Architektur: Raumordnung und kosmische Symbolik

Die lange Entwicklung der buddhistischen Kloster- und Tempelanlage (si) fand in der Song-Epoche zu einer Ordnung, die in der Sechs-Dynastien- und der Tang-Zeit ihre Vorläufer hatte, nun aber dem chinesischen Raumordnungs-Empfinden so vollständig angeglichen war, dass nichts mehr an den indischen Ursprung erinnerte. Dies erklärt auch die Tatsache, dass sich auch in späterer Zeit an dem grundsätzlichen Schema des Lageplans nichts mehr änderte und dass auch konfuzianische wie daoistische Anlagen ihm folgten. Die Bauglieder blieben meist rechteckige Pfeilerhallen unterschiedlicher Größe. Der Stilwandel drückt sich im Detail der Konstruktion und im Dekor aus. Lediglich die Stellung der Pagode war Veränderungen unterworfen.

Die indische buddhistische Klosteranlage bestand im Kern aus einer Gruppierung der Mönchszellen um den Stupa als Zentrum des Universums. Schon im China der Sechs Dynastien bildete sich jedoch eine nord-südliche Symmetrieachse aus, auf der die Pagode und die Klostergebäude errichtet wurden, die Haupthallen quer zur Achse, die Nebengebäude an den Seiten parallel dazu siehe auch. Hierbei wurde jene kosmische Symbolik wirksam, die so tief im chinesischen Weltverständnis verwurzelt war.

Jede Himmelsrichtung ist mit einer Reihe zusammenhängender Symbole und Eigenschaften verbunden. Sie vertreten gegensätzliche Kräfte. Erst ihr Zusammenklang bewirkt die Harmonie des Universums. Inmitten dieser Wirkkräfte steht der Mensch. Er ist Teil dieser Ordnung, nicht ihr Herr. Der Osten wird mit dem Frühling identifiziert. Sein Element ist das Holz, sein Symboltier der Grüne Drache, Wahrzeichen des Kaisers und Spender des Regens. Der Süden vertritt den Sommer, sein Tier ist der Rote Phönix, der Vogel der Kaiserin. Sein Element ist das Feuer und er bringt Überschwemmung. Die Jahreszeit des Westens ist der Herbst. Sein Element ist das Metall. Sein Emblem der Weiße Tiger, der Schutz vor Dämonen gewährt. Der Winter steht für den Norden. Sein Element ist das Wasser, ein erschreckendes Mischwesen sein Zeichen: ein Doppeltier aus Schlange und Schildkröte, genannt der „schwarze Krieger“ siehe auch. Der Norden wurde unheilvoll erlebt, von dort drohte permanent Gefahr: Naturgewalten, die eisige Kälte Innerasiens und seit Jahrhunderten immer wieder Krieg, Zerstörung und Tod, den die barbarischen Nordvölker brachten.

Und so wurden Stadt und Palast, Wohnhaus und Grabstätte sozusagen mit dem Rücken nach Norden errichtet. Wie der Himmelsmeridian vom Polarstern ausgehend sich nach Süden erstreckt, so zieht sich auch die Achse der Kaiserstadt vom Palast aus nach Süden.

Der tief verankerten Überzeugung von der Wirksamkeit dieser Ordnung konnte sich der Buddhismus nicht entziehen.

Zwei kosmische Ordnungsprinzipien trafen hier aufeinander: horizontale Achse und vertikales Zentrum. Die Pagode, als Verkörperung Buddhas für die Buddhisten Mittelpunkt des Universums, fand ihren Platz schon früh auf der Tempelachse vor der Buddha-Halle. Mit der gesteigerten Verehrung des Buddha-Bildes in der Haupthalle gewann diese an Bedeutung. Unter den Sui und den Tang wurde die Pagode hinter die Haupthalle gesetzt und in großen Tempelkomplexen verdoppelt, d. h. eine östlich und eine westlich der Hauptachse errichtet. Der chinesische Wille zur Symmetrie hatte triumphiert. Damit war die Pagode ihres wesentlichen Sinngehaltes entleert: sie konnte nicht mehr den Mittelpunkt des Kosmos symbolisieren und verlor ihre absolute Gleichsetzung mit dem Buddha-Wesen. Mit einigen Ausnahmen in Südchina verkümmerten die späteren Doppelpagoden zu Pfeilern. Ihrer Nebenrolle entsprechend, sind sie nur noch Träger von Gebetsformeln und magischen Texten. Mit der Krise des Buddhismus in der späten Tang-Zeit verschwanden die großen Doppelpagoden. Einige spätere sind Ausnahmen vom allgemeinen Trend, wie die von Suzhou und Taiyuan. Seit dieser Zeit errichtete man die Pagode entweder hinter der Haupthalle oder auf einer Seitenachse, mitunter sogar außerhalb des eigentlichen Tempelbezirks. Es lag in der Konsequenz dieser Entwicklung, dass man später in zahlreichen Fällen auf die Errichtung einer Großpagode gänzlich verzichtete.

Tempelanlagen

Der Long xing si

Die älteste, weitgehend in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Tempelanlage Chinas ist der „Tempel des Gedeihenden Drachens“ (Long xing si) in Zhengding, Provinz Hebei . Eine Gründung der Sui, wurde er unter den Song in seiner jetzigen Anordnung ausgebaut (971). Einzelne Gebäude stammen aus der Jin-Zeit. Der langgestreckte Komplex entwickelt sich von Süden nach Norden. Auf die Portalhalle der vier Himmelskönige folgen, sich gegenüberstehend, im Osten die Reste eines Glockenturms, im Westen die eines Trommelturms. Dahinter erhebt sich eine Plattform, die fast die gesamte Breite des ersten Hofes einnimmt. Hier stand ehemals die erste Tempelhalle. Zwei sich gegenüberliegende Seitenhallen bilden einen Zwischenakzent vor einem größeren Bauwerk von ungewöhnlichem Aussehen.

Es gibt kein vergleichbares historisches Gebäude mehr in China: die „Perlenhalle“ (Moni dian). Der Gründungsname des Tempels geht auf altindische Vorstellungen zurück: „Tempel des Drachenschatzes“ (Long cang si). In Indien galten Schlangengottheiten (Nagas) als Bewacher unterirdischer Schätze, im Buddhismus wurden sie zu Wächtern der Lehre Buddhas, die in einem Juwel symbolisiert wurde. In China fasste man diese Schlangengeister als Drachen auf, die von alters her als glückverheißend angesehen wurden. Mit der „Perle“ war auch hier die buddhistische Lehre gemeint.

Dem quadratischen Hauptgebäude mit sieben mal sieben Pfeilerabständen ist auf allen vier Seiten eine Vorhalle angegliedert, eine Baugestalt, die den Beschreibungen von ming tang Hallen der Han-Zeit siehe auch siehe auch entspricht . Wie der Zentralbau tragen auch diese Eingangspavillons Fußwalmdächer, d. h. Walmdächer, die mit einem daraus hervorwachsenden Giebel eines Satteldachs kombiniert sind. Die Haupthalle besitzt zudem ein zweites umlaufendes Dach. Der First des oberen Daches liegt quer zur Tempelachse. So einfach der Grundplan ist, so kompliziert ist das Dachsystem, dessen Vielgestaltigkeit dem Bauwerk eine einmalige Wirkung verleiht. Die Dächer dominieren das Gebäude, der Unterbau ist vergleichsweise niedrig. Obwohl die Dächer stark nach innen gekrümmt und die Dachecken nach oben gezogen sind, was gewöhnlich den Eindruck von Leichtigkeit erweckt, sind sie von einer wuchtigen Monumentalität. Entlang den Giebelkanten verlaufen oberhalb der Ziegel wulstige Friese, welche aus der Frontsicht den Dächern zusätzliche Stärke und Gewicht verleihen.

Entsprechend mächtig sind die stufenweise vorkragenden Konsolengruppen . Sie nehmen annähernd die Hälfte der Pfeilerhöhe ein. Die Pfeiler sind T-förmig ausgebildet, da nun, außer den traditionellen Konsolen unmittelbar über den Pfeilern, auch solche zwischen den Stützen eingeführt wurden wegen der zunehmenden Schwere der überkragenden Dächer. Diese Mittelkonsolen ruhen auf einem Querbalken. Sie sind besonders prächtig ausgeführt. Außer den seitlich und rechtwinklig vorspringenden, kandelaberartigen Tragarmen tritt hier noch ein diagonal gerichtetes Trägerpaar hinzu. Dieses bereichernde Element wurde später von den Liao mit Vorliebe angewendet. Die sehr klare Disposition des in Gruppen gegliederten Konsolensystems ist kennzeichnend für den frühen und den klassischen Song-Stil. Die Halle wird in die Mitte des 11. Jahrhunderts datiert. Die außerordentliche Kompliziertheit der Dachkonstruktion insgesamt weist die Baumeister und Zimmerleute der Song-Zeit als Meister hohen Grades aus. Ihre Technik übertrifft noch die verwickelte Konstruktionsweise der Tang, wie sie am Fo guang si des Wutaishan siehe auch noch zu sehen ist.

Auf der ältesten Stele des Long xing si aus dem Jahre 586 wird ein Gebäude erwähnt, das der Vorgänger der Moni Halle gewesen sein muss: eine neunstöckige Halle mit einem einzigen Pfeiler. Es ist die kürzeste und genaueste Beschreibung einer Pagode, die ja nur einen Pfeiler in der Mitte besitzt. In diesem Falle hätte die Pagode genau auf der Hauptachse gestanden.

Der Plan der Moni dian könnte darauf hindeuten, dass bei Errichtung der Halle tantrische Vorstellungen Einfluss genommen haben. Er enthüllt gegenüber der Symbolik der Pagode siehe auch einen veränderten Sinngehalt. Der Grundriss zeichnet sich an der Plattform, auf der die Halle steht, in aller Deutlichkeit ab: ein Quadrat, mit einem rechteckigen Vorsprung an jeder Seite . Es ist die Gestalt eines Mandalas siehe auch. Die Eingangspavillons, welche diese Vorsprünge besetzen, entsprechen den vier Toren eines Mandalas, durch die der Meditierende in das magische Symbol kosmischer Kräfte eintritt.

Nach einer quadratischen Weiheterrasse mit einer Pfeilerhalle der Qing-Dynastie, wo die Ordinationen stattfanden, erweitert sich die Umfriedung des Tempelbezirks. Im folgenden Hof stehen sich wiederum zwei Zwillingsgebäude gegenüber. Im Osten die spätere Maitreya-Halle, im Westen die songzeitliche Sutren-Bibliothek . Da sie quer zur Hauptachse liegen, haben sie ihre Zugänge entgegen der üblichen Anordnung an den einander zugewandten Schmalseiten. Sie sind zweigeschossig. Da aber die umlaufende Galerie des Obergeschosses ein eigenes Dach besitzt, erscheinen sie dreigeschossig. Die Konsolengruppen über den Pfeilern und die zwischen den Pfeilern sind hier gleich behandelt. Nur die Eckkonsolen, welche die aufwärts gekrümmten Dachecken stützen, sind mit zusätzlichen vorstehenden Hebelbalken (ang) versehen. Die Konsolenstaffelung, vierfach unter dem Hauptdach, ist in jedem Stockwerk verschieden.

Sind die Balustraden und Täfelungen schon außen mit reichem Schnitzwerk versehen, so birgt das Innere der Bibliothek ein Wunder an Zimmermanns- und Holzschnitzerkunst: eine achteckige Pagode, worin die Sutren aufbewahrt werden . Über dem hohen Sockel führt eine säulengestützte Galerie um den Kernraum mit den heiligen Schriften.

Ein Vordach, das in eleganten Konkavbögen von Dachecke zu Dachecke schwingt, überdeckt die Galerie. Darüber schließt ein Runddach die Pagode ab. Sie ist über und über mit Flachreliefpaneelen dekoriert, die florale Muster und Drachenmotive zeigen, ohne dass sie ihre strukturelle Klarheit verliert. Um die Ecksäulen wanden sich ehemals Wolken und Himmelsdrachen. Zwischen diesen barock anmutenden Stützen hängen jeweils zwei rudimentäre Pfosten an den Stellen herab, wo man bei großen Gebäuden echte Säulen angebracht hätte. Wie die Ecksäulen spreizen sie T-förmig Tragarme ab. Der freihängende Schaft endet in einem Lotoszapfen. Das Konsolensystem des achteckigen Vordachs und des Runddachs besteht aus dicht nebeneinander gedrängten, sechsfach gestaffelten Konsolenreihen. Unter dem Vordach ragen aus jeder Konsolengruppe drei übereinander liegende Balkenspitzen hervor, Imitationen des konstruktiv so wichtigen Hebelarms (ang), der hier keine Funktion hat, sondern wie das gesamte Konsolensystem in ein dekoratives Muster verwandelt ist. Die dichte Reihung der Konsolen vermittelt den Eindruck überwältigenden Reichtums, ebenso wie das überreiche Schnitzwerk: eine Vorahnung der Paradiese Buddhas.

Die Sutren-Pagode ist drehbar. Diese Eigenschaft weist auf ein zentrales Element des magischen Buddhismus Tibets: auf die Gebetstrommel. In diesem Licht lässt sich die gesamte Bibliothek als eine riesige Gebetstrommel auffassen, durch deren Drehung sich das Rad der Lehre in Bewegung setzt und wodurch das Wort Buddhas auf magische Weise wirksam wird.

