Grundzüge der chinesischen Architektur

Was über die Architektur vor der Han-Zeit bekannt ist, beruht auf Rekonstruktionen. Bei Grabungen wurden lediglich Fundamente freigelegt oder Überbleibsel von Wällen aus Stampferde sowie Bauteile aus Stein oder Ziegeln. Erst mit Funden aus Han-Gräbern kamen Artefakte zum Vorschein, die ein plastisches Bild der frühen chinesischen Bauweise liefern. Es handelt sich um Architekturmodelle siehe auch, in denen bereits wesentliche Elemente ausgebildet sind, welche die weitere Entwicklung bestimmen sollten. Unter den Grabfunden befanden sich Reliefs und Tonmodelle nicht nur von Einzelgebäuden, sondern von ganzen Baugruppen. Sie stellen Gehöfte dar, vermutlich Nachbildungen der Lebenswelt des Toten, aus welchen die Grundformen der chinesischen Wohnanlage zu ersehen sind .

Die Gebäudegruppe

Allen diesen Gebäudekomplexen ist die vierseitige Ummauerung gemeinsam wie sie bereits bei der palastartigen Anlage von Erlitou, Henan, aus dem 2. Jahrtausend vor Chr. festgestellt wurde. Grundsätzlich gibt es keine strukturellen Unterschiede zwischen Palast, Tempel oder Wohngehöft. Es sind von Mauern umgebene Einzelgebäude mit verschiedenen Funktionen, die nur als Gebäudegruppe eine architektonisch sinnvolle Einheit ergeben. Ein einzelnes Bauwerk als autonomes Gebilde ist im chinesischen Verständnis von Architektur nicht existenzfähig, es muss stets im Zusammenhang mit einer übergeordneten Einheit stehen, so wie der einzelne Mensch mit der Familie, der Gruppe, der Gesellschaft. Dies gilt auch für die Sonderform der Pagode, die oft alleinsteht, jedoch immer im Bezug zu einer größeren Einheit geplant war, sei es zu einem Tempelkloster oder dem landschaftlichen Umfeld.

Hofanlagen

Der Plan einer Anlage wird aus ihrer Mitte entwickelt, aus dem Leerraum. Dieser Raum wird durch seine Umgrenzung definiert: durch die um die Mitte angeordneten Gebäude. Der auf diese Weise gebildete Hof ist Herz und Zentrum der Anlage, in ihm treffen alle Funktionen zusammen, in ihm spielt sich ein Großteil des Lebens ab. Er wird „Himmelsbrunnen“ (tian jing) genannt, weil sich in ihm das Regenwasser von den Dächern sammelt. In einem weiteren Sinn weist der Begriff auf die Bedeutsamkeit dieses zentralen Ortes als Lebensquell, der den Mittelpunkt der Familiengemeinschaft bildet. Je weiter sich eine Anlage entfaltet, um so mehr Höfe werden aneinandergefügt, in Großkomplexen werden sie so hintereinander geordnet, dass sich Achsen bilden. Hier zeigt sich ein Grundprinzip der chinesischen Architektur, das in gleicher Weise bei den einzelnen Gebäuden auftritt: die Wiederholung gleicher oder ähnlicher Elemente, die zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Die Achsen greifen oft weit über den Architekturkomplex hinaus in die Umgebung, in Park, Stadt oder Landschaft. Sie erweitern das Bauwerk so in die Natur hinein und symbolisch ins Kosmische.

Gehöft und Gebäude

Die kleinste funktionierende architektonische Einheit ist also die an „vier Seiten geschlossene Hofanlage“ (si he yuan) wie sie in zahlreichen Varianten unter den Han Modellen zu finden ist . Dieser Grundtypus der chinesischen Wohngruppe besteht aus einer Rechteckmauer, deren Schmalseite mit dem Eingangstor, dem „Großen Tor“ (da men), in Städten oder Siedlungen nach der Straße ausgerichtet ist. Hinter dem Tor sperrt die „Schattenwand“ (ying bi) die Sicht ins Innere. Sie schützt zugleich vor unheilvollen Mächten. Es folgt der Hof mit zwei „seitlich gegenüber liegenden Gebäuden“ (xiang fang) an den Längsseiten und dem Hauptgebäude im Hintergrund. Es ist das „obere Haus“ (shang fang) mit seinen kleinen Nebengebäuden, den „Ohr-Häusern“ (er fang), die links und rechts angebaut sind. Nach der Straßenseite hin kann ein Gebäude mit der Rückmauer zur Straße den Hof abschließen, das „umgekehrte Gebäude“ (dao zuo). Die Häuser sind nur vom Hof aus zugänglich. Einfache Gehöfte können anstelle des Vordergebäudes dao zuo nur eine Mauer aufweisen, es entsteht der „an drei Seiten geschlossene Hof“ (san he yuan). Fehlen die Seitengebäude ist es ein „zweiseitig umschlossener Hof“ (er he yuan). Dieses System kann einmal strenger, einmal lockerer gehandhabt werden, in Südchina weniger streng als im Norden. Stets jedoch bilden die Rückwände der Gebäude die Außenseite der Anlage, und immer bleibt die Anlage von vier Seiten umschlossen.

Haustypen

In den Han-Gräbern fanden sich die verschiedensten Hausformen ebenso wie die gebräuchlichsten Dächer, die alle in der späteren Architektur auftauchen: Pult-, Sattel-, Walm- und Zeltdächer sowie Kompositformen. Beliebt waren Turmpavillons (lou), die bis zu vier Geschosse zählen konnten. Sie erscheinen in einem verblüffenden Variantenreichtum, und zwar als Ecktürme von Hofanlagen, als Zentralbauten, als Dachaufsätze oder einzeln. Sie dienten unterschiedlichen Zwecken. Oft bildeten solche mehrgeschossigen Pavillons das Hauptgebäude. In späteren Epochen war ein mehrgeschossiger Bau als Hauptgebäude eher die Ausnahme. Der Grundtypus war die eingeschossige, rechteckige Halle (dian), deren Breitseite immer die Front des Hauses darstellte, welche stets zum Hof gerichtet war. Wenn es sich um das „obere Haus“ handelte, wurde es durch andere Merkmale hervorgehoben wie Größe, Dachform, Dekor.

Sieht man ab von gewissen regionalen Unterschieden so galt prinzipiell folgende Ordnung fast unverändert seit der Han-Zeit für die Familiensitze der wohlhabenden Schichten. Deren Grundmuster spiegeln sich in den bedeutenden Architektur-Ensembles wider, in den Tempel- und Palastanlagen.

Gebäudeanordnung

Das „obere Haus“ war der Sitz des Familienoberhauptes, die Haupthalle im Hintergrund des Innenhofs. Wo immer möglich, war sie nach Süden gerichtet, ebenso wie der gesamte Komplex. Auf diese Weise konnte Wärme auch bei niedrigem Sonnenstand im Winter eingefangen werden. Der Bau war dreifach geteilt. Im mittleren Raum, der Haupthalle (tang), versammelte sich die Familie und hier empfing man Gäste. Hier waren die Ahnentafeln aufgestellt, denen regelmäßig geopfert wurde, und hier fanden die Familienfeiern statt. Die Seitenflügel dienten als Wohn- und Schlafräume des Hausherrn, der meistens im östlichen Teil wohnte, und seiner Hauptfrau. Bei größeren Anlagen können separate Gebäude die Haupthalle flankieren, die „Ohrenhäuser“ oder „angefügten Räume“ (tao jian). Besteht der Wohnsitz aus mehreren Höfen, wiederholt sich die Anordnung im hinteren oder „inneren Hof“ (nei yuan), der dann von der Familie bewohnt wird, während der „äußere Hof“ (wai yuan) genutzt wird, um Besucher zu empfangen. In diesem Falle wird der Mittelteil des Hauptgebäudes im vorderen Hof zum „großen Pavillon“ (da ting), zur Empfangshalle. Die Seitenräume können dann Bibliotheken oder Arbeitszimmer enthalten. In den einander gegenüber liegenden Seitengebäuden, die in Längsrichtung den Hof flankieren, sind im äußeren Hof Vorratsräume - manchmal auch Küchen - und das Gesinde untergebracht, in den Seitengebäuden des inneren Hofs die Nebenfrauen und die verheirateten Söhne mit ihren Familien. Zu den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden treten seit etwa der Song-Zeit überdachte Gänge (lang), offene Galerien, welche einzelne Gebäude miteinander verbinden. Ihre Anordnung bleibt wie der vierseitig umschlossene Hof dem Rechteckprinzip verpflichtet: stets verlaufen sie parallel zur Hauptachse an beiden Seiten des Hofs - oder im rechten Winkel zur Achse.

Tore

Eine einfache Öffnung zwischen den Innenhöfen und eine Pforte nach außen könnten genügen, die Verbindung im Inneren und zur Außenwelt zu schaffen. Welche Bedeutung jedoch dem Tor (men) zugemessen wurde, zeigt seine Entwicklung.

Tore waren mehr als eine funktionale Notwendigkeit. Sie symbolisierten den Status des dahinter liegenden Komplexes. Sie konnten unscheinbar und bescheiden seine private Sphäre andeuten oder triumphal Reichtum, Macht und Größe manifestieren. Das äußere Tor von Wohngehöften war oft nur eine unauffällige Tür in einer Maueröffnung, die sich nicht immer in der Mitte befand wie bei repräsentativen Bauwerken, deren „Großes Tor“ stets die Mittelachse betonte. Auf Han-Reliefziegeln und an Keramikmodellen finden sich neben einfachen, allerdings meist zweiflügeligen Türen in der Außenmauer, auch Zugänge, die nicht nur von einem Ziegeldach überdeckt sind, sondern von einem quer liegenden, kleinen Gebäude, einem Torhaus (men guan), aus dem bei einigen Beispielen Wächter herausschauen . Es sind die Vorläufer der späteren Stadt- und Festungstore wie sie auf Wandbildern und Rollen der Tang- und der Song-Zeit erscheinen siehe auch. Durch eine gemauerte Bastion mit geböschten Wänden führte ein Torgang, der mit mächtigen Flügeltüren geschlossen werden konnte. Auf der Plattform der Bastion erhob sich eine Holzhalle mit der Breitseite nach außen . Diese Aufbauten konnten mehrgeschossig sein mit zwei oder drei Dächern. Zur Ming Zeit wurden diese Tortürme an wichtigen Befestigungsanlagen verdoppelt. Das äußere Tor wurde vollständig aus Ziegeln errichtet, das innere Tor, hinter einem umschlossenen Hof gelegen, war eine prächtige Holzkonstruktion über dem gemauerten Unterbau mit dem Durchgangstor.

Ein weiterer Typus von Toranlagen der Han besteht aus Doppelpfeilern, die unverbunden einander gegenüberstehen mit einem seitlichen Maueransatz. Diese Steingebilde imitieren Türme der Holzarchitektur. Sie stehen allein vor Grabbezirken. Meist ist nur einer der Pfeiler erhalten. In der Literatur sind sie als „Vortürme“ (que) erwähnt siehe auch. Es sind Zeremonialtore, die zu Ehren hochgestellter Personen errichtet wurden, wahrscheinlich ehemals auch für lebende, oder zur Markierung sakraler oder anderer bedeutender Orte. Ihre wuchtige Erscheinung lässt vermuten, dass ihre Vorbilder Festungstore waren.

