Meister des Figurenbildes
Wang Wei
Bildnis des Fu Sheng
Eine Querrolle im Besitz des Städtischen Museums von Osaka, Japan, ist eine Arbeit des 9. oder 10. Jahrhunderts, die von Kaiser Huizong mit einer Inschrift versehen und als Werk Wang Weis bezeichnet wurde . Sie zeigt jedoch eine zarte, traditionelle Malweise mit nur wenigen rötlichen und violetten Tönen, die sich kaum vom seidenen Bildgrund abheben. Entscheidend ist die überaus sensible Zeichnung, deren gleichmäßig haarfeine Linien die Gegenstände überaus detailgenau definieren. Dargestellt ist Fu Sheng, ein Gelehrter der Han-Zeit, der im Alter von neunzig Jahren einer kaiserlichen Kommission einen Text des Konfuzius darlegt. Er hatte Teile des „Buches der Urkunden“ (Shu jing) in seinem Gedächtnis bewahrt, nachdem er Abschriften vor der Bücherverbrennung des Ersten Kaisers Qin Shi Huangdi gerettet hatte.
Gütig lächelnd, mit leicht geneigtem Kopf, schaut Fu Sheng auf seine nicht sichtbaren Zuhörer und weist auf eine Schriftrolle. Seine ruhigen Züge tragen den Ausdruck von Hingabe. All dies ist mit knapper und sparsamer Zeichnung einfühlsam erfasst, ebenso wie der ausgemergelte Greisenkörper, übrigens eine der seltenen Darstellungen des nackten Leibes in der chinesischen Malerei. Das diagonal gestellte Schreibpult, auf dem Tuschestein und Pinsel liegen, genügt, um auf denkbar knappste Weise einen Raumeindruck auf dem sonst leeren Malgrund herzustellen.
Sollte Wang Wei die Vorlage zu dieser meisterlichen Arbeit wirklich gemalt haben, muss er ein bedeutender Menschendarsteller gewesen sein.
Yan Liben
Als einer der bedeutendsten Figurenmaler der Tang-Zeit wird Yan Liben angesehen (ca. 600-673). Er diente den Kaisern Taizong (Reg. 626-649) und Gaozong (Reg. 650-683) als Hofmaler und Architekt und stieg über verschiedene hohe Ämter bis zum zweiten Kanzler auf. Für die Beschwernisse und Demütigungen, die seine steile Hofkarriere mit sich brachten, entschädigte ihn seine Kunst. Er malte buddhistische und daoistische Themen und für die kaiserliche Galerie „die 24 berühmten Männer“ und „die 18 hervorragenden Gelehrten“, seltene Tiere, die Lieblingspferde des Kaisers siehe auch und ausländische Besucher des Hofs.
Dreizehn Kaiserbildnisse
Das bekannteste Werk, das ihm zugeschrieben wird, ist die Querrolle der Kaiserbildnisse im Museum of Fine Arts, Boston . Darauf sind dreizehn berühmte Herrscher von der Han- bis zur Sui-Dynastie abgebildet, die sechs ersten offenkundig aus späterer Zeit und von geringerem Rang, die übrigen von hoher Meisterschaft, selbst wenn es sich um Kopien handeln sollte.
Um die Kaiser sind jeweils Bediente oder Würdenträger versammelt, sodass sich dreizehn Figurengruppen ergeben, deren Zusammenhang lediglich im Rhythmus des Kompositionsablaufs besteht. Auf dem leeren Seidengrund wird eine gewisse Räumlichkeit erzeugt allein durch die unterschiedliche Anordnung der Personen, durch ihre Überschneidungen oder durch die perspektivische Schräge etwa einer Sänfte oder eines Throns. Mittel also, wie sie schon Gu Kaizhi in den „Ermahnungen“ siehe auch anwandte. Während aber Gu’s Figuren von einer leichten, eleganten Beschwingtheit sind, herrscht hier eine größere Wirklichkeitsnähe vor: die Gestalten wirken massiger und schwerer, unter den Gewändern ahnt man anfassbare Körper.
Die Mittel des Vortrags sind ähnlich: gleichbleibendes Lineament, flächige Farbe. Jedoch ist hier die Zeichnung weniger spielerisch, sondern knapper und straffer den Gegenstand bestimmend. Die Gewandfalten sind nicht allein durch Linienzeichnungen gegeben, sondern erhalten auch durch modellierende Schatten eine leichte Reliefwirkung, ohne dabei aber die Flächigkeit zu stören, Nachklang zentralasiatischer Malerei. Die Gewandvertiefungen nutzt der Künstler zur Bereicherung der Farbskala und zur Dynamisierung der Fläche. So gibt er etwa den fließenden Faltenbahnen eines gelben Gewandes eine orange-rötliche Tönung. All dies aber wird übertroffen von der meisterlichen Charakterisierung der Herrscherfiguren als Repräsentanten der Macht allein mit der haarfeinen Tuschelinie. Gestalten und Köpfe sind deutlich unterschieden in Ausdruck und Habitus, zum Teil selbst in den Nebenfiguren. Bei solch offenkundiger realistischer Vorstellungsgabe ist ein archaisierender Zug um so auffälliger: sämtliche Herrscher sind größer dargestellt als ihre Untertanen.
