Dekorsymbolik

Gewiss dienen Schmuckelemente zunächst der Freude am Schönen. Schon bei der frühsten Töpferware zeigt sich das Bedürfnis ihrer Schöpfer, dem einfachen Gebrauchsgegenstand mit Hilfe von Mustern und Ornamenten ein ansehnliches Aussehen zu verleihen. Der gleichen Neigung entsprach die Übernahme zahlreicher Motive aus anderen Kulturkreisen. So scheinen, neben anderen Motiven, Rosette, Palmette und Weinranke aus dem hellenistisch-vorderasiatischen Bereich nach jahrhundertelanger Wanderung während der Tang-Zeit aufgenommen worden zu sein.

Neben der schmückenden Verzierung erscheinen jedoch schon in den Frühkulturen Motive, welche in ihrem Anspruch weit über den der Verschönerung hinausgehen. Im verschlungenen Ornament des Shang- und des Zhou-Stils verbargen sich Schlangen, Vögel, Zikaden, Schildkröten, Drachen, Fabeltiere und Mischwesen und nicht zuletzt die tao tie-Maske, deren alles überragende Bedeutung den Dekorationsstil dieser Epochen beherrschte auf Bronzen und der sie imitierenden Keramik siehe auch.

Alle diese Wesen entsprangen nicht der schmückenden Phantasie der Künstler, sondern hatten magische Funktion im Zusammenhang mit dem Ritual, für welches die Gefäße benutzt wurden.

Seit ihren Anfängen kannte also die chinesische Kunst Dekormotive mit Symbolcharakter. Mit der fortschreitenden Intellektualisierung der chinesischen Kunst trat magisches Denken in jener Ausschließlichkeit der Frühzeit zurück. Dennoch behielt es einen hohen Stellenwert in der chinesischen Weltauffassung. Es verschmolz mit hochdifferenzierten kosmischen Spekulationen, deren Analogieketten Ausdruck eines tiefen Symboldenkens waren. Es prägte das allgemeine und insbesondere das künstlerische Bewusstsein so stark, dass es sich bis in einzelne Dekormotive durchsetzte, wie sie an der Architektur und bei anderen Künsten in Erscheinung traten, nicht zuletzt in der Keramik.

Von der reichen Vielfalt der Schmuckmotive, welche sich bis zur Yuan-Zeit entwickelt hatten, birgt eine große Zahl symbolischen Inhalt. Vermutlich lässt sich jede Zierform ursprünglich auf ein Motiv mit Bedeutungsgehalt zurückführen, auch die aus fremden Kulturen aufgenommenen.

Lotos

Zu ihnen gehört die Lotosblüte, bei uns wohl das bekannteste Motiv der ostasiatischen Kunst. Wahrscheinlich mit dem Buddhismus nach China gekommen, verkörpert diese Seerose die Suche der Seele nach dem Licht der Erleuchtung, also der Erlösung. Aus dem Schlamm des Seegrundes wächst sie empor zum Licht. Der Sumpf wird dabei mit der Welt des Geburtenkreislaufes gleichgesetzt, aus der es kein Entrinnen gibt außer durch Erkenntnis. Die Dunkelheit, die dort unten herrscht, entspricht der Blindheit und Unwissenheit der noch nicht erleuchteten Menschen. Die Lotosblüte endlich, die sich dem Licht öffnet, steht für die Erleuchtung. So, wie sie auf dem Wasser schwimmt und doch nicht vom Wasser benetzt wird, soll der Suchende in der Welt leben und dennoch unberührt von der Welt bleiben. Im Dekor erscheint die Lotospflanze entweder naturnah als vollständiges Gewächs oder nur als Blüte, aber auch stark stilisiert, wobei ihr Blätterkranz das gesamte Gefäß umschließt.

Die acht buddhistischen Glückszeichen

Eine weitere Schmuckform buddhistischen Ursprungs fand Eingang in die Yuan-Keramik: die acht buddhistischen Glückszeichen siehe auch. Sie sind eng verbunden mit dem Lamaismus, stammen aber aus ältester indischer Überlieferung. Sie standen in Zusammenhang mit dem Ritual der Königsweihe. Da Buddha später gleichgesetzt wurde mit dem Weltkreisherrscher (cakravartim), bezog man die acht Kostbarkeiten auf seine Lehre. Sie können einzeln auf dem Gefäßkörper verteilt auftreten oder als geschlossenes, wappenartiges Gebilde.