Unmittelbar nach der Maitreya Halle und der Sutrenbibliothek stehen sich zwei quadratische Pavillons mit Doppeldach gegenüber, die von allen vier Seitenüber kleine Treppchen zugänglich sind, die Stelenpavillons .

Am hinteren Ende dieses weiten Hofs mit mehreren Seitenbauten und östlich anschließend mit den Behausungen der Mönche schließt eine riesige quadratische Halle von sieben mal fünf Pfeilerabständen den Komplex aus der Song-Zeit ab. Sie ist flankiert von zwei Seitenflügeln. Die übereinander getürmten Dächer des „Turms der Großen Gnade“ (Da bei ge) ragen über 30 Meter hoch . Innen erhebt sich das Hauptkultbild des Guan yin . Die songzeitliche Bronze ist über 21 Meter hoch. Schutz- und segenspendend breitet sie ihre 42 Arme fächerförmig aus. Auch hier zeigt sich der erstarkende Einfluss des tantrischen Buddhismus, jener dem Magischen vertrauende Richtung des Glaubens.

Der Du le si

Dem Bodhisattva Guan yin ist auch eines der bemerkenswertesten Holzgebäude geweiht, das unter der „Barbaren“-Dynastie der Liao errichtet wurde: der Guan yin Pavillon des „Klosters der Einsamen Freude“ (Du le si) in Jixian, Provinz Hebei .

Gemeinsam mit dem „Bergtor“ (shan men) des gleichen Tempels ist er das älteste erhaltene Bauwerk der Liao-Zeit aus dem Jahre 984. Während das mit einem Walmdach gedeckte Bergtor an seiner Breitseite drei Säulenzwischenräume aufweist und in der Tiefe ein Zwischenfeld, hat der Pavillon an seiner Front fünf und an den Seiten vier Felder. Dem Steinfundament, worauf sich das Gebäude erhebt, ist eine Terrasse vorgelagert, zu der drei Treppen hinaufführen, eine im Zentrum und zwei von den Seiten . Auf diese einfache Weise wird der Hauptzugang architektonisch hervorgehoben, ohne dass Veränderungen der klar gegliederten Baustruktur vorgenommen werden mussten. Vorder- und Rückseite unterscheiden sich lediglich dadurch, dass an der Fassade drei Interkolumnien von einem Holztor besetzt sind, an der Rückwand nur das mittlere Feld. Die übrigen Wände des Untergeschosses bestehen aus Ziegelmauerwerk, welches die Holzstützen umschließt.

Von außen erscheint der Pavillon als zweigeschossiges Gebäude mit einem umlaufenden Balkon. Ein Fuß- oder Sattelwalmdach mit leicht gebogenen Dachecken, wie sie im frühen Song-Stil entwickelt wurden, schließt den Bau in über 20 Metern Höhe ab. Die Dachecken beider Geschosse wurden später mit senkrechten Balken abgestützt, da die weit vorkragenden, übereinander geschichteten Konsolen und Hebelarme gefährdet waren. Dieser Eingriff nahm natürlich den angehobenen Dachecken und somit dem gesamten Bauwerk den ursprünglichen Eindruck von Leichtigkeit.

Die Variationsbreite der Konsolensysteme ist unübertroffen: man hat 24 Varianten gezählt . Auf diese Weise stand für jedes konstruktive Problem nicht nur eine eigene Lösung zur Verfügung, sondern man erreichte dadurch eine einzigartige Formenvielfalt in den rhythmisch angebrachten Konsolenclustern. Eine geometrisierend ornamentale Bemalung steigerte diesen dekorativen Reichtum, ohne jedoch die gliedernde konstruktive Ordnung zu verwirren. Während sich die Neigung der Liao-Baumeister zur Gestaltenvielfalt unter den beiden Dachvorsprüngen voll entfaltete - wobei sie nicht zuletzt auch auf Tang-Konstruktionsweisen zurückgriffen - zeigt das Gleichmaß der dreifach gestuften Konsolenreihe unter dem Balkon Song - Einfluss.

Im Inneren gliedern zehn Pfeiler die Halle in fünf mal vier Schiffe. Zwischen diesen Pfeilern und den Außenwänden entsteht ein Umwandlungsgang. Der zentrale Raum innerhalb des Rechtecks, welches die Pfeiler bilden, reicht vom Bodenniveau bis unter das Dach. Hier erhebt sich das Standbild des elfköpfigen Guanyin auf einem Podest sechzehn Meter hoch . Er wird flankiert von zwei, im Vergleich mit dem Guan yin winzigen, aber dennoch überlebensgroßen Bodhisattvas im Untergeschoss Die gewaltige Tonfigur ist stehend dargestellt in der Haltung der Schutzverheißung, die Rechte erhoben, und der Wunschgewährung, die Linke nach unten mit der Innenfläche dem Anbeter zugewandt, gleichzeitig Daumen und Mittelfinger einander angenähert zur Geste der Belehrung. Aus der Krone des Bodhisattvas wachsen zehn Köpfe. Nach der Legende sei ihm einst der Kopf zersprungen aus Schmerz über die Leiden der Welt .

Im Gegensatz zur Außenansicht besitzt das Gebäude im Inneren zwei Obergeschosse mit je einer den Lichthof umlaufenden Galerie. Ihr sechseckiger Grundriss leitet über zu der zentralen Achteck-Kuppel, die wie ein Baldachin über der Statue schwebt und mit der die Dachkonstruktion verblendet ist. Links und rechts der Kuppel verdecken Kassettendecken das Dachgebälk. Der Abwechslungsreichtum von Konsolen- und Stützsystemen setzt sich auch hier fort, ergänzt vom reichen Schnitzwerk und der Bemalung von Decken, Balkenwerk und Galeriebrüstungen.

Dem verfeinerten Song-Geschmack mochte diese Fülle an Einfallsreichtum und Dekor „barbarisch“ erschienen sein. Dennoch zeugt sie von der hohen Kunstfertigkeit der Liao-Baumeister und -Handwerker.

Der Feng guo si

Von dem einstmals umfangreichen Komplex des Liao-Tempels Feng guo si in Yixian, Provinz Liaoning, der laut einer Inschriftenstele von 1303 ehemals tausend Mönche beherbergt hat, sind nur noch wenige Gebäude erhalten . Das größte Bauwerk des „Tempels, der dem Lande dient“ ist nach der Halle des Oberen Huayan si in Datong siehe auch die größte noch bestehende buddhistische Verehrungshalle Chinas. Sie trägt den gleichen Namen wie die Halle des Huayan si: „Kostbare Halle des großen Helden (Buddha)“ (Da xiong bao dian). Sie wurde 1020 geweiht. Mit 48 x 25 Metern ist sie zwar kleiner als ihre Schwester in Datong, für ein Holzgebäude jedoch noch immer von beeindruckenden Dimensionen. Auch sie besteht aus neun zu fünf Jochbreiten, die außen von Mauerwerk umschlossen sind. Zwei Eingänge, jeweils im vorletzten Feld zwischen den Außenstützen, und einer in der Mitte unterbrechen die Frontseite. Die Interkolumnien zwischen den Eingängen sind nur in halber Höhe vermauert, darüber sind sie mit Flechtwerk verkleidet. Auf der Terrasse vor der Eingangsfront stehen zwei kleine, offene Pavillons mit Zeltdach, welche die Tempelglocke bzw. die Inschriftenstele aufbewahren. Das tiefgezogene, ausladende Walmdach verleiht dem Bau eine gewisse Schwere, trotz des konkaven Schwungs von First und Dachkanten, denn die Dachfläche dominiert gegenüber den Wandzonen, die sich gleichsam unter die weit vorragenden Traufen ducken. Über den Enden der Dachsparren ist eine darüber hinausragende Sparrenreihe angebracht, die das Traufdach zu einer „fliegenden Traufe“ macht, d. h. die Traufe leicht anhebt und zugleich vergrößert.

Das Konsolensystem entspricht weitgehend dem des Guan yin-Pavillons unter dessen Hauptdach. Nur sind am Feng guo si die auf einem Längsbalken aufliegenden Konsolengruppen zwischen den Säulen mit jeweils zwei Hebelarmen jenen über den Säulen so weit angeglichen, dass ein gleichmäßiger Rhythmus entsteht, welcher sich der Song-Auffassung wieder annähert .

Der Innenraum ist in zwei hintereinander liegende Hallen geteilt mit jeweils sieben zu zwei Säulenabständen: Die vordere diente als Versammlungshalle, in der hinteren thronen in einer Reihe nebeneinander die Kolossalbildnisse von sieben Buddhas, wobei jeder eine Jochbreite besetzt. Die äußeren Joche, also die zwischen der äußeren Säulenreihe des „Inneren Heiligtums“ (nei zhen) und den Außenwänden, bilden einen Umwandlungsgang, der mit der vorderen Halle verbunden ist und mit ihr das „Äußere Heiligtum“ (wai zhen) bildet. Eine Reihe später hinzugefügter Pfeiler stützt das Dach ab, unterbricht dadurch jedoch die Säulenordnung und behindert den Blick auf die Statuen des Allerheiligsten .

Auf Lotosthronen, die Beine zum Lotossitz verschränkt, erheben sich hier die sechs Buddhas vergangener Zeitalter, jeder mit einer anderen Handhaltung, und Shakyamuni, der Buddha des gegenwärtigen Zeitalters. Vor ihnen erheben sich jeweils zwei Bodhisattvas. Die Verehrung der „Sieben Vollendeten“ (ru lai) muss den Feng guo Tempel zum Anziehungspunkt für zahlreiche Pilger gemacht haben, worauf auch seine durch Inschriften belegte Blüte bis in die Ming-Zeit hinweist.

Der Jin ci-Tempel

Unweit der Stadt Taiyuan, Shanxi, liegt die ausgedehnte Tempelanlage Jin ci, „Tempel (an den Quellen des Flusses) Jin“ . Ursprünglich ein Ahnentempel für einen Prinzen Shuyu von Tang aus der Zhou-Dynastie, konzentrierte sich die Verehrung auf dessen Mutter, die Gattin des Gründers der Zhou-Dynastie, als zwischen 1023 und 1032 der Song-Kaiser den „Ahnenschrein der Heiligen Mutter“ (Sheng mu miao) errichten ließ. Von den zahlreichen Hallen, Pavillons, Galerien und Brücken über den Fluss, die im Laufe der Jahrhunderte hier entstanden sind, ist dieser Schrein einstmals nicht nur der am höchsten verehrte gewesen, sondern die Haupthalle ist auch architektonisch eines der bedeutendsten Werke der Song-Zeit.

Innerhalb der Anlage bildet der Schrein einen eigenen Komplex, der vermutlich schon unter den Song so angelegt wurde, wenn auch nicht alle Gebäude aus dieser Zeit stammen. Die Tempelachse weicht von der üblichen Süd-Nord-Ausrichtung ab. Sie führt von Südosten nach Nordwesten - offenbar die günstigste Lage nach den Gesetzen der Geomantik (feng shui = Wind und Wasser) siehe auch. Eine kleine Brücke über einen Arm des Jin-Flusses leitet die Achse ein, die „Brücke der Begegnung mit Unsterblichen“ (Hui Xian qiao) . Es folgt die quadratische „Terrasse der Eisernen Männer“ (Jen ren tai) mit einem kleinen Mittelpavillon . Die gusseisernen Statuen von vier bedrohlich wirkenden Kriegern an jeder Ecke stammen aus der Song-Periode, teilweise restauriert oder ergänzt . Sie erinnern an dämonenabwehrende Grabwächterfiguren oder auch an die vier Wächter der Himmelsrichtungen, Schutzgeister des Heiligtums. Auf der dahinterliegenden Terrasse erhebt sich ein Ehrentor aus der Ming-Zeit. Die kleinen Türme zu beiden Seiten - ein Glocken- und ein Trommelturm - sind ebenfalls Ming. Das Tor führt zur „Halle der Opfergaben“ (Xian dian), nach der Haupthalle das älteste Gebäude des Tempels, 1168 von den Jin errichtet. Es ist ein kleiner dreijochiger Bau, dessen Konsolensystem dem der Haupthalle gleicht. Das schwere Dach wurde unter den Ming erneuert. Eine Plattform verbindet die Opferhalle mit der „Fliegenden Brücke“ (eigentlich „Fliegender Balken“, Fei liang), die in das Hauptheiligtum einmündet. Ihre höchst originelle Struktur ist vermutlich eine Song-Erfindung .

Gestützt von einem Mittelpfeiler und 34 Achtecksäulen überspannt sie einen Fischteich, dessen Zufluss unter der Sheng mu Halle entspringt. Der Teil der Brücke, der in der Tempelachse liegt und auf das Hauptheiligtum zuführt, befindet sich auf gleicher Höhe mit der Plattform, auf welcher die Sheng mu Halle steht. Vom Bodenniveau aus steigen rampenartig zwei Seitenflügel an . Sie treffen sich in der Mitte der horizontalen Brücke und bilden mit ihr einen kreuzförmigen Grundriss, der an die Gestalt eines Vogel erinnert, dessen Flügel - die Rampen - im Fluge nach unten schlagen. Die zierlichen Marmorbalustraden aus neuerer Zeit steigern den Eindruck einer eleganten Leichtigkeit, den das Bauwerk allein schon durch seine ungewöhnliche Gestalt vermittelt und durch das strahlende Weiß seines Baumaterials.

