Grabgut
Beigaben aus Han-Gräbern füllen Museen. Zu den Gegenständen von besonderer Eigenart gehören reich ornamentierte Bronzespiegel, die im Totenkult eine magische Rolle spielten als Dämonenschutz: in ihnen konnten Geistererscheinungen gebannt werden.
Unter den über 2.000 bisher entdeckten Bestattungen der Han-Zeit zählt das Grab von Mawangdui zu den aufschlussreichsten, nicht allein wegen des Totenbanners.
Grabbeigaben der Markgräfin von Dai
Der Doppelhügel von Mawangdui bei Changsha birgt zwei Begräbnisse. Das östliche, unter einem Erdhügel von ehemals zwanzig Meter Höhe, besteht aus einem zehn Meter tiefen Schacht, auf dessen Grund der sechsfach ineinander geschachtelte Sarkophag der Markgräfin von Dai freigelegt wurde . Zwei der drei genau eingepassten Särge sind mit reicher Lackmalerei versehen, darunter abstrakt wirkende Muster von Wolkenspiralen und ornamentale Pflanzenranken, sowie Darstellungen von stark bewegten mythologischen Wesen wie Phönixen, geweihtragenden Löwen und Bogenschützen, springenden Einhörnern (qi lin) und Tigern im Kampf mit schlangenartigen Drachen. Auf schwarzem bzw. rotem Lackgrund herrschen die Farben Weiß, Rot, Goldgelb und Violett vor . Der innerste Sarg war mit einer Applikation von Tierfellen und Federn auf Seide überzogen.
Zwischen dem ersten und dem zweiten der Außensärge sparte man ringsum vier Fächer aus, um sie mit Beigaben anzufüllen: Lebensmittel und Haushaltsgegenstände wie Lacklöffel, Weinbecher, Vasen, Schalen, Teller, Tabletts aus Lack, alle sorgfältig bemalt. Solches Lackgeschirr war äußerst begehrt. Ein Lackgefäß entsprach dem Wert von zehn Bronzeschalen. Ebenso kostbar ist eine runde Toilettendose, die man in Seide eingeschlagen fand. Sie enthielt Kosmetikschälchen, Holzkämme und Bronzemesser. Neben Seidengewändern fand man Musikinstrumente: mehrere Stimmpfeifen, eine Drehorgel und eine Tischharfe. Rhinozeroshörner und Elefantenstoßzähne dienten vermutlich medizinischen Zwecken, da sie zu Pulver gestoßen als Heilmittel galten. Selbst wenn sie nur als Holzimitation ins Grab gelegt wurden, taten sie doch vermittels magischer Übertragung nach damaligem Glauben ihre heilsame Wirkung. Dem entsprechend fanden sich auch Heilpflanzen unter dem Grabgut sowie medizinische Texte und Darstellungen daoistischer Körperübungen . Münzen und Keramik gehörten zur gewöhnlichen Ausstattung, seltener die hier gefundenen Bi-Ringscheiben.
Ganz ungewöhnlich sind im chinesischen Grabkult Holzfiguren, von denen man aus diesem Grab 162 barg in der Größe zwischen 30 und 80 cm. Sie scheinen einer lokalen Tradition zu entstammen, denn man fand ähnliche Holzfiguren auch in anderen Gräbern bei Changsha. Die Schnitzarbeit zeigt eine stark vereinfachende Stilisierung. Die Gesichtszüge erscheinen glatt und puppenhaft. Sie wurden sparsam bemalt. Bei den meisten Figuren sind die Gewänder sorgsam aufgemalt und mit reichem Ornament geschmückt. Einige jedoch, insgesamt achtzehn, tragen echte Seidengewänder, was ihre puppenhafte Wirkung verstärkt. In ihrer Nähe befand sich ein Seidenkissen und ein Lacktisch mit einem Speisetablett. Sie hatten die Aufgabe, der Markgräfin beim Essen aufzuwarten oder sie mit Gesang zu unterhalten. Fünf Musikanten mit Drehorgel und Tischharfe vervollkommneten das Orchester. Hier ist also die Dienerschaft der Fürstin von Dai mitbestattet, nunmehr in Form von Ersatzfiguren, wie schon die Tonsoldaten des Ersten Kaisers siehe auch. Was ihnen an Realitätsnähe fehlte, suchte man durch echte Gewandung bei den wichtigeren Figuren zu ersetzen: Beschwörung des Realen. Den Dienerpuppen sollte eine Art magischer Wirklichkeit verliehen werden .
