Sakralarchitektur
Die Menge religiöser Bauwerke aus der Qing-Zeit ist schier unübersichtlich. Und ebenso wie in der Palastarchitektur wurden keine neuen Bauformen entwickelt, jedoch zahlreiche Varianten und Kombinationen überlieferter Architektur.
Die „Weiße Pagode“ im Beihai Park
Das erste buddhistische Großprojekt der frühen Qing-Zeit wurde bereits 1651 in Angriff genommen. Während der Regierung des ersten Qing-Kaisers Shun zhi besuchte der fünfte Dalai Lama Peking. Aus diesem Anlass ließ der Kaiser auf Anregung einflussreicher tibetischer Lamapriester die Tempelanlage der „Weißen Pagode“ errichten, die seit Qian long „Tempel des Immerwährenden Friedens“ (Yong an si) heißt und deren Krönung die „Weiße Pagode“ (Bai ta) darstellt. Der Bau dieses Komplexes hatte nicht allein religiöse Gründe. Zwar waren die Mandschu selbst Anhänger der tantrischen Form des Buddhismus, doch wurde mit dieser Huldigung des Dalai Lama auch dem Glauben der nördlichen und westlichen Völker Reverenz erwiesen, um den Zusammenhalt dieser Völkerschaften mit dem Reich zu stärken.
Die Bai ta erhebt sich auf der Hügelspitze der künstlichen „lnsel der Kostbaren Jade“ (Qiong hua dao) im „Nördlichen See“ (Beihai). Mit zwei weiteren Seen im Westteil der Kaiserstadt, dem „Mittleren“ und dem „Südlichen See“ (Zhong hai und Nan hai), bildete er den Kern einer kaiserlichen Parkanlage, deren Geschichte bis in die Liao Zeit (10. Jh.) zurückreicht. Die folgenden Dynastien der Jin, Yuan, Ming und besonders der Qing nahmen Veränderungen und Erweiterungen vor. An den Ufern der Seen entstanden Paläste und Vergnügungspavillons. Auf dem Gipfel der Qiong hua Insel errichteten die Jin den Palast der „Mondhalle“ (Guang han dian), den ein Erdbeben zerstörte und an dessen Stelle sich später die „Weiße Pagode“ erhob, die selbst mehrfach von Erdbeben beschädigt wurde. Südlich der Qiong hua Insel bauten die Jin einen Tempel auf einer kleineren Insel, deren Umgebung unter den Ming aufgeschüttet und von einem Mauerrund umschlossen wurde. Diese befestigte „Runde Stadt“ (Tuan cheng) bildete bereits während der Yuan Zeit das Stadtzentrum außerhalb des Kaiserpalastes. Die „Brücke des Immerwährenden Friedens“ (Yong an qiao) Brücke aus weißem Marmor, welche die „Runde Stadt“ im Süden mit der „lnsel der Kostbaren Jade“ verbindet, stammt aus dieser Epoche . Die Brücke ist zweifach abgeknickt und zwar so, dass ihr nördliches und ihr südliches Ende jeweils genau in der Achse verläuft, welche zu den zentralen Gebäuden der beiden Tempelgruppen führt, also im Süden zu der „Halle der Erleuchtung“ (Cheng guang dian) im Mittelpunkt der „Runden Stadt“, im Norden zur Bai ta. Offenbar sollten die beiden Anlagen in dieser Weise durch eine Achse miteinander verbunden werden, da sie nicht exakt auf einer Nord-Süd Linie liegen. An beiden Enden der Brücke erhebt sich ein Ehrentor.
Auf der Achse, die von der Brücke zur Hügelspitze der Qiong hua Tempelinsel hinaufführt, reihen sich symmetrisch angeordnet die Tempelgebäude. In konventioneller Formation finden sich hier Vorhallen, Haupthallen und Seitengebäude auf Terrassen hintereinander gestaffelt und durch Treppen verbunden. Die Terrassen sind gleich den Tempel- und Palasthöfen ummauert. Hinter dem Yong an Tempel am Fuß des Hügels führt eine Treppe zu einer Terrasse mit einem weiteren Ehrentor, das vor der Treppe zu einem zweiten Tempelkomplex steht mit der „Halle der Rechten Erweckung“ (Zhen jue dian) als Hauptgebäude. Wie die übrigen Pavillongruppen, die ringsum an den Hängen des Qiong hua Hügels errichtet wurden, stammen die meisten Bauten aus der Qian long Periode.
Bauform und Symbolik
Eine letzte langgezogene Treppenflucht hinter der Zhen jue dian mündet an einer quadratischen Terrasse, auf der sich eine zweite Terrasse erhebt, in deren Mitte ein dritter Block emporragt: der gewaltige Sockel der „Weißen Pagode“ . Der aus Ziegeln errichtete Symbolbau entspricht in fast allen Einzelheiten - mit Ausnahme gewisser Proportionsunterschiede - dem älteren flaschenförmigen Stupa des Miao ying si siehe auch, der ebenfalls „Weiße Pagode“ genannt wird wegen seiner weißen Putzschicht. Der Sockel der Bai ta auf dem Hügel der Jade-Insel springt an jeder Seite nur einmal vor, symbolisiert damit aber ebenfalls die vier Tore des magischen Mandala-Zeichens. Die quadratische Grundform des Sockels stellt nicht allein ein Mandala dar, sondern zugleich die Zone des Irdischen. Darüber beginnen die verschiedenen Ebenen der geistigen Sphäre, die sich als Rundformen manifestieren. Über einem Kranz von Lotosblättern schichten sich drei ringförmige Stufen, aus denen die Kuppel emporsteigt . Ihre zylindrische Form verbreitet sich nach oben, sodass sie einer Almosenschale gleicht, wie sie von Mönchen benutzt wird. Im esoterischen Verständnis ist dies die Zone des kosmischen Bewusstseins, das im Urozean ruht. Es folgt noch einmal eine quadratische Struktur mit vier Vorsprüngen, die - verkleinert - dem Pagodensockel ähnelt. An dieser Stelle befand sich auf dem altindischen Stupa der symbolische Kasten für die Opfergaben (harmika), während die Reliquien im Inneren des Bauwerks eingemauert wurden. Darüber wächst aus einem Lotoskranz eine konische Säule empor. Ihre Höhe entspricht etwa der Kuppel. Gemeinsam gleichen sie einer Flasche, nehmen also die Gestalt eines Reliquienbehälters an. Deshalb kam der Name „Flaschen-Stupa“ oder „Flaschen-Pagode“ für diesen Bautypus auf. Der kegelförmige „Flaschenhals“ ist dreizehnfach eingekerbt, sodass ebenso viele Ringe entstehen. Baugeschichtlich sind sie aus den Ehrenschirmen entstanden, die über altindischen Stupas errichtet wurden. Im esoterischen Buddhismus gilt dieser Kegel als Zone des Elements Feuer. Der krönende Bronzebaldachin besteht aus zwei durchbrochenen Scheiben, von denen die untere schirmartig über die Kegelspitze gestülpt ist und an der Glöckchen hängen. Die obere ist von etwas kleinerem Durchmesser und gleicht einer Schale. Sie werden „Himmel- und Erdscheibe“ genannt (tian di pan). Aus der oberen Schale ragen drei Motive empor, an denen noch heute die einstige Vergoldung erkennbar ist: ein liegender Halbmond, auf dem eine Scheibe ruht. Es sind Mond und Sonne, in ihrer Vereinigung die kosmische Einheit symbolisierend. Sie werden mit dem Element Luft gleichgesetzt. Das dritte flammenförmige Motiv bildet die äußerste Spitze der Pagode: es ist die Zone des Äthers, des letzten und höchsten noch darstellbaren Elements, das der äußersten Bewusstseinsebene entspricht vor dem Nichtsein.
An der Südseite ist eine riesige Nische in die zylindrische Kuppel eingelassen . Die amphorenförmige Öffnung erweitert sich nach oben und wird von einem dreifachen Bogen abgeschlossen. Sie gleicht einem stilisierten Lotosblatt. Ein breiter Fries, welcher den Umriss der Öffnung wiederholt und mit farbigem Rankenornament geschmückt ist, umschließt die Nische. Vor einem roten Grund steht auf einem Lotossockel, gekrönt von Halbmond, Sonnenscheibe und Flammenspitze, ein vergoldetes tibetisches Schriftzeichen, das „Tor des Augenlichts“ (Yan guang men). Dieses Motiv erscheint hier zum ersten Mal an einer lamaistischen Pagode in China.
Auf der Terrasse unterhalb dieses symbolischen Portals, am Ende der zentralen Achse der gesamten Tempelanlage, erhebt sich als Vorspiel zum Allerheiligsten ein quadratischer Pavillon auf einem rechteckigen Sockel . Das Rot dieses Sockels korrespondiert mit dem Rot der Nische. An den Seiten führen Treppen auf die Plattform, die von einer weißen Marmorbalustrade umsäumt wird). Der kleine Pavillon ist ein Ziegelbau von drei mal drei Jochen in der üblichen Nachahmung von Holzarchitektur mit Stütz- und Querbalken und Konsolen unter den Traufdächern. Das untere Dach folgt dem quadratischen Grundriss der Halle und ist an den Graten mit den Dachreiterfiguren höherrangiger Gebäude versehen. Das obere Dach ist ein rundes Zeltdach und endet mit einem vergoldeten Knauf. Auch hierin findet sich chinesische Symbolsprache wieder: das untere Dach steht für die quadratische Erde, das obere für den runden Himmel. Der gesamte Pavillon ist mit farbiger Keramik überzogen, die Balkenimitationen mit dem vorwiegend Grün-Blau Dekor des he xi Stils, die Säulen mit Rot und Gold. In die blau glasierten Wandflächen sind 455 Nischen eingelassen, in denen goldgelbe Buddhafiguren sitzen. Die starke Farbigkeit des Sockels und des Pavillons kommt vor dem strahlenden Weiß der Pagode in besonderer Weise zur Geltung. Die „Halle der Gütigen Stimme“ (Shan yin dian) oder „Halle der Herzensgüte“ (Shan xin dian) ist dem Bodhisattva Manjushri (Wen shu) geweiht, dem Bodhisattva der Weisheit, dessen Bronzestandbild im Inneren aufgestellt ist. Nach alter Überlieferung soll er die Lehre Buddhas in China verbreitet haben.
Ein buddhistisches Universum: die Pagode des „Gelben Tempels“ (Huang si)
Ebenso wie die Bai ta geht der „Gelbe Tempel“ in Peking auf Kaiser Shun zhi zurück, welcher an der Stelle eines Liao Tempels eine Residenz für den Panchen Lama errichten ließ, der im Jahre 1652 Peking besuchte. Fortan wurde der Tempel Wohnsitz hoher tibetischer Würdenträger, wenn sie sich in Peking aufhielten. Der sechste Panchen Lama starb hier im Jahre 1780 während eines Staatsbesuchs, den er dem Qian long-Kaiser abstattete. 1782 ließ dieser die „Pagode des Reinen Landes“ (Qing jing hua yu) als Erinnerungsmal im „Gelben Tempel“ errichten, nachdem die Urne des Panchen Lama in Tibet bestattet worden war.
Weit entfernt von der Schlichtheit früherer Flaschenpagoden, ist diese eher ein Werk der Skulptur, als der Baukunst. Es weist eine komplexe lkonographie auf, in der verschiedene Vorstellungen des esoterischen Buddhismus zusammenfließen und bildhafte Gestalt annehmen. Mit dem „Reinen Land“ ist eines der Buddha-Paradiese gemeint, von denen das „Westliche Paradies“ des Buddha Amitabha (0 mi to fo) das populärste war. Einst war die „Schule des Reinen Landes“ (Jing tu zong) in China weit verbreitet. Ihre Anhänger hofften auf eine Wiedergeburt im „Westlichen Paradies“ durch die Anrufung des Amitabha. Im Mahayana und im tantrischen Buddhismus Tibets ist Amitabha jedoch nur einer von unzähligen kosmischen Buddhas, von denen jeder eine jenseitige Welt beherrscht und denen weitere Buddhas und Bodhisattvas zugeordnet sind. Dementsprechend sind auch an diesem Heiligtum zahlreiche Buddha- und Bodhisattvafiguren dargestellt. Möglicherweise ist mit dieser Pagode eine sinnbildliche Verkörperung jenes „Reinen Landes“ des Amitabha beabsichtigt, in dem die Seele des Abgeschiedenen wiedergeboren wird, ehe sie ins Nirvana eingeht.
