Architektur
Stadt- und Palastanlagen
Die Stadtanlage der chinesischen Tradition bestand bereits in ihren Anfängen aus einer rechteckigen, erdwall- oder mauerumgrenzten Fläche. Das Rechteck hatte Symbolcharakter: es manifestierte die Erde im Gegensatz zum rund vorgestellten Himmel. Wie das chinesische Wohnhaus in gleiche Maßeinheiten (jian, Raum zwischen vier Säulen) siehe auch aufgeteilt ist, so das Gehöft, die Tempel-, Palast- und endlich die Stadtanlage. Die Struktur der kleinsten Einheit wiederholt sich im Großen. Der mauerumschlossene Bezirk wird in rechteckige Quartiere (fang) aufgeteilt und diese wiederum in meistens vier entsprechende Grundstücke. Die größeren Komplexe werden durch breite Straßen voneinander getrennt, die, wo immer es möglich ist, in nord-südlicher und ost-westlicher Richtung verlaufen. Die kleineren Einheiten werden in gleicher Weise von Gassen gegliedert. Eine breit angelegte Symmetrieachse durchläuft die Stadt von Süden nach Norden, wo die Palastanlage mit ihren hohen Mauern eine Stadt in der Stadt bildet. Sie liegt im Idealfall in der Stadtmitte. Symbolisch bildet sie den Mittelpunkt der Erde. In den Hauptstädten ist der Palast Sitz des Kaisers, in den Provinzstädten Sitz des Gouverneurs bzw. des höchsten Verwaltungsbeamten. Ob in der Mitte oder am nördlichen Ende einer baulichen Anlage, das Hauptgebäude - Wohnhaus, Gebetshalle oder Palast - ist stets nach Süden ausgerichtet, den unheilvollen Kräften des Nordens abgewandt siehe auch siehe auch. So schaut auch der Kaiser nach Süden - der Sonne zugewandt. Er überblickt gleichsam sein Reich, das im Süden liegt. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass praktisch alle Hauptstädte im nördlichen Teil der von ihnen beherrschten Territorien lagen. Der Palast wird symbolisch gleichgesetzt mit dem Polarstern und den ihn umgebenden Gestirnen: es ist der Palast des Höchsten Einen, der daoistischen Gottheit Taiyi. Die rötliche Färbung dieser Sternengruppe ist Ursprung des Begriffs „Purpurne Verbotene Stadt“ (Zijin cheng) für den Kaiserpalast. Die zentrale Süd-Nord Achse der Stadt entspricht somit dem Himmelsmeridian.
Alle kaiserlichen Metropolen, wie Xianyang, Changan, Luoyang, Datong, Kaifeng wurden nach diesem Plan-Schema erbaut und die ihm innewohnende anschauliche Symbolik übernommen. Gleichzeitig war die übersichtliche Gliederung der Stadt von großer praktischer Bedeutung: die Bevölkerung war an ihre Wohnviertel gebunden und auf diese Weise leicht kontrollierbar. Selbst höhere Beamte genossen keine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit.
Dieses System übernahmen auch die Steppennomaden, sobald sie chinesisches Gebiet erobert und besetzt hatten. Sie machten bereits vorhandene Städte zu ihrem Regierungssitz mit gewöhnlich geringen Veränderungen des Lageplans. Die Nördlichen Wei machten Datong zu ihrer Kaiserstadt, die Liao Kaifeng und Peking, wo die Jin nach Vertreibung der Liao ihre Hauptstadt Zhongdu errichteten. Die Mongolen unter Dschingis Khan zerstörten die Jin Hauptstadt 1215. Khublai Khan gründete 1267 unmittelbar nordöstlich davon die „Stadt des Groß-Khans“ (Khanbaliq), das Cambaluc Marco Polos. Der offizielle chinesische Name war Dadu („Große Hauptstadt“). Sie wurde 1272 Regierungssitz.
