Figurenmaler

Qian Xuan

Der erste Künstler von Bedeutung, der sich von der Süd-Song Malerei löste, - besonders von deren Landschaftsstilen - und in dessen Werk die neuen Tendenzen sich herauskristallisierten, war Qian Xuan (1235-1300).

Wenn er auch schon Ende der Süd-Song-Zeit tätig war, so gehört er seiner grundsätzlichen künstlerischen Haltung wegen in die Yuan Epoche. Er stammte aus Wuxing, Zhejiang, von wo eine künstlerische Bewegung ausging, die man umschrieb als die „Acht Talente aus Wuxing“. Zu ihnen gehörte auch der große Zhao Mengfu, der zeitweise Schüler Qians war. Obwohl er die Beamtenprüfung abgelegt hatte, nahm Qian Xuan unter den Mongolen kein Amt an. Darin lässt sich der passive Widerstand gegen die Fremdherrschaft erkennen, den viele Intellektuelle leisteten, wenn auch bei Qian Xuan andere Gründe ebenfalls eine Rolle gespielt haben mögen. Bescheiden, aber finanziell offenbar unabhängig, lebte er ganz der Poesie und seiner Malerei, wobei er das gesamte Motivspektrum bearbeitete: Figuren, Tiere, Pflanzen, Landschaft. Er war dem Wein zugetan und es wird berichtet, dass er nur in angetrunkenem Zustand malen konnte. Die Präzision seines Strichs, die Genauigkeit seiner Linienführung, die Klarheit und Feinheit seines Kolorits verraten jedoch keinerlei Unsicherheit in der Ausführung.

Minghuang und Yang Guifei beim Ausritt

Diese Eigenschaften zeigen ich besonders deutlich auf einer kurzen Handrolle der Freer Gallery, Washington, mit einer Szene aus dem Leben der Yang Guifei, jener berühmten und verhängnisvollen Geliebten des Tang-Kaisers Minghuang: „Minghuang und Yang Guifei beim Ausritt“ .

Erwartungsvoll wenden sich die Bogenschützen der kaiserlichen Leibwache um, die den Beginn des kleinen Zuges bilden. Auf einem prächtigen Schimmel, der ebenfalls den Kopf zurückwendet, sitzt der Kaiser und blickt hinter sich. Das Ziel all dieser Aufmerksamkeit zeigt die folgende Gruppe: halbverdeckt von einem kraftvollen grauen Schecken besteigt die kaiserliche Konkubine das Pferd, unterstützt von Dienerinnen und einem Pferdewärter unter Aufsicht eines hohen Beamten in rotem Gewand, wahrscheinlich der Oberstallmeister. Es folgen zwei Fächerträger, von welchen die linke Figur eine Dienerin in Männerkleidung darzustellen scheint. Sie wendet sich nach hinten und stellt so die Verbindung zur letzten Figurengruppe her, zwei jungen Mädchen, Dienerinnen niederen Ranges, erkennbar an den schlichten Frisuren im Gegensatz zu dem reichen Kopfputz der Hofdamen. Sie tragen Fliegenwedel, Fächer und ein Bündel, das Toilettensachen oder andere persönliche Gegenstände der Yang Guifei enthalten mag. Die beiden großen Fächer der Ehrenwache tragen Phönixe, die als Symbol der Kaiserin eigentlich nur dieser zustehen. Damit hebt Qian die Bedeutung der Konkubine hervor und damit den Einfluss, den sie auf den Kaiser hatte.