Auf einer von Ziegelbalustraden umschlossenen Plattform stehen nördlich und südlich der Pagode zwei steinerne Ehrentore mit drei Durchgängen im üblichen Stil der Holzbauweise . Ihre Balken tragen Inschriften und sind mit reichem Reliefschmuck von Drachen und Phönixen zwischen Wolken bedeckt sowie mit den „Acht Kostbarkeiten“ des Buddhismus siehe auch. Den Treppenaufgang zu der mit Marmor verkleideten Terrasse flankieren zwei apotropäische Ungeheuer (bi xie) wie sie auch sonst an Grabanlagen zu finden sind. Es ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei diesem Bauwerk nicht nur um eine Pagode im allgemein religiösen Sinn handelt, sondern außerdem um einen Kenotaph. Wie der Sockel der Bai ta hat die Terrasse nach jeder der vier Himmelsrichtungen einen Vorsprung und ist von einer Marmorbalustrade umgeben. In der Mitte der Terrasse erhebt sich der Sockel der zentralen Pagode . Seine acht Seiten weisen in die Haupt- und Nebenhimmelsrichtungen, also in alle Weltrichtungen. Er ist vollständig mit Reliefschmuck überzogen. Unten und oben springen Wulstgesimse vor. Auf einen Lotosfries am Fuß des Sockels folgen Gesimsbänder mit floralen Ornamenten, mit Wellenmustern und allerlei Getier. Der Mittelteil ist zwischen den unteren und den oberen Gesimsen eingeschnürt zu einem breiten Reliefband. An den Ecken wachen acht halbnackte Ringerfiguren „Verteidiger des Glaubens“, die fast vollplastisch durchgebildet aus der dahinter liegenden Reliefebene hervortreten. Auf den acht Seiten des Sockels sind die „Acht Großen Ereignisse“ im Leben des Buddha Shakyamuni dargestellt, also des Erleuchteten, der die Lehre in dieser Welt und in diesem Zeitalter verkündet hat. Demzufolge kann der Sockel nach der Lehre von den „Drei Welten“ (Triloka) als Sphäre des Irdischen verstanden werden (Kamaloka), zugleich aber auch als Thronsitz des Buddhas, der in der Pagode verkörpert ist. In den „Drei Welten“ findet der Kreislauf der Wiedergeburten statt, aus dem auszutreten das höchste Ziel des Buddhisten ist. Die nächste Stufe ist die „Welt der Formen“ (Rupaloka), in welcher noch Körperlichkeit herrscht, jedoch ohne irdische Begierde. Diese Zone könnte mit den oberen Gesimsen gemeint sein, die abstrakte Muster, Rankenwerk und Phantasievögel in Form von Phönixen zeigen.
Auf diesem Thron erhebt sich - wiederum auf einem Lotosgesims - ein geometrisches Gebilde, dessen Kern quadratisch ist und das an seinen vier Seiten jeweils zwei gleich große rechteckige Vorsprünge hat. Wie der Sockel der Bai ta stellt diese Struktur ein dreidimensionales Mandala dar, dessen vier Tore zum spirituellen Eintritt nach den Kardinalgegenden ausgerichtet sind. Dieser zwölfkantige Block ist in vier jeweils geringfügig zurückgesetzte Stufen gegliedert, die alle gleichmäßig mit einem Muster aus kleinen Wölkchen überzogen sind. Es ist die Darstellung von vier Himmelszonen, die mit den vier Himmeln der Welt des Körperlosen (Arupaloka) übereinstimmen. In jedem dieser Himmel schweben zwei Buddhas an den Frontseiten der Mandala-Vorsprünge, also acht in jeder Himmelsrichtung. Da es sich in jeder Zone um zwei Buddhas an den Toren des Mandalas handelt, können sie als Wächter des Eingangs in die vier Himmel, beziehungsweise ins Innere des Mandalas aufgefasst werden. Die Zahl Acht erscheint immer wieder in der Gliederung der Meditationsstufen oder spiritueller Welten. Diese Buddhas sitzen im Lotossitz auf Lotosthronen innerhalb kreisförmiger Medaillons und zeigen verschiedene Gesten (Mudras) siehe auch.
Über dieser höchsten Stufe der „Drei Welten“, die noch immer dem Kreislauf der Existenzen (Samsara) angehört und in der rein geistige Wesen wohnen, erhebt sich auf einem Lotoskranz der zylinderförmige, nach oben verbreiterte Körper der Pagode, dessen oberer Rand mit einem weiteren Lotosfries geschmückt ist. Es ist der eigentliche Stupa, der auch mit dem Leib des Buddha gleichgesetzt wird . Nach den verschiedenen Interpretationen dieses Bauteils, symbolisiert er eine Zone des Transzendentalen, in der noch ein universelles Bewusstsein herrscht oder ein“ Geist der Erleuchtung“, den ein Bodhisattva anstrebt, und den ein Buddha erreicht hat. Daraus erklärt sich die Darstellung von Bodhisattvas und Buddhas an den Wänden des normalerweise figurenlosen Stupas: bildhafte Manifestationen seines Kerns. Die tibetische Bezeichnung „Chörten“, was „Opfergefäß“ heißt, was aber auch als Schatzbehälter gedeutet werden kann, wäre auf diese Weise anschaulich illustriert. Es sind acht prächtig gewandete Boddhisattvas, die ringsum in erhabenem Relief gleichsam aus dem Inneren der Pagode hervortreten.
Nach Süden, dem Treppenaufgang zugewandt, von wo sich der Verehrende nähert, sitzen in einem hufeisenförmigen Bogen aus Blüten und Ranken, ähnlich dem „Tor des Augenlichts“ an der Bai ta, drei Buddhas auf Lotosthronen . Der mittlere ist größer dargestellt, als die beiden seitlichen. Er zeigt die „Geste der Erdberührung“ mit der Rechten (Bhumisparsha mudra), die der Buddha Shakyamuni im Moment seiner Erleuchtung ausführte, um die Erde (Bhumi) als Zeugin anzurufen. Er erscheint hier als der Buddha des gegenwärtigen Weltzeitalters. Der linke Buddha nimmt die gleiche Haltung ein, was darauf hinweist, dass auch er die Erleuchtung erlangt hat. Es ist der Buddha der Vergangenheit, der entweder als Dipamkara, der erste aller irdischen Buddhas, aufgefasst wird, oder als Kashyapa, der Buddha des vorigen Weltzeitalters. Die rechte Buddhagestalt ist in Meditationshaltung dargestellt (Dhyani mudra), die Hände mit den Innenflächen nach oben ineinander gelegt. Dies verdeutlicht, dass es sich hier um eine Gestalt handelt, die sich in Meditation, also noch auf dem Weg zur Buddhaschaft befindet: es ist der Buddha der Zukunft, Maitreya.
Mit diesem figürlichen Bildprogramm und den ihm zugeordneten Gliedern vom Sockel bis zur zylindrischen Kuppel wird die Allgegenwart des Buddhawesens in allen Welten, auch den spirituellen, und in allen Epochen manifestiert, also in Raum und Zeit.
Wie bei allen lamaistischen Pagoden folgt über der Kuppel der kastenartige Block, der ursprünglich den Opferbehälter darstellte, also jene kubische Struktur mit Vorsprüngen an den vier Seiten, welche die Form des Mandala-Sockels verkleinert wiederholt. Hier ruht sie auf einem Lotoskranz. Über einem weiteren Ring von Lotosblättern erhebt sich der Kegel aus dreizehn Scheiben, den einstigen Ehrenschirmen, die zuweilen als spirituelle oder Bewusstseins-Ebenen, also als „Himmel“ interpretiert werden. Den krönenden Abschluss bildet ein Bronzebaldachin aus einem Kranz herabhängender Lotosblätter und zwei Girlanden aus Rankenwerk, die an den Seiten des Schirmkegels herabhängen, ähnlich dem Dekor von Gefäßen, die den Nektar der Unsterblichkeit enthalten und die zu den „Acht Kostbarkeiten“ des Buddhismus (Ashtamangala) gehören. Damit wird die gesamte Flaschenpagode zu einem solchen Gefäß. Die Spitze des Baldachins besteht hier nicht aus Mondsichel, Sonne und Flamme, sondern aus zwei übereinander gesetzten, knospenförmigen Lotosblüten, den Symbolen der Reinheit und der Erleuchtung.
Um die Lama Pagode erheben sich an den vier Ecken der Terrasse vier massive Steinpagoden im chinesischen Stil . Mit ca. acht Metern Höhe sind sie nur etwa halb so hoch wie das zentrale Bauwerk. Sie sind oktogonal und durch Gesimse horizontal gegliedert, zum Teil mit Dachziegelimitationen, welche die umlaufenden Dächer großer Stockwerkpagoden nachahmen. Die Basisgesimse tragen reichen Reliefschmuck, in den oberen Geschossen wiederholen sich Doppelreihen von Lotosblättern. Die drei oberen Dächer verjüngen sich stark zur Spitze hin, die aus einem breiten und einem kleineren Lotosring besteht, aus dem der Knauf des buddhistischen Juwels (bao ding) herausragt. Die drei Geschosse unterhalb der drei Dächer sind an allen acht Seiten mit kleinen, spitzbogigen Nischen versehen. In jeder von ihnen ist ein kleines Relief einer sitzenden Buddhafigur in Meditationshaltung ausgemeißelt. Der langgestreckte Schaft zwischen den Basisgesimsen und den Gesimsen des ersten Geschosses ist über und über mit eingravierten Schriftzeichen bedeckt. Es sind Sutren, deren Kurzformeln (dharani) magischen oder symbolischen Gehalt vermitteln und als Meditationshilfe dienen . Diese Dharani-Pfeiler (jing chuang) siehe auch siehe auch nehmen einen wichtigen Platz ein im Ritual des esoterischen Buddhismus.
Zusammen mit der Hauptpagode in der Mitte bilden sie einen Typus, der in einer Inschrift des „Fünf Pagoden Tempels“ (Wu ta si) in Peking siehe auch mit der „Pagode auf dem Diamantthron“ in Indien verglichen wird, mit dem Mahabodhi Tempel von Bodhgaya. Gemeint ist damit ein Fünf Pagoden Ensemble wie es auch der Wu ta si bildet. Während dieser jedoch eine Besonderheit darstellt, da er stark von seinem indischen Vorbild geprägt ist, sind die meisten chinesischen Pagoden dieser Art - außer den Nachahmungen des Wu ta si - der einheimischen oder eben tibetischen Bautradition verpflichtet. Die ältesten Beispiele sind aus der Nord-Wei-Zeit überliefert als Wandmalerei oder Votivmodell. Der Grundgedanke ist indischen Ursprungs, der sich hier mit bestimmten chinesischen kosmologischen Vorstellungen trifft. Die quadratische Terrasse steht für die quadratische Erde, in deren Mitte sich der Weltberg Meru erhebt - oder im Zentrum des Kosmos - symbolisiert durch die zentrale Pagode. Die vier Eckpagoden entsprechen den Randgebirgen der Welt. Andere Interpretationen sprechen von den „Fünf Gipfeln des Meru“. In der altindischen Tempelarchitektur der Hindus tritt bereits der Fünf-Türme Typus auf mit der gleichen kosmologischen Symbolik. Der zentrale Cella-Turm wurde bei Shiva-Tempeln mit dem Sitz und dem Paradies des Gottes gleichgesetzt, dem Berg Kailasa im Himalaya, der sowohl Hindus als auch Buddhisten heilig ist. Der Kailasa aber wurde auch mit dem kosmischen Berg Meru identifiziert.
Die Grundstruktur eines Fünf-Türme Heiligtums war also nicht allein mit Vorstellungen vom Aufbau des Universums verbunden, sondern galt in beiden Religionen auch als Abbild eines Paradieses, also im buddhistischen Kontext eines „Reinen Landes“, über das jeweils ein tranzendenter Buddha herrscht.
