Malerei

Es ist schwer vorstellbar, dass eine so hochentwickelte Kultur von solch eminentem künstlerischen Ausdruckswillen die Malerei nicht als Gestaltungsmittel genutzt haben soll. Dennoch gibt es keine Beispiele, nur einige Hinweise, welche diese Vermutung stützen.

Bei Grabungen in Anyang stieß man auf ein unfertiges Keramik-Gussmodell für ein Bronzegefäß, das noch eine Vorzeichnung in roter Farbe trug, nach welcher das Oberflächenrelief herausgearbeitet werden sollte. Benutzte man aber die malerische Technik der Pinselzeichnung - und nicht etwa eine Ritzzeichnung - so konnte man ebensogut Keramiken mit den gleichen Motiven bemalen. Bei dem äußerst hohen Prestige, das die Bronze genoss, ist jedoch anzunehmen, dass ihr und der ihr adäquaten Relieftechnik ein höherer Sakralwert zugeschrieben wurde. Dabei blieben die geheiligten magischen Bilder möglicherweise nur der Bronze vorbehalten, allenfalls der seltenen reliefierten Tonware, sozusagen ersatzweise.

Dennoch schließt dies nicht aus, dass es eine solche Malerei gab, wenn auch auf anderen Materialien. Ebenfalls in Anyang, sowie in einem Grab bei Panlongcheng (Prov. Hubei), fanden sich nämlich Spuren von Bemalungen auf Holz. Sie stimmten mit dem Dekor der Bronzen überein. Deren monumentalen und zugleich filigranen Stil dürfen wir uns also auch als Malerei auf Sakralgegenständen, in Tempelhallen, Grabanlagen und Palästen vorstellen. Der hohe Abstraktionsgrad, mit welchem die Shang die Wesen ihrer Vorstellungswelt in eine geometrische Sprache bannten, muss auch in der flächigen Gestaltung von der gleichen Suggestivkraft gewesen sein, wie die Reliefs ihrer Bronzen.

Mit ihren kulturellen Leistungen legte die Shang-Dynastie ein breites Fundament für das gewaltige Gebäude der chinesischen Zivilisation.