Die Halle der Sheng mu gehört nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den besterhaltenen Holzbauten der Song-Architektur . Sie repräsentiert den reifen Moment des späten Nord-Song Stils. In ihrer heutigen Form stammt die Halle aus dem Jahr 1102. Ein imposantes Doppeldach mit reich verzierten Akroteren zeigt den typischen Schwung und die aufwärts gebogenen Ecken des klassischen Song-Stils. Dies gilt auch für die Harmonie, mit welcher das optische Gewicht des Daches von den scheinbar alleintragenden Frontsäulen aufgefangen wird. Die kraftvollen Konsolenbündel unter den Dachvorsprüngen sind zwar in ihrem Erscheinungsbild schon weitgehend einander angenähert. In einer späteren Phase werden sie dekorativ und praktisch identisch. Hier jedoch unterscheiden sie sich noch in konstruktiver Hinsicht, was ihnen durch kaum bemerkbare Differenzierung größere Lebendigkeit in ihrer rhythmischen Reihung verleiht. So sind z. B. die schnabelartigen Spitzen der Hebelarme (ang), die bei allen Konsolen übereinander gestaffelt vorstehen, über den Pfeilerköpfen der Frontreihe imitierte ang, d. h. es sind waagerechte Konsolenarme, deren Enden schnabelförmig ausgebildet sind. Dagegen sind die Konsolen zwischen den Stützen mit echten, schräg verlaufenden ang konstruiert. .

Was für die chinesische Baukunst ganz allgemein gilt, nämlich das Spiel mit Licht und Schatten, das durch die überstehenden Traufdächer hervorgerufen wird, das gilt in besonderem Maße für dieses Bauwerk. Die Traufzonen unter den beiden Dächern sind zwar bei bewölktem Himmel in ein Dämmerlicht getaucht. Da aber kein helles Tageslicht blendet, sind die Konsolengruppen in ihrer kraftvollen Plastizität gut erkennbar. Gleichzeitig erscheinen sie als zusammenhängender Fries. Bei hellem Sonnenlicht verschwinden sie fast im Schlagschatten und die Dachflächen mit dem Relief ihrer Ziegelstrukturen treten hervor. Unähnlich den üblichen Haus-, Tempel- oder Palastbauten besitzt die Sheng mu dian eine Säulenvorhalle. Die acht Frontsäulen des aus sieben mal sechs Interkolumnien bestehenden Gebäudes werden naturgemäß vor dem Dunkel der Vorhalle um so plastischer hervorgehoben, je heller das Tageslicht ist. Hell- und Dunkelzonen des Untergeschosses korrespondieren so bei allen Lichtverhältnissen in einem harmonischen Zusammenspiel mit denen der Dachgeschosse. Die Rundungen der Säulenschäfte sind auf besondere Weise betont: mit höchster Lebendigkeit winden sich vollplastische Drachenleiber um sie, die klauenbewehrten Vorderbeine drohend ausgestreckt, die Köpfe - schlangenartig zum Stoß bereit - zurückgezogen, die Mäuler aggressiv geöffnet . Sie umschlingen die Säulen in voller Höhe. Keines der acht Phantasiewesen gleicht dem andern. Ihre vergoldete, von Schuppen überzogene Reptilienhaut kontrastiert wirkungsvoll mit dem Rot der Säulen. Auch an den Ecken der Terrasse ragen reich skulptierte Drachenköpfe als Wassersspeier hervor.

Die Vorhalle hinter den Drachensäulen ist zwei Jochbreiten tief. Die vier Mittelsäulen der zweiten Säulenreihe fehlen, wodurch vor dem Eingang zum Inneren Heiligtum ein erweiterter Zeremonialbereich entsteht. Ein Säulenumgang von einer Jochbreite führt um die innere Halle. Sie besteht aus fünf mal drei Säulenzwischenräumen.

Im Zentrum der Halle thront die Statue der Yijiang, der Mutter des Prinzen Shuyu, die hier als Gottheit verehrt wurde . Sie trägt ein höfisches Gewand und einen prachtvollen Kopfputz. Ihre unnahbare, etwas starre Erscheinung steht im Gegensatz zu den lebendigen, lebensgroßen Gestalten ihrer 43 Hofdamen, die ringsum an den Wänden aufgestellt sind. Diese Tonfiguren repräsentieren in anschaulicher Weise einen weiblichen Hofstaat der Song-Zeit. Die moderne farbige Fassung vergröbert allerdings die differenzierte Farbigkeit und die plastischen Details, die von anderen Werken der Epoche bekannt sind. Die hohe Qualität dieser Skulpturen bleibt dennoch unverkennbar. Die Song-Architekten haben mit der Sheng mu dian ein Meisterwerk geschaffen, das diesem Skulpturenensemble einen würdigen Rahmen verlieh.

Der Huayan si

Am Bau des Huayan Tempels in Datong, Provinz Shanxi, waren sowohl die Liao als auch die Jin beteiligt. Von den Liao im 11. Jahrhundert errichtet, brannte ein Großteil der Tempelhallen 1122 während der Kämpfe mit den Jin nieder. In den folgenden Jahren, nach dem Fall der Liao-Dynastie, errichteten die Jin eine Anzahl von Gebäuden in sehr viel konservativerem Stil.

Die Anlage besteht aus zwei axial angelegten Gebäudegruppen, dem „Oberen Huayan si“ und dem „Unteren“, dem älteren Teil. Der „Obere“ Tempel ist ein Erweiterungsbau, der notwendig wurde, als das Kloster durch kaiserliche Stiftungen eine besondere Förderung erfuhr. Ihm wurde die Aufbewahrung der kaiserlichen Statuen anvertraut (1062). eine Besonderheit stellt die Ausrichtung des Komplexes dar: die Hauptachsen sind nach Osten ausgerichtet. Wie alle Kulturen, welche die Sonne verehrten, ihre Heiligtümer der aufgehenden Sonne zugewandt errichteten, so auch die Kitan in ihrer zentralasiatischen Heimat, wo sie einem Sonnenkult anhingen, ehe sie den Buddhismus annahmen. Auch einige Paläste der Liao folgten noch dieser Orientierung. Offenbar waren sie noch nicht so weit sinisiert, dass sie die Himmelsrichtung, aus der sie stammten, als gefahrbringend empfanden. Demzufolge sahen sie das Planschema chinesischer Palast- und Tempelanlagen - die Süd-Nord Ausrichtung - nicht unbedingt als zwingend an.

Der Obere Huayan Tempel (Shang Huayan si) beherbergt die mit 69,50 x 35,70 m größte erhaltene Holzhalle Chinas, neben der des Feng guo si von Yixian, Provinz Liaoning. Die „Kostbare Halle des großen Helden“ (Da xiong bao dian) überspannt eine Fläche von 1.560 qm. Wie die Halle des Feng guo si ist sie eine Liao Gründung. Sie wurde 1064 vollendet, unmittelbar nachdem die Bildnisse der Kitan-Kaiser im Tempel aufgestellt worden waren. Nach dem Brand von 1122 zerstört, wurde die Halle in ihrer heutigen Form 1140 von den Jin neu errichtet .

Das Äußere ist von einer ungewöhnlichen, strengen Schlichtheit. Die Hallenfront von 69,50 Metern wird von drei gleichgroßen Türen gegliedert, die jeweils eine gesamte Jochbreite einnehmen . Dichte Reihen übereinander auskragender Konsolenarmen tragen das Traufdach, welches dreieinhalb Meter überragt . In rhythmischer Folge fächern die Konsolenarme nach beiden Seiten diagonal aus, eine Erfindung der Song, die von den Liao zur Auflockerung der Konsolenreihung eingeführt wurde. Das Bauwerk wirkt durch seine schiere Größe. Ihr entspricht die einfache und klare Monumentalität seiner Form. Das alles beherrschende Dach ist nicht gekurvt, sondern verläuft strikt in geraden Linien. Die Dachkanten enden zehn Meter über dem Boden.

Im Gegensatz dazu wirkt der Innenraum geradezu überladen. Er wird von zwanzig Säulen gegliedert, die in der Tiefe fünf, in der Breite neun mächtige Joche bilden. Umgeben von einer Vielzahl kleinerer Figuren beherrschen fünf riesenhafte Buddhastatuen der Ming-Zeit mit ihren hoch aufragenden Aureolen das Zentrum der Halle. Die bunte Bemalung der Kassettendecken und die Wandmalereien aus der Qing-Dynastie tragen zu dem Eindruck der Überfüllung bei. Allerdings entsprach diese Ausstattung auch den Auffassungen der Liao und der Jin von der Ausgestaltung eines Sakralraumes, denn den Gläubigen sollten ja die Paradiese der Buddhas vor Augen geführt werden.

Eine der originellsten Innenraumgestaltungen der chinesischen Architektur findet sich im Unteren Huayan Tempel (Xia Huayan si). Die Halle der Erhabenen Bibliothek (Bo jia jiao cang dian), 1038 von den Liao errichtet, ist ein Bauwerk von relativ bescheidenen Dimensionen, fünf mal vier Joche, gekrönt von einem Fußwalmdach .

Im Inneren erhebt sich der übliche Altaraufsatz in der Breite der Halle, freistehend, um genügend Raum für die Gebetsumwandlung zu lassen. Die drei Buddhabildnisse, über denen jeweils eine Achteckkuppel in die reich verzierte Decke eingelassen ist, und die meisten Begleitfiguren sind noch Arbeiten von Liao-Bildhauern. An den Seitenwänden aber und an der Rückwand erstreckt sich die eigentliche Bibliothek: eine Architektur in der Architektur. Zwar handelt es sich um nichts anderes, als um Wandschränke, jedoch sind sie entworfen und konstruiert wie ein freistehendes zweigeschossiges Bauwerk .

Das Untergeschoss steht auf einem vorspringenden Sockel. Darüber reihen sich quadratische, zweiflügelige Türen nebeneinander. Sie reichen hinauf bis zu der reich gestalteten, Konsolenreihe, die das Traufdach trägt. Hier sind sogar die schräg vorspringenden Hebelarme (ang) dargestellt, die bei großdimensionierten Holzbauten die Dachstützen in Balance halten . Über dem Traufdach führt im zweiten Geschoss eine begehbare Galerie entlang einer Reihe von Miniaturgebäuden, die von schmalen und breiten Tür- und Fensteröffnungen rhythmisch gegliedert sind. Ein langgestrecktes Dach überdeckt die Gebäude. Deren Traufen werden von einer fünffachen Konsolenreihe gestützt, die Galerie von einer dreifachen. Die Balustrade der Galerie ist reich geschnitzt mit wechselnden geometrischen Mustern.

Solcher Reichtum im Detail ist nicht ungewöhnlich. Was diese Miniaturarchitektur auszeichnet, ist ihr außergewöhnliches Gesamtkonzept. Befände sie sich auf einem freien Platz, so hätten wir den Eindruck, vor dem Modell einer dreiflügeligen Schlossanlage zu stehen, die einen geräumigen Hof umschließt. Beide Seitenflügel - entlang den Schmalseiten der Halle - werden dominiert von einem Pavillon mit kleinen Flügelanbauten. Die Hauptfassade an der Rückwand der Halle ist dreiteilig. Die beiden seitlichen Komplexe sind jeweils in sechs Türbreiten gegliedert, d. h. die Pfostenabstände im Obergeschoss entsprechen den Zwischenräumen der quadratischen Türen im Untergeschoss. An beiden Seiten akzentuieren zwei vorspringende Pavillons im Obergeschoss Anfang und Ende der langgestreckten Galerien. Die Pavillons sind mit zierlich geschwungenen Fußwalmdächern gedeckt und an den Giebelspitzen von fischförmigen Akroteren gekrönt. In der Mitte schwingt eine schmale Holztreppe in Form einer zierlichen Brücke in elegantem Bogen von Galerie zu Galerie). Auf dem Zenit schwebt wie ein „fliegender Palast“ ein Miniaturpavillon mit zurückspringenden Seitenflügeln . Ihn deckt ein kompliziertes doppeltes Fußwalmdach mit vier Giebelakroteren. Der Reichtum an Schnitzwerk übertrifft den aller anderen Pavillons, ohne jedoch überladen zu wirken.

Den heiligen Schriften entsprechend, die hier aufbewahrt werden, ist das Ganze eine Darstellung der Paradiese, die darin geschildert werden, der schwebende Pavillon ohne Zweifel das Abbild eines Himmlischen Palastes.

Die Eleganz des Entwurfs, der Reichtum der Zierformen, der gleichwohl straff gegliedert ist, weist alle Anzeichen des verfeinerten Song-Stils auf. Vermutlich waren Song-Baumeister zumindest beteiligt.

Dem europäischen Betrachter erscheint das Werk auf merkwürdige Weise dem Rokoko verwandt. Es ist nicht verwunderlich, dass man im 18. Jahrhundert, als mehr über China bekannt wurde, in ähnlichen Stilformen den eigenen Geschmack bestätigt fand.