Die Rolle verrät nicht nur Qian Xuans Kenntnis des Tang Hofzeremoniells, was ganz natürlich seiner Zuneigung zu dieser so glanzvollen Epoche entspricht, sondern auch die Beherrschung des Figurenstils jener Zeit. Es ist, als sei er in die Rolle eines Tang Hofmalers geschlüpft. Mit liebevoller Akribie beobachtet er jede Einzelheit. Ganz wie bei Yan Liben oder Zhou Fang entfaltet sich die Detailgenauigkeit allein an den Figuren. Es findet sich keinerlei Andeutung eines Ambientes, einzig die Platzierung der Gestalten auf dem leeren Malgrund ergibt ihre Position in einem nicht dargestellten Raum. Noch strenger als seine Vorbilder, erlaubt sich Qian nicht einmal mit einem Stein oder einem Bäumchen einen Hinweis auf das Umfeld der Szene. Rigoros überspringt er alles, was die Figurenmalerei der Song-Zeit entwickelt hatte, nämlich die zunehmende Einbeziehung alles dessen, was die agierenden Personen umgab. Wie die Kompositionsmethode ist auch der malerische Vortrag dem Tang Stil angeglichen: über die zarten, völlig flächigen Lokalfarben der Gewänder ist gleichmäßig das feine Gespinst der Linien gezogen ohne kalligraphischen Duktus. Sorgfältig kalkuliert akzentuieren schwarze und dunkelbraune Flecke als Frisuren, Kopfbedeckung, Stiefel etc. den dekorativen Rhythmus, besonders aber bricht ein leuchtendes Rot immer wieder zwischen den leiseren Klängen eines zarten Blaus oder Ockers hervor. Dieses Spiel verdichtet sich bei der Gruppe mit Yang Guifei. Die Hauptfigur, im Profil gezeigt und nur mit dem Oberkörper sichtbar, trägt ein Obergewand von intensivstem Rot, rot ist der Schemel, von dem sie aufsteigt, das Gewand des Würdenträgers, das Muster der Satteldecke. Diese ist geradezu Zentrum der Szene und mit allen prachtvollen Details geschildert, darunter wiederum ein Phönix, orangefarben vor hellblauem Wolkenhimmel, ein Geschenk, das der Kaiser seiner Dame soeben überreicht hat, wie die Beischrift vermerkt. Zugleich weist der Maler darin aber auch auf das Ende dieses glanzvollen Daseins hin, auf die Flucht des Kaisers Minghuang nach Shu siehe auch siehe auch aus dem zerstörten Changan.

Mag sich auch Trauer über diese verlorene Zeit in solchen Gedanken ausdrücken, so ist davon im Werk selbst nichts zu bemerken. Qian adaptiert die Tang-Weise so weit, dass er sogar den Pferdetypus der Zeit übernahm, wie er etwa am Grabmal des Kaisers Taizong zu finden ist siehe auch. Tatsächlich könnte das Bild einem ähnlichen Werk Han Gans siehe auch nachempfunden sein, des größten Pferdemalers der Tang Zeit. Wenn etwas auf seine späte Entstehungszeit hinweist, so ist es die kühle, ausgeklügelte Eleganz des Bildes und die Raffinesse der Überschneidungen in der Hauptgruppe, wodurch ein dekoratives Muster von hoher Delikatesse entsteht. Die Lebensfülle der Tang Meister erreicht es nicht.

Minghuang lehrt Yang Guifei das Flötenspiel

Das gleiche gilt für ein Qian Xuan zugeschriebenes charmant-humorvolles Werk, eine kurze Querrolle, ehemals im Palastmuseum, Peking , worin Minghuang sich abmüht, seiner Maitresse das Spiel der Querflöte beizubringen, indem er ihr die richtige Fingerhaltung zeigt. Ein Höfling schlägt mit Holzklappern den Takt dazu, ein anderer hebt voller Verwunderung die Hände, während ein Zwerg von grotesker Hässlichkeit dazu tanzt, als wolle er diese musikalischen Bemühungen verspotten.

Hier ist nurmehr eine leichtgewichtige Illustration gelungen, die aus keiner erlebten Anschauung hervorgegangen ist wie bei den wirklichen Zeitzeugen, den Hofmalern der Tang-Zeit. Anders als hier, anders auch als in seinen Landschaften, worin er in einer gekünstelten Primitivität den Blau-Grün-Stil imitierte , findet sich wahres Erleben in seinen Tier- und Pflanzenbildern. Darin erweist er sich als wirklicher Meister siehe auch.

