Figurenmaler
Zhao Yan
Ein Mann von hoher Bildung, stand Zhao Yan (gest. 922) noch in der Tradition der verfeinerten Tang-Kultur und der höfischen Figurenkunst. Er erlebte den Zusammenbruch der Tang-Macht und wurde Schwiegersohn des ersten Herrschers der im Norden nachfolgenden Dynastie der späteren Liang (907-923) mit der Hauptstadt Kaifeng. Als Liebhaber und Verehrer alter Meister trug er eine riesige Zahl von Gemälden zusammen, über 5.000 Werke, und sammelte einen Freundeskreis bedeutender Künstler um sich. Die Lieblingsthemen seiner Malerei waren Mensch und Pferd.
Ausritt im Frühling
Eine Hängerolle des Palastmuseums von Taipei, Taiwan, wird ihm zugeschrieben: „Acht Edelleute beim Ausritt im Frühling“ . Die von einem erhöhten Blickpunkt aus gesehene Aufreihung der Pferde in Parallelperspektive - drei Reihen zu zwei, vier und zwei Reitern - ergibt eine scheinbar lockere Gruppierung. Die Lebendigkeit wird erhöht durch die unterschiedlichen Bewegungen der Pferde und durch die verschiedenen Haltungen der Reiter, die alle, bis auf den vordersten, sich dem Reiter in ihrer Mitte zuwenden. Er ist offenbar die wichtigste Persönlichkeit der Gruppe, hervorgehoben durch sein heftiges Agieren. Er hat Schwierigkeiten mit seinem Pferd, auf das er mit der Reitgerte eindrischt. Die geduckte Haltung des Schimmels wirkt wie die eines geprügelten Hundes. Anordnung und Bewegung der Kavalkade, das vielfache Umwenden der Reiter, wie auch die farbige Akzentuierung von Gewändern, Schabracken und Zaumzeug ähneln dem „Ausritt zur Jagd“ im Grab des Tang-Prinzen Zhanghuai aus dem Jahre 706 siehe auch. Kompositionsaufbau und Details erweisen, wie stark die Tang-Tradition hier noch wirksam ist.
Die Entwicklung, die sich innerhalb von zweihundert Jahren in der Figurenmalerei vollzogen hat, zeigt die obere Hälfte der Hängerolle. Während auf den Figurenbildern der Tang-Zeit Landschaft nur mit Hilfe einiger Bäume oder Felsen angedeutet wird wie im Zhanghuai-Grab oder bei Zhou Fang siehe auch, tritt hier nun ein vollständiges Landschaftsbild „gleichberechtigt“ und von gleichem Gewicht zu der Figurengruppe und erscheint nicht mehr nur in Form von Versatzstücken. Eine Balustrade, welche das Bild in annähernd zwei gleiche Hälften teilt, verstellt den Fernblick und erweckt dadurch den Eindruck, als befände man sich auf einem hohen Gebirgsplateau. Vor ihr erheben sich ein grotesk geformter Felsblock, wie man ihn in Ziergärten liebte, und dahinter, halb verborgen, eine Palme. In der Bildmitte, eine senkrechte Achse bildend, ein hochaufragender Baum. Der strenge horizontal-vertikale Aufbau von Brüstung und Baum bewirkt Statik und Ruhe in deutlichem Gegensatz zur wimmelnden Bewegtheit der Reiter.
Dennoch hat hier eine echte Einbindung der Figuren in die Landschaft noch nicht stattgefunden. Beide Bildteile bleiben deutlich voneinander getrennt, Überschneidungen oder gar Durchdringung sind sorgfältig vermieden. Lediglich durch optische Achsen wird eine Verbindung hergestellt: Fels, Baumstamm und der zurückspringende Winkel des Geländers weisen auf die Hauptfigur. Durch die betonte Horizontaltrennung entsteht im Vordergrund eine Bühne, auf welcher sich die Szene abspielt. Wenn hier auch vergrößert, entspricht sie genau den Raumnischen und kleinen Bühnen, wie wir sie schon in der früheren Landschaftsmalerei der Tang kennengelernt haben, z. B. in der „Reise des Kaisers Ming Huang nach Shu“ siehe auch.