Diese Form von Ehrentoren verschwindet allmählich in der Nach-Han-Ära. Zwei Steinreliefplatten des späten 6. Jhds. im Museum für Ostasiatische Kunst, Köln, stellen eine Toranlage dar, die, wenn auch nicht stilistisch, so doch strukturell, noch eine enge Verwandtschaft mit den que-Pfeilern aufweist . An zwei geböschte Türme, die große Ähnlichkeit mit Han-Tortürmen auf einem Reliefziegel aus Chengdu, Sichuan, aufweisen, lehnen sich auf jeder Seite zwei Flügelbauten, die nach außen an Höhe abnehmen. Wie bei den que fehlt die Oberschwelle zwischen den Türmen. Alle sind mit Ziegeln gedeckt und haben überstehende Traufdächer. Dass es sich um die Darstellung von Holzarchitektur handelt, verdeutlichen die eingemeißelten Säulen mit Konsolkapitellen. Sie tragen die oberen Geschosse, welche als reich ornamentierte Gesimse erscheinen, zwischen denen Karyatiden das darüber liegende Stockwerk stützen. In dieser Zone treten auch bei den que-Türmen der Han Trägerfiguren auf. Die Darstellung einer Prozession auf den Reliefplatten und ihre Herkunft von einer Begräbnisstätte unterstreicht die Funktion des abgebildeten Torbaus als Ehrentor.

Die Form späterer Ehrentore (pai lou) unterscheidet sich wesentlich von den que, vor allem dadurch, dass sie horizontale Sturzbalken tragen. Sie wurden aus Holz errichtet aber auch aus Ziegeln oder Stein, „steinerne Ehrentore“ (shi pai fang) siehe auch, stets jedoch mit den Strukturen des Holzbaus. Ihre Herkunft ist umstritten. Die These, dass sie indischen Ursprungs seien, ist eher unwahrscheinlich. In ihrem Aufbau unterscheiden sie sich stark von ihren vermuteten Vorbildern, den Torana von Sanchi oder Barhut, wo aus Steinpfeilern mit dreifachen Sturzbalken errichtete Schmucktore vor dem Stupa stehen. Selbst die Marmorbalkentore des „Himmelsaltars“ (Tian tan) in Peking siehe auch, die wie die Torana nur einen Durchgang haben, ähneln diesen nur in der fundamentalsten Grundstruktur: zwei Pfosten, die durch Sturzbalken verbunden sind. Ein pai lou hat gewöhnlich drei bzw. fünf Durchgänge . Er trägt über jedem Durchgang ein konsolengestütztes Dach und über den Pfosten oft auch kleine Zwischendächer. Sie entsprechen der üblichen Mauerabdeckung, während die großen Dächer sie überragen in Form kleiner Pavillons. Im Grunde stellt der pai lou nichts anderes dar als ein Hauptgebäude (shang fang) mit seinen beiden Nebengebäuden (tao jian). Der mittlere Durchgang ist immer vom höchsten Pavillondach gekrönt und meistens ist er auch breiter als die seitlichen.

Ein solches Tor zeigt die Struktur des Hauptgebäudes eines herrschaftlichen Wohnsitzes sozusagen bis auf sein Skelett reduziert, ein Skelett allerdings, das mit reichem Schmuck versehen ist. Trotz seiner prachtvollen Ausstattung liegt sein Sinn nicht im Dekorativen. Es dient nicht den materiellen Bedürfnissen der Menschen, nicht als schützende Wohnstätte. Es ist ein Bauwerk von geistiger Bedeutung. Es dient der Erinnerung, dem Gedenken. Deshalb stehen diese Tore am Beginn von sakralen oder kaiserlichen Prozessionswegen, vor Nekropolen, Ahnentempeln oder auch Palästen, wobei sie auf die Bedeutung des Ortes hinweisen. Das Durchschreiten eines solchen Tores gemahnt daran, dass man einen ehrfurchtgebietenden oder geheiligten Bezirk betritt. Wie die que sind es Vortore, die bei größeren Anlagen eine Folge von Toren einleiten.

Das Eingangstor, das den Durchlass durch die Umfassungsmauer gewährt, wird allgemein als „Großes Tor“ (da men) bezeichnet , vor Grabbezirken „Großes Rotes Tor“ (da hong men), vor Tempelanlagen „Bergtor“ (shan men). Dieses äußere Tor ist gewöhnlich aus Ziegeln errichtet und hat drei gewölbte Durchgänge. Die inneren Tore sind Holzhallen mit einem oder drei Durchgängen. Je nach Bedeutung des Komplexes können sie auch Doppeldächer tragen. In Tempeln und Palästen werden sie nach der Haupthalle des jeweiligen Hofs benannt. In Wohngehöften sind es überdachte, meist offene Holzstrukturen, die man nach ihren Dekorationen in Nordchina „Tor der Hängenden Blüten“ (chui hua men) nennt, im Süden „Drachentor“ (longmen). In den meisten buddhistischen Tempeln ist die erste innere Durchgangshalle den vier „Himmelskönigen“ (tian wang) geweiht, den Wächtern der vier Weltgegenden, in daoistischen Heiligtümern stehen hier Gottheiten, Unsterbliche, Himmelskrieger oder himmlische Beamte. Innerhalb der kaiserlichen Grabanlagen der Ming- und der Qing-Zeit sind auf dem Grabweg, der zum Tumulus führt, weitere Zeremonialtore eingefügt. Das „Drachen und Phönix Tor“ (long feng men) besitzt drei Durchgänge, die von Marmorpfeilern und -querbalken gebildet werden. Überdachte Ziegelmauern verbinden sie, und an den Seiten schließen Mauerflügel das Tor ab. Auch das freistehende „Zwei Säulen-Tor“ (er zhu men) im hinteren Hof eines kaiserlichen Grabtempels ist ein Steinbalkenportal, das wie sein Name schon andeutet nur einen einzigen Durchgang hat, durch den allein der kaiserliche Leichnam hindurchgetragen werden durfte.

Gärten

In engster Verbindung mit dem ummauerten Gebäudekomplex stand in der Regel der Privatgarten, ja er war ein wesentlicher Bestandteil der traditionellen Hofanlage. Er schloss unmittelbar an den Innenhof, also den Privatbereich der Familie an oder wurde bei einer gelockerten Bauweise, wie vorwiegend in Südchina, auf andere Weise in die Baugruppe integriert.

Die Anlage von Gärten ist bereits aus der chinesischen Frühzeit überliefert in Berichten über kaiserliche Parks aus der Zhou- oder der Qin-Zeit. Und seit der Han-Dynastie wurden auch Gärten wohlhabender Grundbesitzer beschrieben. Im Garten schuf man sich eine Gegenwelt zum Wohn- und Arbeitsbereich mit seiner streng gegliederten, hierarchischen Ordnung. Hier trat der Mensch, in einem gewissen Sinn befreit von der Regelhaftigkeit seines alltäglichen Daseins, in eine Natur ein, die von ihm selbst geschaffen war und die seiner Wunschvorstellung von Natur entsprach. Zu diesem Idealbild einer domestizierten Natur gehörte es, dass sichtbare Spuren des menschlichen Eingriffs in die Komposition von Pflanzen, Teichen, Hügeln, Felsen und Pfaden eingewoben wurden: Terrassen, Mauern, Tore, Stege, Brücken, Galerien und luftige, meist leichte Gebäude, die nicht der Ordnung und den Normen privater oder öffentlicher Bauten unterworfen waren.

Pavillons

In den meist offenen Konstruktionen, die den unmittelbaren Ausblick in die Umgebung gewähren, verbrachte der Herr des Anwesens seine Mußestunden die Natur beobachtend, meditierend, dichtend, allein oder mit Gästen, beim Wein oder in Betrachtung von Kunstwerken. In diesen Gebäuden spiegeln sich die Gelöstheit und Ungezwungenheit solcher Treffen, die ganz ihrer Umgebung entsprechen, dem freien, organischen Rhythmus des Gartens. Ihre Funktion kann wechseln - etwa vom Aussichtspunkt zur Musikhalle, ihre Gestalt ist nicht festgelegt. Der Pavillon (ting) wurde so zum freisten und variabelsten Typus der chinesischen Architektur . Er erscheint als Rechteckbau, mit quadratischem, polygonalem, rundem oder halbkreisförmigem Grundriss, als Doppelbau, in Fächerform, ein- oder mehrgeschossig und mit allen Dachformen, die in der chinesischen Baugeschichte entwickelt wurden.

Geomantik

Der Bau eines Hauses, eines Wohngehöfts, die Anlage eines Dorfes oder einer Stadt erforderten umfangreiche Vorbereitungen noch ehe die eigentliche Bauplanung beginnen konnte. Es musste eine geeignete Stelle und die richtige Ausrichtung für den Bauplatz gefunden werden. Denn von der unheilvermeidenden und glückbringenden Lage hing die Zukunft der Bewohner und nachfolgender Generationen ab. Angestrebt wurde eine „Harmonie der Mitte“ mit Hilfe eines Systems, in welchem die Einwirkungen der Naturkräfte als entscheidend angesehen wurden und womit man versuchte, die Wirkungsweisen gegensätzlicher Energien in ein Gleichgewicht zu bringen. Diese Erdwahrsagekunst, „Wind und Wasser“ (feng shui) genannt, beruht auf der Beobachtung topographischer Gegebenheiten und von Naturvorgängen in Verbindung mit magischen und kosmischen Vorstellungen. Die Tradition dieser Lehre reicht bis in die Zeit der „Streitenden Reiche“ (zhan guo) zurück (5.-3. Jh. v. Chr.) und wurde in einem umfangreichen Schrifttum niedergelegt.

Im altchinesischen Denken besteht die Weltordnung aus einem engen, komplexen Geflecht aus Entsprechungen, in dem sich konkrete Erscheinungen und Dinge mit symbolhaften Vorstellungen verknüpfen, wobei allen die gleiche Realität zuerkannt wird. Aus diesem Analogiedenken erwuchs die Überzeugung, dass durch menschliche Einwirkung auf ein Element eine Reihe von Reaktionen ausgelöst werden könne, die weitere Elemente beeinflussen. Eine solche Kette aus Begriffen, Empfindungen, Gegenständen und Lebewesen, deren Eigenschaften man einen inneren Zusammenhang zuschrieb, besteht aus einer Himmelsrichtung, der zugeordnet werden: ein Naturelement, eine Farbe, ein Geschmack, ein Geruch, eine Nahrungspflanze, ein Haustier, ein Bereich des Wohngehöfts, eine Zahl, ein Körperteil, eine Tugend, ein Sinnbild und eine Jahreszeit.