Der „Tempel der Großen Glocke“ (Da zhong si)
Im Jahre 1733, zur Zeit des Yong zheng-Kaisers, wurde im „Tempel des Erwachenden Bewusstseins“ (Jue sheng si) ein Pavillonturm zur Aufnahme einer Glocke errichtet, die zu den größten der Welt gehört . Sie wurde mit fünf weiteren Glocken während der Regierung des Ming Kaisers Yong le gegossen. Sie sollten an den sechs Ecken der Stadtmauern von Peking Aufstellung finden. Solche Glocken besaßen keinen Klöppel und wurden nicht bewegt, sondern von außen angeschlagen, um die Zeit anzukündigen. Die Glocke des Da zhong si ist die einzige, die noch existiert. Sie befand sich in einem anderen Tempel, bevor sie auf künstlichen Eisbahnen an ihren neuen Ort transportiert wurde. Sie ist fast sieben Meter hoch und wiegt über 46 Tonnen. Ihr Nachhall dauert über eine Minute, ihr Klang soll im Umkreis von 50 Kilometer noch zu hören sein. Die Innen- und Außenwände der Glocke sind vollständig mit 227.000 Schriftzeichen bedeckt, den Texten des Lotos- und des Diamantsutras. Für den gläubigen Buddhisten war die Stimme der Glocke somit zugleich die Stimme Buddhas.
Der Glockenpavillon des Dazhong si gehört zu einem relativ seltenen Typus, der, obgleich im Kontext mit anderen Bauwerken, als Einzelgebäude hervorgehoben wird, wie zum Beispiel der kleine Wen shu Tempel vor der Bai ta oder der Pavillon auf dem Dach des Wu ta si . Allenfalls tritt er als einzelstehender Gartenpavillon auf. Es ist ein zweigeschossiger Holzbau, dessen Untergeschoss quadratisch und dessen Dachgeschoss rund ist. Mit annähernd 16 Metern Höhe gehört er zu den größten dieser Art. Er ruht auf einer Balustraden-Terrasse, deren Vorder- und Rückfront über Treppen erreichbar ist, von wo weitere Stufen zur Haupthalle führen. Sie besteht aus drei mal drei Jochen. Ihre Mitte wird vollständig von der riesigen Glocke eingenommen, deren Stützkonstruktion mit dem gewaltigen Querbalken, an dem die Glocke hängt, bis ins Obergeschoss reicht. An der Nord- und der Südfassade sind Fenster zwischen die äußeren Joche eingelassen, die breiteren Mitteljoche haben Türen, alle mit reichem Holzgitterwerk. Die Seitenwände sind aufgemauert. Das Kegeldach des Obergeschosses wird von zwölf Rundsäulen getragen, deren Zwischenräume mit Fenstern geschlossen sind. Im Unterschied zu den meisten aus Holz errichteten Rundpavillons, bei denen es sich eigentlich um polygonale Architektur handelt, ist dieses Geschoss eine echte Rundkonstruktion. Die Horizontalbalken unter dem vorstehenden Traufdach sind gebogen. Auch dies erscheint nicht häufig bei Holzkonstruktionen. Prominente Beispiele sind die beiden Rundgebäude des Himmelstempels siehe auch oder der Xu guang ge im Pu le Tempel von Chengde siehe auch. Der relativ hohe Rang des Da zhong si wird durch die reiche he xi Bemalung des Balkenwerks hervorgehoben, dem Dekorstil der Palastarchitektur, und durch die fünf Dachreiterfiguren auf jedem der zwölf Dachgrate des Kegeldaches und den vier des quadratischen Erdgeschossdaches.
Der „Palast der Ewigen Harmonie“ (Yong he gong)
Ehemals Sitz des Thronfolgers, wurde die 1694 errichtete Anlage später in ein Tempelkloster umgewandelt wie es die Tradition vorschrieb. Unter der Regierung des Yong zheng-Kaisers (Reg. 1723 - 35) brannte sein ehemaliger Palast teilweise ab. Erst unter seinem Nachfolger, dem Qian long-Kaiser, wurden die erhaltenen Teile ihrer neuen Bestimmung übergeben. Die grünen Dachziegel eines Prinzenpalastes wurden durch gelbe ersetzt und der Palast in den Rang eines kaiserlichen Tempels erhoben, der den Namen Yong he gong erhielt. 1744 erfolgte die formale Einweihung als Lamatempel.
Die strenge axiale und symmetrische Süd-Nord Anordnung ist kennzeichnend für die zeremonielle Abfolge einer Palastanlage. Um sie in ein Tempelkloster zu verwandeln bedurfte es nur geringer Veränderungen durch die Aufstellung von Statuen und Altären sowie durch die Nutzung bestimmter Hallen als Bibliotheken oder Lehrräume. Die einzigen architektonischen Hinzufügungen, welche einen Palast von einer Tempelanlage unterscheiden, sind der Trommel- und der Glockenturm, in der Spätzeit zuweilen unter Verzicht auf eine Pagode .
Nach einem quer zur Achse liegenden Vorhof mit einem Ost- und einem Westtor, einer Geistermauer und einem Schmucktor vor einer langgestreckten Gartenallee, führt eine dreiflügelige Toranlage in den ersten Innenhof. Hier erheben sich links der Trommel- (gu lou) und rechts der Glockenturm (zhong lou), beide quadratisch, nördlich davon zwei oktogonale Stelenpavillons (bei ting), alle mit doppelten Dächern . Östlich und westlich schließen Seitenhallen den Hof ab.
Der nächste Komplex, an allen vier Seiten von Gebäuden umschlossen, wird von der „Halle der Himmelskönige“ (Tian wang dian) eingeleitet, dem ersten der fünf Hauptgebäude auf der Mittelachse . Drei Treppen führen auf die Plattform der eingeschossigen Halle, die ein Fußwalmdach trägt. Sie zählt fünf Joche in der Breite und hat ebenso viele Rundbogenöffnungen, die in das Mauerwerk der Fassade eingelassen sind. Drei Mittelportale bilden den Zugang. Dadurch bewahrt der Bau das Aussehen einer Torhalle, durch die einst das Palastinnere betreten wurde. Auch entspricht dies der Wächterfunktion der in der Halle an beiden Seiten aufgestellten vier Könige der Himmelsrichtungen. Ihre Attribute sind zugleich ihre Waffen und die Werkzeuge ihrer Macht, womit sie die Feinde des Buddhismus abschrecken. Der König des östlichen Himmels trägt die Laute Pipa, welche die Feinde ertauben lässt, der des südlichen Himmels das Schwert, der Nordkönig den Schirm, der Westkönig die Schlange. In der Hallenmitte ist die Statue des Buddhas der Zukunft, Maitreya, aufgestellt. In den chinesischen Klöstern ist er an dieser Stelle als der dicke, lachende Mönch „Hanfsack“ (Bu dai) siehe auch dargestellt, der Inkarnation des Maitreya. Rücken an Rücken mit ihm, meistens durch einen Wandschirm getrennt, steht Wei tuo, der Verteidiger des Glaubens, nach dem Gefahr bringenden Norden ausgerichtet und bewehrt mit einer Eisenstange. Es ist die übliche Anordnung der Standbilder in einer Halle der Himmelskönige.
Im Zentrum des darauf folgenden Innenhofs steht auf einer Plattform, die sich von der Tian wang Halle nach Norden erstreckt, ein quadratischer Pavillon mit Doppeldach, das aus einem umlaufenden Traufdach und einem oberen Zeltdach besteht. Zwölf Stützen bilden drei Joche nach jeder Seite, zwischen den mittleren ist jeweils ein Zugang frei gelassen. Innen füllt den Raum eine mächtige Stele fast vollständig aus. Auf ihr wird die Geschichte des Lamaismus in vier Sprachen berichtet, wonach das Gebäude den Namen „Pavillon der Viersprachigen Stele“ (Si ti bei ting) trägt . Unmittelbar dahinter verbreitert sich eine Terrasse mit zwei seitlichen Treppen, die vom Hofniveau aus, und zwei kleinen Treppen, die von der Plattform des Stelenpavillons aus hinauf führen. Ohne eine weitere Stufenfolge schließt die „Halle des Palastes der Ewigen Harmonie“ an (Yong he gong dian) . Mit einem mächtigen Fußwalmdach, sieben Jochen in der Breite und fünf in der Tiefe hat das eingeschossige Bauwerk die Dimensionen einer Palasthalle. Die Stützen der ersten Reihe stehen frei und bilden eine offene Säulenveranda. Durch das breitere Mitteljoch führt der Zugang ins Halleninnere. Hier sind vier Säulen der dritten Reihe so weit zurückgesetzt, dass ein breites Querschiff entsteht mit zwei Jochbreiten in der Tiefe. Der Altar im Hintergrund nimmt drei Joche in der Breite ein. Er verdeckt den nördlichen Ausgang. Auf dem Podest erheben sich die Buddhas der drei Zeitalter , an den Schmalseiten der Halle achtzehn Luohan-Statuen. Vor der Nordwand flankiert im Osten Kshitigarbha (Di zong), der die Seelen aus der Hölle führt, den Altar, im Westen Avalokiteshvara als tausendarmiger Guan yin.
Die vier Seitenhallen dieses Hof- und Gebäudekomplexes und die „Halle der Himmelskönige“ im Süden sind durch kleine Zwischenhallen aneinander gefügt, ohne jedoch durchgehende Galerien zu bilden, während das Hauptgebäude frei steht. Diese vier Hallen waren dem Studium der Wissenschaften geweiht. In der sieben mal drei Joche messenden, mit einem Satteldach gedeckten Halle östlich des Stelenpavillons, der „Halle der Esoterischen Lehre“ (Mi zong dian) oder „Tantra Halle“ und in ihrem westlichen Pendant, der „Halle der Sutra Auslegung“ (Jiang jing dian) wurden die Mönche theologisch geschult. In den beiden nördlichen Seitenhallen wurden Medizin und Mathematik gelehrt: im Osten die „Halle des Königs der Heilkunst“ (Yao wang dian) mit dem Standbild des „Lehrers der Heilmittel“, dem Buddha Bhaishajya Guru (Yao shi fo) in einer Dreiergruppe. Die mittlere Figur stellt den Gründer des einflussreichsten Lamaordens der „Gelbmützen“ dar, Tsongkhapa. Links neben ihm der Buddha Amitabha. Das Gegenstück westlich der Yong he gong Halle ist die „Halle der Mathematik“ (Shu xue dian), in der auch Grammatik und Literatur gelehrt wurden unter den Augen des Reformators Tsongkhapa, dessen Standbild mit zwei Jüngern hier ebenfalls aufgestellt ist. Die beiden Hallen sind identisch mit einem T-förmigen Grundriss und einer fünf Joche breiten Säulenveranda. Der vordere Raum, in dem sich die Schüler niederließen, besteht ebenfalls aus fünf Jochen und ist mit einem Satteldach gedeckt. Die hintere Halle, die ohne Zwischenwand anschließt, ist schmäler und besteht aus drei mal zwei Jochen. Zwei kleinere Satteldächer von je einer Jochbreite überdecken parallel zum vorderen Hallendach den hinteren Raum.
Hinter der Yong he gong Halle breitet sich ebenfalls eine Terrasse aus, die über zwei seitliche Treppen vom Hof aus erreichbar ist. Von dieser Terrasse aus führt in der Mitte eine dreifache Treppe zu einer Plattform, welche die gesamte Breite des Tempelbezirks von Mauer zu Mauer einnimmt und sich bis hinter die letzte der großen Hallen erstreckt. Auch vom Hofniveau führen eine östliche und eine westliche Treppe hinauf. Hier trennt eine Mauer den Komplex der Yong he gong Halle von der folgenden Gebäudegruppe. Sie nimmt die nach Süden geschlossene, U-förmige Anordnung von Galerien und Seitengebäuden auf, sowie die Position des zentralen Bauwerks, das frei steht und von den Flügelarmen der seitlichen Hallen umschlossen wird.