Die Reiter wirken seltsam verkleinert. Ursache ist wiederum die Balustrade: sie ist übergroß gezeichnet. Dadurch versetzt sie die Reiter in eine Dimension, durch welche die Größe der sie umgebenden Natur zur Geltung kommt.
Hu Gui
Die Darstellung von Ausländern, die am Tang-Kaiserhof verkehrten, kennen wir aus dem Grab des Zhanghuai und von Yan Liben siehe auch, ebenso wie dessen Pferdeporträts vom Grabmal des Kaisers Taizong siehe auch und nicht zuletzt die Pferdebildnisse mit ihren Pflegern von Han Gan siehe auch.
Bezeichnenderweise war es ein Kitan-Mongole, der die Tradition der Malerei von Pferden und Fremdvölkern fortsetzte und damit berühmt wurde: Hu Gui. Er war tätig zwischen 923 und 935, also in der Zeit, als die Kitan im Nordosten sich anschickten, einen Staat zu bilden siehe auch.
Mongolischer Reiter
Ein Fächerbild des Museum of Fine Arts, Boston, zeigt einen mongolischen Reiter beim Absatteln seines Pferdes, das sofort die Gelegenheit wahrnimmt zu grasen . Die detailgenaue Darstellung der Haltung und des Verhaltens von Tier und Mensch zeugt von scharfer Beobachtung. Die Tonwerte sind flächig aufgetragen, die Tuschelinie ist dünn und exakt gesetzt.
Dieses Hauptmotiv ist nicht etwa in der Mitte des Rundformats platziert, sondern ganz an die Seite gerückt. Dadurch entsteht auf dem kleinen Format der Eindruck einer großen Weite des Raums, der verstärkt wird durch eine einfache, waagerechte Linie etwas unterhalb der Bildmitte: der tiefliegende Horizont einer schier endlosen Steppenlandschaft. Mit einigen Punkten und Strichen ist Gras angedeutet, mit wenigen, diffus lavierten Pinselzügen ferne Wolken. Mensch und Tier in der Einsamkeit und Größe der Natur: Räumlichkeit und Stimmung sind hier mit einem Nichts an Mitteln überzeugend vorgetragen. Gegenüber den leeren Gründen der Tang-Figurenmaler, die sich ganz auf ihre Gestalten konzentrierten, ist dies eine neue und weiter gefasste Konzeption des Figurenbildes.
Shi Ke
Im Südwesten, im Staate Shu (Sichuan), sammelten sich zahlreiche Talente, teilweise Flüchtlinge, die ehemals am Tang-Hof von Changan und anderswo tätig gewesen waren, unter ihnen der Mönch Guan Xiu siehe auch. Hier wirkte auch der für seine Eigenwilligkeit bekannte Shi Ke (tätig ca. 940-970) aus Chengdu. Nach der Reichseinigung wurde er 965 vom Song-Kaiser nach Kaifeng berufen, wo er verschiedene Tempel mit Wandbildern ausgestaltete. Eine Berufung an die Akademie lehnte er ab und kehrte in seine Heimat zurück.
Unkonventionell wie sein Verhalten wird auch seine Malweise geschildert. Mit struppigem Pinsel soll er Falten und Gewänder gemalt haben und nur Gesichter, Hände und Füße „nach der Regel“, also erkennbar.
Patriarch mit Tiger
Die Hängerolle „Patriarch mit Tiger“ im Nationalmuseum Tokyo war ehemals mit einer zweiten Patriarchenfigur zusammenmontiert: „Der Zweite Patriarch in Kontemplation“ . Trotz Signatur und einer Datierung, die dem Jahr 919 entspricht, scheint die Tuschmalerei eine Kopie des 13. Jahrhunderts zu sein mit allen Kennzeichen des freien Stils, wie ihn vorwiegend die Chan-Maler übten, insbesondere Mu Qi und Liang Kai siehe auch siehe auch.