Shangdu
Zuvor jedoch hatte Kublai Khan in der Inneren Mongolei seine erste Hauptstadt errichten lassen, Shangdu, die „Obere 0Hauptstadt“ die 1260 fertiggestellt wurde. Berühmt wurde sie in Marco Polos Schreibweise als Xanadu. Diese Gründung erfolgte nun nicht in der Nähe einer Vorgängerstadt, sondern mitten in Weideland. Der Mongolenherrscher hätte völlig freie Hand gehabt, einen anderen Grundplan, als den einer chinesischen Stadt zu wählen - etwa den einer Rundanlage oder einer Zeltstadt. Dass er auf die Rechteckform der chinesischen Tradition zurückgriff, ja sogar auf ihre strengste Ausprägung, das Quadrat - und mithin auf die damit verbundene Symbolik - steht in engem Zusammenhang mit seinem Anspruch auf den chinesischen Kaiserthron noch ehe das Song-Reich vollständig niedergerungen war. Als Khanbaliq Hauptstadt wurde, behielt Shangdu als Sommerresidenz den Rang einer zweiten Hauptstadt.
Heute sind nur noch Reste der Einfriedung aus Stampferde vorhanden, von Gebäudefundamenten, von Mauern und der Straßenführung. Aus ihnen ist der Grundriss der Stadtanlage ablesbar. Sie bestand aus einer quadratischen Umfassungsmauer von 2.000 Meter Seitenlänge. Nach Südosten versetzt umgrenzt darin ein zweites quadratisches Mauergeviert die Innere Stadt. In ihrem Nordteil liegt der wiederum von Mauern umschlossene Palastbezirk mit dem Haupttor im Süden. Die Straßen verlaufen rechtwinklig. Die Süd-Nord Achse der Inneren Stadt, sowie die Straßen, welche zu den Toren führen, sind 25 Meter breit. Im Norden der Äußeren Stadt fand man Reste einer Steinmauer von 350 x 200 Meter. Man vermutet hier den exotischen Garten und den Bambuspalast, dessen märchenhafte Ausstattung und dessen Pflanzen- und Vogelbilder Marco Polo und der Franziskaner Odorico geschildert haben.
Eine annähernde Vorstellung von der Pracht der Yuan-Paläste kann heute nur noch der Kaiserpalast von Peking vermitteln. Von den Yuan-Gebäuden ist heute nichts mehr vorhanden, da unter den Ming die alten Hallen und Pavillons abgerissen wurden, soweit sie nicht schon während der Eroberung des Palastes durch die Ming verbrannt waren. Da jedoch der Neubau des Kaiserpalastes an der gleichen Stelle erfolgte, dürfte sich am Lageplan des gesamten Komplexes kaum etwas geändert haben. Denn auch in der Anordnung des Grundplans eines Kaiserpalastes hatte sich eine Tradition herausgebildet, welche die Abfolge der wichtigsten Gebäude bestimmte und die auf die Vorbilder der Song- und Tang-Paläste zurückgeht, wenn sie nicht gar noch weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Auch die Ming- und die Qing-Dynastien fühlten sich daran gebunden.
Khanbaliq
Khanbaliq umschloss ein fast quadratisches Mauergeviert von 6 km in nord-südlicher und 5 km in ost-westlicher Richtung . Es besaß zwei befestigte Tore im Norden und je drei an den übrigen Seiten, sowie Festungstürme an den Ecken. Die Stadtmauer schloss im Südwesten eine Seengruppe ein. Diese Äußere Stadt bestand aus 50 Wohn- und Geschäfts- bzw. Handwerker-Vierteln, die schachbrettartig durch Straßen gegliedert waren. Die Innere oder Kaiserstadt lag im Süden. Sie war das Verwaltungszentrum des Reichs mit dem Kaiserpalast als Kern. Ein Grund ihrer Südlage könnte darin liegen, dass man den offiziellen Zugangsbereich zum Palast von Störungen freihalten wollte und deshalb die Marktviertel hinter den Palast nach Norden verlegte. Dies entsprach auch einer altchinesischen Architektur-Regel. Hier im geometrischen Zentrum der Stadt errichteten die Yuan einen Trommel- und einen Glockenturm auf der Mittelachse der Stadt. Sie bestehen weitgehend unverändert heute noch. Die Mauern der Kaiserstadt wurden nach Westen erweitert, um den südlichen See, den heutigen Mittleren See (Zhonghai) miteinzubeziehen. Die Zentralachse der Stadt ist wegen des Sees leicht nach Osten versetzt, um genügend Raum zu schaffen für den Kaiserpalast innerhalb der Kaiserstadt. Diese Achse bildet noch heute das Rückgrat Pekings.