Die dreifache Mitteltreppe endet vor dem nächsten Gebäude auf der zentralen Achse, der „Halle des Ewigen Beistands“ (Yong you dian). Ihre Position entspricht der „Halle der Himmelskönige“ und wie diese hat sie die Funktion einer Empfangshalle, eines Raumes der inneren Vorbereitung vorm Betreten des nächsten heiligen Bezirks. Auch diese Halle zählt fünf Jochbreiten und trägt ein Fußwalmdach. Im Gegensatz zur „Halle der Himmelskönige“ handelt es sich um eine reine Holzkonstruktion, wie üblicherweise die Hallen mit Portalcharakter in den inneren Bezirken von Tempeln oder Palästen. Von den drei Jochbreiten, welche die Tiefe der Halle bilden, hat die mittlere den größten Säulenabstand, sodass auch hier ein geräumiges Querschiff entsteht vor dem Altar im Hintergrund. Hier wurde Amitabha verehrt zwischen dem „Buddha der Heilkunst“ (Yao shi fo) und dem „Buddha mit der Löwenstimme“, Simhanada (Shi hou fo).
Von der Yong you Halle zweigen nach beiden Seiten überdachte Galerien ab, die nach einem rechtwinkligen Knick an die östliche (Dong pei dian) und die westliche Seitenhalle (Xi pei dian) stoßen. In diesen und den folgenden Seitengebäuden wurden eine Anzahl lamaistischer Gottheiten verehrt wie die schreckenerregende Göttin Lamo, die auf einem Maultier reitend mit der Haut ihres geopferten Sohnes bekleidet ist, oder tantrische männliche und weibliche Gottheiten in sexueller Vereinigung als Symbole der Einheit beider Urprinzipien. Die einander gegenüber liegenden Seitenhallen sind streng symmetrisch angelegt und identisch konstruiert mit fünf zu drei Jochen. Auf eine schmale Säulenveranda folgt im Innern ein breites Querschiff vor den Standbildern, die im hinteren, wiederum schmalen Querschiff aufgereiht sind.
Nördlich dieser länglichen Seitenhallen flankieren in geringem Abstand von ihnen zwei quadratische Hallen den Hauptbau dieser Gebäudegruppe, die „Halle des Gesetzesrades“ (Fa lun dian) . Die beiden Hallen reichen bis an die seitlichen Mauern des Tempelbezirks und schließen den Komplex nach Norden ab. Die große Halle zwischen ihnen steht zwar frei, doch reicht sie so nahe an die flankierenden Hallen heran, dass die Gebäude eine geschlossene Einheit bilden. Die doppelten Fußwalmdächer dieser Nebenbauten liegen quer zur Hauptachse, wodurch sie die zur Achse parallel verlaufende Richtung der anderen Seitenhallen auffangen: architektonisch ein Verharren vor dem hinteren und letzten Teil der Gesamtanlage. Die Dachfirste beider Hallen liegen höher, als der First der Fa lun dian, wodurch das Spiel wechselnder Proportionen und Formen der Dächer nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen bereichert wird. Der Querstellung ihrer Dächer entsprechend liegen die Zugänge dieser Hallen nun im Norden und Süden. Sie sind aus fünf mal fünf Jochen konstruiert, wobei im Zentrum vier Säulen weggelassen wurden. Auf diese Weise entstand ein geräumiger Innenraum mit einem Säulenumgang von einer Jochbreite.
Der Name der großen „Halle des Gesetzesrades“ bezieht sich auf die Lehre Buddhas, die im Bild eines Rades symbolisiert wird, das er anstieß und so in Bewegung setzte. In diesem Bild drückt sich die Gesetzmäßigkeit aus von Ursache und Wirkung, der Kausalität allen Geschehens und des menschlichen Tuns. Die Architektur des Bauwerks ist ungewöhnlich. Es besteht aus drei Querschiffen, von denen das mittlere das breiteste ist und das über die beiden äußeren an jeder Seite um eine Jochbreite hinausragt, sodass ein kreuzförmiger Grundriss entsteht. Jedes Schiff ist mit einem eigenen Fußwalmdach gedeckt. Dem Dach des mittleren Querschiffs, das die anderen überragt, wurden fünf kleine Pavillons aufgesetzt, der größte in der Mitte auf dem First, die vier kleineren auf den Dachschrägen. Die Anordnung entspricht dem Typus der Fünf-Pagoden-Tempel und deutet auf die Weltberg-Symbolik ihrer fünf Türme, welche die fünf Gipfel des Sumeru darstellen siehe auch. An Vorder- und Rückseite der Halle führen drei Paralleltreppen zu den Eingängen. Der nördliche und der südliche Trakt zählt fünf Joche in der Breite und ein Joch in der Tiefe, der mittlere sieben Joche in der Breite und drei in der Tiefe. Dabei ergibt sich eine Säulenstellung mit wechselnden Jochbreiten, deren räumliche Entwicklung nach der Tiefe im Rhythmus breit-schmal-breit-schmal-breit verläuft. Wie üblich sind die Mitteljoche auf der Süd-Nord Achse breiter angelegt. Genau in der Hallenmitte unter dem mittleren Dachpavillon erhebt sich auf einem Podest, das wie eine Thronestrade an drei Seiten über Treppchen zugänglich ist, eine sechs Meter hohe Sitzfigur des Tsongkhapa. Zu der überaus reichen Ausstattung der Halle gehören neben Wandmalereien, die das Leben und Lehren des Reformators behandeln, zahlreiche Statuen von Gottheiten, zum Teil in erotischen Positionen, und die Darstellung der fünfhundert Luohan als Miniaturen aus verschiedenen Materialien auf einem Miniaturberg. Der bedeutendste Schatz dieser Halle jedoch sind die an den Seitenwänden aufbewahrten 315 Bände der kanonischen Schriften des Lamaismus, des Kanjur und des Tanjur.
Der letzte Teil der Tempelanlage wird von mehreren symmetrisch angelegten Gebäuden gebildet mit dem „Turm des Zehntausendfachen Segens“ (Wan fu ge) in ihrer Mitte. Die ersten beiden Seitenhallen im Hof hinter der Fa lun dian liegen einander gegenüber mit den Rückseiten an der Außenmauer der Tempelanlage. Die westliche ist Yamantaka geweiht, dem schrecklichen stierköpfigen Schutzgott des Lamaismus. Einst war sie zugleich Durchgangshalle zu einer heute verschwundenen Tempelgruppe mit einer Bodhisattva Halle als Mittelpunkt. Die östliche wird „Turm des Buddhaglanzes“ (Zhao fo lou) genannt, in der eine einstmals ungewöhnlich prachtvoll geschmückte Statue des „Buddha im Fürstenschmuck“ verehrt wurde. Diese Hallen bestehen aus fünf zu zwei Jochen. Die äußere Jochreihe bildet eine Säulenveranda, die zweite gliedert die Innenhalle.
An der nördlichen Mauer des Tempelbezirks erstreckt sich eine Mittelhalle mit zwei seitlichen Galerien. Sie haben eine doppelgeschossige Säulenveranda und zählen sieben Joche in der Breite und zwei in der Tiefe. Je drei Treppen auf jeder Seite führen zu drei Eingängen. Die Halle in der Mitte ragt über die seitlichen Galerien hinaus. Auch hier zieht sich eine siebenjochige Säulenveranda entlang der Hallenfront. Davor liegt eine Terrasse, die über zwei seitliche Treppen zugänglich ist. Das Innere der „Halle des Vollkommenen Friedens“ (Sui cheng dian) misst eine Jochbreite in der Tiefe. An der Rückwand sind Statuen der Tara (Duo luo), der weiblichen Entsprechung Avalokiteshvaras (Guan ying) und zweier Begleitfiguren aufgestellt.
Ein Himmlischer Palast
Vor dieser Halle erhebt sich im Zentrum des letzten Hofs das höchste Gebäude der Anlage, der Wanfu ge, mit einer Firsthöhe von 25 Metern . Er ist zweigeschossig, hat über jedem Geschoss ein umlaufendes Traufdach und wird von einem Fußwalmdach gekrönt. Die Konsolen unter den drei Dächern sind in typischer Qing-Manier gleichförmig aufgereiht. Unter der umlaufenden Galerie des Obergeschosses sind sie von Lambrequins in Form von Wolkenornamenten verhängt. Um Unter- und Obergeschoss läuft eine Säulenveranda von sieben mal sieben Jochen. An Vorder- und Rückfront nehmen die schmalen äußeren Joche nur die Breite der Veranda ein, während das Mitteljoch wie bei allen Großhallen verbreitert ist. An den Seitenfronten stehen die äußeren Säulen ebenfalls eng aber das Mitteljoch ist nicht verbreitert: der Grundriss ist einem Quadrat nur angenähert. Die Säulen des Untergeschosses sind rund, die des Obergeschosses vierkantig und zierlicher. Da dieses Geschoss zurückspringt, ist der Säulenabstand entsprechend geringer. Die reich ornamentierten Flügelkapitelle, wie auch die gesamte farbige Fassung des Gebäudes, entsprechen in ihrer Pracht und mit ihren Mustern dem Palaststil: Purpursäulen und an den Querbalken Hexi-Ornamente unter ausgiebiger Verwendung von Gold. Nicht zuletzt die neun apotropäischen Dachreiter deuten auf die Hochrangigkeit des Gebäudes.
Im Norden und Süden ist es über die bei Palasthallen übliche Dreifachtreppe zu betreten. Im Inneren erweist sich der Stockwerkbau als eine einzige Halle mit umlaufenden Säulengalerien in beiden Geschossen auf der Höhe der äußeren Umgänge. Der fünf mal fünf Joche zählende Innenraum ist aufgeteilt in eine schmale hintere Halle von einer Jochbreite, getrennt durch eine Rückwand von der vorderen Halle, die vier Joche in der Tiefe misst. Wie in anderen großen Palasthallen sind auch hier die vier inneren Säulen weggelassen, sodass ein größerer Freiraum in der Hallenmitte entsteht.
Ihn füllt die gewaltige Statue des Buddha Maitreya, des künftigen Buddhas . Sie wurde aus einem einzigen Sandelholzstamm von 26 Metern Höhe ausgehauen. Die Figur ragt vom Fußboden bis unter die Decke 18 Meter hoch, während 8 Meter des Stammes im Fundament des Gebäudes stecken. Maitreya erscheint hier im prachtvollen Fürstenschmuck altindischer Prinzen mit nacktem Oberkörper und langem, kunstvoll geknotetem Untergewand. Er trägt Kettengehänge, Armreife und die mit Juwelen und Buddhabildnissen besetzte Krone. Lange, farbige Stoffbahnen über seinen Armen hängen bis zum Boden herab. Seine Rechte zeigt die Lehrgeste (Vitarka Mudra), die Linke hält ein Juwel. Die Kolossalskulptur war ein Geschenk des Dalai Lama an Qianlong.
Der Schmuck des Innenraums steht dem Äußeren des Wanfu ge nicht nach. Überreiches Schnitzwerk und Malerei überziehen Wände, Balustraden, Balken und Kassettendecke. Über dem Haupt des Maitreya öffnet sich die Decke zu einer quadratischen Kuppel, die stufenweise ansteigt und sich bis zu einer oktogonalen Laterne verengt, die von einem sternförmigen Balkenwerk umgeben ist. Die komplizierte Komposition entspricht nahezu „wörtlich“ der mingzeitlichen Kuppel, die sich ehemals im Rulai dian des Zhihua si in Peking befand siehe auch. Anstelle des dortigen Drachens im Zentrum der Laterne hängt hier eine Lotosknospe herab. Hunderte von Buddhadarstellungen bedecken die Wände verwoben in das reiche Ornament. Daraus wird der Name des Bauwerks hergeleitet. Die Zahl Zehntausend (wan) steht für unendlich viel.
Der Wanfu-Turm wird flankiert von zwei doppelgeschossigen Hallen, dem „Pavillon der Immerwährenden Festigkeit“ (Yongkang) und dem „Turm des Beständigen Friedens“ (Yansui ge). Sie haben quadratischen Grundriss, ein umlaufendes Traufdach über dem Untergeschoss und ein Fußwalmdach über dem Obergeschoss, um welches eine offene Säulenveranda führt. Die drei mal drei Joche des Untergeschosses sind so aufgeteilt, dass ein weiter Säulenabstand der mittleren Joche einen geräumigen Innenraum ergibt. Der Eingang öffnet sich nach Süden. Zwei leicht ansteigende dreijochige Brückenkorridore „Himmlische Brücken“ (Tian qiao) verbinden im Obergeschoss diese Pavillons mit dem Hauptbau. Diese einzigartige architektonische Erfindung erweckt den Eindruck von Flügeln. Die gesamte Dreiergruppe erscheint so als Abbild eines fliegenden, eines „Himmlischen Palastes“.