Mit unglaublicher Sicherheit und Freiheit sind über eine helle Lavierung breite, schwarze Tuscheflecken gesetzt - von Linien kann man hier nicht mehr sprechen. Wie mit einem Besen aufgetragen, geben sie dennoch genau und treffsicher die Körperformen des Patriarchen und das Fell des Tigers wieder. Die Gesichter der beiden sind mit wenigen Tupfen und feinen Linien in ihrem Ausdruck voll erfasst. Beide geben sich dem Schlaf hin in tiefer, innerer Ruhe, der Patriarch über den Tiger gelehnt, und dieser, zusammengekauert wie eine Katze, hat die Pranken unter dem Kopf zusammengelegt, als seien es Pfötchen.
Es ist nicht nur der kalligraphische Pinselduktus, sondern gerade der Humor, der aus diesem Bild spricht, welcher die Chan-Auffassung mit der überlieferten Exzentrik Shi Kes verbindet.
Gu Hongzhong
Eine späte Blüte der alten Tang-Kultur erwuchs in Südchina am Hofe der Südlichen Tang-Dynastie (937-975) in Nanking. Hier herrschte als Letzter Li Yu (Reg. 961-975). Selbst Dichter, Maler und Sammler, zog er bedeutende Künstler an seinen Hof. So die großen Landschaftsmaler Dong Yuan und Juran, den Blumen- und Vogelmaler Xu Xi, die Figurenmaler Zhou Wenju und Gu Hongzhong (tätig ca. 943-960), welche die klassische Tang-Figurenkunst fortführten.
Gu arbeitete als Hofporträtist und erhielt vom Kaiser den Auftrag, die „Nächtlichen Vergnügungen des Han Xizai“ festzuhalten. Dieser, ein hochgebildeter Mann, den der Herrscher zu fördern wünschte, wollte sich politischen Pflichten entziehen, da er das Ende der Dynastie voraussah. Er setzte daher seinen guten Ruf aufs Spiel und begann ein anrüchiges Nachtleben zu führen, indem er Frauen von zweifelhafter Reputation in seinem Haus ungezwungen verkehren ließ.
Die nächtlichen Vergnügungen des Han
Dieser „Bildberichterstattung“ im Palastmuseum, Peking, verdanken wir eines der wenigen Meisterwerke der Genremalerei jener Epoche, die sich allerdings nur mit dem Leben der höfischen Kreise befasste . In fünf Szenen wird der Gastgeber inmitten seiner Freunde gezeigt, während sie aufmerksam musikalischen und tänzerischen Darbietungen eleganter junger Frauen zusehen und zuhören. Minutiös sind die verschiedenen Persönlichkeiten charakterisiert in Haltung und Gesichtszügen . Zumindest bei dem Hausherrn und seinen hochgestellten Freunden, wie auch bei einigen Frauen, handelt es sich offenbar um echte Porträts, wie der Personenvergleich in den verschiedenen Szenen zeigt. Einige der Gäste konnte man in der Tat identifizieren. Die meisten der Frauen entsprechen offenbar dem Idealtyp der Zeit. Es sind durchweg schlanke, grazile Erscheinungen, sehr im Unterschied zum fülligen Frauenideal der Tang-Zeit. Das Faltenspiel in ihren Gewändern zeichnet mit äußerst feinen, drahtartigen Linien die darunter liegenden, biegsamen Körper nach, ohne sie zu enthüllen. Dabei ist das Lineament der Falten dichter und komplizierter als in Gewanddarstellungen der Tang. Auch sind die Silhouetten der Figuren stärker gebrochen. Mit gleicher Prägnanz der Zeichnung ist das lebhaft bewegte Spiel der Hände bei den Musizierenden erfasst und die verschiedenen Ruhehaltungen der Hände bei den Zuhörern.
Die zarte, pastellartige Nuancierung in den duftigen, hellen Seidenstoffen liegt in der Traditionslinie von Zhang Xuan und Zhao Fang. Anders als bei diesen sind hier die Personen in natürliche, für den Handlungsablauf sinnvolle Gruppierungen zusammengefasst. Das heißt die Figuren sind nicht mehr frei gestellt, sodass sich ihre Umrisse einzeln entfalten können, sondern sie überschneiden sich zugunsten eines inhaltlich gegebenen und räumlichen Zusammenhangs.