Das Muschelhorn ruft zu Predigt und Gebet und kündet den Sieg im (geistigen) Kampf.

Der Schirm ist Symbol der höchsten Würde: nämlich eines Königs oder eines Buddhas.

Zwei Fische sind Zeichen des indischen Weltenherrschers und bedeuten Erlösung.

Die Fahne ist das Siegesbanner der Religion. Die zusammengerollte Fahne wird zuweilen auch als Baldachin interpretiert, welcher die Lebewesen schützt.

Das Rad weist auf Predigt und Lehre,

die Lotosblüte auf die Reinheit,

der unendliche Knoten auf ewiges Leben.

Die Vase enthält den Unsterblichkeitstrank und versinnbildlicht vollkommene Weisheit und Erkenntnis.

Symboltiere

Die Tradition mythologischer Tierdarstellung blieb ungebrochen. Gerade im üppigen Dekor der Yuan-Keramik waren sie willkommener Anlass zur Bereicherung des Motivschatzes. Denn während beispielsweise die Tang- oder die Song-Keramiker bei ihren Gefäßen sich jeweils auf nur einige wenige Ziermotive beschränkten, suchte man nun möglichst viele Dekorformen zugleich auf dem Gefäßkörper unterzubringen. Von den Tiermotiven seien hier vier hervorgehoben, da sie am charakteristischsten chinesische Eigenart verkörpern: Einhorn (qi lin), Phönix (feng huang), Drache (long) und - seltener - die Schildkröte (gui). Es sind die vier übernatürlichen Wesen der Himmelsrichtungen, zugleich die Häupter der Tierarten: der Phönix steht den Federtieren vor, das Einhorn den Haartieren, der Drache den Schuppentieren, die Schildkröte den Schalentieren.

Die Vielschichtigkeit chinesischen Symboldenkens zeigt sich schon insofern, als ein Symbol in je anderem Zusammenhang seine Bedeutung ändern kann. Als Einzelwesen sind die genannten Tiere Verkörperungen bestimmter Kräfte. Das Einhorn gilt als Glücksbringer und verheißt die Geburt von Söhnen. Es kündet Zeiten einer guten Regierung, wie auch die anderen magischen Tiere. Der Phönix verkörpert Gegensatz und Vereinigung der Geschlechter. Feng bedeutet dabei den männlichen, huang den weiblichen Phönix. Der doppelte Phönix erscheint oft als verschlungenes symmetrisches Ornament, aus dem nur noch die Vogelköpfe ablesbar sind. Ist der Wundervogel gemeinsam mit dem Drachen dargestellt, nimmt er die Bedeutung der Kaiserin an, während der Drache den Kaiser symbolisiert. Entsprechend seinem ambivalenten Charakter wird der Phönix einmal als Vertreter des yin (des weiblichen) Prinzips aufgefasst und dann wieder des yang (des männlichen) Prinzips siehe auch.

Eindeutig dem yang zugehörig ist der Drache, wohl das bekannteste chinesische Symbol und zugleich das schichtenreichste. In all seinen Aspekten wird er als segenbringend angesehen. Als kosmisches Wesen steht er in der Richtung des Sonnenaufgangs, er bringt den Frühling und den Regen. Er wird damit zur zeugenden, zur männlichen Naturkraft. Seine Identifizierung mit dem Kaiser erklärt sich aus dessen wesentlichster Funktion: Fruchtbarkeit und Wohlstand für das Reich zu bewirken. Unter der großen Zahl von Drachenarten ist der kaiserliche Drache an seinen fünf Klauen erkennbar. Es gibt unter anderen Himmelsdrachen, Geisterdrachen, Erddrachen und Meeresdrachen. Von diesen herrschen vier Drachenkönige über die vier Weltmeere, welche das Reich der Mitte und die angrenzenden Länder umgeben. Ein beliebtes Dekorsujet sind zwei Drachen, welche in den Wolken mit einer Perle spielen, dem Donner, wodurch der Regen verursacht wird. Häufig findet sich auch ein einzelner Drache, der eine flammende Perle jagt, die „Glücksperle“.