Obwohl das Ritual und die im Yong he gong verehrten Wesenheiten und Heiligen dem tibetischen Buddhismus angehören, folgt sein Stil rein chinesischer Tradition und repräsentiert den Palaststil der reifen Qing-Zeit auf vollkommene Weise. Architektonisch ist hier von Komplex zu Komplex eine Steigerung gelungen, die im hinteren Bereich ihren Höhepunkt erreicht. Gleichwohl zeigen die Gebäude auch die Schwächen des Stils. So eindrucksvoll die Gesamtanlage ist: sowohl architektonische Details wie auch der Dekor erscheinen vielfach gleichförmig, genormt und dadurch manieriert. Jedoch gehört der Yong he gong zweifellos zu den bedeutendsten Qing-Tempeln. Er ist zugleich eine der wichtigsten lamaistischen Anlagen Chinas außerhalb Tibets und eine der besterhaltenen.
Die Haupthalle des „Tempels der Goldenen Halle“ (Jin ge si)
Als eines der zahlreichen Tempelklöster des Wutaishan (Shanxi), gehört die Anlage zu den ältesten des heiligen Berges. Sie wurde 627 gegründet, und im Laufe der Jahrhunderte sind ihre Hallen immer wieder restauriert worden, sodass sich heute nur noch Architekturfragmente aus der Tang-Zeit finden. Eine über 17 Meter hohe Skulptur des „Tausendarmigen Guan yin“ stammt noch aus der Ming-Dynastie.
Das Hauptgebäude, die „Schatzhalle des Großen Helden“ (Da xiong bao dian) bewahrt die Buddhas der Zeitalter und achtzehn Luohanfiguren. Es weist alle Kennzeichen der Qing-Architektur auf, dennoch atmet es so etwas wie den „genius loci“. Der Aufbau ist klar, die Proportionen ausgewogen. Insbesondere das Konsolensystem ist hier so deutlich ausgeprägt wie zur Tang-Zeit, und es ist nicht mit dekorativen Volants verhangen wie vielfach bei anderen Qing-Bauten. Die Parallele zur Tang-Haltung beruht auf dem offengelegten Konstruktionsprinzip, das ja in der Qing-Architektur sonst weitgehend camoufliert wird. Ein Vergleich mit der tang-zeitlichen Haupthalle des Fo guang si siehe auch auf dem Wutaishan verdeutlicht die Unterschiede, die angesichts einer dazwischen liegenden Zeitspanne von tausend Jahren jene erstaunliche Kontinuität erweisen, die so kennzeichnend ist für die Baukunst Chinas.
Während die Halle des Fo guang si eingeschossig und mit einem Walmdach gedeckt ist, besteht die Halle des Jin ge Tempels aus einem Untergeschoss mit umlaufendem Traufdach und einem zurückgesetzten Obergeschoss mit einem Fußwalmdach . Die äußeren Stützen des Tang-Baus sind in die vorderen Holzwände, bzw. in das seitliche und rückwärtige Mauerwerk eingelassen, die des Qing-Baus stehen in beiden Geschossen frei, bilden also jeweils eine Säulenveranda. Der ältere Bau zählt sieben zu vier Pfeilerabstände, der jüngere sieben zu fünf. Die Abstände sind bei der Tang-Halle gleichmäßig, bei der Qing-Halle sind die äußeren Joche schmäler. Das Mitteljoch vor dem Haupteingang ist hier jedoch nicht verbreitert, wie sonst bei Qing-Bauten üblich. Während hier drei Holzpaneele mit Falttüren den Zugang bilden, sind es bei der älteren Halle fünf, in beiden Fällen flankiert von Fenstern unter dem äußeren, beziehungsweise dem vorletzten Joch. Bei beiden Gebäuden bewirkt die Anordnung der Dachpfetten eine sanfte konkave Krümmung des Daches und der Aufbau der Eckkonsolen einen leichten Anstieg der Dachecken. Der First der Fo guang Halle schwingt leicht einwärts, während der First des jüngeren Baus geradlinig verläuft, wie allgemein bei Fußwalmdächern.
Das weit ausladende Traufdach der Tang-Halle wird durch mächtige Konsolen gestützt, die über den Säulen dreifach vorkragen . Die Konsolenplatte, von der aus die kandelaberförmigen Konsolenarme aufsteigen, lagert unmittelbar auf dem Säulenkopf, ähnlich einem Kapitell. Die Last des Traufdachs wird so unmittelbar auf die Säule abgeleitet. Zwischen den Konsolen ragen zwei schräg nach unten weisende Hebelarme hervor, von denen der obere die äußerste der dreiarmigen Konsolen trägt. Das innere Ende dieser Hebelarme stützt einen Querbalken, der wiederum eine Pfette trägt, die das Dach weiter oben unterfängt. An den Eckkonsolen sind drei Hebelarme eingelassen, wodurch die Dachecken angehoben werden. Auf dem horizontalen Jochbalken, der in Höhe der ersten Konsolenstufe von Säule zu Säule reicht, ruht hier jeweils in der Mitte zwischen zwei Säulen eine weitere Konsolengruppe, deren Arme in zwei Stufen vorspringen. Hier fehlen die schrägen Hebelarme. Da die Konsolengruppen deutlich voneinander abgesetzt sind, ergibt dies ein lebendiges, abwechslungsreiches Auf und Ab, Vor und Zurück von zwei- und dreistufigen Konsolen, einmal ohne, einmal mit Hebelarmen.
Auf einem Bogenfeld über der westlichen Eingangstür der „Großen Wildgans Pagode“ von Xi’an (Shaanxi) ist eine offene Holzhalle im frühen Tang-Stil dargestellt siehe auch. Sie zeigt ein zweistufiges Konsolensystem über den Säulen, dazwischen jedoch noch keine Konsolen, sondern zwei Strebebalken in Form eines umgekehrten „V“. Sie ruhen auf einem doppelten Jochbalken und stützen einen weiteren Horizontalbalken, welcher der ersten Konsolenstufe aufliegt. Die gleichen Zwischenstreben finden sich auf Reliefs etwa der Nord-Wei in den Höhlen von Yungang aus dem 5. Jahrhundert. Die Lösung, die an der Haupthalle des Fo guang si für das Abfangen des Traufdachs gefunden wurde, verleiht dem Stützsystem nicht nur größeren plastischen und ästhetischen Reichtum, sondern ermöglicht auch einen größeren Überhang des Traufdachs.
Bedingt durch ein verändertes Konstruktionssystem, insbesondere der Konsolen, haben die Qing-Bauten im allgemeinen einen geringeren Traufüberhang als die Gebäude der Tang, Song oder Liao. Im Falle der Haupthalle des Jin ge si stehen die Traufen jedoch vergleichsweise weit vor. Entsprechend voluminös sind auch die Konsolen. Ihre Höhe beträgt etwa ein Viertel der Säulenhöhe, ein Verhältnis, das bei der üblichen Qing-Bauweise nicht erreicht wird, da die Konsolen im Laufe der Zeit immer weiter verkleinert wurden. Keine Konsole lagert unmittelbar auf einem Säulenkopf wie bei der Fo guang-Halle. Den Säulenköpfen liegt ein Horizontalbalken auf, unter dem ein zweiter Balken verläuft, der in die Säulen eingelassen ist. Erst von diesem Doppelbalken aus steigen die Konsolen in drei Stufen auf. Da sie alle in der gleichen Ebene liegen, fehlt hier das rhythmische Spiel der Tang-Konsolen. Auch unterscheiden sie sich nicht wechselweise voneinander: außer den etwas größeren Eckkonsolen haben alle das gleiche Maß. Zwei schnabelartige Arme ragen übereinander schräg nach unten aus den Konsolen hervor. Es sind die Relikte der alten Hebelarme, die in der Qing-Architektur keine Funktion mehr haben und die nur noch ihrer plastischen Wirkung wegen angebracht wurden und weil der Hebelarm ein traditionelles Bauelement war siehe auch. Oberhalb des doppelten Horizontalbalkens sitzt über jeder Säule eine Konsole, über den Säulenzwischenräumen sitzen drei Konsolen, bzw. eine Konsole über den äußeren, schmäleren Jochen. Während zur Tang-Zeit nur eine zwei- oder dreistufige Konsole über dem Jochbalken zwischen den Säulen eingefügt wurde, hat man sie im Laufe der Jahrhunderte vermehrt, sodass es zur Qing-Zeit bis zu acht Zwischenkonsolen gab, die dann allerdings nur noch als Dekor fungierten. Die Konsolen der Jin ge si-Halle bilden zwar ebenfalls eine fortlaufende Reihe gleichförmiger Elemente, sie sind jedoch nicht zum reinen Dekor verkümmert. Sie sind vollplastisch durchgebildet und ihre Funktion, das Traufdach zu stützen, ist so deutlich sichtbar wie an der Tang-Halle.
Die Tempelanlagen von Chengde
Die Errichtung der Sakralbauten, die vorwiegend unter dem Qian long-Kaiser außerhalb der Sommerresidenz von Chengde siehe auch entstanden, hatte nicht zuletzt politische Hintergründe, wie verschiedene Inschriftentafeln im Palast- und Tempelbereich belegen. Diese Tempel dienten der Versöhnung unterworfener Völker, die dem Reich einverleibt worden waren, bzw. der Gewinnung des Wohlwollens von starken Minderheiten und Religionsgruppen. Bestimmte Tempel, die den jeweiligen Volksgruppen besonders heilig waren oder solche, die in den Kriegen zerstört worden waren, nahm man zum Vorbild, ohne sie jedoch genau zu imitieren. Die Interpretation mancher Tempel war so frei, dass es nicht zuletzt die Namensgebung war, die dem Heiligtum zu seiner Reinkarnation verhelfen musste. Es entstand ein hybrider Stil, der aus Elementen chinesischer, tibetischer oder mongolischer Bauformen bestand, wobei einmal dieses, einmal jenes Element überwog. Chengde erscheint als ein wahres Experimentierfeld architektonischer Formen innerhalb des überlieferten Kanons. Wie fruchtbar die Impulse waren, die aus den verschiedenen Gegenden des Riesenreichs hier aufgenommen wurden, zeigen die originellen Lösungen einiger der ursprünglich elf Tempelanlagen.
Das Xu mi fu shou Kloster
Eine der merkwürdigsten Bauschöpfungen ist der „Schrein des Segenreichen langen Lebens des (Berges) Sumeru“ (Xu mi fu shou miao), der zum Empfang des Sechsten Panchen Lama im Jahre 1780 errichtet wurde, als dieser Qian Long zu seinem siebzigsten Geburtstag huldigte. Zu Ehren des hohen Würdenträgers aus Tibet sollte dessen Residenz nachgebaut werden, das Kloster Tashilhunpo bei Shigatse. Ähnlich dem westlich gelegenen „Schrein der Lehre des Potala“ (Pu tuo zong sheng miao), der den Potala-Palast des Dalai Lama in Lhasa darstellen sollte, ist auch diese Anlage nur eine ungefähre Nachbildung. Doch während der Potala Schrein fast ausschließlich in tibetischen Bauformen errichtet wurde, entstand hier ein sino-tibetischer Mischstil, der den Tempelkomplex noch weiter von seinem Vorbild entfernte.
Von einer zinnenbewehrten Mauer umschlossen und nach chinesischer Weise auf einer Süd-Nord Achse ausgerichtet, folgt die Anordnung der Gebäude dennoch nicht ganz der strengen Symmetrie sonstiger chinesischer Tempel- oder Palastanlagen . Die Achse beginnt mit einem Torbau, einem Mauerblock, der von einem Holzpavillon gekrönt wird, dem „Bergtor“ (Shan men). Es folgen ein purpurfarbener „Stelenpavillon“ (Bei ting) mit einem goldgelben doppelten Fußwalmdach und ein steinernes Ehrentor mit drei Torbögen und drei Dachpavillons, das mit gelb und grün glasierten Ziegeln dekoriert ist, das „Glasierte Steintor“ (Liu li pai fang), alle diese Gebäude in rein chinesischer Bauart . Das Ehrentor, zu dessen Vorplatz drei Treppen hinaufführen, bildet den Zugang zu einer hoch aufgemauerten Plattform, weiche, dem allmählich ansteigenden Gelände angepasst, fast die gesamte Breite des Tempelbezirks einnimmt und die Basis der nächsten Gebäudegruppe bildet.