Obwohl wir uns hier in einem Innenraum befinden, ist der Standpunkt, von dem aus der Maler die Szenen vor uns ausbreitet, erhöht als schaue er durchs Dach, sodass wir das Interieur voll überblicken können . Es ist der gleiche Blickwinkel, wie wir ihn von Darstellungen kennen, die im Freien spielen. Die Begrenzung dieses Innenraums wird jedoch nicht gezeigt, sondern es sind die Stellungen der Gegenstände und der Personen, die den Raumeindruck vermitteln. Mit Liebe zum Detail ist das Mobiliar abgebildet in wechselnder Parallelperspektive: Diwan, Stühle, zierliche Tische, gedeckt mit erlesenem Geschirr, Speisen, Weinkannen in Vorwärmschalen und Betten, deren zurückgeschlagene Vorhänge Einblick gewähren und so auf Intimität anspielen. Die Wandschirme, welche die Szenen trennen, sowie die Rückwände von Diwanen und Betten zeigen Landschaftsbilder, welche die Fähigkeit des Meisters auch in dieser Sparte andeuten.
Eine rein weltliche Malerei, welche uns mit Sorgfalt und Liebenswürdigkeit einen Einblick in das gesellschaftliche Leben eines vornehmen Haushalts gewährt in einer Zeit hoher kultureller Verfeinerung und Dekadenz.
Zhou Wenju
Der andere große Meister der Figurenkunst am Hofe von Nanking war Zhou Wenju (tätig um 970), der vor allem bekannt wurde durch Palastszenen und Hofdamen, die er gern mit Kindern darstellte.
Das Hofkonzert
Das „Hofkonzert“ im Art-Institute, Chicago, ist eine Kopie wahrscheinlich des 12. Jahrhunderts von hoher malerischer Qualität . Ihr subtiler Kompositionsaufbau geht vermutlich auf den Meister zurück, denn es scheint vorwiegend das zeichnerische Gerüst seiner Werke gewesen zu sein, was die meisten Kopisten interessierte. Diese Kopie zeigt, wie auch andere, im Gegensatz zu Gu Hongzhong, keinerlei Interesse an der Porträthaftigkeit der Personen, sie sind typisierend gezeichnet, die Gesichter wirken puppenhaft. Das Bild zeigt den mit feiner Linie arbeitenden Tang-Figurenstil innerhalb einer zarten, flächigen Farbigkeit im Sinne Zhou Fangs. Jedoch sind die Linien nicht mehr großzügig fließend, sondern die Pinselzüge sind kürzer, die Gewandfalten und Umrisse komplizierter, eckiger, unruhiger und gebrochener. Diese Kleinteiligkeit der Darstellungsweise vermittelt größere Nähe zum Gegenstand, d. h. eine größere Intimität im Vergleich mit der distanzierten Betrachtungsweise der Tang-Meister.
Vor der lebendig strukturierten Textur des Seidengrundes, entwickelt sich auf der Handrolle von rechts eine Darstellung musizierender Hofdamen. Sie setzt ein mit einem kräftigen Akzent: mit erhobenem Schlegel kniet eine zierliche Gestalt vor einer mächtigen Kesselpauke. Es folgen zwei Gruppen zu je neun Musikerinnen, die, locker arrangiert, zwei Reihen bilden, zwischen denen eine Gasse freigelassen ist. Jedes Instrument ist doppelt besetzt, auf jeder Seite einmal. Auf diese Weise entsteht ein symmetrischer Klangraum für die Zuhörer, die am Ende der durch die Gasse gebildeten Symmetrie-Achse dem Konzert lauschen. Der Pauke folgen in einer aufsteigenden Ordnung musikalischer Rangstufen Schlaginstrumente, Blasinstrumente, Klangplatten - eine Art Xylophon - und Saiteninstrumente.