Zhao Mengfu

Die überragendste Künstlerpersönlichkeit der Yuan-Epoche war Zhao Mengfu (1254-1322). Wie Qian Xuan geboren in Wuxing, Zhejiang, stammte er aus einer der vornehmsten Familien des Landes. Sein Vater trug den Titel des Herzogs von Wei, den Zhao später erbte, und leitete seine Herkunft vom Gründer der Song Dynastie in direkter Linie ab. Der hochbegabte junge Zhao, der schon früh eine unbezwingliche Neigung zu Pinsel und Tusche hatte und dessen Talent in Schrift und Malerei sich schon in der Leichtigkeit zeigte, womit er diese Künste handhabte, genoss eine standesgemäße Erziehung an der Kaiserlichen Hochschule in Hangzhou. Nach der Staatsprüfung diente er unter den Song in der Provinz und gab sein Amt nach dem Sturz der Dynastie auf. 1286 wurde er aufgefordert, am Mongolenhof in Khambaliq (Peking) zu erscheinen. Wahrscheinlich wichtiger als seine Talente, war den neuen Herrschern seine vornehme Abkunft. Es war ein politischer Schachzug Kublai Khans, Kollaborateure aus dem Hochadel und den alten Herrscherfamilien zu gewinnen. Dass Zhao ein Mann von glänzendem Geist und ein fähiger Verwaltungsbeamter war, bedeutete einen zusätzlichen Gewinn für die Mongolen. Der Kaiser selbst soll ihn „einen Unsterblichen unter den Menschen“ bezeichnet haben. Wohl einerseits geschmeichelt und mit der Aussicht auf eine glanzvolle Karriere, andererseits unter dem Druck der Machthaber und in Ungewissheit über die Folgen einer Ablehnung, nahm er das Angebot einer hohen Stellung an. Er begann seine Laufbahn als Staatssekretär im Kriegsministerium und unter fünf Yuan Kaisern erlebte er einen ungebrochenen Aufstieg in verschiedenen Funktionen, darunter als Gouverneur von Jiangsu und Zhejiang sowie als Leiter der höchsten Bildungsstätte des Reichs, der Hanlin Akademie. Hochgeehrt zog er sich mit 65 Jahren aus dem öffentlichen Leben zurück, um sich in seiner Heimat ganz seinen literarischen und künstlerischen Interessen zu widmen. Er muss sich seiner zwiespältigen Haltung sehr wohl bewusst gewesen sein, denn er wurde deswegen von intellektuellen Patrioten heftig angegriffen. Manches Urteil über sein künstlerisches Werk fiel deshalb ungerecht aus, auch in der späteren Kritik. Seine Freundschaft mit Qian Xuan, der sich den neuen Machthabern ja gänzlich verweigerte, soll darüber entzwei gegangen sein. Aber Zhao machte das Beste daraus: nur einem Mann von seinen Gaben und zugleich in einflussreicher Position konnte es gelingen, den Eroberern ein gewisses Verständnis der chinesischen Kultur zu vermitteln, besonders aber für ihre Förderung und Erhaltung tätig zu sein.

Mit ungewöhnlicher Mühelosigkeit beherrschte er praktisch alle Sparten der bildenden Künste, allen voran die Kalligraphie, worin er als der größte Meister der Epoche galt. Mit wenigen Ausnahmen wurde das auch von seinen Gegnern anerkannt. Wie ein Berufsmaler, der er ja nicht war, behandelte er historische, religiöse und literarische Themen, worin die menschliche Figur auftritt, jedoch meist im Kontext einer Landschaft. Ruhm und große Beliebtheit bei den Mongolen gewann er durch seine Pferdedarstellungen. Auch hier tritt die menschliche Figur nicht als eigenständiges Sujet auf, sondern als zu den Tieren gehörig. So hervorragend seine Tierbilder siehe auch siehe auch gewesen sein mögen, seine überragende Bedeutung gewann er in den typischen Themen der Literatenmaler: Bambus, Bäume, Felsen, Landschaft siehe auch. Die Neuerungen, die er einführte, trotz seiner stetigen Berufung auf die alten Meister, machten ihn zum einflussreichsten Maler der folgenden Jahrhunderte.

Der Vielseitigkeit seines Genies entspricht die Uneinheitlichkeit seines Stils. Vom Standpunkt des Eklektikers, der er war, durchaus begründbar: er sah sich in der Nachfolge bestimmter alter Meister unterschiedlicher Stilhaltungen, vorzugsweise der Tang Zeit. Nach seiner Auffassung konnte ein Bild geschickt gemalt sein, mangelte es ihm jedoch an „antikem Geist“, so war es nichts wert. Es war der höchste Maßstab, den er an eigene und fremde Werke anlegte.

Man könnte eine solche Disparität von Stilen und Handschriften wie er sie beherrschte, auch als Spiegel eines wechselhaften Charakters deuten, und tatsächlich hat man über seinen „verführerisch schönen und delikaten Schreibstil“ geurteilt, „ihm fehle der Geist fester und zwingender Prinzipien“. Wenn eine solche Behauptung auch der erwähnten gegnerischen Grundeinstellung entspringen mochte, so fehlt seinen Werken, soweit das aus den wenigen vermutlichen Originalen zu ersehen ist, doch jene kraftvolle Dynamik, die auf ein willensbestimmtes Engagement schließen lässt. Nach Zeugnissen von Zeitgenossen führte er Bild oder Schrift zu seinem Vergnügen völlig unangestrengt und mit spielerischer Leichtigkeit aus. Und genau diese Wirkung vermitteln sie. So etwas wie fehlender Ernst und mangelnde Strenge mochten manchen Kritiker veranlasst haben, darin die Entsprechung zu Zhaos kompromissbereiter Haltung den Machthabern gegenüber zu sehen. Vielleicht hätte er als Künstler mehr erreichen können. Hätten seine zahlreichen Verpflichtungen seine Kräfte nicht zerstreut, so wäre es ihm vielleicht möglich gewesen, seine Künste mit tieferem Ernst und größerer Hingabe zu betreiben. Gewiss stünden wir dann vor einem anderen Werk. Gerade jedoch Zhaos unprätentiöse Haltung, die Unscheinbarkeit seiner Motive, die Einfachheit seiner Mittel, gepaart mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit des Vortrags, machen den besonderen Charme seines Werkes aus.