In der Mitte erhebt sich auf einem fünf Meter hohen Sockel aus riesigen Steinquadern ein gewaltiges Bauwerk mit festungsartig geböschten Mauern, in die drei Fensterreihen in regelmäßigem Abstand eingelassen sind: die „Große Rote Terrasse“ (Da hong tai) . Eine Doppeltreppe führt zum Eingang in der Mitte des unteren Geschosses. In dem rot verputzten Mauerwerk wirken die Fenster trotz ihrer Größe wie Schießscharten. Alle sind von einem Vordach aus gelb glasierten Ziegeln gekrönt, das über einer Holz imitierenden Unterkonstruktion vorspringt, ebenso die Eingangspforte, die von reliefierten Pilastern eingefasst wird. Dieses Tor und die Baldachine bilden den einzigen Schmuck an den sonst glatten Außenwänden. Das flache Dach mit der umlaufenden Brüstung, aus der Wasserspeier herausragen, ergänzt das Bild eines tibetischen Klosterpalastes. Die Dachpavillons an den vier Ecken entsprechen wiederum ganz chinesischem Geschmack. Ihre Walmdächer ruhen auf dünnen Säulen, welche ringsum eine Veranda bilden. Die Pavillons bestehen aus drei mal drei Jochen, wobei die breiteren Joche nach der Front- und der Rückseite ausgerichtet sind.
Dieses Gebäude umschließt einen rechteckigen Innenhof, der sich in süd-nördlicher Richtung erstreckt und im Süden und Norden durch Gebäudevorsprünge wieder eingeengt wird. Nach dem lnnenhof öffnen sich ringsum Kolonnaden im Untergeschoss, in den oberen Geschossen mit Stäben vergitterte Fenster zwischen den Stützen. Nach außen hin zeigt das Bauwerk trotzig abweisende Mauern, nach innen offene Holzarchitektur: Ausdruck von Abgeschlossenheit nach außen und Offenheit nach innen.
Den Hof füllt ein mächtiges Gebäude fast vollständig aus, sodass ringsum ein schluchtartiger Wandelgang frei bleibt, in den das Sonnenlicht nur selten einfällt . Zum Himmel offen und zugleich abgeschieden von der Welt, manifestiert sich so die Idee des Klosters. Der „Schrein der vollkommenen Schönheit und Erhabenheit“ (Miao gao zhuang yan) ist das Hauptgebäude des Xu mi fu shou Klosters. Der Grundriss ist quadratisch über einem niedrigen Sockel mit drei Paralleltreppen im Norden und Süden. Die drei Geschosse des Baus sind in sieben mal sieben Joche gegliedert, wobei die äußeren halb so breit sind wie die inneren fünf. Das Untergeschoss hat eine Säulenveranda an der Südseite, das obere Geschoss nach Süden, Osten und Westen. Die übrigen Außenseiten und die Innenseiten der Veranden sind mit Holzgitterfenstern oder -türen geschlossen. Die Säulen haben Flügelkapitelle, über denen in typischer Qing-Manier Dekorbretter mit stilisierten Wolkenmustern die tragende Konstruktion verhüllen. Ebenso ergeben die zu Reihen aneinander gefügten Konsolen unter den Traufen ein ornamentales Gesims.
In der Hallenmitte wurden die vier zentralen Säulen weggelassen, sodass ein größerer Versammlungsraum entstand vor den Verehrungsbildnissen im Hintergrund. Im Untergeschoss sind es Statuen des Buddha Shakyamuni und des Tsongkhapa siehe auch siehe auch, im zweiten Geschoss Shakyamuni und seine Jünger Ananda und Kashyapa. Die Hauptbildnisse des oberen Stockwerks sind verschwunden. Schmale Treppen in den engen Seitenschiffen verbinden die Geschosse.
Das riesige Doppeldach überragt das umgebende Gebäudekarree und ist von Ferne sichtbar, so wie die Dächer der Haupthallen tibetischer Klöster . Sein Sinngehalt und seine Gestaltung sind einzigartig in der chinesischen Architektur. Das umlaufende Traufdach und das zeltförmige Hauptdach sind mit weithin leuchtenden Kupferplatten gedeckt. Ebenso wie die acht grotesken Drachen auf dem Dach mit ihren gewundenen Schlangenleibern – je einer am oberen und einer am unteren Ende des Dachgrats - sind sie vergoldet. Diese Drachen, von denen jeder ca. fünf Meter misst, sitzen über den vier leicht konkav gekrümmten Dachgraten, deren Wülste einer Kette von Wirbelknochen gleichen . Diese Wirbel enden an den Ecken des oberen Daches in dem knospenartigen Knauf des buddhistischen Juwels. Die Dachgrate des umlaufenden Traufdachs enden oben und unten in einem Drachenkopf mit erhobenem Rüssel. In ihm ist sein Urbild unschwer zu erkennen: das altindische Wasserungeheuer, der Makara. Das Motiv findet sich nicht oft in der chinesischen Kunst. In diesem Fall ist es vermutlich über die tibetische lkonographie hierher gelangt. Während diese Drachen Unheil abwehren sollen, insbesondere Feuer, haben die genuin chinesischen Drachen auf dem Hauptdach offenbar zwei Funktionen. Vier von ihnen besetzen die unteren Ecken der Dachgrate und sind drohend nach außen gerichtet, vier sitzen an den oberen Enden der Grate, der Krone auf der Spitze des Zeltdachs in Verehrung zugewandt. Die Dachkrone besteht aus einem kastenförmigen Sockel, darüber aus einem Lotoskranz, einer Glocke, einem Schirm, einer Vase und einer Lotosknospe, geläufigen Symbolen des Buddhismus. Da die Drachen fünfklauig sind, mithin kaiserliche und keine Himmels- oder Glücksdrachen, birgt das Ensemble eine weitere Symbolik: der Kaiser erweist der Lehre seine Reverenz und schützt sie zugleich.
Während die Konstruktionsweise, wie Dachaufbau oder das Konsolensystem, ebenso wie die dekorativen Details dieser Halle der chinesischen Bautradition folgen, sind ihre Proportionen völlig unchinesisch und entsprechen den Vorstellungen und Bedürfnissen des tibetischen Klerus.
Die Symmetrie der Anlage wird gebrochen durch die Position einiger Gebäude, die sich an den Komplex der Da hong Plattform anschließen. Östlich erhebt sich Mauer an Mauer ein fast identisches Schwestergebäude von etwas kleineren Dimensionen. Ebenfalls ein rechteckiger Gebäudeblock mit quadratischem Innenhof, allerdings ohne zentrale Halle, hat er nur zwei Geschosse über dem hohen Sockel aus großen Steinquadern. Auch hier führt eine doppelte Treppe von links und rechts zum Portal. Die Fenster in den geböschten Wänden sind mit den gleichen Baldachinen versehen wie die Fenster des Nachbargebäudes und setzten deren Reihen fort. In der Mitte des südlichen Traktes krönt ein Pavillon das Flachdach, der den Dachpavillons der Da hong Plattform entspricht. Anscheinend um zu betonen, dass es sich bei diesem Gebäude, der „Östlichen Roten Terrasse“ (Dong hong), nicht um einen Flügel des Hauptgebäudes handelt, ist die Fassade um einiges vorgezogen.
Im Westen schließt sich an den rückwärtigen Trakt der Da hong Plattform eine weitere Großhalle an, die trotz ihrer Bedeutung nicht auf der Hauptachse steht, sondern seitlich weit zurückgesetzt. Es ist die „Halle der beglückenden Lehrrede (Ji xiang fa xi dian), einst Wohnsitz des Sechsten Panchen Lama . Ihre Vorbauten sind Fortsetzungen der Umfassungsgebäude des Da hong Blocks. Sie umschließen einen engen Innenhof. Der Gebäudekörper ist kubisch. Die Seitenwände bestehen aus dicken Mauerscheiben, die in jedem der drei Geschosse von einer Reihe trapezförmiger Fenster durchbrochen werden, die so typisch sind für tibetische Klosterbauten. An der Süd-, also der Frontseite, springt im zweiten Geschoss ein flach gedeckter Pavillon vor, der auf dem Flachdach des Vorbaus ruht. Vorder- und Rückseite sowie das Innere sind in Holzbauweise ausgeführt. Dieser Teil der fünf mal fünf Joche messenden Halle zeigt deutlich tibetischen Charakter, das Fußwalmdach dagegen mit dem umlaufenden Traufdach darunter entspricht wiederum der chinesischen Tradition. Trotzdem wirkt das Gebäude vollständig einheitlich. Auch dieses Dach ist vergoldet und weist die gleichen Details auf wie das Dach der Miao gao zhuang yan Halle, nur fehlen die acht kaiserlichen Drachen.
Mehrere Terrassenbauten mit Flachdächern im tibetischen Stil begleiten die Mittelachse zu beiden Seiten. Auf der Achse folgt hinter der Da hong Terrasse eine Gruppe tibetischer Gebäude, die wiederum einen Hof einfassen, der im Norden von einer chinesischen Halle aus neun Jochbreiten abgeschlossen wird, die mit einem einfachen Fußwalmdach gedeckt ist.
Die Glasierte Schatzpagode
Auf dem höchsten Punkt des Klosterbezirks, gleichsam als krönender Abschluss, erhebt sich am Ende der zentralen Achse eine rein chinesische Schöpfung: die „Glasierte Schatzpagode“ (Liu li bao ta) oder „Pagode des 10000-fachen (langen9 Lebens“ (Wanshou to) . In gewisser Weise ähnelt das Bauwerk tatsächlich einer Krone, aus der ein reich geschmückter Knauf empor wächst. Es ist der im Verhältnis zur Pagode ungewöhnlich große Unterbau und dessen aufwendige Gestaltung, was diesen Eindruck vermittelt. Auf einem quadratischen Steinsockel ist eine achtseitige Marmorterrasse angelegt, um die eine reich skulptierte Marmorbalustrade im Palaststil und Gesimsbänder mit Lotosdekor herumführen. Über zwei Treppen hintereinander sind Sockel und Terrasse von Süden her zugänglich. Auf der Marmorterrasse umschließt ein nach allen Seiten offener, achteckiger, aus Holz errichteter Wandelgang einen achtseitigen Mauerkern. Die acht konkav geschwungenen Pultdächer des Umgangs ragen über die Marmorterrasse hinaus. Jeder der acht Dachgrate ist mit sieben Dachreiterfiguren besetzt. Die 24 dachstützenden Säulen bilden nach jeder Seite drei Joche, wobei das Mitteljoch breiter ist, sodass an den Ecken immer drei Säulen enger zusammen stehen. Vor den Horizontalbalken, die mit den Säulen verzapft sind, verläuft eine äußere Reihe waagerechter Trägerbalken, die das vorkragende Traufdach abfangen. Von diesen Balken, die reich verziert sind, hängt vor jeder Säule eine Art Säulenstumpf herab, der in einem Knauf endet in Form einer Lotosknospe. Ursprünglich vielleicht als ein äußeres Stützsystem konzipiert, konnten die Säulen durch eine veränderte Dachkonstruktion wegfallen. Der obere Teil dieser rudimentären Säulen ist mit den vorderen Horizontalbalken in gleicher Weise verzapft und „stützt“ diese Balken in gleicher Weise mit Flügelkapitellen wie eine tragende Säule. Dieses aus einem konstruktiven Element entwickelte Dekormotiv findet sich zuweilen an Toren zu den inneren Höfen eines Gebäudekomplexes, den „Toren mit Hängenden Blumen“ (chui hua men).