Keine der Spielerinnen wird in gleicher Position gezeigt. Die hintere, obere Reihe wendet sich uns zu, die vordere, untere, ist in Rücken- oder Profilsicht gegeben. Das gesamte Orchester wird von einem leicht bewegten Rhythmus durchpulst durch eine perspektivische Verschiebung, welche die untere Reihe nach vorne rückt, das heißt etwas weiter nach links. Die bewegte Lebendigkeit wird weiter gefördert durch die Akzente der Frisuren, deren Schwärze den Bildrhythmus verfestigt, und den aufleuchtenden Rotflächen bestimmter Gewandpartien und Instrumente. Hell heben sich die zierlich drapierten Gewänder von dem zarten Türkiston der Teppiche ab. Diese Teppiche bilden das ordnende, raumgliedernde Element, das uns zugleich weiter führt.
Es folgt ein Raumintervall überspannt von einer Teppichbrücke, die ein Oval mit dem kaiserlichen Phönix trägt. Er bereitet uns vor auf die Zuhörergruppe, welche Ziel und Höhepunkt unserer Augenwanderung ist. Denn hier sitzt der Kaiser am Ende der Symmetrie-Achse, welche in genau der gleichen Weise die Palastarchitektur bestimmt, und die hier zwischen den musizierenden Hofdamen horizontal durch die gesamte Bildrolle führt. Umgeben von Prinzen, Prinzessinnen, Hofdamen und Ministern, die ebenfalls in zwei Gruppen geteilt sind entsprechend ihren Rängen „zur Linken“ oder „zur Rechten“ des Kaisers, sitzt dieser auf einem großen Diwan, aufmerksam lauschend den Musizierenden entgegenblickend. Zwar ist seine Umgebung ebenfalls in Gegenrichtung des bisherigen Kompositionsablaufs gewendet, doch herrscht innerhalb der beiden Höflingsgruppen die gleiche Lebendigkeit wie im Orchester. Sie wenden sich zum Teil einander zu oder schauen neugierig um die Ecke des Stellschirms zum Kaiser. Mit Ausnahme des Kaisers und der Kaiserin, die, als reizende Rückenstudie gegeben, auf einem Schemel sitzt, stehen alle, wodurch die Bildbewegung allmählich zur Ruhe kommt. Der den kaiserlichen Diwan umfassende Stellschirm, welcher mit blühenden Bäumen bemalt ist, schließt diese Bewegung endgültig ab. Dahinter schauen vom Bildrand angeschnittene Felsen und Baumstämme hervor: das kaiserliche Konzert findet im Freien statt. Der intime Charakter dieser Musikdarbietung verlangt nach einem abgeschlossenen Interieur, weshalb die Natur hier ausgeschlossen bleibt. (Link356 b).
Dem Künstler ist es überzeugend gelungen, die Atmosphäre des innersten Kreises einer kaiserlichen Hofhaltung zu vermitteln. Im Rückgriff auf eine Konzertdarstellung der Tang-Zeit, die den großen Musikliebhaber Kaiser Ming Huang und seine Favoritin Yang Guifei zeigte, könnte Zhou Wenju seinen Herrscher Li Yu abgebildet haben, worauf Frauentypus, Kleidung und Mobiliar des 10. Jahrhunderts hinzudeuten scheinen.
Su Hanchen
Dass ein Maler, der in seiner Weise den höfischen Tang-Figurenstil aufnahm und fortentwickelte, noch zweihundert Jahre nach Zhou Wenju wirkte, zeugt von der ungebrochenen Kraft dieser Traditionslinie. Su Hanchen (tätig ca. 1120-1167) stammte aus Kaifeng. Unter Kaiser Huizong war er an der Akademie tätig siehe auch und stieg zum höchsten Hofamt auf, das ein Künstler erreichen konnte, zum „Maler in Aufwartung“ (Dai zhao). Nach dem Sturz der Nördlichen Song und der Gründung des Süd-Song-Reiches siehe auch diente er an der Akademie von Hangzhou in der gleichen Stellung.