Beim Auslegen des Grundplans spielen die Himmelsrichtungen, an welche diese Begriffsketten mit ihren Eigenschaften geknüpft sind, eine fundamentale Rolle. Da die Erde als Quadrat gedacht wird, dessen Seiten den Himmelsrichtungen entsprechen, muss auch die menschliche Behausung, ob Hütte oder Palast, Grabstätte, Tempel oder Stadt, zunächst dieser Orientierung folgen, wodurch sie in Bezug zum Kosmos gesetzt wird. Notwendige Abweichungen hängen von weiteren Einflüssen ab. Von den Himmelsrichtungen geht also eine bestimmte Wirkung aus, die bei der Planung beachtet werden muss. Die vier Kardinalrichtungen werden verkörpert in vier Symboltieren siehe auch, den „Vier Geistern“ (si shen): dem „Weißen Tiger des Westens“, dem „Grünen Drachen des Ostens“, dem „Roten Vogel des Südens“ und der „Schwarzen Schildkröte des Nordens“. Zu diesen vier Himmelsrichtungen tritt als fünfte der Zenit oder die Mitte. Ihnen sind weitere Fünfergruppen zugeordnet, wie die fünf Elemente, die fünf Himmel, fünf Tierarten u. a. m.

Dieses gesamte Bezugssystem befindet sich in einer ständigen Bewegung innerhalb des Raumes und der Zeit, in einem rhythmischen An- und Abschwellen, dem Atmen vergleichbar. Alle Zustände und die „Zehntausend Dinge“ (wen wu) sind auf zwei gegensätzliche, einander ergänzende Urprinzipien zurückzuführen, auf „yin und yang“, die alle komplementären Energien und Seinsweisen umfassen. So manifestiert sich yin als Dunkel, Kälte, das Weiche, Passive, Weibliche oder als die Erde, yang als das Helle, als Wärme, das Harte, Aktive, Männliche oder als Himmel. In einem unendlichen Pulsieren nähern und entfernen sie sich und zeugen das Universum in einem ewigen Zyklus von Werden und Vergehen. Es ist die Bewegung des „dao“, des Urgrunds alles Seins.

In dieser ständigen Wandlung der Dinge und Zustände muss der Geomant den Moment des Ausgleichs finden, den rechten Zeitpunkt für den Baubeginn, die richtige Position der Dinge wie Bäume, Felsen, Gewässer usw. im Umfeld der geplanten Anlage und deren günstigste Ausrichtung: Raum und Zeit sind untrennbar verbunden. Das Streben nach einem Gleichgewicht der Energien, woraus Harmonie erwächst, verdeutlicht sich im Layout einer typischen axialen Anlage: räumliche Harmonie wird erreicht durch die Symmetrie sich entsprechender, einander gegenüber liegende Gebäude, zeitlicher Ablauf durch Bewegung entlang der zentralen Achse.

Um das äußerst komplexe Regelsystem, die vielfältigen Überschneidungen heterogener Elemente des feng shui zu beherrschen, bedurfte es eines langen, intensiven Studiums. Ein unverzichtbares Hilfsmittel bei der Beurteilung eines Baugrundes war ein Kompass (lou pan), auf dem in mehreren Ringen die Symbole der wichtigsten Einflussfaktoren angeordnet waren . Sie betrafen Himmels- und Erdzonen, die Elemente, Jahreszeiten, den Mond- und Sternenkreislauf, die Zyklen der Symboltiere u. a. m. Bewegliche Scheiben ergaben die Konstellationen und ließen auf ihre Interaktion schließen.

Zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Auslegung des Bauplans gehörte, neben der vorwiegenden Windrichtung und dem Verlauf von Bächen und Flüssen, die Lage in Bezug zu einem Berg oder Hügel. Er sollte Schutz bieten, wozu ein Südhang gewöhnlich die günstigste Bedingung bot. Die Eignung eines Bauplatzes konnte verbessert werden durch Eingriffe in die Landschaft. Um Wasserläufe, „Adern der Erde“ (di mai) nicht zu durchschneiden, wurden sie verlegt. Künstliche Hügel konnten errichtet, Felsen versetzt, Baumgruppen gepflanzt werden. Die Orientierung nach Süden mit einem Berg im Rücken und einen Wasserlauf zu Füßen galt als glückhafteste Lage. Fehlte etwa ein Berg im Norden einer großen Ansiedlung oder drohte ein Fluss die positiven Wirkkräfte der Gegend mit sich hinwegzuführen, errichtete man eine Pagode, deren Ausstrahlung die guten Energien der Umgebung festhielt und bewahrte. Ihre Heiligkeit und magische Kraft verhieß Schutz vor Überschwemmungen, Erdbeben, Feuersbrünsten und anderen Katastrophen. Auf diese Weise verbreiteten Pagoden nicht nur Segen, sondern sie bildeten auch Landmarken von hohem ästhetischem Reiz siehe auch siehe auch.

Die Lehre des feng shui bewirkte die harmonische Eingliederung der menschlichen Bauschöpfungen in ihr landschaftliches Umfeld und wies dem Menschen den ihm zukommenden Ort in der hierarchischen Ordnung der Dinge zu.

Bauvorschriften

Bereits unter den frühen Dynastien war jede Bautätigkeit einer strengen staatlichen Regulierung unterworfen. Sie diente dem Erhalt der hierarchischen Ordnung dadurch, dass die Rangordnung der Gebäude festgelegt wurde, je nach dem Stand des Bauherrn und entsprechend der Funktion des Bauwerks. Die frühen Regelwerke, die in der späteren Literatur zitiert werden, sind verloren gegangen, die ältesten erhaltenen stammen aus der Song-Zeit. Auch unter den folgenden Dynastien erschienen Richtlinien der Bauministerien, die von Beamten überwacht wurden. Im einzelnen betrafen diese Vorschriften die Größe der Gebäude, die Anzahl der Pfeilerabstände, die Geschosszahl und -höhe, die Form und Farbe der Dächer und das zu verwendende Material bis hin zu Erlaubnis oder Verbot von Konsolen und farbigem Dekor. An Staatsbauten und Tempeln waren Konsolen zugelassen. Sie zählten zu Gebäuden der „großen Form“ (da shi). Je niedriger der Stand, um so strenger die Auflagen. So waren an den Häusern von Kaufleuten, Handwerkern und Bauern weder Konsolen noch Bemalung zugelassen. Sie zählten zu den Gebäuden der „kleinen Form“ (xiao shi) und durften drei Pfeilerabstände nicht überschreiten.

Aus solchen Beschränkungen ergab sich eine große Einheitlichkeit des Baustils, jedoch keine Uniformität. Denn aus den lokalen Bautraditionen entstand eine Vielfalt von Variationen in der praktischen Ausführung. Aus den behördlichen Festlegungen ergab sich aber auch, dass die Baumeister keine Architekten im abendländischen Sinne waren, also keine Entwerfer, sondern ausführende Bauhandwerker, die technische Probleme zu lösen hatten in Übereinstimmung mit den Vorschriften. Handelte es sich um öffentliche Bauten, war der „Entwerfer“ die Aufsicht führende Behörde bzw. der zuständige Beamte, der seine Ideen schriftlich oder in Skizzen niederlegte. Handelte es sich um einen Tempel oder ein privates Bauvorhaben, war es der Auftraggeber, der seine Vorstellungen auf diese Weise für die Bauleute festhielt.

Das älteste Fragment eines Handbuchs mit Bauanleitungen, von dem berichtet wird, ist die „Schrift über den Holzbau“ (mu jing). Sie stammt von Yu Hao, einem berühmten Baumeister der frühen Song-Zeit um 1000 n. Chr. Der älteste nahezu vollständig überlieferte Traktat über Architektur erschien 1103. Sein Autor Li Mingzhong oder Li Jie war im Amt für Öffentliche Arbeiten tätig und legte seine umfangreichen Kenntnisse nieder in den „Verfahren des Bauens“ (ying zao fa shi). Darin widmete er die einleitenden Kapitel der architektonischen Überlieferung und den technischen Begriffen, die Hauptabschnitte den Bautechniken und Baubestimmungen. Die wichtigsten Kapitel betreffen:

  • das Auslegen des Grundrisses

  • den Aushub und die Füllung von Fundamentgruben

  • den Bau von Plattformen und Mauern

  • die Steinbearbeitung, das „große Holzwerk“, d. h. das gesamte tragende Gerüst eines Holzbaus,

  • das „kleine Holzwerk“, d. h. Türen, Fenster, Decken, Stufen, das Schnitzwerk, also die Ornamente

  • das Ziegeldach und den Ofenbau

  • die farbigen Muster

  • die Verwendung von Backstein und das Brennen glasierter Ziegel.

Außerdem werden verschiedene Techniken der Bambus- bzw. der Holzbearbeitung beschrieben wie Sägen, Bohren oder Drehen.

Zuletzt wird die Entlohnung der Bauarbeiter behandelt, die nach „Tagwerken“ bemessen wurde, d. h. nach der Bewegung eines bestimmten Gewichts über eine festgelegte Strecke. Besonders aufschlussreich sind die detaillierten Illustrationen am Schluss der Abhandlung, vor allem wo sie die Balkenkonstruktion, das Konsolensystem und die Verzapfung von Einzelteilen zeigen. Da anscheinend alle Platten und Drucke der Originalausgabe zerstört wurden bei der Eroberung von Kaifeng 1126 siehe auch, sind nur noch Kopien von Kopien erhalten, worauf gewisse Ungenauigkeiten der Abbildungen zurückzuführen sind. So zum Beispiel in der Darstellung der Ornamente, die offenbar jeweils dem Zeitgeschmack angepasst wurden. Spätere Handbücher und Baurichtlinien beruhen auf diesem Werk.

Die drei Zonen

Das chinesische Haus besteht aus drei Schichten, die alle technisch und funktionsbedingt sind, denen zugleich aber symbolische Bedeutung zukam als Abbild des Kosmos. Die Plattform, die das Gebäude trägt, wurde mit der Erde gleichgesetzt, das Dach mit dem Himmel und die mittlere Zone, die von Säulen und Wänden umschlossenen Räume, mit der Menschenwelt.

Die Terrasse

Um der Plattform (tai ji) eine feste Gründung zu geben, wurde die Baugrube in Schichten mit dem in der Umgebung vorgefundenen Material gefüllt, mit Stampferde aus Löss (hang tu), zerbrochenen Ziegeln, Steinen oder Lehm. Jede Schicht wurde festgestampft. Reisleim oder mit Kalk vermischte Erde dienten in Zwischenlagen als Bindemittel. Wo notwendig, wurden Pfähle als Armierung in das Fundament eingelassen. Je nach der Bedeutung des Gebäudes wurde die Plattform über das Bodenniveau angehoben, mit Ziegeln, Stein oder Marmor verkleidet und mit Treppen und Balustraden versehen. Ursprünglich aus Holz, bestanden die späteren Terrasseneinfassungen aus Ziegelsteinblöcken oder Marmor. Der praktische Zweck dieser Terrassen bestand nicht allein darin, dem Gebäude einen festen Unterbau zu geben, sondern auch um das Eindringen von Wasser zu verhindern. Dem gleichen Zweck diente eine weitere niedrige Plattform, über der sich der Bau erhob. Da das Wasser bei plötzlichen und heftigen Regengüssen oft nicht schnell genug von der Terrasse ablaufen kann, war diese zweite Stufe notwendig, um das Innere des Hauses trocken zu halten. Der Dachüberstand bot einen zusätzlichen Schutz. In die obere Plattform wurden die Plinthen und Säulenfüße (zhuchu) eingelassen, die gewöhnlich aus einem Block bestanden. Sie dienten dem Schutz der Holzsäulen vor stehender Nässe und verliehen ihnen größere Standfestigkeit. Die Säulenbasen bestanden aus Stein oder Marmor, seltener aus Bronze. Sie waren ringsum abgerundet, um allenfalls eindringendes Wasser abzuleiten. Bei hochrangigen Gebäuden wurden sie mit Reliefs geschmückt .