Die Kaiserliche Sänfte wird zu Fuß getragen
Die treffsichere Unterscheidung der Charaktere verbindet die Bostoner Rolle mit einer Querrolle des Palastmuseums, Peking. Sie stellt den Empfang des tibetischen Gesandten durch Kaiser Taizong dar und wurde bekannt unter dem Titel „Die Kaiserliche Sänfte wird zu Fuß getragen“. Die Zuschreibung an Yan Liben’s Autorenschaft erfolgte erst im 11. Jahrhundert .
Weitere Gemeinsamkeiten sind die Leerfläche des Seidengrundes ohne Andeutung einer Umgebung, eine begrenzte Raumwirkung durch die Anordnung der Figuren, die Gruppierung von zierlichen Dienerinnen um die größere Gestalt des Herrschers, die in Parallelperspektive gezeichnete Sänfte, die kräftigen Farben und deren Flächigkeit, die Knappheit und Präzision der Tuschelinien, sowie deren gleichbleibende Feinheit. Die modellierenden Schattierungen dagegen sind nur auf wenige Stellen reduziert an Hosen und Kappen, sonst dominiert strenge Flächigkeit. Die Gewandfalten sind nur mit Hilfe von Linien definiert, die farbigen Faltenbahnen der Kaiserrolle erscheinen hier als dekorative Streifenmuster in den Gewändern der Dienerinnen, deren Gesichter sich im übrigen kaum unterscheiden. Vor allem aber fehlt die Körperhaftigkeit der Bostoner Bildnisse.
Der hohe dekorative Reiz dieser Flächenkomposition, worin die zartgrünen Riesenfächer und der rote Ehrenschirm über dem Kaiser ausgespielt werden gegen die starkfarbigen Gewänder, der sichere Sinn für die flächenhafte Balance der Farbakzente enthüllen einen anderen Charakter, als die von volumenhafter Reliefwirkung geprägte Bostoner Rolle.
Die hohe Charakterisierungskunst des Meisters der Pekinger Rolle zeigt sich insbesondere in den drei Gestalten links, die in steifer Ehrfurchtshaltung vor dem Kaiser stehen. Vorne, dem Kaiser am nächsten, ein hoher Hofbeamter in rotem Beamtenkleid. Nach links folgt der Gesandte in einem Brokatgewand. Er steht etwas tiefer, also in perspektivischem Sinne neben dem Beamten. Auf gleicher Höhe wie der Gesandte, also hinter ihm, folgt ein weißgekleideter Diener. Diese drei tragen derart ausgeprägt individuelle Züge, dass hier von echten Porträts gesprochen werden kann. Das Antlitz des Kaisers dagegen scheint einen Idealtypus zu repräsentieren bei gleichzeitiger Ähnlichkeit. Seine Züge erscheinen jedoch kaum individualisiert.
Die Unterschiede der beiden Rollen erwecken den Eindruck, als stammen sie nicht von gleicher Hand. Sie zeigen verschiedene Seiten der Tang-Figurenmalerei auf.
Wu Daozi
Der berühmteste Maler der Tang-Dynastie war Wu Daozi (ca. 680-760). Sein Ruhm ist ausschließlich durch literarische Überlieferung auf uns gelangt. Aus den wenigen zweifelhaften Kopien, die auf ihn zurückgehen sollen, ist seine Bedeutung nicht zu ersehen. Aus einer armen Familie stammend, brachte er es bis zum Hofmaler. Seine frühen Erfolge erlangte er zunächst als Wandmaler. Er gestaltete bedeutende Tempel in Changan und Luoyang aus und erntete höchstes Lob seiner Zeitgenossen. Man pries seinen schwungvollen Stil, mit dem er die irrationale Welt des buddhistischen und daoistischen Pantheons zu phantastischem Leben erweckt haben soll. Auch soll er den kalligraphischen Pinselduktus in die chinesische Malerei eingeführt haben. Der Dynamik seiner Linienführung entsprach seine Vorliebe für Themen mit heftig bewegten Figuren: neben Buddhas Eingang ins Nirvana die Unterwerfung Maras, worin Buddha von den Dämonen des Widersachers überfallen wird oder Höllenszenen. Seine Pinselführung soll voll „wütender Energie“ gewesen sein, die Formen so seltsam und monströs, dass sich dem Betrachter „die Haare sträubten“ (Zhu Jing Xuan, 9. Jh.).