Wenjis Abschied im Lager der Nomaden

Ein schönes Beispiel eines literarisch-historischen Stoffes, das seine Signatur trägt und 1301 datiert ist, besitzt das Nationale Palastmuseum, Taipei: „Wenjis Abschied im Lager der Nomaden“ . Das Bild erzählt eine Episode aus dem Leben der Dame Wenji, die zur Zeit der Östlichen Han im Jahre 195 n. Chr. von Hunnen in die Mongolei verschleppt und in die Ehe mit einem Stammesfürsten gezwungen wurde. Sie gebar ihm zwei Kinder und lebte zwölf Jahre in der Steppe bis ihre Familie sie loskaufte und man sie zwang, nach China zurückzukehren. Doch sie hatte das Leben in ihrer neuen Heimat liebgewonnen und wollte sich nicht von ihren Kindern trennen und von ihrem Gatten, der ihr zärtlich zugetan war. Dieses Schicksal wird in achtzehn Gedichten beschrieben, die der Überlieferung nach von Wenji selbst stammen sollen.

Bereits in der Song-Zeit wurde das Thema in der Malerei behandelt. Vier Bilder aus dieser Zeit von einem unbekannten Meister befinden sich im Museum of Fine Arts in Boston. Doch erst in der Yuan Zeit musste es am Mongolenhof besonderen Gefallen finden. Es könnte sich also durchaus um eine Auftragsarbeit handeln und wenn auch nur, um einem der Mächtigen eine Gefälligkeit zu erweisen, denn Zhao war ja kein Hofmaler. Eine Reihe figürlicher Werke religiösen, mythischen oder historischen Inhalts, die mit seiner Signatur versehen sind, könnten so entstanden sein. Sie lehnen sich an Tang Vorbilder an und stammen vielleicht nur zum geringeren Teil von Zhaos Hand, sondern wohl überwiegend von Gehilfen. Sie mögen repräsentativen Zwecken gedient haben und deshalb weniger von seiner persönlichen Handschrift geprägt sein.

Wie bei den meisten Bildern dieser Art, handelt es sich hier um ein Landschaftsbild, worin die Menschen scheinbar eine untergeordnete Rolle spielen, ähnlich wie in der „Reise des Kaisers Minghuang nach Shu“. Die Naturdarstellung nimmt den meisten Raum auf der Hängerolle ein. Sie ist hier allerdings äußerst einfach: eine Sanddüne und zwei felsige Hügel, von kargem Gesträuch bestanden, bilden eine flache Talmulde, die dürftigen Schutz bietet gegen den rauen Steppenwind. Einige flache Hügel und eine zartgetönte wellige Kontur als Horizont deuten Ödnis und Weite des Landes an. All dies ist mit lockeren, kalligraphischen Pinselzügen gegeben und flüssiger graubrauner Lavierung. Dagegen sind das Nomadenzelt, halbverdeckt vom Hügel des Vordergrundes, und die Menschen mit peinlich genauem, haarfeinem Lineament ausgeführt. Zelt und Gewänder sind ganz nach Tang Manier in flächigen Lokaltönen gegeneinandergesetzt und zum Teil mit feinsten Mustern überzogen. Winzig im Vergleich zur umgebenden Natur sind die Menschen dargestellt, aber so klein sie sind, sie ziehen die Aufmerksamkeit unmittelbar auf sich. Als Blickfang dienen zwei Figuren fast im Zentrum der unteren Bildhälfte. Sie zeichnen sich deutlich vor dem Paravent des Zeltes ab. Bei näherem Hinsehen erweisen sie sich als Nebenfiguren - europäischer Sehweise recht ungewohnt: es sind Diener bei der Zubereitung des Abschiedsmahls. Das Hauptgeschehen spielt sich weiter rechts am Bildrand ab. Eher beiläufig, ohne große dramatische Geste, wird der Abschied geschildert. Eine kleine Gruppe Menschen ist hier versammelt: rechts der traurig blickende Hunnenfürst einen Abschiedstrunk darreichend, umgeben von Bedienten, die Gefäße und Geschenke tragen. Leicht abgesetzt davon eine zweite Gruppe: Wenji, der einer Dienerin ihr Jüngstes reicht, während ein etwa zwölfjähriger Knabe die Arme zur Mutter emporstreckt. Hinter Wenji bedeckt eine Dienerin ihr Gesicht. Treffender und mit bescheideneren Mitteln kann eine solche Szene kaum geschildert werden. Selbst wenn Zhao Mengfu dieses Bild nicht gänzlich allein ausgeführt hat, so lässt seine Konzeption den Meister erkennen und das Ideal, dem er folgte: Lebensatem und klassischer Geist.