Der Pu en si

Der Pu en si, der „Tempel der Umfassenden Güte“, auch Shan hua si genannt, war der Südliche Tempel von Datong. Eine Tang Gründung, hatte er sich unter den Liao zu einer ausgedehnten Anlage entwickelt. Bei dem Angriff der Jin auf Datong 1122 wurde das Tempelkloster größtenteils zerstört. Der Wiederaufbau fand unter den Jin zwischen 1128 und 1143 statt, wobei einige Gebäude im Jin-Stil errichtet wurden, andere aber, wie die Haupthalle Da xiong bao dian, den Liao-Stil weitgehend beibehielten. Vielleicht war die Halle nicht vollständig zerstört worden und musste nur restauriert werden. Damals bestand der Tempelkomplex aus zehn Gebäuden - Gebetshallen, Pavillons und Galerien. Heute sind noch vier der wichtigen Gebäude erhalten.

Der Tempel ist entlang der üblichen Süd-Nord Achse angelegt. Das Bergtor (shan men), das heute den Haupteingang bildet, besteht aus einer Halle von fünf Jochbreiten . In der Halle stehen vier gigantische Figuren: die Wächter der Himmelsrichtungen . Es handelt sich also um die „Halle der Himmelskönige“ (Tian wang dian), die sich mindestens seit der Song Zeit zu einem wichtigen Gebäude innerhalb der buddhistischen Tempelanlagen entwickelte. Das eigentliche Tempeltor muss demnach weiter südlich gestanden haben. Der konservative Stil der Halle verrät stärkeren Song Einfluss als Liao Bauwerke im allgemeinen. Nach Song Art benutzten die Jin Baumeister hier Bogenbalken, sogenannte „Mondbalken“ und eng gesetzte, gleichförmige Konsolen.

Das zweite Gebäude auf der Tempelachse, ebenfalls von den Jin während der Wiederaufbauarbeiten errichtet, ist die „Halle der Drei Heiligen“ (San sheng dian) . Auch sie umfasst fünf Jochbreiten in der Frontansicht und vier in der Tiefe. Die äußeren Pfeiler sind von Mauern umschlossen. Die Konsolenreihen bestehen aus vier Stufen, sowohl über den Pfeilerköpfen als auch über dem der Mauer aufliegenden Balken zwischen den Pfeilern . Im Innern ließ man das reich dekorierte Dachgebälk bis hinauf zum First mitsamt den Sparren sichtbar, wodurch die konstruktiven Elemente deutlich zur Geltung kommen. Darunter sitzt auf einem hohen Lotosthron der Buddha Shakyamuni, die Rechte zur Darlegungsgeste angehoben. Neben ihm stehen links der Bodhisattva Wen shu, rechts Pu xian siehe auch.

Hinter der San sheng dian standen an den Seiten einst Zwillingspavillons einander gegenüber, der linke dem Pu xian geweiht, der rechte, von dem keine Spuren mehr vorhanden sind, dem Wen shu. Der Pu xian ge wurde 1953 im Liao-Stil rekonstruiert, ein quadratisches Gebäude, zweigeschossig mit Doppeldach und umlaufender Galerie .

Das Hauptgebäude, die Mahavira-Halle, steht auf einer von Balustraden umfassten Terrasse, flankiert von zwei kleinen Seitengebäuden . Eine Freitreppe führt hinauf zu einem Ehrentor vor dem mittleren Eingang der Halle. Vor dem linken Eingang steht ein kleiner sechseckiger, offener Pavillon zur Aufbewahrung von Inschriftentafeln. Das zierliche sechseckige Dach zeigt stark gekurvte Kanten, die in hochgezogenen Dachecken enden, dem späten Song Stil entsprechend. Sein Pendant vor dem rechten Eingang birgt die Tempelglocke.

Das Dach ähnelt dem des Feng guo si. Es hat einen ähnlichen Schwung, einwärts gebogene Trauf- und Dachkanten und ein so weit ausladendes Walmdach, dass der First nicht länger ist als die Dachschrägen der Schmalseiten. Entsprechend aufwendig ist das Konsolensystem. Die äußeren Stützpfeiler stecken im Mauerwerk, nur die vier Eckpfeiler bleiben sichtbar. Die in sieben mal fünf Jochbreiten gegliederte Halle misst 40,60 m in der Breite und 24,60 m in der Tiefe. Der Innenraum ist in zwei Querschiffe unterteilt. Eine Säulenreihe trennt das äußere Heiligtum vom Inneren. Auch hier führt der Gebetswandelgang innerhalb der Halle entlang den Außenwänden rings um das Podest mit den fünf Hauptbildnissen. An den Seitenwänden sind 24 Tonstatuen buddhistischer Heiliger und Gottheiten aufgestellt. Wie die Grundstruktur des Bauwerks stammt die Mehrzahl der Figuren aus der Liao Zeit, ebenso wie die fünf monumentalen Meditations-Buddhas (Wu zhi rulai) des inneren Heiligtums im zweiten Querschiff. Sie tragen vergoldete Gewänder. Lotosthrone und Aureolen sind mit filigranem Schmuckwerk aus Lotosranken überzogen. Die zerbrechlich feinen Flammenzungen der Aureolen bestehen bis in die Spitzen aus wellenförmig züngelnden Ornamenten .

Der Deckendekor ist von einem überwältigenden Reichtum an Schnitzwerk und Malerei. Er verdichtet sich über dem mittleren Buddha. Ähnlich wie im Guan yin Pavillon des Dule si und dem Unteren Huayan si ist hier eine Achteckkuppel in die Decke eingelassen . Sie entwickelt sich aus einem Balkenquadrat, das von mehrstufigen, mit Scheinhebelarmen geschmückten Konsolenreihen gestützt wird. Vier Diagonalbalken an jeder Ecke bilden mit den Balken des Quadrats ein Achteck. Die so entstehenden Zwickel in den Quadratecken sind geschlossen und mit Wolken- und Phönixmotiven bemalt. Dem Achteck folgend kragt eine vierstufige Konsolenreihe über den Balkenrand vor. Ihr folgt ein Kranz aus fünfstufigen Miniaturkonsolen, die, nun kreisförmig angeordnet, eine runde Deckenplatte umschließen. Ihr Rand ist mit einer doppelten Reihe Lotosblätter bemalt. Eine Öffnung in himmlische Sphären symbolisierend wirbeln zwei goldene Himmelsdrachen in der Mitte des Runds umeinander.

In der Neigung zu einer symmetrischen Ordnung, der Ausarbeitung und Zierlichkeit des ornamentalen Schmucks zeigt sich die dem Song-Geschmack angenäherte Stilhaltung der Jin.

Der Kai yuan si

Eine mindestens so prachtvolle Deckengestaltung zeigt die Haupthalle des Kai yuan Klostertempels in Yixian, Hebei. Der Name geht auf eine Periode der Tang Dynastie zurück (713-742), als das Kloster vermutlich gegründet wurde. Die drei heute noch bestehenden Holzpavillons, in einer Reihe angeordnet, die Zugänge im Süden, sind Liao Bauwerke, wahrscheinlich um 1105 errichtet. Die mittlere Halle besteht aus drei mal drei Jochen und ist mit einem Fußwalmdach gedeckt. Wie in den beiden seitlichen Pavillons findet sich hier noch weitgehend die Innenraumgestaltung der Liao. Eine überaus reiche Malerei überzieht Decken und Wände. Das Konsolensystem ist von verblüffender Einfachheit: übereinander vorkragende Balken, deren Enden abgerundet und mit Konsolenköpfen versehen sind. Die mächtigen waagerechten Tragbalken des Inneren Heiligtums sind mit Reihen tantrischer Buddhas bemalt. Darüber tragen kurze, kraftvolle Konsolen die vier Ecken eines Balkenrechtecks, das eine flache Kassettendecke begrenzt. Von hier steigt eine dekorative Konsolenreihe im Song Stil auf. Sie stützt ein Balkenquadrat, dessen Eckzwickel zu einer oktogonalen Laterne überleiten. Ein achteckiges Konsolenband trägt die Kuppel im unteren Teil, von wo acht mit Rauten geschmückte Felder sich bis zu der Platte verjüngen, welche die Laterne schließt. Diese Deckenplatte ist mit geschnitzten Drachen geziert. Trotz des außerordentlich reichen Dekors bleibt die konstruktive Gliederung in vollkommener Klarheit erhalten.

Diese „Himmelskuppel“ überwölbt ein Buddhabildnis in der Handhaltung des Lehrens und die begleitenden Bodhisattvas. Ihr Schmuck und besonders das Rankenwerk der Aureolen steht dem dekorativen Reichtum der Decken in nichts nach. Im geschmackvollen und detailreichen Dekor dieses späten Liao Werkes macht sich Song Einfluss deutlich bemerkbar.

Pagodenpfeiler

Bereits während der Tang-Dynastie hatte das Vajrayana, das „Diamantfahrzeug“ (zum Heil) eine breite Anhängerschaft. Nach ihrer Überzeugung waren Beschwörungsformeln (Dharani) und magische Silben wirksam und hilfreich auf dem Weg zur Erlösung. Diesen Vorstellungen verdanken die Sutrasäulen - genannt nach den Lehrreden Buddhas - und die Dharanipfeiler ihre Entstehung. Seit der Tang-Zeit erscheinen sie als Pfeilerpaare, die man links und rechts des Tempeleingangs oder der Haupthalle zu errichten begann. Die Aufstellung dieser Doppelpfeiler (jing chuang) beiderseits der Tempelachse entspricht den großen Doppelpagoden, die später von diesen Pagodenpfeilern mehr und mehr ersetzt wurden. Sie sind Träger von Dharani, Formeln magischen Wissens, die auf dem Schaft eingemeißelt sind. Man identifizierte diese Kurztexte mit dem Wortleib des Buddha, was ihnen sakrale Substanz verlieh. Demzufolge konnten diese Klein-Pagoden die gleiche Wirksamkeit besitzen wie eine große Reliquienpagode. Sie übernahmen nicht nur deren sakrale Funktion, sondern auch ihre Gestalt. Ihrerseits wiederum haben sie den Pagodenbau des 10. Jahrhunderts beeinflusst.

Wir treffen sie in der Form an, für welche die Grabpagode des Jingcang auf dem Songshan, Henan, aus dem Jahre 746 beispielhaft steht: eine Oktogonal-Pagode, entstanden aus der Übertragung der runden Gestalt des Stupas in die konstruktiven Möglichkeiten des Holzbaus und dieser wiederum nachgebildet in Ziegelmauerwerk siehe auch.

Die Grabpagode des Fa ding und die Doppelpfeiler des Ling yin si

Die gleichen Merkmale der Holzkonstruktion finden sich nun in Stein an der Grabpagode des Fa ding und an einem Pfeilerpaar, alle am Ling yin si, Hangzhou, Zhejiang. Die Doppelpfeiler am Haupteingang des Tempels stammen aus dem Jahr 969. Wie Zimmermannsarbeit wirkt die Nachbildung des Holzbalkenwerks und des Konsolensystems. Selbst nagelbeschlagene Türen oder die Ziegelbedachung sind genau imitiert. Wächterfiguren, Buddhas und buddhistische Heilsbringer beleben die neun Geschosse. Sowohl die Fa ding Pagode als auch die Zwillingspfeiler weisen eine wesentliche architektonische Neuerung auf, die bei späteren noch erhaltenen Großpagoden der Song-Zeit auftreten: sowohl unter den vorspringenden Dächern eines jeden Stockwerks als auch unter jedem der sich nach oben verjüngenden Stockwerke sind nun Konsolenreihen angebracht. Die gezackten Spitzbogentüren und die leicht ausgebauchten Eckpfeiler entsprechen noch dem Tang-Typus. Diese Miniatur-Pagoden standen offenbar in einem fruchtbaren Wechselverhältnis mit der Großarchitektur ihrer Zeit: einerseits scheinen sie modellhaften Charakter gehabt zu haben, und dienten der Weiterentwicklung der Monumentalpagoden, andererseits verarbeiteten sie Elemente vorhandener Vorbilder.

Die She li ta

Verwandt mit den Dharani-Säulen sind die einzelstehenden Pagodenpfeiler. Einer der schönsten ziert den Qixia Tempel bei Nanking . Die She li ta oder Sarira (Reliquien)-Pagode steht wahrscheinlich an der Stelle einer Sui-Pagode. Die 15 Meter hohe Steinsäule, vermutlich als Reliquienpagode errichtet, entstand zwischen 937 und 975. Sie ist fünfstöckig und weist ebenfalls die Achteckform auf sowie die detailgenaue Nachahmung einer Holzkonstruktion. Der ungemein reiche Reliefschmuck stellt einen ganzen Kosmos dar mit Wesenheiten des buddhistischen Pantheons. Auf der Basis sind die acht großen Ereignisse aus dem Leben Buddhas dargestellt. Darüber wölbt sich ein Wulstgesims, das wie eine riesige Lotosblüte geformt ist. Sie trägt das Untergeschoss mit Scheintoren - so, als sei es betretbar - im Wechsel mit vier kriegerischen Wächtern der Weltgegenden in heftiger Bewegung und mit zornigem Ausdruck . In den niedrigen Stockwerken darüber, zwischen den ausladenden Dachgesimsen, thronen die kosmischen Buddhas, die in anderen Zeiten und Räumen wirken. Die Spitze bildet das buddhistische Juwel. Diese Pagode ist ein hervorragendes Beispiel solcher Steinpfeiler, die zwischen Architektur und Skulptur stehen. Sie vermitteln eine gute Vorstellung von den Großpagoden der Epoche.