Als kosmisches Tier symbolisiert die Schildkröte Himmel und Erde. Ihr Panzer entspricht der Himmelswölbung, ihr flacher Leib der Erdscheibe. Nach einer anderen Vorstellung trägt sie den Pfeiler auf dem Rücken, welcher das Himmelsgewölbe stützt, wie es kaiserliche Grabstelen zeigen. Aufgrund ihrer Langsamkeit und ihrer Fähigkeit, ein hohes Alter zu erreichen, wurde sie zum Symbol von Beständigkeit und ewigem Leben.

Symbolik von Pflanzen

Vor allem aber waren es Blüten und Pflanzen, welche den Reichtum der Schmuckformen ausmachten und zwar in allen Epochen der chinesischen Gefäßkunst. Auch sie waren Träger einer beziehungsreichen Symbolsprache, deren vielfältige Aspekte hier nur angedeutet werden können.

Die einzelne Pflanze, wie auch die Kombination von mehreren verwies stets auf einen literarischen Bezug. Solche Anspielungen waren auch in „Grußpostkarten“ und illustrierten Glückwunschadressen enthalten, und jeder Gebildete verstand sie. Die Blumen, welche die vier Jahreszeiten symbolisieren bzw. die zwölf Monate, wechseln je nach Landschaft und Klimazone. Der Hinweis auf eine Jahreszeit und ihre Bedeutung im Lebensrhythmus schwingt bei allen Pflanzendarstellungen mit.

So beugt sich der Bambus im Winter unter dem Gewicht des Schnees oder im Sturm und richtet sich wieder auf, sobald Unterdrückung und Gefahr vorüber sind. Seine vielschichtige Symbolik war nicht zuletzt Anlass für die Entstehung einer eigenständigen Richtung der Malerei siehe auch.

Verwandte Eigenschaften besitzt die Kiefer. Sie ist wohl der meistbesungene Baum in der chinesischen Dichtung und in der Malerei das Urbild des Baumes. Sie widersteht Hitze und Kälte, ohne ihr Nadelkleid zu verlieren, weshalb ihr Ausdauer und langes Leben zugeschrieben werden. „… durch ihr Stillesein verlängert sie ihr Leben“, (Konfuzius). Genügsamkeit und Selbstzucht sind ihr eigen, und gemeinsam mit der Zeder gilt sie als Herrin aller Baumarten.

Auch der Pflaumenbaum erträgt winterliche Witterung, ja, er treibt seine Blüten trotz der Frostnächte im Frühjahr. Er verkörpert, das noch winterliche junge Jahr und gleicht in der Reinheit seiner schneeweißen Blüten einer noch nicht erweckten Jungfrau. Unberührtheit und Jugend verbinden sich mit ihm. Die fünf Blätter der Pflaumenblüte versteht man als Sinnbilder der fünf Glücksgötter.

Gemeinsam mit Kiefer und Bambus bildet die Pflaume das berühmte Motiv der „drei Freunde“, das auf Konfuzius zurückgeht und ein beliebtes Thema der Malerei wurde. Die Keramikmaler der Yuan-Zeit führten es als erste in den Dekorschatz der Blau-Weiß-Ware ein. Konfuzius spricht von drei nützlichen und drei schädlichen Freunden: dem aufrechten, dem treuen und dem erfahrenen Freund, und dem scheinechten, dem duckmäuserischen und dem schmeichlerischen Freund. Kiefer, Bambus und Pflaumenbaum setzten die Dichter später mit den drei nützlichen Freunden gleich. Sie trotzen dem Winter, mit Beständigkeit überstehen sie ihn und blühen, noch ehe der Frühling beginnt, hoffnungsvolles Zeichen immer wiederkehrender Erneuerung.

Zwei Blumenmotive seien hier noch genannt wegen ihrer außerordentlichen Beliebtheit als Gefäßdekor, mindestens seit der Tang-Zeit: Päonie und Chrysantheme .