Stilistisch steht ihnen eine seltsam groteske Gestalt nahe, die in einem anderen Grab bei Changsha (Nr. 203) gefunden wurde, wahrscheinlich aber älter ist (heute im Britischen Museum): ein rigoros vereinfachter Menschenkopf, der aus einer Stele hervorwächst, die fern an eine rudimentäre Menschenfigur erinnert. Aus dem Mund hängt eine rote Zunge über die ganze Gestalt herab. Ein mächtiges Geweih ragt aus dem Kopf empor, ähnlich den gespenstischen Wesen auf den beschriebenen Malereien. Es ist ein Dämonen abwehrender Grabgeist .
Diese Schnitzfiguren wirken trotz der Glätte ihrer Oberfläche roh und in ihrer Abkürzung fremdartig und unchinesisch, als seien sie die fernen Nachklänge einer untergegangenen Kultur.
Das Ziel, Unsterblichkeit zu erlangen, das sich schon früh im Daoismus ausbildete, dem auch der Erste Kaiser Qin Shihuangdi nachstrebte und wie es sich auf dem Totenbanner der Markgräfin von Dai darstellt, sollte auch mit Hilfe der Erhaltung des Leichnams erreicht werden. Denn die Po-Seele blieb ja dem Leib verbunden.
In mehrere Gewänder gehüllt und von zwanzig Lagen Seidentücher bedeckt, außerdem luftdicht abgeschlossen, fand man den zweitausend Jahre alten Leichnam der Markgräfin im Zustand einer Toten, die erst vor zwei Tagen verstorben war . Ihr Gesicht glich dem einer Schlafenden, der Körper war noch weich und elastisch. Diese erstaunliche Konservierung bewirkte vermutlich eine Flüssigkeit aus organischen Säuren und Quecksilbersalzen sowie das Fehlen von Sauerstoff. Da man im Unterschied zur Methode der alten Ägypter die Eingeweide nicht entnommen hatte, konnte nun bei der Obduktion der Leiche festgestellt werden, dass sie an Tuberkulose gelitten hatte sowie an Gallensteinen, einen Knochenbruch überstanden hatte und vor ihrem Tod reichlich Melonen verzehrt haben musste: ihr Magen enthielt 139 Melonenkerne.
Grabbeigaben des Generals Zhou Po
Der Unsterblichkeitsgedanke, festgemacht an der Materie, der man ewiges Bestehen zu sichern suchte, artikulierte sich in vielfältiger Weise.
So fanden sich Nebengruben bei dem schon beschriebenen Grab des Generals Zhou Po bei Yangjiawan siehe auch, in denen dicht gedrängt eine Armee von über 2.500 Fußsoldaten und Kavalleristen in Marschordnung aufgestellt war . An Uniformen und vermuteter Bewaffnung sind einzelne Truppenteile zu unterscheiden. Wie im Diesseits eine wirkliche Armee, so steht im Jenseits eine tönerne unter dem Kommando des Toten. Es liegt nahe, dass sie die Aufgabe hatten, die ewige Ruhe ihres Feldherrn zu verteidigen, genau wie die lebensgroßen Tonsoldaten des Ersten Kaisers diesen zu schützen hatten. Der Realismus der Qin-Zeit ist einer größeren Vereinfachung und Typisierung gewichen und einer Neigung zum Miniaturhaften. Die kalt bemalten Figuren sind zwischen 50 und 70 cm hoch.