Guan Furen

Guan Furen oder Guan Daosheng (1262-1319) war die Gattin Zhao Mengfus und seine Schülerin. Sie wurde bekannt als Dichterin und Bambusmalerin, worin Zhao sie offenbar hoch schätzte, denn er versah manches ihrer Bilder mit einer Inschrift. Auch malte sie Landschaften von eigenem Charme, wobei sie ihr Lieblingsthema, den Bambus, als Hain in einen größeren Zusammenhang mit der umgebenden Natur stellte.

Guan yin

Ein einziges Figurenbild ist von ihr bekannt, wobei es sich allerdings um ein kleines Meisterwerk handelt: Guan yin im Städtischen Museum, Osaka, datiert 1302 Nach einer der Inschriften auf der Hängerolle soll die Tuschezeichnung nach Art des Wu Daozi ausgeführt sein. Während jedoch Wus Liniengefüge nach den überlieferten Kopien schwungvoll, kurvig und geschlossen, gewissermaßen „barock“ zu sein schien, ist hier die Strichführung offen, das heißt die mit spitzem Pinsel hingesetzten Tuschelinien berühren sich nicht, sie sind - scheinbar flüchtig hingeworfen - spitz, zackig und nervös, dabei jedoch von erstaunlicher Treffsicherheit. Die Gestalt des Bodhisattvas der Barmherzigkeit siehe auch fügt sich kalligraphisch zusammen, wobei schwarze, mit breiterem Pinsel oder stärkerem Druck erzielte Akzente wie Kragen, Gürtel oder einige Gewandfalten geradezu die Form kalligraphischer Zeichen annehmen. In gleicher Weise sind die aus dem Körbchen des Bodhisattvas herauswachsenden Bambusblätter jeweils mit einem einzigen Pinselzug hingeschrieben. Hände und Füße bestehen aus wenigen zarten Strichen, ebenso das Gesicht, während der hochgebundene Haarschopf wie hingehaucht erscheint. Es ist ein „Tuschespiel“ im wahrsten Sinne, jedoch ohne jene übermäßige Freizügigkeit mancher Chan Maler, welche Zhao ablehnte, sondern kontrolliert und in voller Beherrschung der Mittel.

Die schreitende Figur ist frei in die untere Hälfte der länglichen Rolle gestellt ohne Andeutung von Raum oder Umgebung ganz im Sinne der klassischen Tang Malerei. Während die Künstlerin ihre zierlich Inschrift bescheiden an den rechten Bildrand gerückt hat, beherrschen zwei Kalligraphien den oberen Bildteil, wobei die verbliebene Leerfläche zwischen Inschriften und Zeichnung eine wohltuende Ruhe und zugleich Spannung erzeugt. Das eine Gedicht stammt von einem zeitgenössischen Chan Priester, das andere von Zhao Mengfu. Darin spielt er an auf den Moment, als Buddha den Jünger Kashyapa in seine Nachfolge einsetzte, indem er ihm eine Blume überreichte als Zeichen des Lichts und also der Erleuchtung - „damit die Nacht nicht lange währe“. So ehrt er in seiner Inschrift die Gattin und zugleich die Lehre des Buddha.

Zhao Lin

Zhao Yong, Sohn Zhao Mengfus, folgte getreulich dem Stil des Vaters, besonders in der Pferdemalerei. Yongs Söhne wiederum setzten die Familientradition fort. Der bekanntere von ihnen, Zhao Lin (ca.1342-1375) hinterließ eine bemerkenswerte Figurenkomposition neben drei weiteren mit seiner Signatur versehenen Arbeiten.

Der Raub des Gedichts vom Orchideenpavillon

In dem Werk der Sammlung Drenowatz, Zürich, geht es um die Hochschätzung der Kalligraphie. Der große Schreibmeister Wang Xizhi hatte im 4. Jahrhundert einen neuen Schreibstil erfunden und in seinem Gedicht vom „Orchideenpavillon“ (lan ting) angewendet. Zur Tang-Zeit befand sich das Manuskript im Besitz des Mönchs Pianzai, der es eifersüchtig hütete. Kaiser Taizong (627-649) hörte davon und wünschte es zu erwerben. Er sandte den Hofbeamten Xiao, der sich in das Vertrauen des Mönchs einschlich und die kostbare Schrift bei günstiger Gelegenheit raubte. In seiner Beischrift bezieht sich Zhao Lin auf den Tang-Meister Yan Liben, und tatsächlich bedient er sich der gleichen raumlosen Kompositionsweise, auf die ja auch andere Yuan-Maler gerne zurückgegriffen haben.