Wie in den Tempelanlagen der Prozessionsweg durch verschiedene Torbauten und Verehrungshallen zum Haupttempel führt, so erstreckt sich heute dieses Rückgrat als gewaltige Ehrenstraße vom Südtor der Außenstadt bis in den Palast und darüber hinaus als axiale Verkehrsader der Stadt zur Nordmauer. Zur Yuan-Zeit war die Strecke vom südlichen Stadttor bis zum Palast kürzer, aber nach den Schilderungen Marco Polos, der die planmäßige Gradlinigkeit der Straßen bewunderte, nicht weniger eindrucksvoll. Von Tor zu Tor steigerten sich Rang, Bedeutung und wohl auch die Pracht der Anlagen, je mehr sich die Straße dem Palastzentrum, der Mitte des Reichs näherte, also dem Mittelpunkt der Erde. Vermutlich war sie, wie noch heute, in gewissen Abständen von öffentlichen Bauwerken, Ehrenhallen oder Tempeln flankiert.
Die Verbotene Stadt
Die Verbotene Stadt selbst entsprach in ihren Ausmaßen denen der Ming-Zeit: nord-südlich 1.000 Meter, ost-westlich 760 Meter. Innerhalb der Palastmauern setzte sich die Bedeutungssteigerung von Abschnitt zu Abschnitt fort. Hinter den Toren öffneten sich weite Zwischenhöfe, riesige Räume, die von Mauerriegeln und Torhallen abgeschlossen wurden. Diese Höfe waren grasbewachsen. Sie hielten die Erinnerung wach an die Steppe. In Analogie dazu mochten die langgezogenen Galerien und Mauern, welche die Höfe umgaben, fernen Bergzügen geglichen haben. Die Folge rhythmischer Intervalle von Höfen, Mauer- und Gebäudeketten fand ihren Höhepunkt im zentralen Innenhof. Wie in der Ming- und der Qing-Zeit dürften hier ebenfalls drei Zeremonialhallen gestanden haben wie sie heute noch bestehen und wie sie bereits zur Zhou-Zeit für das Kaiserliche Ritual festgelegt wurden: der Sohn des Himmels regiert in drei Palästen. Bei den von Marco Polo beschriebenen „Goldenen Hallen“ Kublai Khans könnte es sich also um genau diese Gebäude gehandelt haben, in welchen sich die höchste kaiserliche Macht manifestierte. Hinter diesem offiziellen Teil des Palastes lagen auf der Zentralachse die Privatgemächer des Kaiserpaares, flankiert von den Palästen der Prinzen und Prinzessinnen, sowie der Konkubinen des Kaisers. In diesem hinteren Bereich befanden sich auch die Gebäude, welche den Ratssitzungen und den alltäglichen Regierungsgeschäften dienten. Heute verlaufen zwei Nebenachsen innerhalb der Palastmauern parallel zur Hauptachse wie vermutlich auch schon zur Yuan-Zeit. Auch sie sind besetzt mit einer Abfolge von Höfen, Plätzen, Hallen und Gärten mit ehemals unterschiedlichen Funktionen. Entlang der Palastmauern waren die Unterkünfte und Magazine der Wachtruppen untergebracht.