Pagoden

Von den annähernd noch sechzig erhaltenen Pagoden aus der Fünf- Dynastien- und der Song-Zeit sind die meisten Holz-Ziegelkonstruktionen und fast alle achteckig. Es ist erstaunlich, welch verschiedenartige Erscheinungsformen bei gleicher Grundstruktur die Architekten dieser Bauaufgabe abgewannen. Einige Pagoden von charakteristischer Eigenart zeigen diese Variabilität.

Die Hu qiu ta

Der älteste Achtecktypus dieser Periode aus dem Jahre 961 ist die Hu qiu ta in Suzhou, Jiangsu . Der 47 Meter hohe Ziegelbau ist bereits mit der doppelten Konsolenreihe ausgestattet, wie sie die Pagodenpfeiler etwa des Ling yin si tragen: eine unter den Dachvorsprüngen, eine unter jedem der sieben Geschosse. Anstelle von Stockwerkdächern sind hier jedoch nur Gesimse vorhanden, für welche die Steinkonsolen viel zu mächtig sind. Alles spricht dafür, dass jedes Geschoss einmal mit einem vorspringenden Dach versehen war, wie das die Pagodenpfeiler der Zeit modellhaft zeigen. In ihrer heutigen Erscheinung macht die Pagode den Eindruck einer astlosen Riesenfichte. Dennoch ist das Bauwerk nicht ohne Reiz. Den sich in jedem Geschoss verjüngenden Turm umschließt ein reiches Relief aus rein architektonischen Elementen. Neben den Konsolen sind es die halbrunden Ecksäulen und die Querbalken unter den Konsolen, welche die Tragbalken der Holzkonstruktion imitieren. Die Ecksäulen der acht Gebäudekanten sind bis hinauf in die Dachspitze durchgeführt. Einen starken Akzent bilden die dunklen, siebenbogigen Tore, die sich in jedem Geschoss nach den acht Himmelsrichtungen öffnen. Sie reichen von den geschosstragenden Konsolengesimsen bis zu den Querbalken unter den Dachkonsolen. Die Pagode ist betretbar. Im Untergeschoss befindet sich eine quadratische Halle, in welcher einst das Buddhabildnis verehrt wurde. Ein Gebetsumwandlungsgang führt im Gebäudeinneren um die Halle, dem Oktogonalgrundriss der Pagode folgend.

Die Shuang ta von Suzhou

Die Zwillingspagoden (Shuang ta) von Suzhou, Provinz Jiangsu, wurden 987 vollendet. Ihre elegant hochgezogene „Bleistift“-Form mündet in einer langgestreckten Spitze, die aus dem Stupa-Symbol des Daches emporsteigt und die sieben Symbolringe der Ehrenschirme trägt .

Das deutlich abgesetzte Fachwerk, die in jedem der sieben Stockwerke gegeneinander versetzten Türöffnungen und die hochgezogenen Dachecken geben diesen Geschwistern etwas Leichtbeschwingtes. Sie sind an der Mittelachse der Tempelanlage enger zusammengerückt als andere Doppelpagoden. So entstand ihr Zwillingscharakter.

Die Tie ta

Mit ihrem klaren Aufbau und ihrer ungewöhnlichen Schlankheit, der sie wesentlich ihre Eleganz verdankt, gehört die oktogonale Eisenglanz Pagode (Tie ta) von Kaifeng, Provinz Henan, zu den schönsten Chinas . Ihr Name rührt her von der rostbraunen Farbe ihrer glasierten Ziegel, in die jeweils zwei Triaden von Buddhas und Bodhisattvas gepresst sind neben Rauten- und Rankenmustern. Der gesamte Turm ist in dieser Weise von feinstem Ornament überzogen. Er demonstriert den hochentwickelten Sinn der Song für das Dekorative. Dies zeigt sich auch an den Doppelreihen der zahnschnittartigen Konsolen. Sie scheinen nicht nur die an den Ecken aufwärts gebogenen Geschossdächer zu stützen, sondern sind auch oberhalb der Dächer angebracht, so als stützten sie jedes darüberliegende Stockwerk ab . Sie haben jedoch keine konstruktive, sondern allein dekorative Funktion. Die dreizehn Dachvorsprünge der 54 Meter hohen Pagode ragen nur wenig hervor, was die Schlankheit des Bauwerks unterstreicht. Nach oben verjüngt sich die Pagode, und ihre vier oberen Geschosse sind niedriger als die übrigen, was die Höhenwirkung verstärkt. Eine schmale Wendeltreppe führt in jedem Geschoss an vier nach den Kardinalpunkten ausgerichteten Kapellen vorbei bis zu einer eisernen Buddha-Statue im zwölften Stockwerk. Die Tie ta wurde 967 errichtet und 1049 nach einem Brand in ihrer jetzigen Form erbaut.

Die Fan ta

Die „Pagode der Musikterrasse“ (Fan ta), die zweite Großpagode der Song in Kaifeng, ist eine kaiserliche Stiftung von 977 . Sie hat eine lebhafte Baugeschichte. Ursprünglich ein mächtiger Turm mit neun Geschossen, wurde sie am Ende der Yuan-Zeit bis auf die unteren Stockwerke zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte unmittelbar nach der Etablierung der Ming-Dynastie, wobei jedoch nur die drei unteren Geschosse fertiggestellt wurden. Auch im Innern der Pagode scheinen dabei erhebliche Veränderungen vorgenommen worden zu sein.

Das eindrucksvolle Bauwerk gehört zu dem relativ seltenen Typ der Sechseck-Pagode. Der gewaltige Turmstumpf ist von monumentaler Wucht. Sein massiges Volumen gibt ihm das Aussehen eines Festungsturms. Diese Monumentalität wurde erreicht durch Klarheit und Schlichtheit der Formgebung, von der kein ornamentaler Schmuck ablenkt, obwohl er die gesamte Außenfläche der Pagode überzieht. Zu dieser Wirkung tragen natürlich auch die veränderten Proportionen bei, das Verhältnis von Breite zur Höhe: der Turm misst an seiner Basis ca. 23 Meter im Durchmesser, in der Höhe bis zum buddhistischen Juwel auf der Spitze 37,60 Meter. Die schwer wirkende, gestufte Tempelspitze auf dem Flachdach hat die konische Gestalt des Tempels von Bodhgaya, dem Erleuchtungsort Buddhas. Sie nimmt der Pagode den Eindruck des Fragmentarischen und verleiht ihrem Erscheinungsbild Geschlossenheit.

Streng und sparsam ist die architektonische Gliederung. Die doppelten Reihen einfach geschnittener Konsolen unter den Stockwerken und dort, wo gewöhnlich die Traufdächer vorspringen, entsprechen zwar den Dachstützen. Statt der Traufdächer tragen sie hier jedoch mächtige Wulstgesimse aus glatt geschliffenen Ziegeln. Allerdings sind in das Wulstgesims kleine quadratische Öffnungen eingelassen. Sie wirken wie Zapfenlöcher zur Aufnahme von Balken. Dies wäre ein Hinweis darauf, dass hier doch einmal Traufdächer angebracht oder zumindest vorgesehen waren, was dem Bau ein ganz anderes Aussehen verliehen hätte. Bandartige und leicht erhabene Mauerstreifen und Lisenen verlaufen dort, wo sie im Holzbau tektonische Funktion hätten: horizontal entlang den Konsolenreihen, vertikal an den Gebäudekanten, sowie um Fenster und Portale.

Die übrigen Freiflächen der Mauern sind mit quadratischen, ehemals dunkelgrün glasierten Ziegeln bedeckt, in deren runden Nischen Reliefs von Buddhas, Bodhisattvas und Lohans eingepresst sind . Hunderte von kleinen Figuren überziehen so die Mauerflächen wie eine Haut. Von Ferne erscheinen sie als gleichmäßiges Muster. An drei Seiten durchbrechen Rundbogenfenster von Türhöhe die Mauer im zweiten und dritten Geschoss, im Wechsel mit Rechteckfenstern an den drei übrigen Seiten. Die Rechtecköffnungen erscheinen nur im zweiten Geschoss. Umlaufende Korridore im Inneren der beiden oberen Stockwerke folgen dem Sechseck der Außenmauern. Im Zentrum des Untergeschosses liegt eine hexagonale Buddha-Halle mit einer Kragsteinkuppel. Über ihr sind zwei weitere Hallen etwa gleicher Größe und Schnitts eingebaut. Sie liegen jedoch nicht auf gleichem Niveau mit den umlaufenden Galerien. Im Untergeschoss führt ein hoher Korridor vom Eingangsportal zu der zentralen Halle. Das Portal besteht aus einem Rundbogentor, in welches ein überdachter Portikus eingebaut ist. Von der gegenüberliegenden Seite führt ein zweiter, kleinerer Korridor ins Innere und endet in einer kleineren Halle, die Rücken an Rücken mit dem zentralen Verehrungsraum liegt.

Der Massencharakter des Bauwerks verbindet es mit älteren Pagoden wie der Da yan ta siehe auch oder der Si men ta siehe auch. Die im Verhältnis zur Baumasse kleinen Korridore und Innenräume wirken höhlenartig. Sie erinnern damit an verwandte Strukturen altindischer Tempel- und Höhlenarchitektur.

Die Liu he ta

Nach den sechs buddhistischen Tugenden, die zur Erleuchtung führen, erhielt die „Pagode der Sechs Harmonien“ (Liu he ta) in Hangzhou, Zhejiang, ihren Namen . Sie wurde 970 zuerst errichtet und später mehrfach restauriert oder gänzlich erneuert, zuletzt 1899. An ihr wird deutlich, welch einem Bedeutungswandel das einstmals zentrale Verehrungsobjekt des Buddhismus unterworfen war. Nach der Überlieferung sollte die Pagode die Stadt vor Überschwemmungen schützen und diente zugleich als Leuchtturm für die Flussschiffer. Das heißt, dass sie ihrer ursprünglichen Bedeutung als Buddha-Symbol siehe auch entkleidet wurde. Eine Vielzahl späterer Pagoden brachte man überhaupt nicht mehr mit dem Buddhismus in Zusammenhang, sondern sah sie als Schutz- oder Glücksgottheiten an, oder sie dienten gar nur zur Verschönerung der Landschaft siehe auch.

Wenn sie auch ihrem eigentlich religiösen Sinn entfremdet wurde, so besitzt die Liu he ta in ihrer Baustruktur noch alle Merkmale ihrer Herkunft aus dem Geist des Buddhismus. 60 Meter ragt der massige Baukörper empor, der sich bis zum Dach in einer kaum merklichen Kurve verjüngt. Die wuchtige Holz-Ziegelkonstruktion ist in der typischen Achteckform errichtet, wie sie in der Song-Zeit vorherrschte. Außen besitzt die Pagode dreizehn Stockwerke mit umlaufenden Dächern, innen aber nur sieben, zu deren Galerien Wendeltreppen führen. Die Stockwerkdächer gliedern den Turm in horizontale Schichten. Die kurvig nach oben gezogenen Dachecken im Song-Stil vermitteln im Zusammenklang mit dem sich nach oben verschmälernden Umriss den Eindruck des Aufsteigens. An jeder der 104 Dachecken ist eine kleine Glocke angebracht. In jedem Stockwerk und nach allen acht Seiten öffnen sich drei Rechteckfenster, die sich im Wesentlichen gleichen, sodass zugängliche und unzugängliche Geschosse von außen kaum zu unterscheiden sind. Die vertikale Reihung der Fenster übereinander konterkariert die Horizontalgliederung der Dächer. Fenster und Dächer gemeinsam lösen die Massigkeit des Baukörpers auf und nähern ihn der leichteren Struktur einer Holzkonstruktion an. Querbalken und Pfeiler sind als Relief nicht sehr hervorgehoben, zeichnen sich jedoch wahrnehmbar auf den Wänden ab, nicht zuletzt wegen des kräftigen Rots ihrer Bemalung. Die Pfeiler zwischen den Fenstern haben in jedem Geschoss unterschiedlichen Abstand. Ebenso sitzen die Fenster nirgends genau übereinander. Diese eigenartige Verschiebung nimmt der sonst so regelmäßigen Baustruktur jede Starre und belebt sie an allen Seiten. Die reichen und komplizierten Konsolenreihen unter den Dächern, die sich gewöhnlich an Song-Bauwerken finden, fehlen hier. Stattdessen ragen Balkenenden über den Pfeilerköpfen hervor. Darüber stützen einfach geformte Konsolen die Dachpfetten.

Im Achteckturm fließt die indische Überlieferung des runden, in die Höhe gezogenen Stupas zusammen mit der des chinesischen Holzturms und dessen aufeinander getürmten Geschossen. Wie eine Wirbelsäule steht in jedem Stupa und jeder Pagode ein Zentralpfeiler, ob als gedachte Achse, ob gemauert oder als Holzpfahl, wie hier in der Liu he ta. Er ruht wie bei allen sakralen Pagoden auf dem Reliquiar, das die Essenz des Buddhawesens enthält, in welcher Form auch immer. Damit wird er zum Weltzentrum. Die Geschosse der Pagode und die Schirmringe an der Spitze des Pfeilers entsprechen den irdischen und himmlischen Ebenen des Weltbergs bis hinauf zum gestaltlosen Äther. Der Herzpfeiler, aus dem Weltmittelpunkt hervorwachsend, wird zur Weltachse. Die Treppen, die ihn in vielen Pagoden umkreisen, wie auch in dieser Pagode, zwingen den Besucher, um ihn herum zu wandeln. Das Umschreiten aber ist die ursprünglichste Form der Verehrung und des buddhistischen Gebets.