Den Kern der Wandelhalle bilden acht massive Mauerscheiben, die vollständig mit ornamentalem Dekor und Buddhadarstellungen überzogen sind. An den vier Kardinalseiten führen Rundbogentüren über drei Treppenstufen durch die Mauer in einen engen, höhlenartigen Gang, dessen Decke gewölbt ist. Er zieht sich um einen oktogonalen Mauerblock: der Grundpfeiler der Pagode. Der Mauerkern der Wandelhalle trägt eine zweite Achteckterrasse, die oberhalb der acht Pultdächer eine weitere Stufe bildet. Eine Marmorbalustrade im gleichen Stil wie die Balustrade der Wandelhalle umfängt die Terrasse. Die zylindrischen Aufsätze der Pfosten, welche die Balustrade überragen, rufen die Wirkung einer Krone hervor, die dem Dach der Wandelhalle aufgesetzt ist. Die unterhalb der Balustrade herabhängenden dekorativen Volants steigern den Schmuckreichtum dieser „Krone“. Das Weiß der Marmorterrasse wird noch durch die gelbe und grüne Glasur der Volants und des Daches der Halle hervorgehoben.
Solche Wandelhallen, die rings um den Fuß einer Pagode angelegt sind, dienten dem rituellen Umschreiten der Pagode in Richtung des Sonnenlaufs, eine ursprünglich indische Form des Gebets, die vom Buddhismus übernommen wurde. Diese überdachten Wandelgänge erscheinen an chinesischen Pagoden als eigenständiges oder zumindest als hervorgehobenes Architekturelement relativ selten. Meistens ist der Umwandlungspfad in den Pagodenturm integriert oder die Pagode wird einfach außen umschritten, wenn sie nicht zugänglich ist, wie auch diese Pagode. Das wahrscheinlich älteste Beispiel einer - wenn auch nur angedeuteten - architektonischen Akzentuierung eines Wandelgangs findet sich im Erdgeschoss der Shi jia Pagode von Yingxian aus dem Jahre 1056 siehe auch siehe auch. Hier führt eine überdachte Säulenveranda um die Fundamentmauern des Holzturms, deren Dach weiter vorkragt, als die ansteigende Fluchtlinie der oberen Dächer. In der Entwicklung dieser Umgänge stellt die krönende Terrasse der Liu li bao Pagode über dem Dach der Wandelhalle eine Besonderheit dar. Möglicherweise, um ein proportionales Missverhältnis zwischen der ausladenden Wandelhalle und der schlanken Pagode zu überbrücken, haben die Baumeister diese Plattform hinzugefügt, denn für ein solches Bauelement an dieser Stelle lässt sich keine Traditionslinie erkennen. Symbolisch stellt sie einen weiteren Ort der Gebetsumwandlung dar.
Im Gegensatz dazu hat die Achteckpagode, die von der Terrasse aufsteigt, in ihrer Grundstruktur unzählige Vorgänger. Wie alle Pagoden gewinnt sie ihr eigenes Gepräge durch zahlreiche kleine Varianten. Lediglich ihre Schwesterpagode in den „Duftenden Bergen“ bei Peking, ebenfalls 1780 errichtet, die „Glasierte Pagode“ (Liu li ta), gleicht ihr. Der schlanke Turm zählt sieben Geschosse, die sich nach oben nur geringfügig verjüngen. Um das untere Geschoss ist ein weiteres Scheinambulatorium gelegt, eine Miniaturterrasse mit einer entsprechend verkleinerten, aber ebenfalls reich verzierten Balustrade. Die Proportionen dieser Terrasse sind den gegenüber einer betretbaren Pagode geringen Dimensionen des Pagodenpfeilers angepasst. Die über jedem Geschoss vorspringenden Gesimse sind Imitationen ziegelgedeckter, umlaufender Traufdächer, die scheinbar von Konsolenreihen abgestützt werden. Auch die Querbalken unter den Konsolen und die Rundsäulen an den Gebäudeecken sind Nachahmungen von Holzarchitektur bis hin zu der genau dargestellten Verzapfung. An allen Dachecken hängen Bronzeglöckchen. In jedem Geschoss sind nach den acht Himmelsrichtungen Rundbogennischen eingelassen, die mit vollplastischen Buddhafiguren im Lotossitz besetzt sind. Im untersten Geschoss sind unterhalb dieser Buddhas an jeder Seite weitere drei kleinere Buddhanischen angebracht, deren Dimensionen sich auf den gedachten Wandelpfad der Zwergterrasse beziehen. Das Zeltdach gipfelt in einem buddhistischen Juwel in Vasenform über einem Lotossockel. Auf jedem der acht Dachgrate und an den Ecken der Traufdächer sitzt ein chi wei, jenes drachenartige Ungeheuer, das Gefahren abwehren soll siehe auch siehe auch. Der gesamte Pagodenturm ist mit Keramik überzogen in den gleichen Farben wie das Dach der Wandelhalle: grün an den Wandflächen, gelb an Dachziegeln, Balken und Ecksäulen, sowie in den Buddhanischen. Der Zusammenklang dieser Farbtöne mit dem Weiß der Terrassen und dem Rot der Verandasäulen des Wandelgangs verleiht der Pagode den Reiz einer besonderen Kostbarkeit, was sich auch in ihrem Namen ausdrückt: „Glasierte Schatzpagode“. Der Begriff „Schatz“ (bao) bezieht sich dabei gleichermaßen auf die Pracht des Bauwerks, wie auf Buddha bzw. die Lehre. Auch in dieser Hinsicht kann die Pagode als Krönung des Xu mi fu shou Klosters gelten.
Die Pagode des Yong you Tempels
Als einziger Überrest des „Tempels der Immerbereiten Hilfe“ (Young you si) besteht heute noch die Pagode . Sie ist ein Nachbau der Pagode des „Tempels der Dankbarkeit“ (Bao en si) von Nanking, die Qian long auf einer seiner Südchina-Reisen bewundert hatte. Trotz eines Einsturzes unmittelbar nach ihrer Fertigstellung wurde die Pagode erneut aufgebaut und 1764 vollendet. Mit ihren neun Stockwerken und 55 Metern Höhe ist sie die höchste Pagode von Chengde und mit ihrer Achteckform, den gleichmäßigen Geschosshöhen und dem steilen Zeltdach verwandt mit der „Glasierten Schatzpagode“ des Xu mi fu shou Klosters. Sie verjüngt sich stärker nach oben und unter den Traufdächer imitierenden Gesimsen sind keine Konsolen angebracht, sondern Reihen vorkragender Ziegel, die ein ornamentales Muster bilden . An den Gebäudekanten stellen runde, aufgemauerte Ziegel die Ecksäulen dar. Die Fassaden sind mit gelben, die Ränder mit grünen Ziegeln dekoriert. Rundbogenfenster durchbrechen das starke Mauerwerk, deren Höhen nach Haupt- und Nebenrichtungen und von Stockwerk zu Stockwerk abwechselnd größer oder kleiner sind. Die Vertiefungen der Fensteröffnungen verleihen dem Pagodenturm von außen im Zusammenspiel mit den leicht vorspringenden Gesimsen ein lebendiges Relief. Ein schmaler achteckiger Schacht, dessen Durchmesser von ca. fünf Metern etwa der Mauerstärke des unteren Geschosses entspricht, durchzieht das Innere bis ins obere Stockwerk. In jedem Geschoss ist eine Decke eingezogen, wodurch jeweils eine Kammer entsteht, von der aus ein schmaler Gang durch das massive Mauerwerk zu den Fenstern führt, und an deren Seiten Treppen bis in die oberste Kammer führen.
Da der Bauherr der Pagode der Kaiser war, sollte dem Vorbild ein Geschoss hinzugefügt werden. Zugleich konnte jedoch eine Pagode nach buddhistischer Tradition keine zehn Geschosse haben. Man fand die Lösung darin, dass man das massive Fundament erhöhte und im Süden und Norden enge Treppenaufgänge hindurchführte, die in einen Korridor münden, welcher mit der Kammer des unteren Stockwerks verbunden ist . Außen umgibt eine schmale Balustradenveranda das Untergeschoss: die Umwandlungsterrasse. Sie entspricht der dritten Terrasse der „Glasierten Schatzpagode“. Da sie nur geringfügig vorspringt, ordnen sich ihre Proportionen nahtlos in die aufsteigende Silhouette des Turmes ein. Unterhalb dieser Veranda umschließt ein überdachter Wandelgang das erhöhte Fundament, ähnlich dem der „Schatzpagode“. Da seine Proportionen zu dem mächtigen Turm in einem harmonischen Verhältnis stehen, musste hier keine Zwischenterrasse eingefügt werden.
Eine balustradengeschmückte Treppe führt im Norden von der Wandelhalle zu einer Terrasse hinab, auf der eine Inschriftenstele Qian longs erhalten ist.
Der „Tempel des Allumfassenden Friedens“ (Pu ning si)
Diesen Namen verlieh Qian long dem im Jahre 1755 gegründeten Tempelkloster nach einem Sieg in Tibet. Er sollte die Befriedung des eroberten Gebietes anzeigen und zugleich als ein Zeichen der Versöhnung gelten. Auch hier handelt es sich um ein Nebeneinander chinesischer und tibetischer Bauformen, die am Hauptgebäude so eng ineinander gefügt sind, dass eine Baugestalt entstand, die der Haupthalle des Xu mi fu shou Schreins an Eigenart in nichts nachsteht.
Die Gesamtanlage stellt eine enge Verbindung dar des strengen chinesischen Ordnungsdenkens mit jener wuchtigen Monumentalität tibetischen Gestaltempfindens . Sie ist süd-nördlich ausgerichtet und besteht aus zwei räumlich und stilistisch klar voneinander abgesetzten Teilen. Der südliche Teil liegt auf ebenem Terrain und ist in der klassischen Abfolge gegliedert, wie sie sich bis zur Qing-Zeit entwickelt hatte: das Bergtor mit zwei Nebentoren, der Stelenpavillon, Trommel- und Glockenturm die zentrale Achse flankierend, die Halle der Himmelskönige mit zwei Nebentoren als Zugänge vom Vorhof zum Innenhof, an dessen hinterem Ende sich die große Buddhahalle erhebt, während sich an der östlichen und der westlichen Hofseite zwei Nebenhallen gegenüber stehen. Alle Gebäude sind streng symmetrisch angelegt und in reinem Qing-Stil errichtet. Der nördliche Teil, auf ansteigendes Gelände gebaut, beginnt mit einer hohen Plattform, zu der drei Doppeltreppen zu drei Toren hinaufführen. Hier herrschen tibetische Strukturen vor, blockhafte Bauten mit Flachdächern und trapezförmigen Blendfenstern. Einige dieser Bauten haben Walm- oder Zeltdächer. Die Untergeschosse der meist doppelgeschossigen Gebäude zeigen vielfach Grundformen, die in der chinesischen Architektur unbekannt sind: abgerundete oder sichelförmige Rechtecke und langgestreckte Sechsecke mit würfelförmigen oder rechteckigen Obergeschossen, außerdem sechsseitige, massiv gemauerte Emporen .
Vier kubische Emporen sind in einem Quadrat und in gleichmäßigen Abstand um die Haupthalle angeordnet. Sie tragen reich reliefierte Flaschenstupas, alle in verschiedenen Formen und Farben und mit unterschiedlichen buddhistischen Symbolen versehen . In den beiden vorderen dieser kubischen Emporen öffnet sich ein Bogendurchgang, was ihnen den Charakter eines Torbaus verleiht. Zu ihnen führen im Norden und Süden schmale Treppen: Tore, die bei der Gebetsumwandlung des Allerheiligsten durchschritten wurden .