Die Schilderungen Marco Polos und des Franziskanerpaters Odorico preisen zwar die Pracht der Yuan-Paläste, aber sie hinterlassen kein anschauliches Bild ihrer Architektur. Außer den gewaltigen Mauern und Toren, der Größe und Weite der Palasthöfe, beschreibt Marco Polo Marmorterrassen, auf denen sich eingeschossige Gebäude erheben mit farbigen Keramikziegeln und reich geschnitzten Säulen, in Gold gefasst und bemalt. Er erwähnt Freitreppen und reich verzierte Balustraden aus weißem Marmor. Er spricht von Wanddekor aus Gold und Silber, von Tierdarstellungen, von Drachen und Vögeln. All dies trifft auch auf die Ming-Architektur zu und tatsächlich scheint es keine prinzipiellen Unterschiede gegeben zu haben, soweit das aus den Quellen und den wenigen erhaltenen Yuan-Bauten zu schließen ist.
Dies hängt freilich auch mit dem grundsätzlichen Traditionalismus chinesischen Denkens zusammen: jede neu - und natürlich gewaltsam - zur Macht gekommene Dynastie suchte sich eng an das Vorbild der vorangegangenen zu halten oder gar an das ihrer Vorvorgängerin. Traditionalismus bedeutete Legitimation. Erst allmählich, über Generationen hin, konnten sich bestimmte Eigenarten, konnte sich ein dynastischer Stil entwickeln. Die Mongolen, die ja naturgemäß keine eigene Bautradition mitbrachten, waren von vornherein auf chinesische Baumeister angewiesen, die im Stile der Song oder der Liao arbeiteten. Wenn es einen speziell mongolischen Zug in der Yuan-Architektur gab, so war es eine Neigung zum Pompösen, zu demonstrativer Aufwendigkeit, zu großen Dimensionen und überwältigender Monumentalität. Der ungeheuere Reichtum, der den Steppenbewohnern in die Hände gefallen war, der Gegensatz zwischen ihrem gewohnten kargen und entbehrungsreichen Dasein und der chinesischen Lebensweise, muss einen Kulturschock bei den Eroberern ausgelöst haben, der sich in verschwenderischer Prachtliebe auslebte. Sie zeigt sich im reichlichen Gebrauch bunter Farben, von Gold und Silber, von prachtvollen Teppichen in den Innenräumen der Paläste, von bestickten Wandbehängen und Vorhängen, gemusterten Decken und Fellen wie in den Nomadenzelten und dekorativem Wandschmuck, der keine Stelle frei ließ.
Die Architektur blieb ganz und gar chinesisch. Jedoch zwangen die Mongolen den Baumeistern ihren Geschmack am Auffälligen auf, am Zurschaustellen von Reichtum, das heißt architektonisch: an Kompositformen, die alle möglichen bis dahin entwickelten Architekturelemente aufweisen. Dass diese Architektur eine verblüffende Geschlossenheit bewahrte, war eher der Meisterschaft der chinesischen Baumeister und ihrer Geschmackssicherheit, ihrem Sinn für Proportionen zu danken, als den Forderungen der Bauherrn. Vom Aussehen dieser Architektur können wir uns ein Bild machen mit Blick auf die Palastbauten der Ming, wie auch auf Palastdarstellungen in der Yuan-Malerei. So bei dem Meister Li Rongjin. In seiner Darstellung eines Vergnügungspalastes (Palast Museum Peking) oder bei Xia Yong „Der Palast des Prinzen Teng“ (Freer Gallery, Washington) . Solche Bilder zeigen eine Vielfältigkeit an Bauformen, worin sich der „barocke“ Geschmack der Mongolen Ausdruck verschafft. Einzelformen und Konstruktionsweisen gehen auf Song-Modelle zurück, die Üppigkeit der Zusammenstellung ist Yuan. Die Neigung der Song zur Kombination unterschiedlicher Baukörper war dagegen zurückhaltend und differenzierter.