Die Säule

Das konstitutive Element der Mittelzone des Hauses war die Säule (zhu). Anzahl und Abstände der Säulen bestimmten die Größe des Bauwerks, wobei die Säulenhöhe ungefähr dem Säulenzwischenraum entsprach. Von Säule zu Säule eingezogene Wände unterteilen den Innenraum und trennen vom Außenraum. Das heißt: das chinesische Haus besteht nicht aus einer Flucht aneinander gefügter Räume, sondern von seiner Anlage her aus einem einheitlichen Raum, der nach Bedarf aufgeteilt wird. Die für die chinesische Bauweise so charakteristische Wiederholung einzelner Elemente zeigt sich in der Vervielfältigung der Grundstruktur des Bauwerks, die, unabhängig von der Aufteilung in Nutzräume, sich zu einer in sich geschlossenen Raumeinheit zusammenfügt.

Raumgliederung

Diese Grundstruktur ist in ihrer ursprünglichen Bedeutung ein von vier Säulen umstellter Raum, der „Zwischenraum“ (jian) genannt wird. Der Begriff wird aber auch im Sinne von „Joch“ in der europäischen Architektur gebraucht, also dem Abstand von Säulenachse zu Säulenachse. Der Zwischenraum kann größer oder kleiner sein, je nach Höhe der Säulen. Entscheidend für die relative Größe eines Gebäudes ist die Anzahl der jian. So wie um den zentralen Hof die Gebäude einer Wohnanlage angeordnet sind, bildet ein jian im Zentrum des Hauses den Ausgangspunkt der Säulenzwischenräume, die zu beiden Seiten angefügt werden. Es ist der „lichte Zwischenraum“ (ming jian). Bei bedeutenden Gebäuden oder solchen, bei denen die Mittelachse hervorgehoben werden soll, ist er breiter als die seitlichen jian. Sie werden „nächste Zwischenräume“ (ci jian) genannt und die äußeren, die am schmalsten sind, „Endzwischenräume“ (shao jian). Die Zahl der jian ist an jeder Seite gleich, sodass sie zusammen mit dem mittleren immer einer ungeraden, also einer Yang-Zahl entspricht. Auf diese Weise bleibt stets ein Grundgesetz der Harmonie gewahrt, die Symmetrie. Allerdings können die seitlichen jian nicht beliebig vermehrt werden. In der klassischen chinesischen Architektur wurde die Gesamtzahl von 11 jian nie überschritten.

Größere Hallen benötigen mehrere Säulenreihen in der Tiefe, wenn diese nicht von einem einzigen horizontalen Trägerbalken überbrückt werden kann . Die Säulenreihen bilden gewöhnlich ebenfalls eine ungerade Zahl von Jochen in der Tiefe. Dabei können zwei Säulenreihen in der gesamten Breite des Gebäudes weiter auseinander stehen oder es kann eine Reihe fehlen, wodurch, ähnlich wie im abendländischen Kirchenbau, ein breites Querschiff entsteht, welches das vom ming jian gebildete Mittelschiff kreuzt. Besitzt die Halle eine Säulenveranda, werden die Säulen der ersten Reihe, die unter dem Dachüberhang steht, Traufsäulen (yan zhu) genannt, die Säulen, zwischen denen die Wände eingezogen sind, „Goldsäulen“ (jin zhu), die in der Hallenmitte oder unter dem Firstbalken „Mittelsäulen“ (zhong zhu) und die unter dem Giebel „Bergsäulen“ (shan zhu).

Normalerweise wurde das Holz der gerade wachsenden Kiefer benutzt, für Palastbauten das südchinesische Hartholz Nanmu, eine Kampferbaum-Art. Die zunehmende Schwierigkeit, starke Baumstämme zu beschaffen, führte seit der Song-Zeit zu einer besonderen Technik des Säulenaufbaus. Man fügte mehrere gleich hohe Balken zusammen und gab ihnen die gewünschte Form, rund oder mehrkantig. Die Teile wurden mit Eisenringen zusammengehalten, verputzt und lackiert, sodass eine makellose, geschlossene Säulenform von beliebigem Umfang entstand. Generell wurden die Säulen seit der Tang-Zeit zunehmend schlanker. Während unter den Tang die Höhe einer Säule das Acht- oder Neunfache ihres Durchmessers betrug, änderte sich die Höhe der Säule seit der Yuan-Zeit bis zum Zehn- oder Elffachen ihres Durchmessers. Um die Wirkung eines großen Umfangs zu erreichen, wurden unter den Qing oft schlanke Pfeiler mit Holzplatten verkleidet.

Die äußeren Säulen errichtete man in einer leichten Schrägstellung nach innen, um dem Zug des schweren Daches entgegenzuwirken.

Wände, Türen und Fenster

Schon an den Miniaturhäusern aus den Han-Gräbern ist die Konstruktionsweise des chinesischen Hauses abzulesen und die sich daraus ergebenden Bauformen. Es handelt sich um einen Gerüstbau, in dem naturgemäß das Rechteckprinzip vorherrscht und dessen Statik unabhängig ist von stützendem Mauerwerk. Infolgedessen können Wände aus verschiedenen Materialien in das tragende Pfeiler- und Balkensystem eingefügt werden, was eine größere Flexibilität der Raumaufteilung ermöglicht. Die Außenwände können zum Teil aus Backstein bestehen - vielfach an den Giebelseiten - aus Stampflöss, Bambus oder Weidengeflecht mit einem Lehmüberzug oder aus Holztafeln.

Bei anspruchsvollen Gebäuden sind die Holzwände von Türen und Fenstern durchbrochen, die mit geschnitzten Ornamenten dekoriert sind. Dabei wurden die Türen stets in den mittleren Säulenzwischenraum gesetzt, bei Großbauten auch in die zu beiden Seiten anschließenden jian. In die weiter außen liegenden Säulenzwischenräume wurden die Fenster eingebaut. An den Schmalseiten gab es gewöhnlich keine Fenster und niemals Türen, es sei denn an Pavillons oder gleichseitigen Gebäuden. Fenster und Türen unterscheiden sich nur darin, dass die Türen bis zum Boden reichen, die Fenster bis zu einer niedrigen Brüstung. Meist sind sie in vier gleich breite Flügel aufgeteilt, in eine zweiflügelige Mitteltür, bzw. ein Mittelfenster und zwei einflügelige Seitentüren oder Seitenfenster. Wenn in die äußersten jian, die schmalen „Endzwischenräume“ Fenster eingesetzt wurden, sind sie zweiflügelig. Die Fensterrahmen sind vollständig mit einem Holzgitterwerk ausgefüllt, hinter das Reispapier geklebt wurde. Auch die Türen sind im oberen Teil etwa zu einem Drittel mit Gitterwerk versehen. Es reicht hinab bis zur Brüstungshöhe der Fenster. Der untere Teil besteht aus ornamentierten Paneelen. Liegt der Horizontalbalken oberhalb der Türen und Fenster zu hoch, sodass die Proportionen von Fenstern und Türen zu schmal ausfallen würden, reichten sie bis zu dem Balken hinauf, wurde ein ornamentiertes Zwischenbrett eingefügt oder ein Oberlicht, das dann aus drei horizontalen Gitterfenstern bestand.

Die Gittermuster sind äußerst vielgestaltig und phantasiereich. Sie beruhen hauptsächlich auf geometrischen Grundfiguren, zwischen denen zuweilen auch pflanzliche Motive erscheinen. Fensterbrüstungen und Türfüllungen sind mit ebenso variantenreichem Dekor überzogen, wobei sich die Muster von Brüstungen und Türpaneelen vom Gitterwerk unterscheiden. Auch ihre farbige Fassung, in der bei Palästen Gold vorherrscht, setzt sich ab vom ungebrochenen Zinnoberrot der Gitterzone, des Rahmenwerks und der Säulen und korrespondiert mit der Bemalung des Balkenwerks und der Konsolen unter dem Traufdach.

Decken

Wo im Inneren des Gebäudes die Dachkonstruktion verhüllt werden sollte, wurden bereits in der Tang-Zeit Holzdecken eingezogen, hohe in der zentralen Halle, niedrigere in Vorhallen oder seitlichen Räumen . Sie waren in bedeutenden Gebäuden vollständig mit Schnitzwerk überzogen und bemalt. Am verbreitetsten war die Kassettendecke. Oft wurde die Mitte des Raumes von einem komplizierten geometrischen Muster beherrscht, das schichtweise durch eine Öffnung in der Decke zu einer Laterne anstieg siehe auch, deren Mitte in Palastbauten von einem Drachenrelief besetzt war. Der kleinteilige Feinschmuck des Deckenspiegels stellte Wasserpflanzen dar, vorzugsweise Lotos, daher seine Bezeichnung „Wasserpflanzen-Brunnen“ (zao jing), ein Motiv, dem man magische Wirkung zuschrieb und das schon in der Frühzeit in Holzgebäuden angebracht wurde zur Abwehr von Feuersbrünsten.

Das Baumaterial

Das naturgegebene und einst reichlich vorhandene Konstruktionsmaterial, das allerdings im Laufe der Jahrhunderte knapper wurde, war Holz und blieb es bis in die Neuzeit. Vereinfachend lässt sich sagen, dass der Holzgerüstbau die „eigentliche“ Architektur Chinas darstellt. Stein und Ziegel wurden für bestimmte Bauaufgaben eingesetzt, im allgemeinen aber nur, wenn gewisse Notwendigkeiten dies erforderten, wie z. B. der Festungsbau. Zu welchen Leistungen die chinesischen Baumeister auch auf dem Gebiet des Massivbaus fähig waren, zeigen nicht zuletzt die Stein- und Ziegelpagoden. Immer aber blieben die Strukturen des Holzbaus erkennbar, denn auch die frühen Pagoden waren Holzbauten.

Die im Vergleich mit dem Stein relative Kurzlebigkeit des Holzes und die größere Brandgefahr spielten im chinesischen Denken eine untergeordnete Rolle: man baute im Bereich der Lebenden nicht für die Ewigkeit. Dagegen überwogen die praktischen Vorteile. Holz war verhältnismäßig billig und einfach zu beschaffen. Es hat weniger Gewicht als Steine oder Ziegel und ist daher leichter zu handhaben und zu transportieren. Seine Tragfähigkeit ermöglicht den Hausbau mit geringerem Aufwand als Steine oder Ziegel, insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden. Auch sind Holzkonstruktionen nach Zerstörungen schneller wieder aufzubauen. Holz ist widerstandsfähig in allen Klimazonen. Wegen ihrer größeren Elastizität sind Holzgebäude erdbebensicherer als Massivbauten. Nichttragende Holzwände sind beweglich im Gegensatz zu festen Mauern. Die Verarbeitung von Holz ist einfacher als die von Steinen. Fertigteile können normiert werden, was eine Serienherstellung von Bauteilen ermöglicht und somit schnelleres und rationelleres Bauen.

