Pflaumenmaler

Wang Mian

Ein Mann von außergewöhnlichem Charakter war auch Wang Mian (1335-1407 oder ca. 1415), der berühmt wurde als Poet und Maler von Pflaumenblüten, ein Genre, das sich um diese Zeit eigenständig entwickelte neben Bambus, Orchidee und Kiefer. Bauernsohn aus Kuaiji, Zhejiang, musste er als Junge Büffel hüten, setzte aber durch, dass er in einer Tempelschule erzogen wurde. Trotz seines Eifers und seiner Kenntnisse, bestand er die Beamtenprüfung nicht. Er zog sich in einen alten Tempel zurück, wo er ohne offizielle Stellung unterrichtete. Später wurde er durch Protektion Schulinspektor, denn mittlerweile waren seine Pflaumenbilder hoch geschätzt, weshalb einige hochgestellte Gönner ihn zu fördern suchten. Sein exzentrisches Auftreten scheint ihm manchen Spott eingetragen zu haben, weshalb er den Posten wieder aufgab. Er lief auffällig gekleidet umher, sang laut vor sich hin oder übte die Fechtkunst mit einem Holzschwert. Seinen Lebensunterhalt bestritt er, indem er Bilder gegen Lebensmittel eintauschte, je nach Größe. Er scheute sich nicht, Gedichte mit Anspielungen gegen die mongolischen Herrn zu verfassen. Auf einer Reise in den Norden konnte er die beginnenden Unruhen gegen das verhasste Regime beobachten. Aufgrund seiner strategischen Kenntnisse, die er sich im Studium der Schriften über die antike Kriegskunst erworben hatte, konnte er sich dem ersten Ming Herrscher Hong Wu zur Verfügung stellen, als dieser einen Feldzug in Zhejiang führte. Er wurde dem Kaiser vorgestellt, der ihn zum Militärberater ernannte. Seinen Lebensabend verbrachte Wang in seiner Heimat, wo er ein Stück Land erworben hatte und auf welchem er angeblich tausend Pflaumenbäume gepflanzt hatte, sein Lieblingsmotiv, das er nicht müde wurde zu besingen und zu malen.

Das Interesse an der Pflaumenblüte, genauer am blühenden Pflaumenbaum, scheint als erstes unter den Literatenmalern der Song-Zeit aufgetreten zu sein, da das Sujet ähnliche Möglichkeiten des Tuschespiels bot wie der Bambus. Als Wegbereiter der Pflaumenmalerei in Tusche (mo mei) gilt der Mönch Zhongren, der wie Wang Mian aus Kuaiji stammte und zur Zeit Su Dongpos lebte. Ein ihm zugeschriebener Traktat über die Pflaumenmalerei wurde zum Leitfaden späterer Pflaumenmaler. Die Faszination, welche das Motiv auf manchen Maler ausübte, lag jedoch nicht allein in seiner Gestaltungsfähigkeit, sondern auch in der vielschichtigen Symbolik, die man damit verband siehe auch. Für Wang Mian war es offenkundig die Widerstandskraft des Prunus, welche ihn anzog, die Fähigkeit, in Frostnächten zu blühen, Vorbote des Frühlings und neuer Hoffnung. Da es offenbar sein einziges Thema war, gelang es Wang Mian die Pflaumenblüte zum Vehikel seiner eigenen Stimmungen zu machen und dem Motiv unterschiedlichen Ausdruck abzugewinnen.

Reinheit von Pflaume und Bambus

In einer Querrolle des Nationalen Palastmuseums Taipei ragen vereinzelte Pflaumenzweige, die weiße Blüten tragen, von links mit elegantem Schwung schräg nach unten ins Bild. Sie sind mit äußerst sparsamen Pinsellinien in einem Zug ausgeführt. Erfüllt von spannungsvoller Elastizität wachsen sie der Leserichtung entgegen, während im nächsten Bildfeld ein junger Bambuszweig mit wenigen lockeren Pinselzügen hingeschrieben von links unten diagonal aufsteigt. Über die Hälfte des Querformats ist von präzise und zugleich lebendig geschriebenen Gedichtzeilen überzogen .