In der Mitte der kurzen Querrolle kauert die asketische Gestalt des Mönchs auf einem Tragsessel aus knorrigen Ästen und Weidengeflecht. Davor stehen die Schuhe des Priesters, als steckten seine Füße noch darin. Er hat sie jedoch zum Asketensitz eingezogen, verborgen unter dem reichen Flickengewand, dessen locker fallende Falten eine magere Gestalt einhüllen. Entsprechend hager ist das Greisenantlitz, über dem sich ein hoher kahler Schädel wölbt. Seine Augen blicken scharf, der Mund ist zur Rede geöffnet, die linke Hand, leicht angehoben, begleitet mit sprechender Geste .

Der eindrucksvollen Charaktergestalt gegenüber sitzt der kaiserliche Gesandte auf einem niedrigen Schemel etwa in der Mitte der rechten Bildhälfte. Seine Haltung ist ehrfurchtsvoll. Er hat die Hände verschränkt, verhüllt von den weiten Ärmeln seines einfachen Gewandes. Der leicht nach vorne gebeugte Oberkörper deutet Aufmerksamkeit an, ebenso wie die Augen in dem sonst undurchdringlichen Gesicht, dessen Glätte erhöht wird durch einen schütter fallenden Spitzbart .

Was der kaiserliche Bote denkt, drückt sein Dienstjunge ganz rechts aus, mit dem die Rolle beginnt. Wie im Theater wird auch in der Malerei den niederen Ständen gern ein humoristischer Zug verliehen. Der kleine Diener hält eine Schachtel im Arm, vermutlich ein Gastgeschenk, und kratzt sich am Kopf, während sein Gesicht zu einer bedenklichen Grimasse verzogen ist, die besagt: „Wie sollen wir das bloß anstellen?“

Sein Gegengewicht am Ende der Rolle ganz links bildet ein Koch, der vor einem tragbaren Öfchen hockt und mit Hingabe in einer Pfanne rührt. Sein Gehilfe reicht ihm eine Tasse. Ein niedriges Bänkchen, ein flacher Tisch, Teller, Schüsseln und andere Utensilien sind mit gleicher Sorgfalt dargestellt wie Kleidung und Gesichter der Personen. Nichts wird durch Akzente hervorgehoben. Menschen und Gegenstände werden gleichrangig behandelt. Das überaus feine und dennoch bestimmte Linienspiel der braunen Tusche wird begleitet von leichten Sepia- und Blautönen. Die außerordentliche Sensibilität befindet sich ganz auf der Höhe der feinsinnigen psychologischen Beobachtung des Geschehens.

Die nur 92 cm lange Handrolle lässt sich mit einem Blick übersehen. Dennoch folgt auch sie der üblichen Abwicklung von rechts nach links, in wohlgesetzter rhythmischer Gliederung: beginnend mit dem Knaben steigt die Komposition an über den Gesandten zum Höhepunkt, dem Mönch Pianzai, und klingt aus mit Koch und Diener.

So erweist sich Zhao Lin in dem kleinen Werk nicht nur seines Tang-Vorbildes würdig, sondern auch seines Großvaters Zhao Mengfu.

Yan Hui

Zu den bedeutenden Figurenmalern der chinesischen Kunst muss man Yan Hui zählen (tätig Anfang des 14. Jhds.) obwohl er in der chinesischen Literatur nicht hervorgehoben wird. Er stammt aus Jiangshan, Zhejiang. Trotz seines Studiums der Klassiker verzichtete er auf die Beamtenlaufbahn und wurde Berufsmaler. Er führte Wandmalereien aus und gewann einen gewissen Ruf wegen seiner Dämonengestalten sowie der Darstellung buddhistischer Heiliger und daoistischer Unsterblicher.

Die wichtigsten Werke, die ihm zugeschrieben werden, befinden sich heute in Japan, wo sie bleibenden Einfluss nahmen auf spätere japanische Künstler, insbesondere der Kano-Schule des 15. und 16. Jahrhunderts. Yan Hui soll im wesentlichen dem verfeinerten Stil der Süd-Song Akademie gefolgt sein, was der Grund sein mag dafür, dass seine Zeitgenossen wie auch spätere chinesische Kritiker ihn nicht unter die bedeutenden Maler der Epoche einreihten. Yan Huis Popularität in Japan lässt sich daran ermessen, dass man ihm eine Reihe vom 16 yuanzeitlichen Luohan-Figuren zuschrieb, die keine Signatur tragen. Die knorrigen Gestalten dieser Heiligen zeigen allerdings wenig von der Verfeinerung der Süd-Song Malerei, sondern eine großzügige und monumentale Handschrift. Ihre großenteils übersteigerte Expressivität streift zuweilen das Karikaturhafte.

