Geschichte

Nach dem Sturz der Tang gelang es keinem Kriegsherrn, ganz China unter seine Gewalt zu bringen. Im Norden bildeten sich fünf aufeinander folgende Dynastien, während im Süden zehn Staaten zum Teil gleichzeitig bestanden. Diesen wurde von der chinesischen Geschichtsschreibung jede Legitimität abgesprochen. Der Gedanke eines geeinten Imperiums, aufrechterhalten durch den Anspruch aufeinander folgender Dynastien, war also nicht erloschen. Da der Süden eine relativ friedliche Zeit erlebte, von gelegentlichen Versuchen einer Machterweiterung abgesehen, gedieh er wirtschaftlich. Die Nord-Dynastien dagegen hatten sich wiederum gegen Nomadenvölker zur Wehr zu setzen. Der gefährlichste Gegner waren die Kitan im Nordosten. Sie hatten einen machtvollen Militärstaat in der Mandschurei aufgebaut, drangen danach weit in das Reichsgebiet ein und verlegten eine ihrer Hauptstädte nach Yu, dem heutigen Peking. Noch Marco Polo bezeichnete Nordchina mit ihrem Namen: Kathay. Ihre Herrscher nahmen den Kaisertitel an und imitierten das chinesische Hofzeremoniell. 937 gründeten sie die Dynastie Liao, die bis 1125 bestand.

959 wurde ein General der nordchinesischen Zhou-Dynastie von seinen Soldaten zum Kaiser ausgerufen, als der letzte Zhou-Herrscher auf einem Feldzug gegen die Kitan umgekommen war. Der neue Kaiser Tai zu (Reg. 960-976) gab seiner Dynastie den Namen Song.

Als Regierungssitz nahm er das heutige Kaifeng (Provinz Henan). Teils friedlich, meist aber durch Feldzüge, gelang es ihm, die meisten der von chinesischen Herrscherhäusern kontrollierten Gebiete zu annektieren. Den ehemaligen Machthabern gab er ehrenvolle Stellungen an seinem Hof, wie er auch darauf achtete, Ausschreitungen seiner Truppen zu unterbinden, die anfangs vorkamen. Er hatte nicht die Ausweitungen eines Teilstaates im Sinn, sondern die Vereinigung des Gesamtreiches, wozu er die Loyalität seiner künftigen Untertanen benötigte.

Unter seinem Nachfolger Tai Zong (Reg. 976-997) wurde die Einigung vollendet mit der Einverleibung des letzten chinesischen Nord-Staates in Shanxi. Dennoch blieben weite Teile ehemaligen chinesischen Territoriums von Barbaren besetzt. Durch hohe Tributzahlungen gelang es der Song-Regierung, mit den militärisch starken Liao einen über hundertjährigen Koexistenzfrieden zu schließen, nachdem es sich herausgestellt hatte, dass keine der Mächte über die andere Oberhand gewinnen konnte. Dies ersparte den Song den Unterhalt einer großen Heeresmacht an der Nordgrenze und mehr noch kostspielige Kriege, sodass sie sich der Konsolidierung im Innern zuwenden konnten.

Wirtschaftlich blühte das Land auf mit Schwerpunkt im Süden. Durch verbesserte Anbaumethoden, Bewässerung, Ausnutzung der Wasserkraft in Mühlenbetrieben, ertragreichere Getreidearten, zweifache Aussaat konnte die Agrarproduktion erheblich gesteigert werden. Teeanbau, Bergbau, Manufakturen, Schiffbau, und im Gefolge davon Handel sowie zum ersten Mal Überseeschifffahrt nahmen einen nie erlebten Aufschwung. Eine moderne Geldwirtschaft entwickelte sich und in großem Umfang kam neben Münzen auch Papiergeld in Umlauf. Die Handelsmetropolen wuchsen an, sodass es im 13. Jahrhundert schon mehrere Millionenstädte gab.

Die Kehrseite dieser rasanten Entwicklung waren aufkommende soziale Probleme. Wiederum wuchs der Großgrundbesitz an auf Kosten der meisten Kleinbauern, deren selbständige Existenz vernichtet wurde, da sie mit der Effektivität einer Großraumbewirtschaftung nicht konkurrieren konnten. Sie wurden als Pächter zu Leibeigenen auf eigenem Grund. Landflucht war die Folge. Die automatisch aufsteigende Mittelschicht der Kaufleute hielt man von jedem politischen Einfluss fern, während ihre wirtschaftliche Macht wuchs. Dies wiederum setzte die politische Führungsschicht, die akademisch gebildeten Beamten, der Versuchung des Amtsmissbrauchs aus, um wirtschaftlichen Gewinn aus ihrer Stellung zu ziehen. Korruption war die Folge. Da sie zudem in der Mehrzahl der Grundbesitzerklasse angehörten, gewannen sie allmählich das politisch-ökonomische Übergewicht über die anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Damit verbunden war der erneute Aufschwung des Konfuzianismus. Auf ihm beruhten die strengen Staatsprüfungen. Aus den schlimmen Erfahrungen der Tang-Zeit mit einer unabhängigen Militärverwaltung zog man die Konsequenz und unterstellte sie zivilen Behörden, was sich später als folgenreich erweisen sollte.