Grabbeigaben des Prinzen Liu Sheng und der Prinzessin Dou Wan
Auch die Han glaubten an die Dauer verleihende Macht der Jade. Man hoffte mit ihrer Hilfe den Leichnam vorm Zerfall zu schützen. Bei Öffnung der Gräber des Prinzen Liu Sheng und seiner Gemahlin Dou Wan siehe auch machte man einen sensationellen Fund: ihre Totengewänder. Es handelt sich um Schuppenpanzer aus Jade . Jedoch waren nur noch die leeren Hüllen vorhanden. Die Totenrüstungen bestanden aus mehr als 2.000 Jadeplättchen, die mit Golddraht vernäht waren. Man schätzt, dass ein Spezialist zehn Jahre zur Herstellung benötigte. Nur Mitgliedern des Kaiserhauses waren solche Totenkleider vorbehalten. Sie sind Zeugnisse des unvorstellbar aufwendigen Bestattungsrituals der Han. Insgesamt sind nur 22 solcher Jadekleider aus der gesamten Epoche bekannt. Nach den Han wurde ihre Herstellung verboten und sie verschwanden aus dem Grabkult wegen ihrer ruinösen Kostspieligkeit.
Unter den über 4.000 Grabbeigaben des Prinzenpaares fanden sich Stücke von erlesener Kostbarkeit. Vergoldete Wagenbeschläge mit Türkis- und Achateinlagen, sowie Bogenauflagen in der gleichen Technik. Die Gegenstände sind zu phantastischen Tieren geformt. Bronzelampen in Widder- oder Vogelform. Weihrauchbrenner in Gestalt von mythologischen Bergen, belebt mit Jagd- und Tierszenen . Vergoldete Bronze-Leoparden mit Einlagen aus Granaten und Silber als Beschwerer des Sargtuchs . Bronze- und Keramikgefäße, Lackwaren und Seidengewebe.
Kleinplastik des Grabguts
Die Tierdarstellungen zeugen von genauer Naturbeobachtung. Jedoch ist der Naturalismus der Qin-Zeit zurückgenommen zugunsten vereinfachter Körperformen. Fell, Gefieder, Muskulatur erscheinen als abstrahiertes Ornament.
Das gleiche gilt für die menschliche Figur. Die berühmte kniende Lampenträgerin aus dem Grab der Dou Wan ist durch ihre Körperdrehung zu einem rhythmischen plastischen Gebilde umgeformt und kein reines Abbild der Natur mehr. Gesichtsbildung und Faltenwurf sind von einer klaren, harmonischen, abstrakten Strenge .
Die gleiche Meisterschaft der Stilisierung zeigen Kleinbronzen aus einem Generalsgrab der Östlichen Han bei Wuwei, Provinz Gansu. Es sind Reiterfiguren, Pferdewagen nebst Fahrern und einzelne Pferde. Zu ihnen gehört eine der schönsten Skulpturen der chinesischen Kunst: das „fliegende Pferd“ (fei ma) . Es scheint im Galopp zu schweben, seltsamer Weise im Passgang (im Museum von Lanzhou, Provinz Gansu). Die Züchtung solcher Passgänger wird noch heute in China gepflegt. Nur ein Huf berührt den Boden, genauer: eine Schwalbe mit ausgebreiteten Flügeln. Der Körper des Tieres drückt in seiner gestrafften Rundung angespannte Kraft aus, dem geöffneten Maul und den Nüstern scheint keuchender Atem zu entströmen. Es ist das Idealbild jener so begehrten „Himmlischen Pferde“, welche die Han-Kaiser aus Zentralasien einführten.
Die Konsolidierung des zentralistischen Kaiserstaates, die Bildung eines Großreichs, die Formierung einer Gesellschaftsordnung, die über zwei Jahrtausende fortwirkte, ihr kulturelles Erbe, all dies macht verständlich, weshalb spätere Generationen die Epoche der Han-Dynastie als ein Goldenes Zeitalter ansahen.