In einem einzigen Baukomplex finden sich die verschiedensten Dachtypen wie Doppelwalmdach, Fußwalmdach, Doppelfußwalmdach, Kreuzgiebeldach u. a. m. - Das einfache klassische Walmdach erscheint nur selten. Ganze Gebäudecluster entstehen. Eingeschossige Pavillons drängen sich an Stockwerkhallen, gedeckte Galerien verbinden Seitenpavillons, mehrgeschossige Bauwerke sind mit Vorhallen und Annexen versehen, von denen Seitenflügel abzweigen. Vielstufige Terrassen sind von umlaufenden Galerien begrenzt, Treppen und Rampen verbinden Vorhöfe und balustradengeschmückte Plattformen. Einzelne Pavillons sind auf Brücken oder Pfählen erbaut.
Eine genaue Beschreibung der Yuan-Paläste ist auch in den Katalogen erhalten, die unter den Ming angelegt wurden. Sie vermitteln einen Eindruck von den Ausmaßen und der Monumentalität dieser Bauwerke. Das Haupttor des Kaiserpalastes nahm in der Breite zwölf Säulenabstände ein und hatte fünf Durchgänge. Das Haupttor Wu men zur Verbotenen Stadt der Ming ist neun Joche breit mit drei Durchgängen. Das Yuan-Tor maß 62 Meter in der Breite und über 28 Meter in der Höhe. An den Seiten standen zwei Türme, von wo aus Treppengalerien von zehn Jochen (in der Länge) hinaufführten zum hallenförmigen Wachturm über den fünf Eingängen. Weitere Anbauten waren nach beiden Seiten mit Galerien verbunden, die fünf Joche breit waren.
Im Streben nach Gewaltigkeit der Wirkung wurden im Laufe der Entwicklung die Traufdächer schwerer und überladen mit dekorativer Zimmermannsarbeit, sodass Hebelarme und Konsolensystem das Gewicht des überhängenden Daches nicht mehr trugen. Die Konsolen schrumpfen nun zu dekorativen Mustern und verlieren ihre konstruktive Funktion, sodass das Traufdach von einer äußeren Säulenreihe gestützt werden muss. Die so entstehende Säulenvorhalle unterscheidet sich von einer Vorhalle des Song-Stils insofern, als diese im klassischen Konsolen- und Hebelarm-System konstruiert ist. Die Yuan-Kolonnade, wenn auch konstruktiv notwendig, wird jedoch zugleich zu einem willkommenen Schmuckelement, das Vielgliedrigkeit und Reichtum der Architektur betont. In der Ming-Architektur setzt sich diese Tendenz fort.
Tempelanlagen
Der Yongle gong
Unter den Yuan wurden also song- und liaozeitliche Traditionen in der Architektur fortgeführt, da die Mongolen mangels eigener Architekten auf einheimische Baumeister und Handwerker zurückgreifen mussten. So zeigt der daoistische Tempelkomplex des Yongle gong (Palast der Ewigen Glückseligkeit) in Ruicheng (Shanxi) die strenge Anordnung von Anlagen der Song-Epoche . Der Tempel wurde anstelle eines älteren Heiligtums zwischen 1247 und 1358 errichtet. Wegen eines Dammbaues wurde im Jahre 1959 der gesamte noch erhaltene Tempel vom Dorfe Yongle hierher versetzt. Ehemals gehörten noch sieben weitere Gebäudekomplexe zu dem Klosterbereich.
Auf einer Süd-Nord-Achse reihen sich fünf Hallen hintereinander in einem langgestreckten, abgeschlossenen Bezirk. Die räumlichen Intervalle zwischen den Gebäuden verdichten sich im hinteren Teil. Da in einem daoistischen Tempelbezirk der Konflikt um die Stellung der Pagode nicht auftritt, entfaltet sich die Gliederung der 360 Meter langen Anlage in klarer Konsequenz. Die Dächer der Hallen wirken schwerer als gemeinhin die der Song-Typen und stehen darin der Tang-Architektur näher. Auch die konkave Kurvatur der Walmdächer ist geringer, die Dachecken sind nur leicht nach oben gezogen. Die Konsolen, welche die Dachtraufen stützen, sind verkleinert und dicht nebeneinander aufgereiht, wodurch die Wirkung eines fortlaufenden dekorativen Ornaments entsteht.