Es gab mehrere Versuche gegen starken konservativen Widerstand, mit Hilfe von Reformen der Missstände Herr zu werden, soweit man ihre Gründe erkannte. Am weitreichendsten, wenn auch nur mit Teilerfolgen, waren die Reformen des Kanzlers Wang Anshi (1021-1086) unter Kaiser Shen Zong (Reg. 1068-1085). Die Reformen erstreckten sich auf das Finanzwesen (größere Steuergerechtigkeit, Darlehen für Kleinbauern), Verwaltung (Zugang auch von Angehörigen der Mittelschichten), Polizei- und Milizwesen, Prüfungssystem für Beamte (Ausweitung von Bildungsstätten, größere Spezialisierung auf praktischen Gebieten wie Justiz-, Finanz-, Militärverwaltung u. a.).

Diese Reformen trugen wesentlich dazu bei, aus dem Song-Reich einen Beamtenstaat zu machen, dessen Normen bis in die Neuzeit Gültigkeit behalten sollten. Der auf konfuzianischer Grundlage allseitig gebildete Beamte, besonders auch auf kulturellem Gebiet, wurde Ideal und genoss das höchste Sozialprestige.

Nach Wang An shis Rücktritt dauerten die Fraktionskämpfe zwischen Reformern und Gegnern an. Unter Kaiser Huizong (Reg. 1101-1125), der mehr seinen künstlerischen Neigungen folgte, als dass er politische Tatkraft zeigte, erschwerten sich die Probleme: Inflation, Steuerhinterziehung, Bodenkonzentration in den Händen Weniger, Naturkatastrophen und nicht zuletzt schwere Korruption führten zu den Aufständen, die starke Truppenkontingente banden. Dies sollte sich unheilvoll auswirken, da man gleichzeitig einen Krieg gegen die Liao vorbereitete.

Im Rücken des Kitan-Staates war um 1100 eine neue Macht herangewachsen. Ein in der östlichen Mandschurei lebendes Hirten- und Jägervolk, den Liao tributpflichtig, machte sich unabhängig und bildete einen eigenen Kaiserstaat: die Dschurdschen, welche ihren Staat Jin nannten (1115-1234). Mit ihnen kam es zu einem Bündnis gegen die Liao. Im folgenden Krieg, dessen Hauptlast die Dschurdschen unter Aguda (1119-1123) zu tragen hatten, wurde der Liao-Staat ausgelöscht (1125). Der Schlagkraft seiner Truppen sicher und die Brüchigkeit des Song-Regimes vor Augen, nahm der Jin-Herrscher im folgenden Jahr Kaifeng, führte Huizong sowie seinen Nachfolger in die Gefangenschaft und war Herr über gesamt Nord-China.

Im Süden hielt der Widerstand an. Der neunte Sohn Huizongs führte die Dynastie weiter unter dem Namen Süd-Song (1127-1279). Kaiser Gaozong verlegte die provisorische Hauptstadt nach Hangzhou. Es gelang ihm und seinen Nachfolgern, das immer noch gewaltige Südreich zu konsolidieren, ja die wirtschaftliche Prosperität fortzusetzen, ohne jedoch die sozialen Probleme zu lösen.

In den Kämpfen gegen die Jin tat sich ein Armeeführer hervor, dem es gelang, bis nach Luoyang vorzustoßen: Yue Fei (1103-1141). Er wurde Opfer des politischen Umschwungs. Eine Hofpartei suchte die gleiche Beschwichtigungspolitik durchzusetzen, die gegenüber den Liao so erfolgreich gewesen war. 1142 kam es zu einem ähnlichen Vertrag, wobei die friedliche Koexistenz wiederum mit hohen Zahlungen erkauft wurde. Yue Fei aber wurde des Hochverrats angeklagt und im Gefängnis ermordet. Er blieb als Nationalheld in der Erinnerung des Volkes.

Um 1200 sammelte sich in den Steppen Innerasiens eine gewaltige Militärmacht, ein Zusammenschluss türkischer und mongolischer Stämme unter Dschingis Khan: „Die Goldene Horde“. 1215 eroberten sie Peking von den Jin, 1234 Kaifeng, nachdem sie ein Bündnis mit den Song eingegangen waren. Es war von kurzer Dauer: 1276 fiel Hangzhou. Ein Großteil der Kommandeure ergab sich widerstandslos den Mongolen, da sie sich von der eigenen Regierung mit Misstrauen behandelt sahen. 1279 ertränkten sich die letzten Prinzen des Song-Kaiserhauses auf hoher See, nachdem der letzte Widerstand zusammengebrochen war.

Im Westen durch mächtige Barbaren-Reiche von kulturellen Einflüssen aus Indien oder dem Iran abgeschlossen, fand sich das China der Fünf Dynastien und der Song auf die eigenen Traditionen verwiesen. Eine Zeit der Selbstbesinnung brach an, in welcher die Rückwendung zu überkommenen Werten das geistige Klima bestimmte. Zugleich aber wurden die Impulse, welche China in so reichem Maße während der Tang-Zeit von außen aufgenommen hatte, schöpferisch umgeformt, sodass eine in ihrem innersten Wesen chinesische Kultur aufblühte. Gab es früher nur kaiserliche Bibliotheken und Kunstgalerien, so begannen nun auch Privatleute die Klassiker zu sammeln, was durch den Buchdruck ermöglicht wurde. Malerei, alte wie zeitgenössische, sowie Antiquitäten fanden weitverbreitetes Interesse. Es war in dieser Zeit, als man zuerst eine Deutung der archaischen Bronzen versuchte und sie zu katalogisieren begann.