Die Päonie verkörpert den Frühling. Ihre prächtige Farbenfülle ruft die Analogie zu Reichtum, Vornehmheit und hohem Rang hervor, für den Chinesen hohe Glücksgüter. Sie gilt als Königin der Blumen, ja, als die Blume an sich. Wenn sie erblüht, duftet sie tausend Meilen weit und lockt Bienen und Schmetterlinge an. Ein erotischer Bezug deutet sich hier an: Schmetterling und Biene sind mit dem Jüngling gleichzusetzen, die Päonie mit dem jungen Mädchen. Die weiße Päonie entspricht einem schönen und klugen Mädchen. Einst forderte eine schöne junge Frau einen Unsterblichen zum Liebes-Wettkampf heraus. Nach langen durchkämpften Nächten besiegte sie ihn, indem sie ihn kitzelte. Ihr Name war „Weiße Päonie“. Erscheint die Päonie gemeinsam mit anderen Blumen oder Blütenzweigen, drückt sie Glückwünsche aus wie Gedeihen, Ansehen, Reichtum und langes Leben.

Die Chrysantheme ist die Blume des Herbstes. Sie blüht spät im Jahr, und wohl nicht zuletzt deshalb verbindet man mit ihr die Begriffe von Dauer und langem Leben. Auch sie tritt glückverheißend mit anderen Natursymbolen auf, Pflanzen oder Tieren. Es gab den Brauch, zur Chrysanthemenblüte ein Fest zu begehen, wobei man Reiswein mit den Blüten ansetzte, Anlass für manches Gedicht zu Ehren dieser Blume. Beispielhaft für diese Art Poesie sind Verse des Dichters Tao Yuanming (365-427 n. Chr.), der zurückgezogen auf einem kleinen Landgut lebte und ein großer Trinker war.

„In ihrer Pracht erblühen spät die Chrysanthemen,

Ich pflücke sie im glänzenden Tau.

Um ihre Reinheit zu genießen,

Lass ich mich einsam zum Weine nieder.“

Noch berühmter und jahrhundertelang Generationen von Künstlern und Gebildeten im Gedächtnis geblieben, immer wieder in Anspielungen zitiert als Motiv von Poesie und Malerei, ist das „Lied vom Ostzaun“, eines seiner „Zwanzig Weinlieder“.

„Ich baute mein Haus im Menschenbezirk,

Das Lärmen ihrer Wagen kann ich nicht vernehmen.

Du fragst: Weshalb?

Mein Herz weilt fern - und ruht in sich.

Am Ostzaun pflück’ ich Chrysanthemen,

Seh den Südberg in meiner Stille,

Den Bergdunst schön im letzten Licht.

Vögel fliegen in Paaren.

In allem liegt ein Sinn.

Ich will ihn sagen - und habe ihn vergessen.“

Zwar verbinden sich dem Kenner, wenn er solchen Blütenmotiven begegnet, sofort die entsprechenden literarischen Bezüge, aber die Mehrdeutigkeit der Symbolsprache erlaubt auch andere Deutungen. Erst das gesellschaftliche Umfeld erschließt den wahren Sinn. Er ist häufig erotisch oder gar eindeutig sexuell. So kann die Pflaumenblüte, die doch sonst Jungfräulichkeit versinnbildlicht, das Gegenteil bedeuten. „Pflaumenblüten“ nannte man früher die jungen Dienerinnen und Zofen, die dem Herrn des Hauses auch für den Beischlaf zur Verfügung stehen mussten.

Der Pfirsich, das verbreitetste Symbol langen Lebens oder der Unsterblichkeit, kann ebenfalls die sexuelle Sphäre berühren: „Pfirsichquell“ ist eine Umschreibung der Vagina. Ebenso die Päonie: „Wenn der Tau tropft, öffnet sich die Päonie.“ Die rote Lotosblüte stellt das weibliche Geschlechtsorgan dar, der Stengel das männliche.

Diese verschlüsselte Sprache der Dekorkunst, ihre Bindung an überlieferte Bedeutungsgehalte, wodurch ein ungebrochenes kulturelles Bewusstsein aufrechterhalten wurde, findet sich auch in der hervorragendsten Leistung der Epoche: in der Malerei.