Die Bao shu ta

Zur Zeit des Feudalstaates Wu Yue, als auch die Liu he ta errichtet wurde, ließ ein Minister auf dem Jadeberg (Baoshishan) bei Hangzhou die Bao shu Pagode erbauen . 968 wurde ein neungeschossiger Turm auf den Fundamenten eines älteren errichtet. Im Laufe der Jahrhunderte wurde er viermal zerstört und jedesmal restauriert bzw. neu aufgebaut, jedoch mit nur sieben Stockwerken über einem hohen Untergeschoss. Der achtseitige Ziegelturm misst 45 Meter in der Höhe. Er wirkt ungewöhnlich schlank, da Stockwerkdächer fehlen oder zum mindesten vorkragende Gesimse, die vermutlich ehemals vorhanden waren.

Erst vom dritten Stockwerk an verringern sich die Geschossdurchmesser von Stufe zu Stufe. Das letzte Geschoss ist so weit verkleinert, dass es wie ein Dachaufsatz wirkt, der kuppelähnlich gebildet ist. Auf ihm ruht das buddhistische Juwel. Darüber ragt der Zentralpfeiler empor mit den Ehrenschirmen in Form von Metallringen. Anstelle von Halbsäulen an jeder Geschossecke finden sich hier abgerundete Mauerkanten. Die Gitterfenster an allen acht Seiten eines jeden Stockwerks sind zwischen waagerechten Gesimsen eingespannt. Die Konsolengruppen in der Mitte unter den Fenstern und an den Geschossecken trugen einst die Gesims- oder Dachvorsprünge, die Konsolen über den Fenstern das darüber liegende Geschoss. Sowohl diese Einzelheiten als auch ihr Zusammenspiel sind trotz zahlreicher späterer Eingriffe geblieben. Sie sind charakteristisch für die frühe Phase des Song-Stils.

Die Nord- und die Südpagode von Chaoyang

Während im Süden die Pagodengestalt sich in neueren Formen herausbildete, blieb der Norden Ende des 10. Jahrhunderts konservativ. Zwar übernahmen die Liao in weiter südlich gelegenen Gebieten ihres Machtbereichs die Achteckform der Song-Pagode, in der Mandschurei griff man einstweilen noch auf Tang-Vorbilder zurück.

Die Stadt Chaoyang, Liaoning, besaß drei Pagoden aus jener Zeit, von denen noch die „Nördliche“ und die „Südliche“ stehen . Beide sind in Ziegelmauerwerk ausgeführt. Sie erheben sich auf einer annähernd würfelförmigen Basis. Um ihre Sockelzone laufen mehrfach gestufte, die Horizontale stark betonende Gesimse. An ihren Mauerflächen finden sich keine Spuren architektonischer Gliederung mehr. Lediglich die Halbsäulen an den Mauerkanten erinnern an Pfeiler oder Pfosten der Holzarchitektur wie sie von den Tang und den Song in Ziegel oder Stein imitiert wurden. Statt eines architektonischen Dekors schmücken hier riesige Ziegelreliefs von Buddhadarstellungen mit Begleitfiguren und buddhistischen Symbolen die Wände. Aus einer Mauer der Nord-Pagode wurde ein Portal herausgeschlagen, um Zugang zu der Cella im Innern des Kubus zu schaffen. Dadurch wurden Teile des Sockelgesimses und des Reliefs weggebrochen.

Über der Basis erhebt sich ein zwölfgeschossiger Pagodenturm. Seine quadratischen Dächer sind dicht übereinander gestaffelt, was seine Unzugänglichkeit signalisiert, seine Parabolsilhouette, wiewohl plumper, erinnert an Tang-Pagoden wie die „Kleine Wildgans-Pagode“ in Xi’an siehe auch. Die Dächer kragen weit vor, von regelmäßigen Konsolenreihen gestützt. Da an der Südlichen Pagode noch einige eng verflochtene Konsolengruppen unter dem ersten Dach vorhanden sind, kann angenommen werden, dass an diesen Pagoden solche Konsolen allgemein angebracht waren, wie bei den Liao-Pagoden üblich, allerdings ohne echte Stützfunktion.

Von den etwas über 40 Metern Höhe nehmen die Kuben und Terrassen des Unterbaus beider Pagoden beinahe die Hälfte ein. Während sie durchaus noch aus der Tang-Zeit stammen könnten, gehören die Türme allem Anschein nach ins späte 10. Jahrhundert.

Wie bei allen Pagoden handelt es sich auch hier um Symbolarchitektur. Nur erscheint hier das theologische Programm in anderer Gestalt als bei den Oktogonalpagoden der gleichen Glaubensrichtung. Im Tantrismus besteht die Gliederung des Kosmos aus acht Himmelsrichtungen, die jeweils von einem Buddha oder einem Bodhisattva besetzt sind, ohne dass sie jedoch immer als Bildnis erscheinen müssen. An den Pagoden von Chaoyang spricht sich diese kosmische Konzeption jedoch gerade im Bildhaften aus.

Die thronenden Buddhas, die sich durch kleine ikonographische Details unterscheiden, sind als die vier Buddhas der Himmelsrichtungen gekennzeichnet. Außer von ihren beiden Begleitfiguren sind sie jeweils von zwei Pagoden flankiert. Somit erscheinen hier die acht kosmischen Richtungen in Form von Pagoden, welche die Stupas bzw. die Grabpagoden der buddhistischen Überlieferung darstellen, in denen die Asche des Buddha Shakyamuni siehe auch beigesetzt wurde. Die vier großen Buddhas der Weltgegenden, die in ewiger Meditation verharren, sind Manifestationen des höchsten, unsichtbaren, nicht darstellbaren Buddha Vairocana siehe auch. Ihn aber identifiziert der tantrische Buddhismus mit dem Stupa in seinen verschiedenen Erscheinungsformen, d. h. hier: mit der Gesamtheit der Pagode.

Die Qi yun ta

Dass eine konservative Grundhaltung imstande ist, ein Werk von klassischer Schönheit zu schaffen, beweist die „Pagode der Versammelten Wolken“ (Qi yun ta) in Luoyang, Henan . Sie wird auch Pagode des „Tempels der Weißen Pferde“ (Bai ma si) genannt, da sie unmittelbar außerhalb seiner Umfriedung steht.

Nach einer Steleninschrift sollen die unteren Stockwerke 989 restauriert worden sein. Da sie nach dieser Information bereits zur Zeit der Nördlichen Song bestand, könnte dies bedeuten, dass die Pagode eine Tang-Gründung ist. Eine weitere Renovierung soll unter der Jin-Dynastie vorgenommen worden sein. Allgemein wird jedoch angenommen, dass die heutige Gestalt der Pagode von Jin-Architekten im Jahre 1175 geschaffen wurde. Spätere Restaurierungsarbeiten ließen sie unverändert.

Grundsätzlich waren die Jin weniger erfindungsreich in ihrer Architektur als die Liao. Sie orientierten sich wesentlich an Tang-Vorbildern, soweit sie nicht von der zeitgenössischen Song-Architektur beeinflusst waren. Dies zeigt sich auch an der Qi yun Pagode. Sie erscheint wie eine etwas kleinere Version der klassischen kleinen Wildgans-Pagode (Xiao yenta) in Xi’an. Wie diese ist sie in Ziegeln ausgeführt, hat einen quadratischen Grundriss und dreizehn Stockwerke, ist aber nur ca. 30 Meter hoch. Auch sie steht auf einer quadratischen Plattform. Im Unterschied zur „Kleinen Wildgans Pagode“ steht die Cella nicht unmittelbar auf der Plattform, sondern auf einem vorspringenden Sockel von gleicher Höhe. Sie besitzt nur einen kleinen Fensterdurchbruch und ist wie die gesamte Pagode nicht zugänglich. Unter dem ersten Dachgesims über der Cella sind dreiarmige Scheinkonsolen aus Ziegelsteinen angebracht, die an der Xiao yen ta fehlen. Einerseits haben sie genau den Abstand voneinander, der im Holzbau konstruktiv notwendig wäre, andererseits hat man die stützenden Pfeiler nicht imitiert, sodass die Konsolen dem Zeitgeschmack entsprechend einen dekorativen Charakter annehmen. Die Dachgesimse, von imitierten Balkenenden zahnschnittartig gestützt, bestehen aus zehn vorkragenden Ziegelschichten. Im Verhältnis zum Baukörper springen sie weiter vor, als die Konsolen der Xiao yen ta, was die Pagode außerordentlich schlank wirken lässt. Die Gesimshöhe entspricht der des jeweiligen Stockwerks. Die Geschosshöhe scheint nach oben abzunehmen, was in der Perspektive den Eindruck einer größeren Höhe des Pagodenturms vermittelt. Mit der Höhe vermindert sich auch der Geschossdurchmesser, wobei die Dachkanten eine elegante Parabolkurve beschreiben. Da das Profil der ausgreifenden Dachgesimse in einer einwärts gebogenen Kurve aufsteigt, erzeugt dies den Eindruck, als entfalte sich ein Stockwerk aus dem anderen. Während das Tang-Modell eine strenge, kubische Tektonik in seinen aufeinander getürmten Stockwerken bewahrt, hat die Qi yun ta etwas von einem organischen Gebilde.

Die Long hu ta

Eine Pagode, ebenfalls mit quadratischem Grundriss und plastisch hervortretendem Reliefschmuck an den Außenmauern der Cella, steht im Bereich des „Tempels des Alldurchdringenden Geistes“ (Shen tong si), Shandong, im gleichen Tempelkloster wie die Si men ta siehe auch, die älteste Steinpagode Chinas . Es ist die Grab- oder Erinnerungspagode des Lang gong, der das Kloster im 4. Jahrhundert gründete. Volkstümlich wird sie „Drachen- und Tigerpagode“ (Long hu ta) genannt. Diese in ihrer Art einzige Pagode erscheint auf den ersten Blick wie eine Tang-Struktur. Ihre Basis steckt tief in der Erde. Oberhalb des Bodenniveaus sind drei quadratische Steindächer dicht übereinander geschichtet, deren Durchmesser sich nach oben verringert. Sie entsprechen den Dächern von steinernen Tang-Pagoden. Untypisch für diese Art Tang-Pagoden sind allerdings die Nischen im Mauerwerk unter den beiden ersten Dächern, die vermutlich einst Reliefs enthielten. Über der dritten Dachplatte scheint das Tang-Konzept abzubrechen. Hier erhebt sich eine beinahe würfelförmige Cella, geringfügig höher als breit. Nach der Tang-Formel müsste sie sich unterhalb der Dächer befinden. Die rechteckigen Tore, von flachen Bögen überspannt und von heftig gestikulierenden Türhütern bewacht, deuten wiederum auf den Tang-Stil. Dem widerspricht die vollständige Inkrustation der Außenwände mit stark bewegtem, fast vollplastischem Hochrelief, was an die Schmuckfülle der Tian ning Pagode in Peking siehe auch oder mehr noch an die Hua ta von Zhengding siehe auch denken lässt, also an Bauwerke der Liao und der Jin. Im klassischen Tang-Stil beschränkte man den plastischen Schmuck und setzte ihn mit größeren Wandflächen in Kontrast.

So verschlungen die Formen des Reliefs sind, so verwickelt und aus heterogenen Quellen stammend sind seine Motive: wuchernde Pflanzen, Blüten, Tiere, kleine himmlische Genien, Luohanfiguren und kleine Buddhas auf Lotosblumen. Am exotischsten aber sind die Gebilde an den Bögen über den Toren. Aus gewundenem Rankenwerk schauen an beiden Bogenenden die nach außen gewandten Köpfe von Ungeheuern hervor, Augen und Mäuler weit aufgerissen und mit hochgereckten Rüsseln. Ihr Ursprung ist indisch. Es sind Makaras, mythische Wasserwesen, die Tore und Pforten von Hinduheiligtümern schützen. Sieht man beide im Zusammenhang mit der Toröffnung, so erscheinen sie wie eine einzige Ungeheuermaske mit aufgerissenem Rachen - dem Tor - wobei die Augen der Makaras zu den Augen des Ungeheuers werden. Die Wirkung ist die einer tao tie-Maske siehe auch, offenkundig auch mit deren dämonenabwehrenden Funktion, jedoch mit einem völlig anderen Formenkanon.

Der dritte Abschnitt ist die Dachzone über der Cella. Für sie gibt es kein bekanntes Vorbild. Sie besteht aus zwei massiven Dachgeschossen mit einem um 90 Grad verkanteten Aufsatz, der das heilige Juwel trägt. Das Dach des unteren Geschosses kragt vor und wird von einer Doppelreihe einfacher Konsolen gestützt, die in regelmäßigem Abstand genau übereinander geordnet sind, was die Wirkung eines doppelten Zahnschnitts erzeugt. Die Eckkonsolen sind diagonal angebracht. Die Konsolenarme sind abgerundet in Nachahmung von Holzkonsolen. Das obere Dachgeschoss gleicht dem unteren, nur ist es kleiner.