Holz als lebenserhaltender Stoff wurde nicht allein seiner Brennbarkeit wegen, sondern auch als fundamentales Baumaterial im chinesischen Denken geradezu verinnerlicht. Im traditionellen Weltbild erfuhr es die Erhöhung zu einem der fünf Elemente (wu xing) neben Feuer, Erde, Metall und Wasser.

Das konkave Dach und der Dachstuhl

Die auffallendste Erscheinung des chinesischen Hauses ist das Dach. Seiner Konstruktion galt die größte Aufmerksamkeit der Baumeister, denn die Gestalt des Daches hatte Rang und Bedeutung des Bauwerks auszudrücken und entschied auch über die Wirkung des Innenraums. Der chinesische Dachstuhl wurde so zum kompliziertesten und kunstvollsten Gebilde der Holzarchitektur entwickelt, dessen Komplexität nur noch in der Baukunst Koreas und Japans Nachfolge fand.

Der Dachstuhl beginnt unmittelbar über den Säulen mit den Rahmenbalken, den Hauptlängsbalken (e fang), die an der Vorder- und der Hinterfront des Hauses verlaufen und den Querbalken (Iiang), die an den kurzen Giebelseiten angebracht sind. Bei Großbauten werden diese Balken verdoppelt, sodass ein zweiter Längsbalken (heng fang) unter dem Dach, entlangführt. Der untere Längsbalken liegt nicht auf dem Säulenkopf, sondern durchstößt ihn und tritt auf der anderen Seite hervor. Drüber liegt der Querbalken auf dem Säulenkopf. Sind es zwei Querbalken, durchstößt der untere ebenfalls den Säulenkopf mit einem Zapfen.

Die Konstruktion der Giebelseiten eröffnete den chinesischen Baumeistern ganz andere Möglichkeiten im Aufbau beispielsweise eines Satteldachs, als der in Europa übliche, starre Dreiecksverband, bei dem das Gewicht von Pfetten, Sparren und Dachdeckung auf den Schrägbalken ruht, während der untere Querbalken nur zur Aussteifung des Dreiecks dient. Im chinesischen Rechteckverband des Giebels, der das Säulen- und Balkensystem der Halle wiederholt, trägt der untere, einfache oder doppelte Querbalken einen Großteil der Dachlast. Auf ihm lagern an den äußeren Enden die beiden unteren Pfetten, die wie alle längsführenden Balken mit der gegenüber liegenden Giebelkonstruktion verbunden sind. Gewöhnlich sind die Pfetten (heng oder lin) durch einen darunter angebrachten Balken verstärkt, der dann in den Querbalken eingelassen ist. Auf dem unteren Querbalken sitzen auch zwei niedrige Stuhlsäulen (gua zhu oder tuo dun), die einen weiteren kürzeren Querbalken tragen, an dessen Enden wiederum zwei Pfetten in eine Vertiefung eingepasst sind, und zwar genau über den Stuhlsäulen. Von Stufe zu Stufe rücken diese Stützen enger zusammen und tragen kürzere Balken mit Pfetten an beiden Enden. Je nach Größe des Gebäudes und der geplanten Dachfläche können auf diese Weise bis zu vier Querbalken übereinander gestaffelt werden. Der oberste Balken trägt eine letzte Stuhlsäule in der Mitte, auf welcher der Firstbalken aufliegt, oft durch weitere Balkenunterzüge verstärkt. Dieses System erlaubt es, der Dachfläche eine beliebige Krümmung zu geben .

Die Besonderheit des chinesischen Daches ist sein konkaver Schwung. Er wird durch die Lagerung der Pfetten bestimmt, welche wiederum vom Maß der Querbalken abhängt. Deren Länge nimmt nicht gleichmäßig ab, wodurch ihre Enden eine gerade Diagonale bilden würden, sondern ihr Rücksprung wird von Stufe zu Stufe geringer, sodass ihre Endpunkte eine konkave Kurve beschreiben. Zudem ist die oberste Stuhlsäule höher als die übrigen, wodurch der Firstbalken weiter angehoben wird. Die Dachsparren (chuan) verlaufen also nicht in gerader Linie vom First bis zur Traufe, sondern in kurzen Stücken von Pfette zu Pfette, wobei eine mehrfach gebrochene, einwärts gebogene Krümmung entsteht. Über den Enden der Sparren unterhalb des Traufdachs ist eine zweite Sparrenlage von kurzen Aufschieblingen angebracht, die „fliegenden Sparren“ (fei chuan). Dadurch wird das äußere Traufenende weiter angehoben und das Dach gewinnt einen letzten Aufwärtsschwung.

Über die Entstehung dieser einzigartigen Dachform, die außerhalb Ostasiens vorkommen mag, jedoch niemals stilbildend wurde, gibt es eine Vielzahl von Theorien. Sieht man von weltanschaulichen oder rein ästhetischen Erklärungsversuchen ab, wie „Ausdruck der Lebensbewegung“, Naturnachahmungen oder die Ableitung von der Kurvatur der chinesischen Kalligraphie, so gibt es auch Überlegungen, die sich mit der eigentlichen Funktion des Daches auseinandersetzen - nämlich Schutz vor der Witterung zu bieten - und den damit verbundenen technischen Problemen. So wurde vermutet, dass ursprünglich das Gewicht von Dachziegeln die Dachsparren einsacken ließ oder dass leichte Bambusdächer mit Steinen oder Balken beschwert wurden, um das Abdecken durch Sturmböen zu verhindern. Und natürlich kann auch Schneelast leichte Dächer zum Einsinken bringen. Danach sei die Unterkonstruktion so angelegt worden, dass diese Einwärtskrümmung gewahrt blieb. Warum aber sollte die Krümmung erhalten bleiben? Mit einer entsprechend kräftigen Unterkonstruktion konnte man die Dachfläche vor einem Einsacken bewahren und jeden beliebigen Neigungswinkel wählen.

Die Dächer der Han-Modelle zeigen keine Vertiefung der Dachfläche trotz ihrer Ziegeldeckung. Allenfalls die dekorativen Wülste der Dachkanten und der Firste zeigen eine Aufwärtskrümmung. Nach einer verbreiteten Auffassung tauchen konkav gebogene Dächer erst zur Tang-Zeit auf. Dass diese Dachform bereits früher bekannt war, zeigen die beiden Grabplatten mit der Darstellung eines Ehrentors im Museum für Ostasiatische Kunst, Köln, die aus dem 6. Jh. stammen und zweifelsfrei die Dachkrümmung aufweisen siehe auch. Da es sich dabei um ein Werk handelt, dass unter der „Barbarendynastie“ der Nord-Qi entstand, liegt die Vermutung nahe, dass es auf ältere chinesische Vorbilder zurückgeht. Man darf also annehmen, dass die Entwicklung des konkaven Daches in die drei Jahrhunderte nach dem Ende der östlichen Han-Dynastie fällt (220 n. Chr.). Es ist unwahrscheinlich, dass die Bautechnik der Han-Zeit in der Nach-Han-Ära in Vergessenheit geraten sein soll und die Baumeister auf eine Leichtbauweise mit Stroh- oder Bambusdeckung zurückgegriffen haben, die für die Shang- und Zhou-Zeit anzunehmen ist und die leichter einsacken konnte als die Dachkonstruktion der Han. Obwohl eine Tradition der Bambusdeckung in bestimmten Regionen Südchinas belegt ist, gibt es keine Hinweise auf ihre Anwendung im restlichen China während des fraglichen Zeitraums.

Wie also könnte es zur Ausbildung des konkaven Dachs gekommen sein? Die klimatischen Bedingungen des Landes erfordern Dächer, die dem Gebäude Schutz vor Regen, Schnee oder starker Sonneneinstrahlung bieten. Dies wurde bereits in der Han-Architektur durch den Überstand der Traufen angestrebt. Wegen des flachen Neigungswinkels der Han-Dächer konnten Schnee, Schmelz- und Regenwasser nicht schnell genug abfließen, weshalb die Baumeister nach besseren Lösungen suchten. Die allgemeine Erfahrung mit Wasser lehrt, je steiler das Gefälle, um so schneller der Wasserabfluss. Diese praktische Erfahrung mochte sich Schritt für Schritt gegen überlieferte Baugewohnheiten durchgesetzt haben. Allmählich erhöhte man Giebel und First. Der flache Neigungswinkel der Traufe dagegen musste beibehalten werden, um nicht Fenster und Türen zu überdecken. Ein Steildach jedoch, das unvermittelt auf eine solche Traufe stößt, würde den Wasserabfluss hemmen, eine sanfte Kurve, die Dachfläche und Traufe verbindet, ihn fördern. Dies schließt nicht aus, dass auch die Erfahrung mit eingesunkenen Dächern die praktischen Vorteile des Konkavdaches den Bauleuten deutlich gemacht hat. Die konstruktiven Mittel dazu waren schon den Han bekannt, denn auch sie benutzten das Rechtecksystem aus übereinander gesetzten, von Stuhlsäulen gestützten Querbalken für den Aufbau der Giebel. Die funktionsbedingte Biegung des Daches wurde dem Formempfinden der Erbauer gemäß verfeinert, mehr und mehr ästhetisiert und zu einer künstlerischen Höchstform gesteigert.

Die imposante Wirkung, die scheinbare Leichtigkeit auch der größten dieser Dächer ist nicht denkbar ohne ein früh entwickeltes Stützsystem, das die weit ausschwingenden Traufen erst ermöglichte und das im Laufe der Jahrhunderte zum komplexesten und variantenreichsten Element der Holzarchitektur entwickelt wurde: das Konsolensystem.

Die Konsolen

Das System zeigt sich an höherrangigen Han-Modellen bereits rudimentär entwickelt, vermutlich in Fortsetzung einer älteren Tradition. Um die über die Wandzone vorspringenden Traufdächer abzustützen, hätte man Pfeiler daruntersetzen können. Man ging jedoch von der Überlegung - oder Erfahrung - aus, dass solche Pfeiler der Witterung ausgesetzt waren und, wenn sie aus Holz bestanden, schneller verrotten würden, als der Rest des Baus. Die oberen Dächer mehrgeschossiger Häuser oder Türme waren außerdem zu hoch für solche Pfosten. Um die Traufen abzufangen, musste eine Methode gefunden werden, bei welcher die stützenden Bauglieder selbst vom Dach geschützt wurden.

In das Skelett aus vertikalen Pfeilern (zhu) und horizontalen Tragbalken (hua) fügten die Han unterhalb des Daches waagrechte Balken ein, die über die Wandzone hinausragten, „vorspringende Querbalken“ (tiao liang), die rechtwinklig aus der Wand vorstehen oder diagonal an den Gebäudeecken. Am äußeren Ende dieser Balken sitzt ein Block (dou), der einen kurzen Querarm trägt (gong), an dessen aufwärts gebogenen Enden kleinere Blöcke eingezapft sind, meistens auch einer in der Mitte. Die drei Tragklötze stützen die überhängenden Traufe. In dieser Frühform zeigt sich das Grundprinzip des Konsolensystems „Scheffel“ oder „Block“ und „Arm“ (dou gong) . Mit ihm gelang es den Han-Baumeistern, die breit verteilte Last der Traufen auf wenige Punkte abzuleiten. An manchen Turmpavillons wird der vorspringende Querbalken - oder das Traufdach unmittelbar - von einem Schrägarm gestützt, der von einem Eckpfeiler aus nach oben führt.