Diese Art einer dynamischen Darstellung scheint den Figurenstil späterer Generationen nachhaltig beeinflusst zu haben.
Ein Bodhisattva des Shoso-in
Die skizzenhafte Tuschzeichnung eines Bodhisattvas des Shoso-in, Nara, kann uns vielleicht eine ungefähre Vorstellung vermitteln von der Stilhaltung Wu Daozis . Die ganz von der bewegten Linie lebende Tuschmalerei auf einem Hanftuch entstand noch zu Lebzeiten des Meisters um 750 in Japan, das damals ganz unter dem Einfluss des Tang-Stils stand. Die in der Lehrgeste dargestellte Heilsfigur sitzt auf schwebenden Wolken, deren konventionelle Formen mit großer Freiheit hingeschrieben sind. Ebenso wie die in großzügigen Kurven und Bögen schwingenden Gewandbahnen des Bodhisattvas flattern sie wie von einem Wirbel erfasst. Der Pinselstrich ist nicht von gleichbleibender Stärke, sondern zeigt in einem leichten An- und Abschwellen, wie auch in einer wechselnden tieferen und helleren Tönung, eine persönliche Handschrift, die frisch wirkt und wie in Minutenschnelle ausgeführt.
Ein Vaishravana und andere Figurendarstellungen
Eine Hängerolle im Palastmuseum von Taipei stellt den buddhistischen Beschützer des Nordens Vaishravana dar mit seinen Begleitern. Die Kopie der Song-Zeit soll auf den Tang-Meister zurückgehen. Sie zeigt zwar bewegte Formen in Gestalten, Stoffbahnen und Wolken, jedoch spielt die Linie nur eine untergeordnete Rolle. Ähnliches gilt für andere Figuren buddhistischer Heilsbringer wie Luohans oder Bodhisattvas .
In der Tat wird berichtet, dass Wu Daozi viele Wandbilder nur als Tuschlinienzeichnung angelegt habe, als „Knochengerüst“, womit er ja das Wesentliche ausgedrückt hatte. Sodann hätten Koloristen die Formen farbig ausgefüllt, wodurch manches Gemälde verdorben worden sei. Vermutlich ging durch dieses Verfahren die lebensvolle Unmittelbarkeit und Frische seiner kraftvollen und rhythmischen Handschrift verloren.
Auch mit der Landschaftsmalerei wurde Wu in Verbindung gebracht. Im Auftrag des Kaisers Ming Huang soll er zusammen mit zwei anderen Meistern eine Reise des Kaisers nach Shandong gemalt haben, wobei ihm die Darstellung der Landschaft zufiel. Es scheint, als habe er damals noch nicht die spätere Wertschätzung als Figurenmaler erlangt, da man ihn sozusagen als „Hintergrundmaler“ einsetzte. Es könnte dies auch ein Hinweis darauf sein, dass die Landschaftsmalerei damals als eigenständiges Metier noch keine Bedeutung hatte.
Die berühmte Legende, wonach er in eine Grotte seines letzten Wandbildes eingetreten und darin verschwunden sei, ist eher ein Indiz für die magische Kraft, die man seiner Kunst zuschrieb, als für eine autonome Landschaftskunst.
Han Gan
Aus der Tang-Keramik sind die wundervollen Pferdeskulpturen wohlbekannt. Auch in der Malerei waren Pferdedarstellungen hochbeliebt, wie die Wandmalereien aus Tang-Gräbern zeigen. Von den Rollbildern dieses Themas sind nur wenige erhalten. Die Zuschreibungen an bestimmte Künstler sind ungewiss, auch wenn sie die Siegel späterer kaiserlicher Sammlungen tragen.
Als bedeutendster Pferdemaler der Tang-Zeit gilt Han Gan (tätig ca. 742-756). Er stammte aus kleinen Verhältnissen und diente in seiner Jugend als Gehilfe eines Weinhändlers. Der große Maler und Dichter Wang Wei entdeckte das Talent des Knaben und förderte ihn. Er studierte unter dem Hofmaler Chen Hung Pferdemalerei und avancierte selbst zum Pferdemaler am Hofe des Kaisers Ming Huang (713-756), dessen Regierungszeit als klassischer Höhepunkt der Epoche angesehen wird. Der Kaiser war ein ebenso großer Pferdeliebhaber wie seine Vorgänger, was etwa das Grabmonument des Kaisers Taizong siehe auch belegt. Er hielt 40.000 Pferde in seinen Marställen. Auch er ließ regelrechte Pferdeporträts seiner Favoriten anfertigen.