Die unkomplizierte Klarheit des Konsolensystems steht in frappierendem Gegensatz zu dem Relief der Cella, das auf den Geschmack der Tartaren-Dynastien des späten 11. oder des 12. Jahrhunderts hindeutet. Wie die genannten Details mögen die Bauleute auch die Gliederung in drei deutlich unterschiedene Zonen von den Tang übernommen haben. Dieses kleine Monument - der sichtbare Teil ist etwa 13 Meter hoch - zeugt jedoch von der eigenschöpferischen Phantasie seiner Erbauer, die hier Einflüsse aus unterschiedlichen Kulturen und Perioden zusammengefügt haben. Dies gilt gerade dann, wenn mehrere Generationen zu verschiedenen Zeiten daran mitgewirkt haben.

Die Bai ta von Qingzhou

Von der alten Stadt Qingzhou, einer der Hauptstädte des Liao-Reiches in der Region Balin, Innere Mongolei, ist heute nichts mehr erhalten außer den Mausoleen dreier Liao-Herrscher in der Umgebung und der „Weißen Pagode“ (Bai ta) .

Der 45 Meter hohe Ziegelturm hat sieben Stockwerke und den oktogonalen Grundriss der meisten Song- und Liao-Pagoden. Die Song-Vorbilder sind unverkennbar: die klare Trennung der Stockwerke, die sich jeweils nur um weniges verkleinern und sich sonst gleichen, die mehrfachen Konsolenreihen, einmal als Dach-, einmal als Stockwerkstützen, die Eckpfeiler und die Halbsäulen an den Wänden, die Rundbogentore nach den Haupthimmelsrichtungen in jedem Geschoss - alles typische Elemente der Holzbauweise, welche ja auch die Song-Baumeister in ihren Ziegeltürmen imitierten. In ihrer Gesamterscheinung wirkt die Pagode diszipliniert, ja geradezu klassisch: die horizontalen Dächer und Gesimse sind mit den aufsteigenden Kräften der Fassadengliederung zum Ausgleich gebracht. Auch tritt die plastische Behandlung des Baukörpers nicht so beherrschend in Erscheinung wie bei späteren Liao-Pagoden, z. B. der Pagode des Tianning si in Peking siehe auch. Auch darin gleicht die Bai ta Song-Bauwerken.

Während jedoch die Song-Pagoden dieses Typus sich allgemein durch Schlankheit und Eleganz auszeichnen - Musterbeispiel ist die Tie ta von Kaifeng siehe auch - ist diese breit gelagert, wuchtig und monumental. Im Unterschied zum späteren Stil der Liao-Pagoden mit ihren hohen und reich geschmückten Sockeln, welche die gleiche Höhe des Untergeschosses erreichen, steht die Bai ta auf einem relativ niedrigen, schlicht gestalteten Achtecksockel, auf dessen Terrasse Raum bleibt für die Gebetsumwandlung wie bereits bei den frühen indischen Stupas.

Die Pagode ist vollständig mit Relief überzogen, ohne die Geschlossenheit und Klarheit der architektonischen Gliederung aufzuheben . Diese Gliederung erfolgt im Gegenteil mit Hilfe der architektonischen Schmuckelemente. Am stärksten treten die Konsolenreihen plastisch hervor. Unter den Stockwerken sind es drei identische Doppelkonsolen in gleichem Abstand an jeder Fassadenseite. Ihre Arme greifen nach drei Seiten aus: parallel zur Fassadenwand und im rechten Winkel nach außen. An den Eckkonsolen sind zusätzliche Arme angebracht, die zwischen den ausgreifenden und den Wandkonsolen diagonal ausfächern. Unter den Dachkanten sind die Konsolen dreifach gestaffelt und durch Zwischenstützen horizontal miteinander verflochten. Hier entspricht die mittlere Konsolengruppe den Eckkonsolen, d. h. auch bei ihr kragen zusätzliche Diagonalarme aus. Weiter kompliziert wird das System dadurch, dass bei den vortretenden Dachstützen auch noch die keilförmigen Enden von Hebelarmen imitiert sind. Während alle anderen Konsolen auf Pfeilern ruhen, lagern die komplizierten Mittelkonsolen auf einem durchlaufenden Querbalken. In sämtlichen Details sind so die Methoden der Holzkonstruktion nachgeahmt und in einen variationsreichen plastischen Schmuck verwandelt worden.

Die Vertikalgliederung übernehmen die Wandpfeiler und die siebenbogigen Nischen zwischen ihnen. Sie umrahmen kleine Pagodenreliefs, deren Aufbau dem am weitesten verbreiteten Typus der Liao-Pagode entspricht: Lotossockel, Achteckschaft, Dachzone - hier mit nur zwei dicht gestaffelten Dächern - Lotoskelch, Juwel. Möglicherweise waren es Votivpagoden, die hier als Vorlage dienten. Die Pagodennischen besetzen in Dreiergruppen die vier Fassaden der Zwischenrichtungen. Nur im zweiten Geschoss sind es vier, und im Erdgeschoss flankieren zwei Pagoden ein Scheinfenster. In anderen begehbaren Pagoden des Achtecktypus sind meistens alle Geschosse der sekundären Himmelsrichtungen mit Fenstern versehen.

Neben diesen bestimmenden architektonischen Motiven bereichern organische Formen in flachem Relief die gesamte Pagode. Über den Gesimsen zwischen den Konsolen florale Muster, die teils Lotosblüten gleichen, teils Dämonenmasken. Über den Pagodennischen Himmelsdrachen und Wolken, neben den Pagoden betende Mönche und Heilige, neben den Toren bedrohliche Wächter. Diese plastischen Elemente sind kontrolliert eingesetzt, ohne ins Wuchern zu geraten, wie zuweilen an späteren Bauwerken der Liao.

Die Nähe zur Song-Architektur, das Übergewicht des Architektonischen über das Dekorative - bei gleichzeitigem Abwechslungsreichtum des Konsolensystems - sprechen für die mittlere Phase der Liao-Baukunst, was gestützt wird durch die Überlieferung, dass die Pagode nach dem Tode des Liao-Herrschers Sheng Zong 1031 errichtet worden sei.

Die Pagode des Rui guang si

Der „Tempel des Guten Omens“ (Rui guang si) in Suzhou, Jiangsu, wurde der Überlieferung nach im 3. Jahrhundert gegründet . Er wurde mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Für die Zeit der Song-Dynastie wird das Datum seiner Neuerrichtung bis etwa 1030 angenommen, also der Periode, in der die Bai ta von Qingzhou wahrscheinlich errichtet wurde. Die Pagode des Rui guang si erlitt das gleiche Schicksal wie der Tempel. Trotz späterer Renovierungen hat sich ihre Struktur aus der Song-Zeit erhalten. Nachdem sie unter den Nördlichen Song mit 13 Stockwerken errichtet worden war, hat man sie während der Süd-Song Zeit nach einem Brand von 1126 mit sieben Stockwerken zwischen 1174 und 1189 wieder aufgebaut.

Die oktogonale Holz-Ziegelkonstruktion misst bis zur Dachspitze etwas über 43 Meter.

Das Dach krönt ein 10Meter hoher Mast mit 7 ringförmigen Ehrenschirmen. Heute vollständig restauriert im Song-Stil, bot die Pagode noch Ende des 20. Jahrhunderts ein eigenartiges Bild: aus den Stockwerken ragten die Hebelbalken (ang) hervor, welche die weitvorragenden Traufdächer stützten. In ihrem heutigen Zustand zeigt die Pagode mit ihren schirmartig ausgebreiteten Dächern ein Aussehen von schwungvoller Eleganz. Die Dachecken sind stark nach oben gebogen, was die gleiche Wirkung des Aufwärtsschwingens erzeugt, wie dies auch an der Shuang ta von Suzhou zu beobachten ist. Der Turm verjüngt sich in gerader Linie durch kaum merklich zurückgesetzte Geschosse. Seiner Silhouette folgend verkleinern sich auch die Stockwerkdächer. Um den Sockel greift das umlaufende Dach am weitesten aus. Es ruht auf Pfeilern und deckt einen Umgang, von dem aus die Pagode betreten werden kann. Die Dächer werden von dreifach gestuften Konsolengruppen getragen, die Balkone, die um jedes Stockwerk herumführten, von doppelten Stützen. Die Anordnung der heute noch sichtbaren Konsolen ist klar und regelmäßig und in deutlichem Abstand voneinander. Im zweiten und dritten Geschoss sind es neben den Eckkonsolen zwei nach jeder Himmelsrichtung, die auf Türpfosten ruhen, in den Geschossen darüber ist es nur noch eine Konsolengruppe in der Mitte jeder Fassade . Aus den Eckkonsolen der Dächer ragen die Enden von echten Waagebalken (ang) hervor, die hier nicht für rein dekorative Zwecke benutzt wurden. Das Holzfachwerk zwischen den Ziegelmauern bleibt als konstruktives Gerüst sichtbar und wird zugleich zur dekorativen Wirkung genutzt, was natürlich auch für die Konsolen gilt. In den ersten beiden Obergeschossen sind Türen nach allen acht Seiten angebracht, in den darüber liegenden wechseln Türen mit Schein-Gitterfenstern.

Im Zentrum der Pagode steht ein massiv gemauerter Pfeiler, um den in jedem Geschoss Wandelgänge führen, die mit Treppen untereinander verbunden sind. Der Pfeiler endet mit dem Fußboden des sechsten Stockwerks. Auf ihm ruht der Mast mit den Ehrenschirmen, der von hier durch die Dachspitze aufsteigt, eingebunden in das komplizierte Gebälk des Dachstuhls. Pfeiler und Mast bilden im buddhistischen Verständnis nicht nur konstruktiv eine Einheit, sondern auch symbolisch: sie stellten die Mitte der Welt dar, die Weltachse.

Die Bei si ta

Die „Pagode des Nördlichen Tempels“ (Bei si ta) im „Tempel der Dankbarkeit“ (Bao en si), wie der Nord-Tempel von Suzhou auch genannt wird, ähnelt der Rui guang si Pagode . Beide Bauwerke entstanden im 12. Jahrhundert unter den Südlichen Song, und sie zeigen eine strukturelle Verwandtschaft. Die Bei si ta wurde in einem Brand von 1570 stark beschädigt und im 17. Jahrhundert während der Kangxi-Periode wiederhergerichtet. Im Unterschied zu der schlanken Rui guang si Pagode wirkt sie plumper. Die Dächer ihrer neun Geschosse haben einen geringeren Überstand, was den Baukörper noch mächtiger erscheinen lässt. Die Pagode ist zugänglich und hat in jedem Geschoss nach jeder Himmelsrichtung eine Türöffnung.

Bis auf die Proportionen herrscht im übrigen große Ähnlichkeit: der Achteckgrundriss, der kaum merklich verringerte Durchmesser eines jeden höheren Stockwerks, die umlaufenden Balkone in allen Geschossen, eine gedeckte Galerie um das Untergeschoss, konkav geschwungene Dachkanten und -grate sowie stark aufwärts gekrümmte Dachecken, das spitz zulaufende Dach mit dem hohen Ehrenmast. Das Holzfachwerk zwischen den Ziegelmauern wurde sichtbar gelassen. Pfeiler, Querbalken und Konsolen setzen sich deutlich ab von den ocker verputzten Wänden. Ein modernes Balkongeländer in einem Rahmenwerk, das bis unter die Traufdächer reicht, verunklart die Gliederung des Balkenwerks und verfälscht die Proportionen des Bauwerks. Bis zur Spitze des Zentralpfeilers mit den Ehrenschirmen misst die Pagode 76 Meter.

Trotz mancherlei Veränderungen blieb die Klarheit des Aufbaus erhalten. Die reiche Gliederung der Fassaden ergibt eine dekorative Wirkung, die nicht mit Hilfe dekorativen oder plastischen Beiwerks erreicht wurde, sondern allein mit architektonischen Mitteln.

Die Schöpfungen der Liao schlossen sich in ihrer Frühzeit eher dem Tang-Stil an, waren zunächst also im allgemeinen konservativer und schwerer als die meist eleganten Bautypen der Song. Später bevorzugten die Liao den Achtecktypus, der sich seit dem Ende der Tang-Zeit mehr und mehr durchgesetzt hatte.

Die Shijia ta

Die älteste Holzpagode Chinas ist ein Werk der Liao. Es ist die „Shakyapagode“ (Shijia ta) siehe auch des „Buddhapalast-Tempels“ (Fogong si) in Yingxian, Provinz Shanxi, 1056 erbaut . Von etwa gleichen Dimensionen wie die Liu he ta siehe auch, wirkt sie schwerer als diese. Der oktogonale Baukörper von 67 Metern Höhe verjüngt sich nur wenig nach oben. Seine sechs Dächer sind kaum merklich nach innen gebogen und zeigen keine Aufwärtskrümmung der Dachecken. Innen mit acht Zwischengeschossen versehen und einem Untergeschoss, weist die Pagode nach außen nur einen Säulenumgang im Erdgeschoss auf und vier offene Galerien in den oberen Stockwerken . Im unteren Geschoss erhebt sich ein über elf Meter hoher Buddha, in den vier oberen Hauptgeschossen jeweils eine Buddhatriade von ca. fünf Metern Höhe . Sie nehmen die Stelle des Herzpfeilers ein und bilden so die zentrale Achse der Pagode siehe auch, die sich im buddhistischen Juwel der Dachbekrönung bis zur Spitze fortsetzt.