Bei dem am weitesten verbreiteten Typus der Rechteckhalle ruhen die Konsolen auf dem Säulenkopf, wodurch die Säule ein Kapitell erhält, ähnlich der abendländischen Säule, jedoch in Form und Wirkungsweise verschieden . Zur Ming Zeit, als die Konsole weitgehend ihre tragende Funktion verlor siehe auch, wurden flügelförmige Konsolen eingeführt, die im Winkel zwischen Säule und Längsbalken angebracht wurden, sogenannte „Eckenersetzer“ (jiao ti). Sie dienten weniger der Lastenableitung, als der Aussteifung des Gerüsts. Diese Flügelkapitelle bestimmten das Bild der äußeren Säulenreihen von Palastbauten der Ming und der Qing-Dynastie.

Um das Gewicht des Daches auch zwischen den Säulen auf den Architravbalken abzuleiten, wurden Tragelemente in Form eines umgekehrten V zwischen dem oberen und dem unteren Längsbalken eingezogen . Sie ähneln höckerartigen Stützelementen des Dachstuhls und werden „Kamelhöcker“ (tuo feng) genannt werden. Sie haben die gleiche Funktion haben wie die niedrigen Stuhlsäulen. Diese Entlastungsdreiecke finden sich auf Darstellungen der Nord-Wei (4.-6 Jh.) bis in die Tang-Zeit. Wie die Konsolen sind sie zugleich auf dekorative Wirkung hin angelegt. An ihre Stelle traten in der Tang-Architektur allmählich ebenfalls Konsolen, die stufenweise so weit anstiegen und vorkragten, dass sie auch Längsbalken stützten, die außerhalb der Wandzone unter der Traufe entlang führten.

Die Grundeinheit des Konsolensystems - Basisblock, aufgesattelter Querarm mit Tragklötzen - gleicht einem zwei- oder dreiarmigen Leuchter. Bei den Han-Bauten befanden sich die Konsolen meist noch in einer Ebene mit der Wand. Nur unter den vorkragenden Dächern und Balkonen ruhten sie auf einem vorspringenden Balken außerhalb der Wandzone und zwar parallel mit ihr. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das System vervielfältigt. Anstelle des Mittelblocks wurde in den unteren Konsolenarm ein weiterer Arm mit Konsolenblöcken eingelassen, der nun nicht parallel mit dem Längsbalken verlief, sondern im rechten Winkel dazu. Das heißt die Sattelhölzer kreuzten sich, sodass ein Arm des Mittelstücks nach außen, der andere nach innen ragte. Jeder Konsolenblock nahm nun wiederum einen Querarm auf, dessen Blockaufsätze weitere Konsolenarme trugen. Auf diese Weise entstanden ganze Konsolenbündel, deren Arme rechtwinklig ausgreifen und die nach allen Seiten anwachsen gleich dem Astwerk eines Baumes . Die Ausdehnung und Anzahl ihrer Stufen spiegelte den Rang des Gebäudes. Ihr Anstieg konnte fünf Stufen erreichen. Die absoluten Maße der Systeme verringerten sich mehr und mehr, ebenso ihr Verhältnis zur Säule. Während der Tang-Zeit konnte eine Konsolengruppe annähernd die Hälfte der Säulenhöhe messen, zur Qing-Zeit etwa ein Achtel.

Die Breite der Einkerbung zur Aufnahme des Konsolenarms im Konsolenblock, die „Blocköffnung“ (dou kou) war die Maßeinheit für alle übrigen Bauteile. Vom Amt für öffentliche Arbeiten wurde die Breite des dou kou festgelegt jeweils nach Größe und Bedeutung des Gebäudes. Die vorgeschriebenen Maße unterlagen im Laufe der Zeit Veränderungen.

Außer dem maßbestimmenden Einschnitt in den Konsolenblock entwickelten die Zimmerleute ein ausgeklügeltes System von Verzapfungen, wobei die Verbindungsstücke in passgerechte Öffnungen eingelassen wurden . Dieses System blieb in seiner Komplexität einzigartig und unerreicht. Die Normierung ermöglichte die Herstellung von Fertigteilen, was die komplizierte Konstruktion und den Zusammenbau aller Bauglieder erleichterte. So konnte beispielsweise die „Halle der Erntegebete“ (Qi nian dian) im Himmelstempel von Peking ohne Verwendung eines einzigen Nagels erbaut werden.

Der Schrägarm

Die Hauptaufgabe der Konsolen war die Stützung der Dachpfetten innerhalb des Gebäudes und außerhalb der Wandzone. Eine Erfindung, die etwa seit dem 3. Jh. Eingang in die Baupraxis fand, ermöglichte es, die äußere Traufenpfette noch weiter anzuheben und auskragen zu lassen: der „Schrägarm“ (ang) . Diese Besonderheit des chinesischen Konstruktionsverfahrens, das seinen Höhepunkt zur Song-Zeit erreichte, beruht auf der Hebelwirkung. Auf dem Konsolenkapitell einer Säule der Wandzone wird ein schräger, parallel zur Dachneigung verlaufender Balken so angebracht, dass er im Inneren vermittels eines Zwischengliedes eine Dachpfette stützt und außen die Traufenpfette. Unter diesem Schrägarm verläuft in gleicher Richtung ein zweiter, kürzerer Hebelarm, der den oberen Balken am Traufenende durch ein zwischengeschaltetes Stützholz trägt. In manchen Systemen fängt er zugleich mit Hilfe übereinander gestaffelter Konsolen die Last eines äußeren Längsbalkens ab. Innen treffen beide Hebelarme an ihren oberen Enden zusammen und stützen so gemeinsam die darüber verlaufende Dachpfette. Auf diese Weise halten sie die innere und die äußere Dachlast in Balance. Die Enden der beiden Schrägarme ragen unter dem Traufdach schnabelförmig aus den ausfächernden Konsolenarmen hervor.

Konsolensystem und Schrägarme wurden von der Tang- bis zur Yuan-Periode nicht nur zu einem äußerst wirkungsvollen Konstruktionsverfahren entwickelt, sondern auch zu einem wesentlichen Gestaltungselement der Architektur im Innen- und Außenbereich. Ihre ästhetische Wirkung stimmte völlig überein mit ihrer funktionalen Notwendigkeit.

Während der Yuan-Zeit begann sich dies zu ändern durch schrittweise Neuerungen. Man begann die äußeren Säulen näher an die Dachkante zu rücken, wodurch das Konsolensystem mehr und mehr entlastet wurde. Der untere Schrägarm verlor seine Stützfunktion und wurde durch einen falschen ang ersetzt, wohl um das traditionelle Erscheinungsbild der Konsolengruppe zu wahren. Durch weitere Veränderungen unter den Ming und den Qing wurden die Hebelarme und das gesamte Konsolensystem als tragende Elemente überflüssig. Die äußere Säulenreihe wurde nun generell etwa unter die Mitte des Vordachs verlegt, sodass sie dessen Gewicht abfangen konnte. Es blieb jedoch immer noch genügend Traufenüberhang bestehen, um die Säulen vor zu viel Nässe zu schützen und zugleich den erwünschten Schwung des Traufdachs zu erhalten. Von nun an dienten Konsolen und Schrägarme weitgehend nur noch als Verzierung. Verkleinert und vervielfacht verkümmerten sie dicht aneinander gerückt zu dekorativen Konsolengesimsen, aus denen Reihen von schnabelspitzen Hölzern hervorstechen. Oftmals verschwinden sie unter den ausladenden Traufdächern, sodass sie kaum noch sichtbar sind. Unter den Qing wurden diese Konsolenfriese bei besonderer Prachtentfaltung mit Dekorbrettern verhängt. Auch im Halleninneren wurden die aufgereihten Konsolen in überreichem Maße als dekorative Elemente genutzt, besonders in den Staatsbauten der Spätzeit.

Die Dachdeckung

Die Dächer der Han-Modelle zeigen noch nicht den charakteristischen Schwung späterer Dachformen. Lediglich in dem aufgebogenen Dekor an den Enden der Firste und Dachecken deutet er sich an. Das Gefälle der Dachflächen ist gering. Sie sind mit Flachziegeln gedeckt, über deren Stoß halbzylindrische Ziegel konvex verlegt sind, wodurch Rinnen entstehen, die vom First bis zu den Traufen reichen und das Regenwasser gut abfließen lassen. Diese Art der Dachdeckung mit Flachziegeln macht die Herkunft von einer Bambusdeckung unwahrscheinlich. Bei dieser Methode wird das Bambusrohr der Länge nach aufgespalten und danach die untere Hälfte konkav, die obere Hälfte konvex verlegt, wobei sie die Fugen der unteren Lage überdeckt. Dieses Verfahren kam bei der Ziegeldeckung erst später in Gebrauch und zwar mit halbierten „Röhrenziegeln“ (tong wa) und nur bei der Palast- und Tempelarchitektur . Sie entspricht der abendländischen „Mönch und Nonne“ Deckung. Eine Bambusdeckung der einfachen Hütte wäre vermutlich im Ziegeldach des gemeinen Hauses erhalten geblieben. Dies ist jedoch nicht der Fall: die Häuser der Bevölkerung wurden mit „Brettziegeln“ (ban wa) gedeckt, die nur leicht gekrümmt sind.

Nach den staatlichen Bestimmungen durften solche gewöhnlichen Häuser nur mit schwach gebrannten, grauen Ziegeln gedeckt werden, die Paläste kaiserlicher Prinzen und gewisse Gedächtnistempel mit hart gebrannten, grün glasierten Ziegeln, der Himmelstempel mit blauen, die kaiserlichen Paläste und Tempel mit gelben.

Die Verlegung der Ziegel erfolgte nicht wie im Westen unmittelbar auf Dachlatten, die auf die Sparren genagelt waren. Bretterlagen über den Sparren wurden mir Mörtel oder Lehm überzogen und die Ziegel in die feuchte Masse eingedrückt. Dies verlieh den Dächern eine besondere Dichte und erschwerte das Abdecken bei Stürmen. Vor allem aber verdankt das konkave Dach diesem Verfahren seine stufenlose, schwingende Kurvatur: die stumpfen Winkel, welche die Sparren zueinander bilden, wo sie über den Pfetten aneinander stoßen, werden zu einem kontinuierlichen Bogen verschliffen.

Dachschmuck

Bereits vor der Han-Zeit, und später vermehrt, wurden bei hochrangigen Gebäuden an den Traufenden der halbzylindrischen Ziegel runde oder halbrunde Schmuckscheiben (wa dang) angebracht, in die geometrische sowie Pflanzen- und Tiermuster eingedrückt waren . Diese Motive waren nicht nur Schmuck, sondern galten als glückbringend oder sie dienten der magischen Abwehr bedrohlicher Kräfte. Die untere, konkav verlegte Ziegelreihe endete in mondsichelförmigen Scheiben, die unten mit einer kleinen Abtropfspitze versehen waren.