Dame am Toilettentisch
Neben daoistischen und buddhistischen Stoffen - auch in Form von Wandbildern in zwei buddhistischen Tempeln Hangzhous - schuf er Genre-Szenen vom Leben vornehmer Damen . Ein signiertes Fächerbild des Museums of Fine Arts, Boston, zeigt eine „Dame am Toilettentisch“, deren Dienerin ihr zuschaut in aufmerksam vorgebeugter Haltung als erwarte sie ihre Befehle. Ihre Herrin ist zu Dreivierteln in Rückenansicht zu sehen. Besonders das mit einem Perlendiadem geschmückte, sorgfältig frisierte Köpfchen ist so dargestellt, dass das Gesicht verborgen bleibt. Damit schafft sich der Maler den Anlass zu einem raffinierten Kunstgriff: er zeigt Antlitz und Frisur in Dreiviertelansicht von vorne - nun aber vergrößert - im Spiegel, der auf dem Toilettentisch vor ihr steht. Daneben sind Tabletts, Schminkkästchen, Puderdosen, Schmuckschatullen und Blumen in einer Vase sorgfältig arrangiert, alles mit liebevoller Detailtreue ausgeführt. Das gleiche gilt auch - bis hin zur feinsten Ornamentierung - von den übrigen Gegenständen: dem Schminktisch, der Sitzbank, von Stellschirm, Balustrade und Schmuckpflanzen, dem Zierfelsen und den Zweigen eines Pflaumenbaums. Er treibt erste Blüten, zweifellos ein Hinweis nicht nur auf die Jahreszeit, sondern auch auf die Unberührtheit der jungen Schönheit siehe auch. Im Gegensatz zu den kräftigeren Umrisslinien des Mobiliars sind die Gewandfalten der beiden Figuren in höchster Feinheit in helleren Sepia- bis Brauntönen ausgeführt. Die Farbwahl zeugt von einem sicheren dekorativen Geschmack. Aus dem nuancierten Spiel von Ocker und Grau springen einige kräftigere Akzente von Rot, Grün und Blau hervor, sowie einige zarte Weißhöhungen. Diese äußerste Verfeinerung, wodurch auch die Mädchenfiguren geradezu zerbrechlich wirken, verleiht der Szene ein Flair von Dekadenz.
Dies wird jedoch konterkariert durch den strengen architektonischen Aufbau der Komposition. In konsequenter Parallelperspektive führen sämtliche Fluchtlinien diagonal von rechts unten nach links oben. Die Tiefengliederung wird durchweg durch waagerechte Linien angegeben, wie z. B. die vordere und die hintere Begrenzung der Sitzbank. Auf diese Weise hat der Künstler eine klar übersichtliche Raumsituation geschaffen, worin die Gegenstände in eine ausgewogene kubische Ordnung eingebunden sind. Mit wenigen Requisiten schuf er ein Gartenambiente ohne Tiefenraum: Stellschirm und Balustrade schließen mit zweifachem Knick den Hintergrund ab und bilden so den geometrisch gegliederten Bühnenraum im Vordergrund.
Es ist das gleiche Verfahren wie es Zhao Yan siehe auch bei seinem „Ausritt im Frühling“ angewendet hat. Während dieser jedoch jede Überschneidung der raumabschließenden Balustrade vermied, hat Su Hanchen jede Gelegenheit wahrgenommen, solche Überschneidungen vorzuführen. Dadurch hat er alle Bildteile miteinander verwoben und einen einheitlichen Bildraum geschaffen, der nicht mehr auseinanderfällt wie bei Zhao Yan.
Zugleich ist die gesamte Szene näher gerückt, als in vergleichbaren Darstellungen des 10. Jahrhunderts, wie etwa beim „Hofkonzert“ des Zhou Wenju. Damit erreichte der Künstler einen hohen Grad an Intimität, ganz der Sichtweise seiner Epoche entsprechend siehe auch.
Hatte Su Hanchen schon einen Namen als Meister solcher Genreszenen, so gründete sein Ruf vielleicht noch mehr auf der Darstellung von Spielzeughändlern oder Süßigkeitsverkäufern, Figuren also, die im Leben von Kindern eine Rolle spielen. Insbesondere aber beruht sein Ruhm auf der Schilderung von Kindern selbst. Seine Einfühlung in das Verhalten von Kindern, seine Fähigkeit, nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihre Gefühle zu erfassen, da er ganz auf sie einging, wurden hochgeschätzt und trugen ihm große Beliebtheit ein.