Die dreifach übereinander auskragenden Konsolen sind hier nicht allein dekoratives Muster, sondern tragen Dächer und Galerien tatsächlich, erfüllen also eine wirkliche tektonische Funktion. Als Stützwerk der Galerien erklärt sich die Konsolenreihe am Fuß eines jeden Stockwerks aus ihrer konstruktiven Notwendigkeit, während sie beispielsweise bei der Tie ta und anderen Ziegelpagoden Mittel für eine reichere architektonische Gliederung ist. Die Neigung der Liao zu bewegten plastischen Elementen drückt sich in der Dichte und Vielgestaltigkeit der Konsolen aus, wobei die Eckkonsolen stärker hervortreten und durch zusätzliche Arme und Hebelarme kompliziert werden . Während Dächer und Konsolenreihen die Horizontale betonen, treten die Rundsäulen aus den Wänden hervor und akzentuieren die Vertikale. Die gesamte Holzständerkonstruktion, die dem imposanten Gebäude auf diese Weise ein spannungsvolles plastisches Spiel verleiht, gehört zum Besten ihrer Art. Keine der noch existierenden Fachwerkpagoden erreicht die monumentale Wucht dieses Bauwerks.

Die Pagode des Tian ning si

Unter den Liao und den Jin wurde der Achtecktypus der Pagode als massiver Ziegelbau weiter entwickelt.

Die 58 Meter hohe „Pagode der Weißen Wolke“ (Po yun ta) im ehemaligen „Kloster des Himmlischen Friedens“ (Tian ning si), wahrscheinlich Anfang des 12. Jahrhunderts von den Liao in Peking errichtet und die älteste der Stadt, stellt sicherlich das schönste Beispiel dieses in Nordchina weit verbreiteten Typus dar. Wie die Liu he ta siehe auch hatte sie eine geomantische Schutzfunktion. Durch einen Einschnitt in den sonst geschlossenen Bergzügen im Norden und Nordwesten Pekings konnten unheilbringende Kräfte eindringen und den Kaiserpalast gefährden. Ein glückverheißendes Bauwerk wie eine Pagode am richtig ausgewählten Ort sollte dies verhindern.

Die Po yun ta ist nicht zugänglich, sondern nur zu umwandeln wie der indische Stupa. Der achteckige Sockel steht auf einem quadratischen Unterbau und ist überaus reich mit Reliefs geschmückt, die ihn in horizontale Schichten gliedern . Neben ornamentalen Mustern sind es besonders zwei Reihen von Nischen, welche zur plastischen Vielfalt der Sockelzone beitragen. Die untere Reihe enthält Skulpturen von Löwen, den Symboltieren des Buddha Vairocana, die obere Buddhafiguren, flankiert von Wächtern. Darüber führt eine konsolengestützte Blendbalustrade um den Sockel, so als umschließe sie einen betretbaren Gebetsumgang. Im Gegensatz zu den dicht aneinander gereihten und durch zurückgesetzte Balkenstreifen verbundenen Konsolen zwischen den Dächern der Pagode, sind die Konsolen unter der Balustrade klar voneinander getrennt wie an früheren Bauwerken. Ein ornamentaler Doppelkranz von Lotosblütenblättern schließt den mächtigen Sockel ab. Darüber erhebt sich das Untergeschoss mit Scheintüren nach den vier Himmelsrichtungen, flankiert von kraftstrotzenden, drohenden Wächtern .

Die Fassaden der vier Zwischenrichtungen tragen Blendfenster, an deren Seiten Bodhisattvas wachen. Oberhalb der mit Gitterstäben verkleideten Scheinfenster sind die Großen Bodhisattvas auf ihren Reittieren und zwei Begleitern dargestellt. Die Figuren treten fast vollplastisch hervor.

Über der Scheincella schichten sich 13 Stockwerke in dichter Folge, die sich nach oben nur wenig verjüngen . Die Geschosse zwischen den Dächern sind gerade hoch genug, um die den Holzkonsolen nachgebildeten Dachstützen aufzunehmen. Die so entstehende dichte Horizontalgliederung verleiht dem Baukörper eine gedrungene Schwere durch die beharrlich sich wiederholende Betonung der lagernden Kräfte. Das Dach wird von einem mächtigen buddhistischen Juwel gekrönt. Es wächst aus einer doppelten Reihe von Lotosblütenblättern, ein Kennzeichen des Liao-Stils. Der Achtecktypus bietet Gelegenheit zur Entfaltung eines lebhaften Konsolenspiels. Die besonders ausgearbeiteten Eckkonsolen mit diagonal ausfächernden Konsolenarmen kommen so vervielfacht zur Geltung. Zwischen den Eckkonsolen des ersten Daches ist in der Mitte jeder Fassade eine einzige Konsolengruppe mit zusätzlichen Diagonalarmen angebracht, während in den obere Geschossen jeweils zwei einfache Doppelkonsolen zwischen den Eckstützen hervortreten. Nicht nur in der Horizontalreihung ergeben die Konsolen ein bewegtes Muster, sondern auch vertikal bis zum obersten Dach übereinander gereiht. Und nicht zuletzt die kräftige Durchbildung des Reliefschmucks, der Konsolen- und Balkenköpfe, die gleichsam „barocke“ Schmuckfülle, verleihen dem Bauwerk das Aussehen eines plastischen Gebildes.

Von den zahlreichen Pagoden des Tian ning-Typus verdienen zwei besonders hervorgehoben zu werden: die Südpagode des Yun ju si, Fangshanxian, Hebei und die Ostpagode von Beizhen, Jinzhou, Liaoning.

Die Südpagode des Yun ju si

Die Yun ju si-Pagode von 1117 wirkt zwar ebenso als plastisches Gebilde wie die Po yun ta, ihr Reliefschmuck besteht jedoch fast nur aus architektonischen Elementen . Sie sind nahezu vollplastisch herausgearbeitet. Song-Einfluss zeigt sich hier unter anderem darin, dass die Cella zugänglich ist, also auch für die Buddha-Verehrung innerhalb der Pagode vorgesehen war. Der umlaufende Balkon des Sockels ist hier noch deutlicher abgesetzt als bei der Po yun ta, und die Lotosblüten unter der Cella sind größer, organischer und plastischer gestaltet, was ihnen einen pflanzenhaften Charakter verleiht und weniger den eines Ornaments. Die Pagode besitzt nur elf Stockwerke, das krönende Juwel ist verschwunden.

Die Ostpagode von Beizhen oder Guangji Pagode

Die Ostpagode von Beizhen, von der selben Grundgestalt wie die Po yun ta, zeigt ebenfalls reichen Reliefschmuck am Sockel, hervortretende umlaufende Gesimse, Scheinbalustrade und Lotoskranz . Im Untergeschoss haben die Erbauer nicht den Versuch gemacht, einen Innenraum vorzutäuschen: in jeder Himmelsrichtung sitzen vollplastische Buddhas in tiefen Rundbogennischen, eingerahmt von zwei Bodhisattvas bzw. Wächtern in Hochrelief. Die dicht gesetzten Konsolencluster unter dem ersten Dach - die Konsolen in den oberen Geschossen fehlen - die geschwungenen Dachkanten, die starke Plastizität, all dies deutet auf die spätere Phase des Liao-Stils hin.

Die Vorliebe der Liao-Baumeister für einen variationsreichen Dekor - im Gegensatz zum klaren, bei aller Neigung zu Dekorativen das Architektonische betonende Song-Stil - zeigt sich auch in der Variabilität ihrer Bauformen, in denen Einflüsse des tibetischen, des Tang- und des Song-Stils verarbeitet sind.

Die Nordpagode des Yun ju si

Die „Nördliche Pagode“ (Bei ta) des Yun ju si, des „Klosters wo sich die Wolken sammeln“, in den Fangshan Bergen bei Peking, ist ein ungewöhnliches Bauwerk, dessen Stilkombination gleichwohl zu einer Einheit verschmolzen ist . Es wurde vermutlich gegen Ende der Liao-Zeit Anfang des 12. Jahrhunderts errichtet. Als Pagode ihrer Größe steht sie einmalig da, wenn es auch einige jing chuang siehe auch, pagodenförmige Inschriftenpfeiler, von ähnlichem Typus aus der Liao-Zeit gibt. Der Sockel und die beiden ersten Stockwerke sind oktogonal. Wie die tangzeitlichen Stufenpagoden wiederholt das obere Stockwerk das untere in verkleinerter Form. Auch im Zusammenklang mit der darüber aufgetürmten Dachzone erinnert die Pagode an Heiligtümer der Tang-Zeit, wie etwa an die Grabpagode des Jing Cang siehe auch. Wie bei den Tang-Vorbildern, bei denen architektonische Zierelemente und Gliederung gegenüber dem Figurenschmuck vorherrschten, so auch hier: der Reliefschmuck ist architektonisch. Die Rundbogentüren und vergitterten Scheinfenster der beiden Untergeschosse haben keine Wächter und Bodhisattvas wie die Po yun ta. Stattdessen sind die waagerecht und senkrecht verlaufenden Balken der Fachwerkimitation, die sich auch an der Po yun ta finden, in flachem Relief dargestellt. Zusammen mit den Ecksäulen ergibt sich eine zurückhaltende, aber klare geometrische Gliederung der Wände, die der Song-Auffassung nahe steht. In kraftvollem Gegensatz dazu treten die Konsolenreihen plastisch hervor. Sie erscheinen nicht allein unter den vorspringenden Dächern, sondern auch am Fuß eines jeden Stockwerks und tragen, wiederum leicht zurückgesetzt, eine Scheinbalustrade. Beim indischen Stupa umgrenzt ein Geländer den Umgang, auf dem die Anbeter das Heiligtum umschreiten. Über dem Dachgesims folgen fünf Gesimskränze, die noch einmal die horizontalen Strukturen hervorheben. Hier endet nun die Achteckform und ein überraschendes Gebilde wächst daraus hervor: die Kuppel eines Stupas und darüber ein Kegel, dessen Einschnitte neun Ehrenschirme darstellen und der gekrönt ist vom knospenförmigen buddhistischen Juwel . Die Kuppel verjüngt sich am Fuß, eine Halbkugel, die sich andeutungsweise der Kugelgestalt annähert. Sie bildet hier jedoch nicht ein verkleinertes Stuparelikt auf dem Pagodendach, sondern ihr Ausmaß ist nur um weniges geringer, als das des darunterliegenden Stockwerks. Ebenso ist die achteckige Basis des riesenhaft über ihr aufgetürmten Kegels nur wenig kleiner, als der Kuppeldurchmesser. Dadurch sind Halbkugel und Konus zu einer spitz zulaufenden Turmstruktur verschmolzen, die noch einmal die gleiche Höhe einnimmt, wie der untere Bau. Der Rhythmus der Horizontalgliederung verdichtet sich nach oben zunehmend, sodass sich eine eigenartige Dynamik zur Spitze hin entwickelt, welche den in gleiche Stockwerke gegliederten konventionellen Pagoden fehlt.

Verhältnis und Dimension von Kuppel und Kegel ähneln dem tibetischen Stupa, dem Chörten, der in China jedoch erst unter den Yuan durchgesetzt wurde siehe auch. In der Gesamtwirkung steht das Bauwerk eher einem Stupatypus der indischen Gupta und Postgupta Periode nahe (5.-10. Jh.), dessen hochgezogener Unterbau, eingeschnürte Kuppel und hochragende Schirmspitze verblüffende Ähnlichkeiten aufweist. Zwar ist es denkbar, dass buddhistische Pilger Reliquiare dieses Stils nach China brachten, ein unmittelbarer Einfluss auf die Liao-Baumeister ist jedoch nicht nachweisbar.

Die Hua ta von Zhengding

Den Geschmack an bewegten Formen und außergewöhnlichen Entwürfen teilten die Jin mit den Liao. Kaum ein Bauwerk in China dürfte jedoch die „Geschmückte Pagode“ (Hua ta) von Zhengding, Provinz Hebei, an Exzentrik übertreffen . Sie wurde, vermutlich an Stelle einer älteren Pagode, zwischen 1161 und 1189 errichtet oder umgebaut. Ihr Grundriss beruht auf dem magischen Diagramm des tantrischen Buddhismus, dem Mandala. Das Zentrum des Ziegelbaus bildet ein Achteckturm aus Untergeschoss, zwei gleichen Obergeschossen, das höhere verkleinert, und aus einem Turmkegel, dessen Umriss in einer Kurve aufsteigt. An vier Seiten des Untergeschosses öffnen sich Rundbogentüren, an den übrigen Seiten springen vier sechseckige „Kapellen“ vor, deren spitze Dächer ihnen ein turmartiges Aussehen verleihen und die von einem buddhistischen Juwel gekrönt sind. Ihre Obergeschosse haben an vier Seiten rechteckige Türen. Die Pagodenspitze war mit wahrhaft „barockem“ Figurenschmuck überzogen, der heute weitgehend abgebrochen ist: stützende Zwerg-Karyatiden, Ungeheuerköpfe, Löwen und Elefanten, die Stupas tragen. Der horror vacui dieser dichten Figurenfülle scheint indischen Quellen zu entspringen. Für die hybride Architekturgestalt ist kein unmittelbares Vorbild bekannt. Ein von tantrischen Vorstellungen geprägtes Bauprogramm und die kombinatorische Phantasie der „barbarischen“ Baumeister mochten zu diesem einmaligen Ergebnis geführt haben: zur unchinesischsten Pagode Chinas.