Bedeutende Gebäude hatten aufgemauerte Firste, die mit Keramikschmuck überzogen waren. Die Akroterien an den Firstenden zeigen bei den Han-Modellen pflanzliche Motive, die später zoomorphen Figuren weichen. Am weitesten verbreitet war ein Mischwesen, halb Fisch, halb Drache, das „Eulenschwanz“ (chi wei) genannt wurde, vermutlich wegen der Form des hochgestellten Schwanzes, der manchmal von Ferne an die Schwanzfedern einer Eule erinnern mag). Auf Han-Dächern waren Vogeldarstellungen nicht selten, jedoch krönten sie Turmspitzen oder die Firstmitte. Auf späteren Darstellungen, z. B. auf einem Relief des 5. Jhds. in den Höhlen von Yungang, Shaanxi, erscheinen Vögel in der Firstmitte und an den Firstenden, die durchaus als Eulen gelten können. Die chi wei, die seit der Tang- Zeit auftreten, halten die Firstenden in den aufgerissenen Rachen, um Wasserfluten zu verschlingen oder um Feuer zu löschen durch ihre Macht, Regenwolken anzuziehen .

Auch die Dachkanten wurden durch Wülste betont, bei Satteldächern die Giebelseiten, bei Walm- oder Zeltdächern die Dachgrate. Am Ende eines Grates, wo der Überhang der Traufe beginnt, sitzt ein weiterer Drache . Vor ihm sind bis zur Traufenecke mythologische Tiere aufgereiht, angeführt von einem Unsterblichen (xian ren), der auf einem Hahn reitet oder nach anderen Interpretationen auf einem Phönix . Entsprechend wird die Gruppe „Unsterblicher und Bestien“ genannt (xian ren zou shou), auch „Dachfiguren“ (kui long zi) oder „laufende Tiere“ (xiao pao). Ihre Erscheinung ist durchweg phantastisch, auch die Darstellung tatsächlich vorkommender Tierarten, weshalb sie schwer zu unterscheiden sind. Wahrscheinlich aus diesem Grund werden sie zum Teil verschieden benannt. Gemeinsam ist ihnen die apotropäische Wirkung, welche ihnen zugeschrieben wurde. Ihre Anzahl kennzeichnet den Rang des Gebäudes. Sie musste immer einer ungeraden, glückbringenden Yang-Zahl entsprechen ohne den Unsterblichen und durfte die Zahl neun nicht überschreiten. Einzig die „Halle der Höchsten Harmonie“ (Tai he dian) im Kaiserpalast von Peking trägt zehn dieser Schutztiere auf jedem ihrer Dachgrate siehe auch.

Dachformen

Die Gestalt des Daches ist das augenfälligste und wichtigste Merkmal der Stellung eines Gebäudes innerhalb eines Baukomplexes. Die höchste Form, nur für die Haupthallen auf der zentralen Achse von Tempel- und Palastanlagen zugelassen, war das Walmdach, „Dach einer Halle mit Säulenveranda“ (wu dian ding) . Mittleren Rang nahm das Fußwalmdach ein, mit dessen Bezeichnung man einen „ruhenden Berg“ (xie shan) evozierte, ein Satteldach, an dessen unteren Giebelseiten ein Walmdach vorspringt . Es deckt Tore, vordere Hallen auf Hauptachsen oder Nebengebäude bedeutender Anlagen. Den niedrigsten Rang nahmen Satteldächer ein, die wiederum in drei Kategorien unterteilt waren: in Satteldächer, bei welchen die Dachränder an den Giebelseiten überstehen, „hängender Berg“ (xuan shan) , Satteldächer, bei welchen die Dachränder am Giebel abschließen, „fester Berg“ (ying shan) und Satteldächer mit abgerundetem First, „gerollte Matte“ (juan peng) . Mit ihnen wurden Neben- und Wirtschaftsgebäude gedeckt sowie gewöhnliche Wohnhäuser. Das Dach mit Rundfirst war im Süden beliebt und in Gartenanlagen. Bestimmte Bauten mit quadratischem oder polygonalem Grundriss trugen Zeltdächer (si a shi oder si jiao zuan jian) , die mit rundem Grundriss Kegeldächer (zuan jian) . Je nach ihrer Position innerhalb des Gesamtkomplexes konnten es hochrangige oder Hauptgebäude sein wie die „Halle der Erntegebete“ im Himmelstempel oder es waren Gartenpavillons. Selten kommt das Kreuzdach vor, mit dem die Ecktürme des Kaiserpalastes in Peking gedeckt sind .

Außer dem Satteldach konnten alle Dachformen zu einem Doppeldach aufgestockt werden. Ein Doppeldach betonte die besondere Rangstufe eines Gebäudes. Genau genommen ist es ein Hauptdach, unter dem ein umlaufendes Pultdach mit eigenem Konsolensystem vorspringt über den Traufenrand des oberen Daches hinaus. Es handelt sich also um einen „doppelten Traufenvorsprung“ (chong yan) . Je größer die Dachfläche, umso großartiger ist der Eindruck eines Gebäudes. Doppeldächer ermöglichen die Gewichtsverteilung der mächtigen Dachlast durch die Verdoppelung der Konsolensysteme und steigern die imposante Wirkung des Bauwerks.

Der zweifache Traufenüberhang hat zudem eine weitere Nuancierung der Rangabstufung innerhalb der Baugruppe zur Folge. In Verbindung mit der Bedeutungsskala, die durch die Anzahl der Säulenzwischenräume (jian) festgelegt wurde, durch die Maße der Konsoleneinkerbungen (dou kou) und damit des Gebäudes, durch die Höhe und Stufen der Terrassen und die übrigen Maßvorgaben ergab sich eine Abfolge feinster Wertunterschiede, worin sich die hierarchische Gliederung der konfuzianischen Gesellschaft spiegelte.

Gesamtwirkung

Die geschwungene Dachform eines chinesischen Hallenbaus, die bei manchen Gebäuden noch unterstrichen wird durch den einwärts gebogenen First, vermittelt den Eindruck von Leichtigkeit trotz der ungeheuren Dachmasse, welche zugleich die größte Sichtfläche bietet. Zwischen Dach und Terrasse zieht sich die niedrige Säulenzone hin, die um so schmaler wirkt, je höher die Terrasse ist. Alle drei Bereiche sind horizontal gelagert, was bei Doppeldächern verstärkt zum Ausdruck kommt. Dieser Tendenz wirken vertikale Strukturen entgegen: die Treppenfluchten der Terrassen, die Pfosten der Balustraden, das Spalier der Säulen, die Rinnen der Ziegelreihen. Der Säulenabstand ist stets so gewählt, dass er der Säulenhöhe etwa entspricht, d. h. die aufsteigenden und lagernden Elemente sich die Waage halten. Vermittelnd wirken die Diagonalen seitlicher Terrassentreppen und die Schrägen der Dachkanten, welche durch die Aufwärtskrümmung an den Traufenenden einen flügelartigen Charakter annehmen. Das Spiel der horizontalen und vertikalen Kräfte wird in ein schwebendes Gleichgewicht überführt mit jenem sicheren Symmetriegefühl, das so kennzeichnend ist für die chinesische Baukunst. Zu diesem Spiel tritt die Lebhaftigkeit der Farbgebung: das Weiß der Terrassen, das Rot der Säulen und Wandflächen, die kleinteilige Vielfarbigkeit des schmalen Bereichs der Konsolen und des Traggebälks unter den Traufen, das Goldgelb der Dächer von Palastbauten, das Blau oder Grün anderer ranghoher Gebäude.

Die Kombination der Grundmuster verschiedener Bautypen und Konstruktionsmethoden ergeben die erstaunliche Vielfalt und gleichzeitige Einheitlichkeit der klassischen chinesischen Holzarchitektur.

Die Pagode

War der Holzgerüstbau in Gestalt der mehrjochigen Halle die elementarste Form der chinesischen Baukunst, so gilt die Pagode im Westen als die charakteristischste.

Ursprünglich ein altindisches Hügelgrab, das zum zentralen Verehrungsobjekt des Buddhismus wurde, durchlief der „Stupa“ genannte, in ein halbkugelförmiges Reliquienbehältnis verwandelte Hügel verschiedene Entwicklungsphasen auf indischem Boden siehe auch . Die Asche und die Gebeine des Buddha sollen in solchen Tumuli verteilt worden sein. Mit der Ausbreitung des Buddhismus in den ersten Jahrhunderten n. Chr. wurde der Stupa zunächst als Votivgabe in China bekannt, wo er ganz chinesischem Gestaltempfinden anverwandelt wurde. Das kuppelförmige, ummauerte Gebilde hatte damals bereits in Indien eine turmartige Gestalt angenommen, wobei der eigentliche Stupa den Unterbau krönte . Auf einem Wandbild des 5. oder 6. Jhds. in den Höhlen von Dunhuang, Gansu, ist eine solche „indische Pagode“ dargestellt . Noch näher verwandt mit chinesischen Bauwerken waren indische Tempeltürme, Stockwerkbauten mit quadratischem Grundriss, wenn auch mit gänzlich verschiedenen Strukturen im Detail und aus Stein errichtet .

Die chinesischen Baumeister griffen für die neue Bauaufgabe auf die eigene Tradition zurück, auf den mehrgeschossigen Holzturm aus übereinander gesetzten Pavillons (ting), wie er in den Han-Modellen überliefert ist. Diese Türme dürften die frühste Form der chinesischen Pagode darstellen. Sie wurden „Turm“ genannt (ta) siehe auch, das Wort Pagode ist nicht chinesischen Ursprungs.

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Pagoden unterscheiden, eine dritte ist die Kombination aus beiden. Die Pagode, die betretbar ist, entstammt ihrem Wesen nach dem Tempelturm, die nicht betretbare dem Stupa. Die Pagode, deren Untergeschoss zugänglich ist, deren obere Geschosse aber nicht, leitet ihre Herkunft von beiden ab. Das rituelle Umschreiten des Heiligtums im Sinne des Sonnenlaufs, die hauptsächliche Gebetsform, erfolgt bei den unzugänglichen Pagoden außen, bei den tempelartigen auch im Inneren, wo ein Mittelpfeiler gewöhnlich das Zentrum bildet. Die Pagode kann in verschiedenen Funktionen und in unterschiedlichen Formen erscheinen. Zunächst in ihrer ursprünglichen Rolle als Reliquienschrein. Jedoch musste sie nicht immer eine echte Reliquie enthalten, sondern konnte z. B. auch einen geheiligten Text bergen, etwa eine Lehrrede Buddhas, was der segenstiftenden Ausstrahlung einer Reliquie gleichgesetzt wurde. Sie konnte als Grabmonument für die Gebeine eines heiligen Mannes errichtet werden (mu ta) oder als Erinnerungsmal, das keine Reliquien enthielt. Oft paarweise standen massive Steinsäulen in Form von Pagoden vor Tempelhallen als Träger magischer Formeln (dharani) oder einer Predigt Buddhas (sutra), die darin eingemeißelt waren und die man „Sutra-Pfeiler“ nannte (jing chuang) . In Miniaturform dienten Pagoden als Reliquiare und als Votivgaben. Allmählich gewannen Pagoden eine Eigenbedeutung, die nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Buddhismus stehen musste. Sie konnten als Leucht- oder Aussichtstürme dienen, immer aber waren sie Landmarken, deren heilbringende Wirkung sich über ganze Landstriche ausdehnte siehe auch.