Vier Pferde
Eine Querrolle des Museums Cernuschi, Paris, versehen mit Inschrift und Siegel des Song-Kaisers Huizong, stellt eine Gruppe von vier Pferden dar, die prächtig gesattelt und aufgezäumt einem Hofbeamten vorgeführt werden, der mit zwei erhobenen Fingern auf das vorderste Tier einspricht . Vielleicht handelt es sich um einen chinesischen Stallmeister, denn als Pferdeknechte dienten gewöhnlich Zentralasiaten, die mit den beliebten Pferderassen „eingeführt“ wurden. Ein solcher Pferdewärter schaut zwischen den Köpfen der vorderen Tiere hervor, ein bärtiger Iraner, der seinen Vorgesetzten aufmerksam ansieht. Die Leiber der kraftvollen, lebendig tänzelnden Rosse, jedes in einer anderen Bewegung, sind in fein nuancierten Tonwerten gegeben. Die Lokalfarbe ist nur leicht modelliert und zwar um das delikate Farbspiel des Fells hervorzuheben, nicht um Plastizität herauszuarbeiten. In die feine, gleichbleibende Zeichnung eingebunden herrscht Flächigkeit vor. Besonders auffällig ist dies am Spiel der Umrisse, deren geschickt gewählte Überschneidungen die hinten liegenden Körper nur teilweise sichtbar lassen und dennoch den Eindruck erwecken, als sehe man sie vollständig. Aus dem Zusammenklang der differenzierten Farben springen leuchtende Rot- und Orangewerte von Schärpe, Mütze und Satteldecken hervor und nicht zuletzt das Weiß des Schimmels im Hintergrund. Einige kühle Blau- und Grünakzente erzeugen den klanglichen Kontrapunkt. Dieses Farbspiel bringt eine Art Farbrelief hervor, das, ebenso wie die der Bildfläche parallel angeordneten Pferde, räumliche Tiefe vermeidet.
Zwei Pferde und ein Pferdewärter
Ein Albumblatt des Palastmuseums Taipei zeigt einen Pferdewärter mit zwei Pferden . Auch hier herrscht die prägnant gezeichnete Silhouette des Rappens im Vordergrund vor, dessen kraftvolle Rundungen Volumen evozieren. Der hinter ihm auftauchende Schimmel, der nur teilweise sichtbar ist, wird von einer haarfeinen Linienzeichnung genau definiert. Eine leichte Lavierung verleiht dem prall gerundeten Körper des Tieres Plastizität. Die Beinhaltung der Pferde verleiht ihnen einen tänzelnden Rhythmus.
Der bärtige Pferdewärter auf dem Schimmel ist mit wenigen treffenden Linien als Zentralasiate gekennzeichnet. Die Gestalten schweben vor einem leeren Bildgrund und scheinen sich trotzdem in einem Raum zu bewegen. Wie dies mit einer genau durchdachten Komposition erreicht wird, ist von einzigartiger Meisterschaft.
Der Schimmel „Leuchtende Nacht“
Wahrscheinlich das bekannteste Werk, das Han Gan zugeschrieben wurde, ist der Schimmel „Leuchtende Nacht“, eines der berühmtesten Lieblingspferde des Kaisers Ming Huang, im Metropolitan Museum, New York . Die Rolle ist derart von Inschriften und Sammlerstempeln übersät, dass die klar gezeichnete Silhouette des Pferdes sich kaum noch auf der ehemals leeren Papierfläche des Albumblattes entfalten kann.
An einen Pfahl gebunden tänzelt das Tier wie kurz vor dem Aufbäumen: kein Huf steht fest am Boden. Maul, Auge und Nüstern sind voller Erregung weit geöffnet, die Mähne ist gesträubt. Kraftvolle Unbändigkeit und wilde Energie werden überzeugend vermittelt, trotz ruhiger, prägnant gezogener Linien ohne handschriftliche Heftigkeit. Ihre genau kalkulierte Kurvatur und die sparsame Lavierung erzeugen Volumen. Auch hier reicht der Bildraum nicht tiefer, als bis zu dem Pfahl, der, von dem massigen Pferdeleib überschnitten, der wilden Bewegung einen ruhenden Pol, eine Achse verleiht.
Zhang Xuan
Zu den bedeutenden Figurenmalern der Epoche gehörte Zhang Xuan (tätig ca. 713-742) am Hofe des Kaisers Ming Huang. Er war unter den Hofmalern ein Favorit des Kaisers, der seinen zarten, sorgfältigen Stil besonders geschätzt haben soll, besonders auch in den Darstellungen des kaiserlichen Paares.