Blühende Pflaumenzweige

Eine Fülle von Ästen und Zweigen, begleitet von einem Regen Pflaumenblüten, stürzt kataraktgleich herab . Ungewöhnlich an dieser Hängerolle (ehemals Sammlung Shao Fu-ying, Peking) ist der ausgedehnte Schriftblock rechts oben, der die legendäre Geschichte des Prunus beschreibt. Die eng stehenden Zeilen überschneiden den Blütenregen, ohne seine strömende Dynamik zu bremsen. Dies ist umso erstaunlicher, als die Inschrift vor der Malerei verfasst wurde. Trotz dieser Unterbrechung verliert der Hauptast nichts von seinem peitschenden Schwung, mit welchem er in einer weit ausgreifenden und einer kleineren, im Gegensinn schwingenden Kurve den gesamten Bildraum durchfährt. Es ist, als ob Äste und Zweige von einer unsichtbaren Kraft, von Sturm oder Schnee befreit, im Begriff seien, zurückzuschnellen, getrieben von der Kraft der jungen, aufsteigenden Säfte.

Neuartig an dieser Malerei ist der überfließende Reichtum an Blüten, Zweigen und Trieben. Wang Mians Vorläufer hatten meist nur vereinzelte Äste und Zweige dargestellt, sparsam besetzt mit Pflaumenblüten, wobei sie eine größere Naturtreue erreichten. Darum ging es Wang nicht. Er idealisierte die Pflanze, nahm ihren Ästen den Charakter des Kantigen, Spitzigen, Abgewinkelten und verwandelte sie in ein Spiel schwingender, harmonischer Kräfte. Damit fand Wang Mian das Mittel, seine eigenwillige, persönliche Handschrift mit dem geliebten Motiv zu verschmelzen.

Zou Fulei

Wenig bekannt ist über den Maler und Poeten Zou Fulei (um 1350). Nach einigen Kolophonen, die zu dem vermutlich einzigen erhaltenen Werk des Meisters gehören, lebte er zurückgezogen (im Ruhestand?) mit seinem älteren Bruder, einem talentierten Bambusmaler, in einer ärmlichen Eremitenklause (Peng bi). Zou Fulei war ein gelehrter Daoist, liebte Gedichte zu schreiben, die Leier (qin) zu spielen und besonders die Malerei von Pflaumenblüten.

Ein Hauch des Frühlings

Die Querrolle der Freer Gallery, Washington, mit dem poetischen Titel „Ein Hauch des Frühlings“, zugleich Titel des beigefügten Gedichts, ist eine der erstaunlichsten Schöpfungen der chinesischen Pflanzenmalerei . Oben und unten angeschnitten, erstreckt sich der Ast eines alten Pflaumenbaums über die gesamte Länge des langgestreckten Horizontalformats. Schon allein dadurch, dass der Baum sozusagen „gezwungen“ wird, in die Breite zu wachsen, ergibt sich eine lebendige Spannung im Verhältnis von Motiv und Bildformat. Aus dem knorrigen Stamm, aus dem noch Äste und Zweige sprießen, entwickelt sich der Hauptast in wellenartigem Rhythmus, indem er abwechselnd den oberen und den unteren Bildrand berührt. Die rissige Oberfläche der Rinde ist in bravouröser Technik mit wenigen Zügen eines sich spaltenden Pinsels ausgeführt, in „überflogenem Weiß“ (fei bai), die jungen Triebe jeweils mit einem einzigen, sich zum Ende hin verjüngenden Strich und die hervorquellenden Knospen in Punkten und Tupfen, duftig lasiert ohne Umrisszeichnung. Einzigartig aber ist das Ende des Astes gemalt: anfangs nur von wenigen jungen Zweigen begleitet, fährt er einem Schwertstreich gleich über die letzte Hälfte der Rolle und endet am oberen Bildrand in einer haarfeinen Spitze, aus der schon winzige Blüten treiben, - ein Meisterhieb, der punktgenau getroffen hat. Bis in die letzte Zweigspitze ist dieser Baum von drängender, expandierender Lebensenergie erfüllt.

Es gab nicht viele Künstler, die genaue Naturbeobachtung und die Freiheit einer eigenständigen Pinselführung solcherart zu verbinden wussten.