Meditierender Luohan

Aus dem Zyklus der Sammlung Murayama, Osaka, ragt ein meditierender Luohan hervor, der keinerlei groteske Züge aufweist, sondern aus dem ein tiefer Ernst spricht . Der Aufbau der Komposition ist einfach und ohne Raffinesse, wie sie etwa das Balancespiel des Eineckstils zeigt. Pyramidenförmig angelegt, wird die Sitzfigur umschlossen von einer Höhle, welche ihre Umrisse annähernd wiederholt und dadurch zugleich eine Aureole bildet. Die klar umrissene Gestalt ist von einem Mönchsgewand eingehüllt, das über den Kopf gelegt, in fließenden Linien herabfällt zum Schoß, wo die Hände in angedeuteter Meditationshaltung ineinandergelegt sind. Die Binnenzeichnung ist sparsam und von fast gleichbleibender Strichstärke. Die breite Basis der Gestalt bilden die im Meditationssitz zusammengelegten Beine, verdeckt vom Gewand, unter dem der Streifen eines mehrfach gefalteten Tuches hervorschaut. Die Anordnung der Falten und der darunter liegenden Grashalme erweckt unmittelbar die Assoziation mit dem Lotos, auf dem der sitzende Buddha stets dargestellt wird. In den Gewandfalten des Asketen haben sich winzige Vögel niedergelassen. Dies zeigt nicht nur die unerschütterliche Bewegungslosigkeit des Meditierenden an und das Vertrauen der Kreatur zu einem Wesen, das der Erleuchtung nahe ist, sondern weist auch auf eine weitere Parallele zu Buddha. Auch er wurde dargestellt als Asket in Meditation während Vögel auf seinem Kopf ein Nest bauen siehe auch. Der Felsspalt im Vordergrund deutet auf die Öde und Kargheit der Gegend hin, die abgestellten Sandalen geben der Szene einen realistischen Zug. Das heißt die Gestalt des „Verehrungswürdigen“ wird zwar in die Nähe Buddhas gerückt, jedoch ist sie noch immer von dieser Welt.

Ähnlich verfährt der Künstler in der Kopfzone. Wie bei den konventionellen Buddhadarstellungen umschließt eine zweite Aureole den Kopf, wobei die Tiefe des Höhlenhintergrundes durch die transparente Lichtscheibe hindurch aufgehellt erscheint. Als einzige geometrische Form kontrastiert sie mit allen anderen Gestaltungselementen. Sie gehört einer anderen Wirklichkeitsebene an, in ihrer Abstraktion steht sie für ein geistiges Prinzip, das sich, sinnfällig sichtbar gemacht, um das Haupt des Luohan zentriert. Und wie der Buddha hat der Heilige lang herabhängende Ohrläppchen, hier allerdings mit großen Ohrringen beschwert wie sie indische Fürsten zu tragen pflegten. Sie deuten darauf hin, dass er sich noch nicht von allem Irdischen gelöst hat, und zugleich sind sie ein Hinweis auf seine hohe Abkunft, wiederum in Parallele zu Buddha.

Was jedoch vor allem und als erstes ins Auge fällt, ist das Gesicht des Luohan, der keinen chinesischen Typus verkörpert, wie übrigens fast alle Luohangstalten. Die mit wenigen Linien gegebenen Züge in dem knochigen Schädel, der markant gegen den dunkleren Hintergrund abgesetzt ist, machen es zum Brennpunkt des Bildes. Die fest umrissenen, klar blickenden Augen sind nicht wie beim Buddhabild nach innen, sondern in die Ferne gerichtet. Dichte, seitlich herabhängend Augenbrauen, Querfalten über der breiten Stirn, eine kräftige, breite Nase, der deutlich umgrenzte, fest geschlossene Mund, das schwere, kantige Kinn, von einem dünnen, kurzen Bart umkräuselt, all dies ist mit einer Bestimmtheit gegeben, als handele es sich um ein Porträt. Man glaubt, diesen Menschen zu kennen, seine charaktervolle Männlichkeit, die unmittelbar anspricht. Es ist gerade dieses Menschsein, was die Gestalt zum Luohan macht und von Buddha unterscheidet. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass der Kopf im Dreiviertelproflil gegeben ist, also nicht dem Betrachter zugewandt wie ein Buddha-Kultbild. Ein Hinweis auf den einsamen, von den Menschen abgewandten Weg der Eigenerlösung, den der Luohan geht. Es ist nicht verwunderlich, dass eine solche kraftvolle Vergegenwärtigung des Luohan-Wesens bei japanischen Zen Mönchen begeisterte Aufnahme fand.