Das Museum of Fine Arts in Boston besitzt eine Seidenrolle, die zum Schönsten gehört, was uns eine Vorstellung vermittelt vom Rang der höfischen Tang-Malerei. Denn auch dieses bezaubernde Werk ist eine Kopie aus der Zeit des Song-Kaisers Huizong, vielleicht von seiner Hand, vielleicht von einem Maler seiner Akademie und dann vom Kaiser bestätigt. Auf alle Fälle entspricht die Delikatesse dieser Malerei ganz dem Stil und dem Geschmack der Song-Akademie.
Hofdamen beim Aufbereiten von Seide
Die Querrolle zeigt „Hofdamen beim Aufbereiten frischgewebter Seide“ . Auf dem leeren Seidengrund bewegen sich die adeligen Damen und ihre Dienerinnen in Gewändern von heller, leuchtender, schmetterlingsgleicher Farbigkeit: Weiß, Hellblau, Gelb, Grün, Rot und Rosa in feinsten Abstufungen. Nur wenige Farbwerte sind dunkler als der Untergrund: die schwarzen Frisuren, einige Schärpen und Schals, ein Schemel, ein Holzkohlebecken. Sie bilden rhythmische Akzente und geben dem dekorativen Muster der Figuren Festigkeit. Aber nicht nur die genau definierten Silhouetten der Frauengestalten ergeben ein dekoratives Spiel, sondern auch die verschiedenartigen Ornamente auf ihren Seidengewändern. Sie sind so zurückhaltend angelegt, dass sie nirgends die klare Flächigkeit der Lokalfarbe unterbrechen. Ihr farbiger Zusammenklang, wie auch der sämtlicher übriger Gewandteile, zeugt von erlesenem Geschmack. Ein Liniengespinst von unendlicher Zartheit umspielt die Gestalten in kaum wahrnehmbarer Modulation. Es beschreibt die Gewandfalten auf denkbar knappste Weise und verleiht den Körpern dennoch Volumen ohne Andeutung von Schatten.
Diesem Sinn für Körperlichkeit, in sicherer Balance mit der Flächenwirkung, entspricht die Sicherheit, mit welcher die Figuren und die wenigen Gegenstände in einem Raum platziert sind, der nicht vorhanden ist und der uns allein durch ihre Positionen suggeriert wird. Diese Methode benutzten auch schon Gu Kaizhi und Yan Liben, doch keiner mit solch überzeugender Selbstverständlichkeit. Obwohl hier jede Überschneidung von Figuren in einer dichten Gruppierung vermieden ist, wie Yan Liben sie liebte siehe auch, sind die Beziehungen der Figuren untereinander in einen natürlichen Zusammenhang gebracht durch Haltung und Tätigkeit. Bei Gu Kaizhis „Ermahnungen“ siehe auch und Yan Libens „Kaiserbildnissen“ stehen Gruppen und Szenen noch unverbunden nebeneinander.
Hier werden die Vorgänge vollkommen undramatisch erzählt mit einem heiteren Sinn für anekdotische Details . So schlägt eine der Damen ihre langen Ärmel auf, welche normalerweise die Hände verhüllen, ehe sie mit der Arbeit beginnt. Vor dem Holzkohlebecken für das Bügeleisen kauert ein Mädchen und entfacht die Glut, indem sie mit einem Fächer wedelt. Gleichzeitig schützt sie ihr Gesicht vor der Hitze, indem sie sich abwendet und die linke Hand hebt, über welche der Ärmel gezogen ist. Oder ein kleines Mädchen bückt sich, und schaut prüfend von unten auf eine ausgespannte Seidenbahn, die von drei Frauen gehalten wird, während eine vierte die Seide glättet.
Dass es sich tatsächlich um hochgestellte Damen handelt, welche diese Arbeiten verrichten, verraten nicht nur ihre Gewänder, die, über der Brust durch ein Band gehalten, weit herabfallen, ähnlich der europäischen Empire-Mode um 1800. Auch die hochgesteckten Frisuren zeigen ihre Stellung an, während die jungen Mädchen, welche als Dienerinnen ihren Dienst verrichten, seitliche, zu einer Art „Schnecke“ gedrehte oder zu Wülsten zusammengeflochtene Zöpfe tragen. Auch sind ihre einfachen, mantelartigen Obergewänder seitlich geschlitzt und werden an den Hüften mit einer Schärpe zusammengehalten.
Die Bearbeitung von Seide gehörte offenbar zu den Pflichten von Hofdamen, ebenso wie Sticken und Nähen. Vermutlich darf man dies so verstehen, dass solche Tätigkeiten als Künste angesehen wurden, die den adeligen Frauen angemessen waren, nicht anders als Musizieren und Tanzen.
Ausflug der Dame Guoguo im Frühling
Die Vergnügungen der höfischen Damenwelt schildert eine Rolle im Provinzmuseum Liaoning: „Ausflug der Dame Guoguo im Frühling“. Sie gilt allenfalls als eine Kopie des Kaisers Huizong oder seiner Akademie nach Zhang Xuan .
