Ästhetik der Keramik

Seiner Natur nach ist ein noch so kunstvoll gestaltetes Gefäß für den Gebrauch bestimmt. Dieser Funktion folgt seine Form und dieser wiederum der Dekor. Erst in der Benutzung entfaltet sich die volle Wirkung etwa einer Vase. Erst mit dem Blütenzweig erweist sich, ob ihre Kunstgestalt sich mit dem Naturgebilde zu einer neuen Harmonie vereint. Nicht nur die Gesamtform, sondern auch Dekor und Glasur wirken dabei mit, als Gegensatz oder als verbindendes Element. In manchen Fällen war die Glasur ausschlaggebend für die erwünschte Wirkung. So wurden bestimmte Glasurtöne für Teegefäße als ungeeignet angesehen, da sie die Färbung des Tees ungünstig beeinflussten. Grünglasuren wurden bevorzugt. Und natürlich musste eine Teeschale nicht nur harmonisch geformt sein, sondern auch gut in der Hand liegen.

Neben dem optischen verband sich also auch ein taktiler Reiz mit der Funktion. Besonders die stark reliefierte Yuan-Ware verführte zum Anfassen, aber auch der nur leicht an- und abschwellende Unterglasurdekor der Song-Keramik und ihre Nachfolge. Ja, für die Beurteilung der Qualität einer Töpferarbeit galten allgemein auch die Tastwerte als Kriterium. Ein Gefäß musste in die Hand genommen werden, erst dann erschlossen sich weitere Eigenschaften: zum Ertasten der Oberfläche, ihrer Glätte oder Rauheit, kam das Erfühlen der Gefäßform, von Volumen und Gewicht.

Und nicht genug damit. Dem optischen und dem haptischen Reiz musste sich ein dritter zugesellen: der akustische. Das vollkommene Gefäß musste beim Anschlag klingen.

In einer der zahllosen poetischen Verherrlichungen der Keramik heißt es von einem bestimmten Porzellan: „… wird es angeschlagen, erklingt ein tiefer, jadeähnlicher Ton …“. Deutlich ist hier die Anspielung auf die Klangsteine aus Jade, die, in einer bestimmten Anordnung aufgehängt, als Musikinstrument dienten und schon in der Zhou-Zeit benutzt wurden. Die Klangfähigkeit gewisser Porzellane war derart hoch entwickelt, dass man daraus hergestellte Teetassen zu Gruppen aus zwölf oder acht „Musiktassen“ zusammenstellte, die eine Tonleiter ergaben. Das Spiel auf ihnen darf man sich so vorstellen, wie wir es heute von manchen Varieté-Künstlern kennen, die auf Gläsern musizieren, indem sie diese wie ein Xylophon anschlagen.

Unter den preisenden Vergleichen der verschiedenen Porzellanarten mit Erscheinungen der Natur - „wie Silber oder Eis“, „schöner als Raureif und Schnee“ - findet sich immer wieder der Hinweis auf Jade.

Von ihrer magischen Wirkung waren schon die Shang überzeugt. Im Analogieschluss, der so kennzeichnend für magisches Denken ist, setzten sie die Härte der Jade gleich mit dem Begriff von Dauer. Sie glaubten, dass Jade langes oder gar ewiges Leben zu verleihen mag, weshalb sie im Totenkult auch späterer Dynastien eine wichtige Rolle spielte siehe auch.

Die Hochschätzung der Jade gründete also bereits im 6. Jh. v. Chr. auf einer langen Überlieferung, als Konfuzius sie pries und ihr geradezu sittlichen und universellen Charakter zuwies: „Von alters her fanden vornehme Männer das Bild aller ausgezeichneten Eigenschaften in der Jade. Weich, glatt und glänzend, erschien sie ihnen wie das Wohlwollen; fein, fest und stark, wie die Intelligenz; eckig, aber nicht scharf schneidend, wie die Rechtschaffenheit; … wenn angeschlagen, einen klaren, anhaltenden Ton gebend, doch jäh abbrechend, wie Musik; ihre Flecken verdecken nicht ihre Schönheit, noch ihre Schönheit ihre Flecken, wie die Lauterkeit; voll innerer, nach allen Seiten ausbrechender Strahlen, wie echter Glaube; hell wie ein strahlender Regenbogen, gleich dem Himmel; mit Bergen und fließenden Strömen, wie die Erde; hervorstechend als ein Symbol von Rang, wie die Tugend; von allen unter der Sonne geachtet, wie der Pfad der Tugend“.

Bei der überragenden Bedeutung, welche man der Jade beimaß, erscheint es nur natürlich, dass die Keramiker alles daransetzten, der Glasur jadeartigen Charakter zu verleihen, während Gefäßform und Dekor bis in die Tang-Zeit praktisch von den Bronzevorbildern abhängig blieben.

Die Wechselbeziehung zwischen den archaischen Bronzen, die ihrerseits selbst auf ältere Keramikvorbilder zurückgingen, und der gleichzeitigen, sowie der späteren Keramik, führte dazu, dass bestimmte Formen von Sakralgefäßen sakrosankt wurden. Ihre Imitation in Tonware war somit vorgegeben, wobei deren geringere Kostspieligkeit sicherlich eine nicht unerhebliche Rolle spielte.

Es ist anzunehmen, dass, besonders in der Frühzeit, auch die Glasur dazu diente, Bronzewirkung zu erzielen. Zugleich aber könnte man eine jadegrüne Lasur als den Versuch werten, der Wirkung alter Bronzegefäße nahezukommen und zudem die magische Ausstrahlung von Jade zu erreichen. Man muss dabei bedenken, dass nur die meistens im Boden gealterte Bronze jene wunderbare grüne Patina entwickelte, wie wir sie von den archaischen Ritualgefäßen kennen.

Güsse, welche nicht der Oxydation unterworfen waren, hatten je nach Legierung und Nachbehandlung goldgelbe, kupferrote oder dunkelbraune Tönung in den verschiedensten Abstufungen. Und in ebenso vielen oder gar mehr Nuancen von Gelb, Ocker oder Braun bis hin zu einer Skala von warmen oder kühlen Grünwerten tritt auch die Jade auf.

Mit zunehmender Unabhängigkeit der Keramikform vom Metallvorbild wurde auch die Glasur vom Imitationszwang befreit. Sie konnte sich nun sozusagen in freier Analogie zur Jade entfalten. Die Bemühungen um Grünglasuren, welche in den berühmten Seladonen gipfelten, wie sie auch noch in der Yuan-Zeit hergestellt wurden, gehen gewiss auf die Hochschätzung der Jade zurück.

Für den Kenner hatten also die Glasurfarben nicht nur ästhetische Bedeutung, sondern im Wohlgefallen schwang stets das Wissen um deren magischen Sinngehalt mit. Noch deutlicher zeigt sich dies bei der Betrachtung der Dekormotive.