Li mit der Eisenkrücke

Ein anderes Figurenbild ist mit dem Siegel Yan Huis versehen und stellt den daoistischen Heiligen Li Tieguai dar, „Li mit der Eisenkrücke“. Es befindet sich heute im Chionji-Tempel in Kyoto und bildet zusammen mit der Darstellung eines anderen daoistischen Weisen, Liu Haixian, „Liu mit der Kröte“, ein Dyptichon .

Solche daoistische Heilige entsprechen ganz ihren buddhistischen Gegenspielern. Vermutlich sind sie ihnen nachgebildet und tragen daher auch meist deren groteske Züge. Der daoistische Meister Li, der es durch magische Übungen zur Unsterblichkeit gebracht hatte, stieg zuweilen mit seiner Seele in die Himmelssphären auf, wo er gerne Umgang pflegte mit den Weisen der Vorzeit. Dabei ließ er seinen irdischen Leib zurück. Einmal jedoch, als er zur Erde zurückkehrte, konnte er ihn nicht mehr finden und musste mit der zerlumpten Gestalt eines hinkenden Bettlers vorliebnehmen, der seine Seele gerade ausgehaucht hatte. Nach dessen Krücke hieß er von nun an „Li mit der Eisenkrücke“.

Komposition und Malweise erinnern auf diesem Bild nun weit eher an die Art eines Süd-Song-Meisters. Von links unten diagonal aufsteigend, beherrscht die kantige, kraftvolle Erscheinung Li’s die rechte Bildseite zu etwa zwei Dritteln. Er sitzt auf einem Felsblock, der die rechte untere Bildecke ausfüllt. Im Mittelgrund steigt zartverschleiert ein gezacktes Felsmassiv aus dem Dunst und wiederholt die Diagonale. Am linken Bildrand windet sich aus nebelverhangener Ferne ein Fluss heran und stürzt als Wasserfall in die Tiefe.

Das Kompositionsschema entspricht also ganz dem asymmetrischen Aufbau einer typischen Süd-Song-Landschaft. Die Malweise ist hochdifferenziert. Großzügig sind Farbzonen angelegt und mit sicherer Kontrastwirkung: dunkelbraun das Obergewand und scharf dagegen abgesetzt das vergilbte Weiß von Beinkleidern und Bettelsack, von dem sich in zartem Gelb die Kürbisflasche abhebt. Grau vom Straßenstaub, wie es sich für einen Bettler gehört, sind Gesicht, Arme und Beine. Die Landschaft ist unendlich zart laviert. Ihre Tönungen verfließen im Graubraun des Seidengrundes. Einige Weißhöhungen und Grüntupfen ergänzen die zurückhaltende aber sensible Farbigkeit. Der Pinselduktus unterscheidet sich je nach der Struktur des darzustellenden Gegenstandes: fließend, leicht an- und abschwellend im zerlumpten Bettelkleid, mit dünner, kaum wechselnder Strichstärke in den Konturen, in hauchdünnen Linien jedes einzelne Haar des zerzausten Schopfes und des schütteren Bartes. Der Fels im Vordergrund wird mit breiten „Axthieb cun“ beschrieben, der ferne Felssturz mit „Hanffaserstrichen“. Jeder einzelne Pinselzug ist mit größter Sorgfalt und Präzision gesetzt. Nirgends erlaubt sich der Künstler die Freiheit des „Tuschespiels“. Dies mag die Wirkung des Akademischen erklären, die von dem Bild ausgeht. Im Gegensatz zu dem meditierenden Luohan der Sammlung Murayama, von dessen gefestigter Gestalt innere Ruhe ausstrahlt, ist die Figur des Li von höchster Anspannung durchdrungen. Finger und Fußzehen sind so verdreht, als seien sie von einem Krampf erfasst. Der äußerst intensive Ausdruck des im Profil gezeigten Gesichts erhält etwas Dämonisches durch das nach oben gerollte Auge, verstärkt von einer winzigen Weißhöhung des hervortretenden Augapfels, über dem sich finster die Augenbrauen schließen. Die knollige Nase emporgereckt, die wulstigen Lippen wie zum Pfeifen gespitzt, bläst der Unsterbliche seine Seele aus. Sein Blick geht in höchster Konzentration hinauf, wo die winzige Gestalt des anderen Li auf dem Pfade des ausgehauchten Atems himmelwärts strebt, dem Auge fast schon entschwunden.

Bei aller Intensität des Ausdrucks ist der Zug grotesken Humors nicht zu übersehen, den der Maler der volkstümlichen Gestalt verliehen hat. Damit ist ihm eine der ausdrucksstärksten Menschengestaltungen gelungen, welche die chinesische Kunst hervorgebracht hat.