Der Künstler dieser Rollen liefert uns einen Aspekt des höfischen Lebens mit höchster Anschaulichkeit. Obwohl er sich seinem Gegenstand liebevoll und mit großer Behutsamkeit annähert, bleibt er stets Beobachter, das heißt er wahrt noch die Distanz des Berichterstatters.
Zhou Fang
Der Nachfolger Zhang Xuans am Hofe von Changan wurde Zhou Fang (tätig ca. 750-804) und zwar was seine geachtete Stellung als Hofmaler betrifft, wie auch in der Themenwahl. Herkunft und Erziehung - er stammte aus einer Adelsfamilie - öffneten ihm den Zugang zu höchsten Kreisen, wo sein Talent Aufmerksamkeit erregte.
Die stilistische Haltung der beiden Meister ist praktisch identisch. Die Malweisen der bekannten Rollen sind kaum zu unterscheiden, lediglich die späteren Zuschreibungen sprechen von zwei verschiedenen Künstlern. Die große Ähnlichkeit könnte jedoch darin begründet sein, dass es sich in sämtlichen Fällen um Kopien der gleichen Schule, wenn nicht der gleichen Hand handelt. Die Urheberschaft Zhou Fangs bei den ihm zugeschriebenen Werken bleibt strittig. Seine Zeitgenossen sagten ihm einen bündigen Stil nach mit einer knappen, dünnlinigen Pinselführung ohne kalligraphisches Spiel.
Stimmen der Laute und Teetrinken
Die Präzision dieses Zeichenstils, ebenso wie die Genauigkeit und Geschmackssicherheit, mit welcher die klar begrenzten Lokalfarben der Gewänder miteinander korrespondieren, lässt sich auf einer meisterhaften Handrolle wiederfinden, die der Nelson Gallery, Kansas City, gehört: „Stimmen der Laute und Teetrinken“ .
Hier entfalten sich die gleichen Elemente wie in dem Zhang Xuan zugeschriebenen Werk, insbesondere die rhythmische Anordnung der vornehmen Damen und ihrer Aufwärterinnen vor dem leeren Seidengrund, sodass der Eindruck einer gewissen Räumlichkeit entsteht, wenn auch nicht von Raumtiefe. Die Rückenansicht einer der Damen schafft Abstand: sie schließt den Bildraum wie auf einer Bühne vom Betrachter ab. Das gleiche Mittel nutzte Zhang Xuan: das Mädchen, welches vor der ausgespannten Seidenbahn steht, wendet uns den Rücken zu.
Dennoch scheint es auf den ersten Blick auch Unterschiede zu geben, Landschaftselemente nämlich: schlanke Bäumchen und ein Felsblock, auf dem die Lautenstimmerin sitzt. Sie haben jedoch die gleiche Funktion wie die spärlichen Gegenstände bei Zhang Xuan. Sie gliedern den Raum rhythmisch und markieren den Ort des Geschehens, in diesem Falle einen Garten. Ähnliche landschaftliche Versatzstücke finden sich auch in der zeitgenössischen Figurenmalerei, beispielsweise in Dunhuang, wo in Höhle 17 ein Baum und auffliegende Vögel neben einer Bedienten einen Garten kennzeichnen. In gleicher Weise wird im Grab des Prinzen Zhanghuai siehe auch ein Garten oder eine Landschaft angedeutet.
Dame mit Bedienten
Auch auf der Querrolle „Dame mit Bedienten“ des Palastmuseums, Peking, deutet ein einzelner schmaler Baumstamm an, dass die Szene im Freien spielt . Auch dieses Werk wird Zhou Fang zugeschrieben und tatsächlich findet sich hier die gleiche rhythmische Aufreihung der Personen und Gegenstände in einem flachen Bildraum, die gleichen vielfältigen Wendungen und Haltungen, die Meidung von Überdeckungen der Figuren, sodass sich jede einzelne voll entfalten kann. Nur an wenigen Stellen werden sie von einigen Gegenständen überschnitten, was ihre räumliche Position verdeutlicht oder durch ihre Tätigkeit bedingt ist, wie etwa bei den drei Frauen am Stickrahmen. Am Beginn der Rolle sitzt die Hausherrin und lässt sich von einem Diener kühlende Luft zuwedeln.
Damen beim Doppel-Sechs-Spiel
Eine Rolle der Freer Gallery of Art, Washington, zeigt „Damen beim Doppel-Sechs-Spiel“ . Auch sie gilt traditionell als eine Arbeit Zhou Fangs. Die Charakteristika stimmen weitgehend mit den beschriebenen Werken überein. Zwar finden sich hier ebenso die Intervalle von Leerflächen zwischen den Figuren. Jedoch sind diese dichter gruppiert, sodass mehr Überschneidungen entstehen, zugleich aber die Beziehungen zwischen den Personen enger geknüpft werden.