Von Anfang an war die Pagode eine Herausforderung an Bauherrn und Baumeister, eine gültige Gestalt für dieses allerheiligste Bauwerk zu finden. Über Jahrhunderte wurde eine Vielzahl von Pagodenformen erprobt, deren Gemeinsamkeit in ihrem Turmcharakter gewahrt blieb. Zunächst vermutlich vorwiegend als Holzgerüstbau errichtet, begann man mehr und mehr Pagoden aus weniger brennbarem Material zu bauen, um die kostbaren Reliquien besser vor Feuer zu schützen. Seit etwa dem 6. Jh. entstanden Türme aus Stampflehm oder Löss, der mit Ziegelmauerwerk umkleidet wurde. Oder man errichtete Pagoden aus Haustein (shi ta) und auch Holzkonstruktionen, die mit Ziegelmauern ausgefacht wurden. Andere Pagoden bestanden aus einem gemauerten Kernpfeiler, um den ein Holzturm angelegt wurde. Seltener und besonders kostenaufwendig, jedoch schwer zerstörbar, waren Pagoden aus Bronze (tong ta) oder aus Eisen (tie ta). Ihrer kostbaren Oberfläche wegen wurde die Glasurpagode (liu li ta) als Besonderheit angesehen . Zwar erscheint sie bereits in der Song-Epoche, erfuhr aber zur Qing-Zeit ihre größte Verbreitung und war damals als dekorativer Akzent in großen Parkanlagen beliebt. Die Verspieltheit dieser stark farbigen Gebilde prägte im Westen die Vorstellung von einer typischen chinesischen Pagode als einer „Porzellanpagode“.

Nicht so sehr jedoch das Baumaterial der Pagode, sondern die Entwicklung ihrer vielgestaltigen Erscheinungsformen, der Erfindungsreichtum innerhalb einer begrenzten Bauaufgabe war die eigentliche Leistung von Bauherrn und Baumeistern. Die Beherrschung des Materials und der verschiedenen Konstruktionsmethoden entwickelte sich zwar auch mit dem Pagodenbau, doch wurden diese Techniken und Materialien ebenso bei den traditionellen Gebäudetypen angewandt, ohne dass deren Form eine wesentliche Änderung erfuhr. Der ummauerte Reliquienhügel, selbst wenn er einen erhöhten Unterbau besaß, war chinesischen Formvorstellungen zu fremdartig, als dass er unverändert übernommen werden konnte. Entscheidend war also, eine Konzeption zu finden, welche die Inhalte und die Symbolik des indischen Bauwerks enthielt und sie mit den eigenen kosmischen Vorstellungen verband. Diesem Bedeutungsgehalt war eine Gestalt zu verleihen, die aus einer Kombination überlieferter Bauformen bestand.

Der frühe indische Stupa erhob sich auf einem kreisrunden Sockel. In den ersten Jahrhunderten n. Chr. entstanden Stupas mit quadratischer Basis. Ihre Seiten waren nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet. Vor älteren Stupas unterbrachen Tore an allen vier Kardinalpunkten die runde Umzäunung, oft bewacht von Gottheiten der Himmelsrichtungen. Und später wurde es üblich, Nischen in die Stupas einzulassen, in die man Buddhabildnisse setzte, welche in die vier Weltgegenden blickten. Darin drückte sich der Gedanke aus, dass Buddhas Heil in alle Welt ausstrahlt. Dies zeigt, welch bedeutende Rolle bereits in Indien den Himmelsrichtungen beim Bau eines Stupas zukam. Chinesische Pilger, die aus Indien zurückkehrten, schilderten solche Bauwerke und die indischen Votivstupas, die sie mit sich führten, dienten Mönchen und Bauleuten als Anschauungsmaterial.

Die Weltrichtungssymbolik musste chinesischem Denken einleuchtend erscheinen. Die quadratische Basis vieler zeitgenössischer indischer Stupas konnte schnell mit der quadratischen Erde identifiziert werden wie sie in der chinesischen Kosmologie dargestellt wurde. Der quadratische Grundriss des Turmes vom ting-Typ konnte so zum Träger einer Symbolik werden, in der indisches und chinesisches Denken zusammenflossen. Im Inneren des Stockwerkpavillons musste nur noch ein Herzpfeiler errichtet werden, an dessen Spitze Ehrenschirme angebracht wurden und unter dessen Fuß eine Reliquie bestattet war, und man hatte eine rein chinesische Bauform, die alle rituellen und symbolischen Bedingungen des neuen Glaubens erfüllte, ohne die Form des Stupas nachzuahmen. Auch im Stupa steckte ein Zentralpfeiler mit Ehrenschirmen, ein Majestätszeichen altindischer Herrscher, das auf den Buddha übertragen wurde. In der indischen Kosmologie symbolisierte dieser Pfeiler die Weltachse. In einer der altchinesischen Weltvorstellungen werden Himmel und Erde als Schirm und Wagen beschrieben, der Himmel als runder Schirm, der von einer Stange gestützt sich über der Erde dreht, welche als quadratischer, zweirädriger Karren dargestellt wird. In anderen Beschreibungen des Universums ist von einer Säule die Rede, welche Himmel und Erde trennt. Es liegt nahe, dass auch Pfeiler und Schirme des Stupas als mit den eigenen Vorstellungen identisch adaptiert wurden und man die Pagode nicht nur als Buddhasymbol, sondern zugleich als Abbild des Kosmos aufgefasst hat.

Wie die Han-Türme hatten die frühen Stockwerkpagoden wahrscheinlich umlaufende Dächer über den stufenweise zurückspringenden Geschossen. Darstellungen dieses Typs finden sich in buddhistischen Höhlen des 5. und 6. Jhds. ebenso wie experimentelle Zwischenstadien in Form eines eingeschossigen Pavillons, dessen Dach von einem Stupa gekrönt wird.

Bis ins 12. Jh. wurden noch quadratische Pagodentürme errichtet, die in der Tang-Zeit die vorwiegende Bauform darstellten. Hauptsächlich als Ziegelbauten mit Gesimsen anstelle der Dächer errichtete man sie als Stufenpagoden (ji ta), deren gleich hohe Stockwerke nach oben gleichmäßig zurücktreten, sodass der Turm einem steilen Pyramidenstumpf ähnelt siehe auch oder als Stufenpagode mit einer parabelförmigen Silhouette siehe auch .

Parallel dazu begann man mit Versuchen, sich der Rundform des Stupas anzunähern, vermutlich zunächst als Holzkonstruktion, die naturgemäß einen polygonalen Grundriss hatte. Seltener waren Sechseckpagoden während der Achtecktypus später die weiteste Verbreitung fand. Keine der frühen Holzpagoden ist erhalten geblieben. Am indischen Stupa wurden nicht nur die vier Hauptweltrichtungen betont, sondern auch die vier Zwischenrichtungen, z. B. durch die Buddha-Nischen. Die achtseitige Pagode eignete sich besonders gut, die Ausstrahlung des Buddhawesens in alle Welt zu visualisieren. Durch Hinzufügung weiterer Nebenrichtungen kam man zur zwölfseitigen Pagode, von welcher noch ein Beispiel als Ziegelbau erhalten ist siehe auch. Auch von sechzehnseitigen, annähernd runden Strukturen wird berichtet.

In der vertikalen Gliederung von Stupa und Pagode finden sich ebenfalls Übereinstimmungen, die lange vor dem Kontakt der beiden Kulturen unabhängig voneinander entwickelt wurden. Die frühen indischen Stupas trugen einen oder drei Ehrenschirme, die allmählich vervielfacht wurden, stets aber bis zu einer ungeraden Zahl, also fünf, sieben, neun usw. Auf späteren Stupas und auch auf Pagoden waren sie so dicht gefügt, dass sie zu einem Konus zusammenschmolzen. Parallel hierzu war die Geschosszahl der Pagode immer ungerade, während die Ausrichtung ihrer Seiten immer einer geraden Zahl entsprach. Auf diese Weise brachten die Erbauer in einem weiteren Sinn die Pagode mit den überlieferten Weltvorstellungen in Verbindung: mit den beiden Urprinzipien der chinesischen Kosmologie, mit yin und yang siehe auch. Während die Anzahl der Pagodenseiten mit dem yin-Prinzip verbunden ist, wirken in den Stockwerkzahlen die Kräfte des yang. Solche mystischen Zahlensysteme waren tief im chinesischen Denken verankert und entsprachen dem Bedürfnis, die Welt zu ordnen. Sie finden sich in allen bedeutenden Bauwerken Chinas, wenn nicht sogar in den anspruchslosesten Gebäuden.

Unter den Song und den Liao setzte sich mehr und mehr der Achtecktypus durch und auch er wieder mit zahlreichen Varianten und landschaftlichen Unterschieden. Er erscheint als „Ringpagode“ (die ceng ta) bei der die Kranzgesimse betont und oft verdoppelt sind . Die niedrigen Stockwerke über dem Untergeschoss sind größtenteils nicht betretbar, werden nach oben zu immer niedriger und springen von Stufe zu Stufe zurück.

Die „Stockwerkpagode“ (ceng ta) hat Geschosse gleicher Höhe, die sich nur geringfügig oder überhaupt nicht verjüngen und deren Gesimse nur wenig vorspringen, sodass ein schlanker, steil aufragender Turm entsteht . Die „Galeriepagode“ (wai lang ceng ta) besitzt in jedem Geschoss umlaufende Galerien, die von Pultdächern überdacht sind, welche über die Galerien hinausragen. Es ist ein Pagodentypus von wuchtiger Monumentalität . Die Liao und später die Yuan, Anhänger des tibetischen Buddhismus, führten eine Pagodenform ein, die seither neben der chinesischen Pagode fortbestand, jedoch im Grunde einen Fremdkörper in der einheimischen Architektur darstellte: die „Flaschen- oder Urnenpagode“. Sie gleicht einer Graburne mit ihrem Sockel, der glockenförmigen Kuppel und dem Konus der Ehrenschirme. Es ist die tibetische Form des indischen Stupas, der auf dem Umweg über Tibet nach mehr als einem Jahrtausend Eingang in China fand siehe auch .

Zu all diesen Pagodenformen tritt ihre Gestaltungsmöglichkeit im Detail: die Oberflächenbehandlung, die Anzahl, die Position und der Schnitt von Dächern, Nischen, Fenstern und Türen, von Säulen, Pilastern und Gesimsen sowie der Figuren- und Ornamentschmuck. Die Variationsbreite ihres Erscheinungsbildes, in dem sich zugleich ihre vielschichtige Symbolik ausspricht und ihre geistige Bedeutung, verleiht der Pagode ihre einzigartige Stellung unter den Schöpfungen der chinesischen Baukunst.