Kinder beim Spielen mit Grillen
Ein hervorragendes Beispiel dieser Art im Palastmuseum, Taipei, ist die Hängerolle „Kinder beim Spiel mit Grillen“ . Selbst wenn sie nicht von Sus Hand stammen sollte - er wurde gern nachgeahmt - so weist sie doch die Qualitäten auf, die ihm nachgesagt werden. Das Bild ist mit der gleichen Zartheit und Delikatesse gemalt wie „Dame am Toilettentisch“. Es wirkt flächiger, denn hier bilden keine Architekturteile einen verschachtelten Bildraum. Ein Zierfels, schlank wie ein Obelisk, ragt bis zum oberen Bildrand. Im Vergleich mit den beiden Kindern links unten wirkt er riesig. Jedoch die reiche Pracht eines Busches mit blühenden Herbstblumen, der fast bis zur Spitze des Felsens wächst, relativiert seine Größe. Zwei reichgeschnitzte Rundhocker stehen im Vordergrund. Auf dem einen liegen einige Utensilien, an dem anderen beugen sich ein kleiner Junge und ein etwas größeres Mädchen voll angespannter Aufmerksamkeit über eine Grille. Während der Junge nach ihr greift, hebt das Mädchen behutsam warnend die Hand. Obwohl an den Rand gerückt, sind die Kinder Mittelpunkt des Bildes, nicht allein wegen des starken Akzentes, den das weiße Mädchengewand setzt und die rot-weiße Kleidung des Jungen, sondern wegen der Ausdrucksstärke einer psychologisch so treffend genauen Schilderung, welche die völlige Versunkenheit der Kinder wiedergibt und die feine Differenzierung ihrer Art zu spielen.
Zhao Guangfu
Bis zur Tang-Zeit hatte sich das religiöse Figurenbildvoll entwickelt. Als Erzählbild war es in seinem formalen Aufbau relativ ungebunden. Als Kultbild war es festen kanonischen Regeln unterworfen entsprechend den Bedürfnissen der buddhistischen Liturgie. Komposition, Farben und Proportionen hatten den Regeln genau zu entsprechen, sollte die Ikone kultisch wirksam werden. Nur dann trat während des Rituals die dargestellte und angerufene Wesenheit in das Bild ein und empfing unmittelbar die Verehrung der Gläubigen. Dabei spielte der künstlerische Rang keine Rolle. Eine allmähliche Erstarrung des Kultbildes durch mechanische Wiederholung formelhafter Bildstrukturen war die zwangsläufige Folge. Doch bereits zur Tang-Zeit setzte eine Adaption buddhistischer Themen ganz in chinesischem Geist ein, welche die alte Figurentradition fortsetzte und auch weiter entwickelte, ohne sich an den schematisierenden buddhistischen Kanon zu halten. So etwa das Titelblatt zum Diamant-Sutra von 868 siehe auch oder die Luohan-Gestalten eines Li Zhen und eines Guan Xiu siehe auch siehe auch.
Im Geiste solch einer unkonventionellen Auffassung buddhistischer Themen wirkte Zhao Guangfu (tätig Ende des 10. Jhds.). Er war Hofmaler am Song-Kaiserhof und an der Akademie von Kaifeng, wahrscheinlich unter Taizu (Reg. 960-976).
Barbaren verehren den Buddha
Das Cleveland Museum of Art bewahrt eine Querrolle, die ihm zugeschrieben wird: „Barbaren verehren den Buddha“ . Es ist ein Werk, das in mehrfacher Hinsicht aus der großen Tradition der Tang-Figurenmalerei schöpft. Außerdem fügt es auf höchst originelle Weise zwei inhaltliche Kategorien zusammen: das buddhistische Andachtsbild und Fremdvölker.