Die Schönheiten auf diesen Bildern neigen sämtlich zur Fülle. Weniger an ihren von langen Gewändern verhüllten Körpern, als an den rundlichen Gesichtern ist dies abzulesen. Wobei scheinbar galt, je höher der Rang der Dame, um so korpulenter war sie darzustellen. Man hat diesen Idealtypus auf Yang Gueifei, die Lieblingskonkubine des Kaisers Ming Huang zurückgeführt, welche den Kaiserhof um die Mitte des Jahrhunderts beherrschte und gewiss auch in Sachen Mode tonangebend war. Jedoch erscheint dieser schwere Frauentyp bereits in den Wandmalereien der Prinzengräber des frühen 8. Jahrhunderts siehe auch.
All diesen Werken ist eine Langsamkeit der Bewegung gemeinsam, sowohl im Kompositionsablauf als in den Bewegungen der Figuren. Zum Beispiel findet sich nirgends die Andeutung einer heftigen Geste. Dadurch entsteht die Wirkung einer beschaulichen Ruhe, eines müßigen Daseins, das nur selten von leichten Pflichten unterbrochen wird und das so langsam vorüber geht wie ein Sommertag, an dem sich die Damen ihre Stunden vertreiben.
Zhang Xuan und Zhou Fang setzten Maßstäbe der Frauendarstellung und höfischer Szenen, die für alle nachfolgenden Maler dieses Genres Gültigkeit behalten sollten.
Li Zhen
Zu den wenigen authentischen Werken der Tang-Malerei, die wir mit einem Meister in Verbindung bringen können, gehört eine von sieben teilweise stark beschädigten Bildnisrollen im Toji-Tempel, Kyoto, Japan. Sie stellen die Patriarchen der Zhen yen (Wahre Welt) Schule dar, einer Richtung des esoterischen Buddhismus. Ihr Neubegründer in Japan, Kobo Daishi, welcher der Schule den Namen Shingon (Schule des Wahren Wortes) gab, brachte das betreffende Werk mit anderen Bildrollen im Jahre 807 aus China mit. Seither befindet es sich in Japan.
Es ist das besterhaltene von zwei Originalen der Sammlung, während einige der Bildnisse durch Kopien ersetzt wurden.
Der Patriarch Amoghavajra
Die Hängerolle stellt den Patriarchen Amoghavajra (705-774) dar, einen von drei Indern, welche den tantrischen Buddhismus nach China brachten . Er war der persönliche Lehrer dreier Kaiser. Das Bild stammt von Li Zhen (tätig ca. 780-804), einem Zeitgenossen Zhou Fangs, und wie dieser ein geschätzter Figurenmaler. Seine Mittel sind ähnlich. Auf leerem Seidengrund ein Sitzpodest, dessen parallelperspektivischen Schrägen eine beschränkte räumliche Wirkung erzeugen. Wie das Podest ist die sitzende Figur des großen Lehrers mit gleichbleibend dünnen Pinselzügen festgehalten. Um ihn schweben magisch wirkende chinesische und Sanskrit Zeichen. Seine Gestalt, eingehüllt in ein lose fallendes Mönchsgewand, ist als geschlossene, den Körperformen folgende Silhouette gegeben. Der Kopf und die zu einer Symbolgeste verschränkten Hände sind mit wenigen zarten Pinsellinien angelegt.
Im Gegensatz jedoch zur lichten, dekorativen Heiterkeit von Zhou Fangs Frauengestalten, spricht hier ein tiefer Ernst und eine realitätsnähere Körperhaftigkeit. Sie entsteht durch Schattengebung in den fließenden Gewandfalten, wodurch die Flächigkeit der Lokalfarbe aufgelockert und eine größere Plastizität erzielt wird. Und während Zhou Fang seine Frauen und Mädchen als Typus kennzeichnet und nicht als Personen, ist hier ein ausgeprägter Charakter dargestellt: das in Dreiviertelansicht gezeigte Gesicht mit dem seitlich gerichteten Blick, der Augenschnitt, die dicht über den Augen schräg nach unten gezogenen Brauenbögen, die mächtige, eigenartig geformte Nase, der wie ein rundender Schatten wirkende Bartansatz, der klar umrissene kahle Schädel. Die knappe, mit leichter Hand gesetzte Zeichnung überträgt einen derart überzeugenden Eindruck von Individualität, dass hier von einem echten Porträt gesprochen werden kann, wenn auch der Tantra-Meister dem Maler wahrscheinlich nicht mehr persönlich Modell gesessen hat. Es handelt sich also um das älteste erhaltene und gesicherte Porträt der chinesischen Kunst.