Das „Bergtor“, die Eingangshalle im Süden, stammt aus der Qing Dynastie. Es folgen die Gebäude aus der Yuan-Zeit: „Tor der Unermesslichkeit“ (Wu ji men), auch „Tor des Drachen-Tigers“ (Long hu men) mit zwei kleinen Seitengebäuden . Die Breite des Torbaus beträgt fünf Pfeilerabstände, seine Tiefe zwei. Drei Portale bilden den Durchgang. Das Walmdach zeigt einen flachen Neigungswinkel. An den Innenwänden sind Darstellungen der Torhüter-Gottheiten erhalten: Shen tu und Yu lei. Außerdem Himmelssoldaten, Lokalgottheiten, Beamte und Diener.
Zwischen dieser Torhalle und dem Haupttempel erstreckt sich das längste Stück des Prozessionswegs. Die „Halle der Drei Reinen“ (San qing dian) besteht aus sieben zu vier Pfeilerabständen. An der Frontseite sind fünf der sieben Interkolumnien von Toren besetzt. First und Dachkanten des schwer wirkenden Walmdachs sind mit reichem ornamentalen Schmuck überzogen. Die Firstenden werden von den üblichen Keramikdrachen beherrscht, die hier wegen ihrer besonderen Pracht und Größe ins Auge fallen .
Innen ist die Anzahl der Stützen auf acht verringert, um einen größeren Freiraum für den Altar zu schaffen, der drei Joche in der Breite einnimmt. Hier standen einst die Statuen der „Drei Reinen“ siehe auch siehe auch, der höchsten daoistischen Gottheiten: der „Jade Reine“ (Yu qing), der „Hohe Reine“ (Shang qing) und der „Höchste Reine“ (Tai qing). Der Altar ist an drei Seiten von einem 4,50 Meter hohen Paravent umgeben, der auf beiden Seiten von Malerei überzogen ist, ebenso wie die über 4 Meter hohen Innenwände der Halle.
Es folgt die „Halle des Reinen Yang“ (Chun yang dian) . Sie besteht aus fünf zu drei Jochbreiten und trägt ein Fußwalmdach, also ein Walmdach mit eingeschnittenem Giebel an jeder Schmalseite. Die Halle ist dem Unsterblichen Lu Dong bin geweiht, Chun yang ist einer seiner Beinamen. Er war ein daoistischer Meister der Tang-Zeit, auf dessen Haus im Dorfe Yongle das Heiligtum zurückgeht. Auch hier sind die Innenwände fast vollständig mit Wandbildern bedeckt.
Das letzte Gebäude der Anlage ist die „Halle des Zhong yang“ (Zhong yang dian). Sie ähnelt der „Halle des Reinen Yang“ mit fünf zu drei Pfeilerabständen, drei Toren und einem Fußwalmdach. Zusätzlich ist sie von zwei Pavillons flankiert. Sie wurde zu Ehren Wang Zhong yangs (1112-1170) errichtet. Er gründete die einflussreiche daoistische Sekte der „Lehre von der Wahren Einheit“, die hier ihren Sitz hatte und die unter den Jin und den Yuan in Opposition gegen die Fremdherrschaft stand. Auch hier sind die Innenwände von Malerei überzogen.
Die Hallen sind zwischen 20 und 28 Meter breit und jeweils auf einer erhöhten Plattform errichtet, zu der Rampen emporführen, ein Charakteristikum von Palastbauten. Darauf weist auch der Name des Tempelbezirks hin. Das daoistische Kloster (guan) wurde nach einem Brand von 1244 wieder aufgebaut und vom Mongolen-Kaiser, der hier aus politischen Gründen als Beschützer des Glaubens auftrat, in den Rang eines Palastes (gong) erhoben. Der Yongle gong gehörte damit zu den drei höchstrangigen daoistischen Heiligtümern des Reiches.