Eine Schar von sechszehn bunten Gestalten nähert sich zögernd dem Buddha. Die Buntheit ihrer Erscheinung rührt nicht nur von den Farben ihrer Gewandung, sondern von der Exotik ihrer Aufmachung und ganz besonders von den hervorragend gekennzeichneten ethnischen Unterschieden. Unter den Vertretern verschiedener Völkerschaften lassen sich mit ziemlicher Sicherheit erkennen: Türken, Mongolen, Koreaner oder Japaner, Tibeter, Inder, Uiguren, Iraner, ja vermutlich sogar Europäer, einer mit rotem Bart und roten Haaren. Einige tragen Geschenke, der vorderste, ein würdiger Greis mit federngeschmückter Haube und in weitfallendem Umhang, offenbar ein Fürst, verneigt sich vor dem Buddha. In den Händen hält er einen kunstvollen Weihrauchbrenner. Mit psychologischer Einfühlung ist das Verhalten der Fremdlinge wiedergegeben: wer kein Geschenk trägt, hat die Hände in Anbetungshaltung gefaltet, je nach der Sitte seines Volkes. Einige gestikulieren oder nesteln unsicher an ihren Gewändern, andere wenden den Kopf in Verlegenheit.
Solche Szenen hat der Künstler am Kaiserhof beobachten können, wenn dort die Tributgesandschaften ihre Aufwartung machten. Diese Ereignisse wurden von den Hofmalern festgehalten in den sogenannten „Tributbringerbildern“. Ein solches liegt hier vor, übertragen in die Sphäre des Religiösen. Jedoch nicht allein die reale Anschauung, sondern auch Tang-Vorbilder haben bei diesem Werk Pate gestanden. Beim Vergleich mit einer Wandmalerei aus dem Grab des Prinzen Zhanghuai siehe auch lässt sich eine verblüffende Ähnlichkeit feststellen, übrigens nicht allein im Inhaltlichen. In gleicher Weise ist hier die Fremdartigkeit im Habitus der Barbaren geschildert, ihre typenmäßigen Verschiedenheiten und ihr verlegenes, etwas gehemmtes Auftreten.
Wegen der Ärmlichkeit einiger Gestalten mag es zweifelhaft sein, ob es sich bei den Dargestellten in jedem Falle um Barbaren-Fürsten handelt. Auch befindet sich dem Anschein nach ein hochgestellter Chinese unter den Verehrern. Dies deutet offenbar auf den Sinn der Darstellung hin: die Verehrung Buddhas durch die Völker und Stämme des Erdkreises, also eine Art Triumph des Buddhismus.
Kann man dies auch so deuten, so ist die Gestalt des Erleuchteten hier jedoch nicht in die Entfernung des hieratischen Kultbildes gerückt, sondern er empfängt die Gläubigen als leibhaftiger Mensch, nicht in symbolischer Übergröße, sondern mit menschlichem Maß und mit menschlichem Antlitz, was durch den bei dem Buddha ungewöhnlichen Bart betont wird. Freundlich lächelnd neigt er sich den Anbetern zu. Zwar sitzt er wie im Kultbild auf dem Lotosthron und ist noch von Wolken umgeben, als sei er soeben aus einer anderen Sphäre herabgekommen. Ebenso fehlen seine Begleiter nicht: Die Jünger Ananda und Kashyapa sowie zwei verwegen aussehende Wächtergottheiten, jedoch alles ist in jene menschliche Nähe gerückt, welche die Scheu vor dem Numinosen zu überbrücken vermag.
Wie in der Schilderung von Fremdvölkern, zeigt sich die Fortführung der Tang-Tradition auch in den formalen Mitteln. Die Figuren sind auf eine leere Fläche gesetzt ohne Raumandeutung, sie sind in Reihen hinter- und übereinander geordnet, wobei die Schrägführung einer Reihe von jeweils drei Gestalten eine scheinbar lockere Gruppierung ergibt. Die Farben sind flächig gesetzt, sie wiederholen sich in einem rhythmischen Wechsel und korrespondieren so untereinander. Insbesondere aber entfaltet sich nun, was sich schon in den Malereien des Zhanguai-Grabes und der anderen Tang-Prinzengräber angedeutet hat: der Pinselduktus gewinnt im kalligraphischen An- und Abschwellen der Tuschelinie eine Lebendigkeit, welche die gesamte Darstellung durchpulst.
Werke diesen Ranges waren imstande, die buddhistische Bildkunst mit neuem Leben zu erfüllen.