zu verständlich.
Künstlerisch relevante Malerei entstand außerhalb des Hofes. Ihre Schöpfer folgten ausnahmslos den Idealen der Literatenmalerei. Vereinfachend gesagt bildeten sich unter ihnen zwei Hauptströmungen aus: Maler, die sich eng an Konzepte Dong Qichangs hielten, also die sogenannten Orthodoxen, und Künstler, die sich an keine Richtung oder Schule gebunden fühlten, die sogenannten Individualisten. Wie von jeher waren diese Maler Gebildete, welche die Kunst um ihrer selbst willen betrieben und nicht als Brotberuf. Wenn dennoch mancher unter ihnen vom Bilderverkauf leben musste, lag dies daran, dass er kein Amt innehatte und auch nicht über Vermögen oder Grundbesitz verfügte. Dennoch unterschieden sich solche Maler in ihrer Grundauffassung von Berufsmalern, vor allem durch ihre stilistischen Präferenzen. Nicht alle Intellektuellen waren bereit, ein Amt unter den Qing anzunehmen, besonders dann nicht, wenn sie bereits unter den Ming gedient hatten. Erst mit der Befriedung des Landes und der Konsolidierung der neuen Dynastie änderte sich diese Haltung allmählich. Das Loyalitätsproblem für die im konfuzianischen Sinne Erzogenen bestand besonders im Süden noch lange Zeit, ja es verlor während der gesamten Mandschu-Herrschaft nie ganz seine Bedeutung und wurde in der Spätphase der Dynastie wieder virulent. Es war im Süden, wo sich Kunst und Literatur in unabhängigen Zirkeln entfalten konnten und wo sie Förderung durch ein großzügiges Mäzenatentum wohlhabender Kaufleute oder Grundbesitzer erfuhren. Diese kulturellen Unterschiede zur Hauptstadt und den nördlichen Provinzen waren ein Aspekt des allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Gegensatzes zwischen Nord- und Südchina, der während der gesamten Dynastie fortbestand. Die politische Macht konzentrierte sich im Norden, die Hauptwirtschaftskraft im Süden, der sich in vieler Hinsicht benachteiligt sah und dessen Überschüsse in den Norden flossen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Malerei im Süden von politischen Impulsen bestimmt gewesen wäre, wenn man auch die eigene Situation oft genug mit jener der Yuan-Meister gleichsetzen mochte. Aber der Abstand vom Machtzentrum gewährte größere Unabhängigkeit. Wenn zuweilen „freie Künstler“ den Ruf an den Kaiserhof annahmen oder gar sich um ihn bemühten, so blieb dies die Ausnahme.
Die wenren-Malerei wurde zwar überall im Lande gepflegt, doch entwickelten sich in einigen Regionen bedeutendere Zentren, wie in Anhui, Nanking oder Yangzhou. Die Kunstgeschichtsschreibung fasst die dort tätigen Maler gerne in Gruppen oder gar Schulen zusammen. In den meisten Fällen haben diese Künstler jedoch nur selten mehr gemeinsam als den Ort ihrer Tätigkeit. Eine Übereinstimmung in den Anschauungen - nicht unbedingt im Stil - kann man lediglich bei den Orthodoxen feststellen. Als Kern dieser Richtung gelten die sogenannten „Vier Wang“, von denen die ältesten, Wang Shimin (1592-1680) und Wang Jian (1598-1677) noch hohe Ämter unter den Ming innehatten. Beide taten zeitweise Dienst im Distrikt Loudong, Provinz Jiangsu. Ihre künstlerischen Nachfolger bezeichnete man daher als „Schule von Loudong“. Die jüngeren waren Wang Hui und Wang Yuanqi. Wang Shimin hatte in seiner Jugend noch unter persönlicher Anleitung Ding Qichangs die Malerei studiert. Die Kunst der beiden älteren Wang und ihr Einfluss auf die folgende Generation bedeutete eine bruchlose Kontinuität der späten Ming-Malerei. Die großen Vorbilder blieben, außer natürlich Dong, die Yuan-Meister, vorzüglich Huang Gongwang wegen seiner unaufdringlichen und doch brillanten Technik. Und nicht wenige mochten sich mit der Ausdrucksweise der Yuan-Meister identifizieren, weil sie ein gleichgelagertes Lebensgefühl darin erkannten. Das Phänomen der Stilschichtung, bereits bei den Ming-Meistern zu beobachten, wurde den Orthodoxen zum zentralen Problem, nicht Archaismus, wie den Yuan-Malern und schon gar nicht die Natur. Ihre Zitate alter Meister belegen ihre bildungsmäßige und intellektuelle Kunstauffassung und setzen natürlich eine hohe Kennerschaft bei Sammlern und Liebhabern voraus. Und dieser Traditionalismus machte sie auch für den kaiserlichen Kunstgeschmack akzeptabel.
Weltflucht war in Zeiten politischer Instabilität für gebildete Männer in China schon immer die einzig vertretbare ethische Position gewesen, wollte man einem Loyalitätskonflikt auf anständige Weise entgehen siehe auch siehe auch. So zogen sich viele, die ein Amt hätten übernehmen können, zu Anfang der Qing-Ära in ihre private Einsiedelei zurück oder sie traten buddhistischen oder daoistischen Klostergemeinschaften bei, wobei nicht immer in erster Linie religiöse Gründe eine Rolle gespielt haben mochten. Einer der bedeutendsten Künstler der Epoche, Bada Shanren (Zhu Da, 1626-1705) war Abkömmling des Ming-Kaiserhauses und konnte sich so der Verfolgung entziehen. Auch Shitao (Daoji, 1642-1707) entstammte der alten Dynastie und wurde Mönch. Diese und eine Reihe anderer Ordensmänner fasste man unter dem Begriff „Mönchsmaler“ zusammen. Sie stimmten jedoch lediglich in der Ablehnung herkömmlicher Regeln überein und in der Suche nach individuellem Ausdruck. Individualität ist es auch, die einige hervorragende Maler kennzeichnet, welche verschiedenen örtlichen „Schulen“ zugeordnet wurden, wie den „Vier Meistern von Anhui“, den „Acht Meistern von Nanking“, oder den „Acht Sonderlingen von Yangzhou“. Bei diesen standen virtuose Pinseltechnik und ungewöhnliche Farbigkeit hoch im Kurs.
Aber Virtuosität und Exzentrik treten gewöhnlich dann in Erscheinung, wenn künstlerische Aussage- und Formkraft zu versiegen drohen. Bravouröse Technik verdeckt dann oft genug mangelnde künstlerische Substanz. Selbst noch so betonte Handschriftlichkeit kann dann zur Attitüde werden und zur Manier, und die Wiederholung origineller Einfälle kann zur Monotonie führen. Diesen Weg ging die chinesische Malerei seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Zwar traten auch noch später Talente auf, doch auf ihnen lastete der allgemeine politische und wirtschaftliche Niedergang, das geistige Klima eines allmächtigen, sterilen Konservatismus als allzu mächtige Bürde, sodass ihnen die Entfaltung zu Außergewöhnlichem versagt blieb.