Guan Xiu
Die späteste namentlich bekannte Malerpersönlichkeit der Tang-Zeit, deren Tätigkeit in die Zeit der Fünf Dynastien hineinreichte, war Guan Xiu (832-912). Schon früh wurde er Mönch des chan-Ordens (jap. Zen), war oft auf Reisen, hauptsächlich in Südchina, und wurde mit Malaufträgen für verschiedene Tempel betraut, so in Hangzhou (Provinz Zhejiang) und in Chengdu (Provinz Sichuan), der damaligen Hauptstadt von Shu.
Auch er war Figurenmaler und stellte heilige Männer dar, jedoch alles andere als in porträthaftem Sinne. Sein großes Thema war der für den Chan-Mönch vorbildhafte Idealtypus des Asketen, der kraft seiner Charakterstärke und Individualität unmittelbar zur Erleuchtung gelangt: der Luohan siehe auch.
Der Luohan Nagasena
Im Nationalmuseum von Tokyo werden einige zum Teil stark restaurierte Rollen aufbewahrt, die Guan Xiu laut Inschrift für einen Tempel in Xinzhou (Provinz Jiangsu) geschaffen hat . Die Darstellung des Inders Nagasena ist von schockierender Expressivität. Sollte sein heutiger Zustand unverändert den damaligen Ausdruck widerspiegeln, so muss das Bild revolutionär gewirkt haben, denn nichts Vergleichbares ist aus der Tang-Malerei bekannt.
Von einem schräg ansteigenden Felsblock halb verdeckt, baut sich die hockende Gestalt des Heiligen gleich einem grotesken Bergmassiv auf. In seltsam verkrümmter Haltung nach vorne gebeugt, die rechte Hand unter das Kinn geschoben als seien beide Hände zu einer Art Gebetsgeste zusammengelegt, wendet der Luohan den zerklüfteten, kahlen Schädel nach rechts ins Dreiviertelprofil. Unter den dichten, seitlich weit herabhängenden Brauen quellen die runden, weit aufgerissenen Augen hervor. Unter der knollig gekrümmten Nase gibt der geöffnete Mund Rachen, Zunge und Zähne frei als entringe sich ihm ein ekstatischer Schrei: der Moment der Erleuchtung, der nach chan-Auffassung den Sucher plötzlich wie ein Schock überkommt.
Zwar sind aus Dunhuang etwa Jüngergestalten von Wandmalereien bekannt, die im Versuch der Charakterisierung zu grotesker Übersteigerung gelangen und bis zur Karikatur reichen können, wie in Höhle 158 bei Buddhas Eingang ins Nirvana. Doch gibt es keine Darstellung von vergleichbarer Gewalt des Ausdrucks wie dieser Luohan.
Trotz dieser durchschlagenden Wirkung kann die Dürftigkeit des malerischen Vortrags nicht übersehen werden. Die Tuschelinien sind ängstlich gezogen, besonders an Gewand und Körper, die Schattierung unbeholfen, besonders in den Falten und Furchen des Gesichts, und geradezu primitiv ist die Hand gezeichnet, dazu ohne organischen Zusammenhang mit dem Arm. Es scheint, als seien diese Schwächen auf spätere Retuschen zurückzuführen, denn Bildaufbau und Ausdruckskraft sprechen eine andere Sprache.
Luohan unter einer Palme
Ebenfalls im Nationalmuseum von Tokyo befindet sich eine Guan Xiu zugeschriebene Luohan-Rolle, worauf einer dieser schwer zugänglichen Charaktere unter Palmblättern sitzt, die Schuhe neben sich gestellt und einen Wedel in der Linken . Ein Blick von ruhigem Ernst geht unter den dichten Augenbrauen hervor, der schwere, eindrucksvolle Kopf ist von Haarbüscheln an Kinn, Ohr und Hinterkopf eingerahmt. Mit wenigen sicheren Linien ist die Gestalt charakterisiert, dünn und genau gezeichnet an Kopf und Händen, großzügig schwingend in kalligraphisch schwellender Breite im Gewand: ein Vortrag eines Meisters würdig. Der in sich ruhenden Schwere dieses Luohan fehlt völlig die expressive Übersteigerung des Nagasena. Sie wäre ihm auch nicht angemessen. Die kraftvolle kalligraphische Pinselführung könnte allerdings ebenfalls auf einen späteren Eingriff hinweisen, wenn es sich nicht gar um eine spätere Interpretation eines Werkes von Guan Xiu handelt.
In der Nachfolge des Meisters stehen alle Maler, die sich die Gestalt des Luohan zum Thema wählten, insbesondere die Chan-Meister des 12. und 13. Jahrhunderts.