Vollkommen ungewöhnlich ist die Anordnung dieser Gebäude, die genau geplant ist und sich dennoch von der axialen Gliederung eines typisch chinesischen Layouts unterscheidet. Und ebensowenig gleicht sie der scheinbar unsystematischen Gebäudeanhäufung tibetischer Klosteranlagen, die ja nicht zuletzt auch durch die Geländeformation bedingt ist. Mit Ausnahme zweier symmetrisch angelegter Gebäudegruppen am Rande der Plattform - den Lehrhallen - und zweier Gebäude die den zentralen Bau flankieren - der „Sonnen“- und der „Mondhalle“ - beschreiben die Gebäude einen Kreis um den Hauptbau. Mit dieser Gruppierung ist der Weg der Umwandlung vorgegeben, zugleich aber der Ring eines Mandalas aufgezeichnet, dessen Zentrum Sitz einer Gottheit ist. In diesen Gebäudering ist das Quadrat der vier Flaschenstupas eingeschrieben, sodass die Hauptelemente eines Mandalas, Kreis und Quadrat, im Grundplan erscheinen. Im Osten und Westen sind die drei äußeren Gebäude des Kreises so hintereinander gesetzt, dass sie zusammen mit den Lehrgebäuden am Rande der Plattform zwei parallele Achsen bilden, deren Gebäude sich in genauer Symmetrie gegenüber stehen. Hier durchdringt eine auf rationalem Denken beruhende architektonische Form eine Struktur, in der sich eine esoterische Weltauffassung manifestiert.
Der Pavillon des Großen Fahrzeugs
Im Zentrum des Gebäudekreises erhebt sich auf einer Marmorterrasse der gewaltige „Pavillon des Großen Fahrzeugs“ (Da cheng ge) . Die Terrasse ist mit Palastbalustraden geschmückt und hat fünf Treppenzugänge, zwei an den Seiten und einen dreifachen vor der Hauptfront mit der kaiserlichen Drachenrampe in der Mitte. Eine weitere Plattform, die den Umrissen des Grundrisses folgt, bildet das Fundament. Der Grundriss ist so ungewöhnlich wie der gesamte Pavillon und er verändert sich in jedem Geschoss. Im Untergeschoss besteht er aus einem Rechteck, das an allen Seiten einen Vorsprung hat, wodurch eine Kreuzform entsteht, an die im Süden ein weiterer Vorsprung angefügt ist. Über ihm ist eine Vorhalle errichtet, die aus fünf Jochbreiten besteht und unmittelbar in die sieben Joche breite und fünf Joche tiefe Haupthalle übergeht. In der Vertikalen zählt die Frontseite im Süden fünf Geschosse, die Rückseite aber nur vier, die sich über einer wegen des ansteigenden Geländes erhöhten Plattform im Norden erheben.
Die Hauptfront ist mit Dächern auf sechs Ebenen die imposanteste. Jede Seite trägt fünf, die Rückfront vier Dächer. Die Dachformen wechseln in jedem Stockwerk. Im Erdgeschoss ist die Vorhalle mit einem halben Walmdach gedeckt, das von dem kurzen Pultdach der Haupthalle aus vorspringt. Zwei dreijochige Anbauten, welche an die massiven, mit Scheinfenstern ausgestatteten Seitenmauern lehnen, tragen Pultdächer in Form eines halben Fußwalmdaches. Da diese Anbauten keinem erkennbaren Zweck dienen - es sind sehr enge Leerräume - kann ihr Sinn nur in ihrem architektonischen Kontext liegen, in ihren Dächern: die Traufkanten bilden von der Frontseite aus gesehen eine durchgehende Diagonale mit den zurückspringenden Seitendächern der oberen Stockwerke. Auf diese Weise wurde ein pyramidenartiges Ansteigen des Turmpavillons erreicht und die blockhafte Massigkeit der beiden unteren Geschosse überspielt. Das zweite Geschoss zeigt nach der Frontseite ein Doppeldach: ein Pultdach und darüber ein Traufdach, welches um das gesamte Gebäude verläuft. Unter diesem Traufdach enden die Seitenmauern, oberhalb setzt sich der Bau als reine Holzarchitektur fort. Die Vorderseite des zweiten Geschosses besteht aus sieben Jochen, in der Tiefe misst es fünf. Das dritte Geschoss hat ein umlaufendes Traufdach. Es zählt ebenfalls sieben mal fünf Joche, ist jedoch verkleinert, weshalb die äußeren Säulenabstände nur die halbe Breite der übrigen Joche einnehmen. Um eine weitere Stufe zurückgesetzt ist das vierte Geschoss. Es besteht nur noch aus fünf mal drei Jochen. Den Ecken seines Daches sind vier pyramidenförmige Dächer aufgesetzt, deren relativ flacher Neigungswinkel dem der übrigen Dächer angeglichen ist. Das letzte Geschoss besteht aus einem quadratischen, drei mal drei Joche messenden Aufsatz mit einem Zeltdach von gleicher Form wie die Eckdächer, jedoch um ein Drittel größer. Alle fünf Dächer sind mit dem golden leuchtenden buddhistischen Juwel gekrönt, Symbole der fünf transzendentalen Buddhas des Mahayana, wobei das oberste und größte als Sinnbild Vairochanas gedacht werden kann.
Die Proportionen, die Gliederung, die lkonographie und nicht zuletzt die Monumentalität des Baus entsprechen tibetischem Geist. Die gesamte Ausführung ist bis ins letzte Detail Qing-Stil: die leicht aufwärts gebogenen Dachecken, die sieben apotropäischen Figuren auf jedem Dachgrat, die gleichförmigen Konsolenreihen, die Konstruktion der Rundsäulen und Querbalken, die Muster der Holzgitter in Türen und Fenstern und die farbige Fassung, in der das Purpurrot der Säulen und Paneele ausgespielt wird gegen das Goldgelb der Dachziegel und den kühlen, vorwiegend blauen und grünen, weiß umrandeten Mustern im Schatten der Traufen.
Die an Schnitzwerk und Bemalung überreiche Ausstattung des Innenraums übertrifft noch die der Fassaden. Säulenveranden, die durch Treppen verbunden sind, führen in drei Geschossen um einen offenen Schacht, der bis unter eine Decke im vierten Geschoss reicht. An den Schmalseiten dieses Innenraums stehen sich zwei Luohan Figuren in anbetender Haltung gegenüber. Sie nehmen die gesamte Höhe der beiden unteren Geschosse ein. Ihre Verehrung gilt einer riesenhaften Gestalt im Hintergrund der Halle. Hier ragt auf einem Lotossockel stehend eine hölzerne Guan yin Statue bis in das vierte Geschoss empor . Ihre Krone berührt fast die Decke. Die Höhe der Skulptur wird mit über 24 Metern angegeben. Damit ist sie vermutlich die größte Holzplastik Chinas. Ein Kreis von sechsunddreißig Armen füllt die Gesamt-Breite des Schachts. Jede Handhaltung und jedes Attribut, das sie zeigt, verkörpert ihr segensreiches Wirken. In den Händen zweier weiterer Arme, die sie vor sich hält, trägt sie die Glocke und den Dorje, den unzerstörbaren Diamanten in Form des Donnerkeils, Symbole von Weisheit und Erleuchtung. Die Hände der Hauptarme sind zur Gebetshaltung zusammengelegt. Den nackten Oberkörper bedecken Tücher und Bänder sowie reicher Kettenschmuck. Das lange Untergewand fällt in symmetrischen Falten und Knoten und ist ebenfalls mit Perlenketten geschmückt. Das Haar liegt in gleichmäßigen Strähnen über den Schultern, die Ohrläppchen sind durch schwere Ohrringe lang gezogen: eine prinzliche Erscheinung, welche auf die altindische Vorstellung eines Bodhisattvas zurückgeht. Dies ist das heilbringende Wesen im Mittelpunkt des Mandalas, der Kern des magischen Kreises, den die umgebenden Gebäude um die Behausung der Gottheit legen.
Der „Tempel der Universalen Freude“ (Pu le si)
Auch diese Anlage wurde als Versöhnungsgeste gegenüber unterworfenen mongolischen Stämmen auf Veranlassung Qian longs 1766 errichtet. Sie sollte den Fürsten und Tributgesandtschaften dieser Volksgruppen einen würdigen Empfang bereiten.
Der Eingang liegt im Westen, die Tempelachse erstreckt sich nach Osten . Der vordere Teil ist in traditioneller Weise angelegt, sowohl was das Layout als auch den Stil angeht. Der rückwärtige Teil verbindet chinesische Bauformen mit den Bedürfnissen des lamaistischen Rituals, dem die Mongolen anhingen. Diesen Bezirk, der die Hälfte der Gesamtanlage einnimmt, füllen drei quadratische, übereinander gebaute Terrassen aus, die mit großen Kalksteinquadern errichtet sind. Nach oben nimmt ihr Durchmesser ab, sodass im Grundriss drei ineinander gefügte Quadrate entstehen, die „Turmstadt“ (Du cheng) . Um die untere Terrasse führte ehemals eine überdachte Galerie. Die zweite Terrasse ist mit Zinnen umgrenzt, die obere mit einer Palastbalustrade, unterhalb derer ein ziegelgedecktes Traufgesims verläuft. An jeder Seite der unteren Terrasse befindet sich in der Mitte eine dreijochige Torhalle, die mit einem Fußwalmdach gedeckt ist. Jedes dieser Tore gewährte Zugang zur Galerie und zu dem Innenhof zwischen der Galerie und der zweiten Terrasse. Von jedem Tor aus überbrückt eine niedrige Rampe mit seitlichen Stufen den Hof. Hinter dem Westtor, zu dem vom vorderen Tempelbezirk aus eine Doppeltreppe hinaufführt, ist die Rampe breiter. Hierdurch wird die Tempelachse des vorderen Bereichs augenfällig bis in den hinteren Tempelbezirk weitergeführt. Alle vier Rampen münden an einem Rundbogeneingang in der Terrassenmauer. Im Inneren führen Treppenkorridore zur Plattform der zweiten Terrasse. Kleine offene Pavillons überdachen die Treppenausgänge. Rundbogenportale an allen vier Seiten und Treppen im Mauerwerk der dritten Terrasse führen auch zur oberen Plattform.
Auf der zweiten Terrasse stehen acht kleine Stupas vom Typus der Chörten siehe auch siehe auch, vier an den Ecken, vier in der Mitte. Ihre Formen sind gleich, ihre Lotossockel wechseln zwischen Quadrat und Oktogon . Sie unterscheiden sich in den Grundfarben. Die Eckstupas sind weiß, die nach den Hauptrichtungen sind purpur im Westen, schwarz im Osten, blau im Norden, gelb im Süden . Diese Farben werden mit bestimmten Buddhas der Weltrichtungen in Verbindung gebracht, die in den jeweiligen Stupas manifestiert sind. Die Zahl Acht hat vielfache Bedeutung. So erinnert sie an die acht großen Ereignisse im Leben des Buddha und an den achtfachen Pfad zur Erleuchtung. Zugleich sind die acht Stupas Stationen beim Umschreiten des Allerheiligsten im Zentrum.
Der Pavillon des Glänzenden Sonnenaufgangs
Dort erhebt sich auf der höchsten Terrasse einer der wenigen echten Rundbauten der chinesischen Architektur, die in Holz errichtet wurden. Seine Ähnlichkeit mit der „Halle der Jahresgebete für eine Gute Ernte“ im Himmelstempel von Peking siehe auch springt ins Auge. Auch die „Halle des Kaiserlichen Himmelsgewölbes“ gehört zu den Vorläufern des „Pavillons des Glänzenden Sonnenaufgangs“ (Xu guang ge) . Im Unterschied zur „Halle der Jahresgebete“ hat dieser Pavillon nur zwei Dächer, die hier mit goldgelben Ziegeln gedeckt sind. Wie im Himmelstempel ist das untere ein umlaufendes Pultdach, das obere ein rundes Zeltdach, dessen Spitze mit dem buddhistischen Juwel endet. Es ist steiler und höher gezogen als die Dächer der beiden Pekinger Hallen und lässt an eine mongolische Jurte denken. Die Konstruktion entspricht weitgehend den Vorbildern: die dicht gefügten Konsolenreihen unter den Traufen, die Rundsäulen und insbesondere die gebogenen Horizontalbalken, welche eine echte Rundstruktur ermöglichen anstelle eines Polygons. Die Schwierigkeit, solche gekurvten Balken in der notwendigen Stärke und Menge zu beschaffen, dürfte der Hauptgrund gewesen sein für die Seltenheit solcher Bauwerke. Das Dach wird von 24 Säulen getragen, was an die Zeitsymbolik der „Halle der Jahresgebete“ erinnert. Zwischen die 12 äußeren Säulen, welche das untere Dach stützen, sind Holzgitterfenster eingelassen vom gleichen Zuschnitt der Pekinger Halle. Holzgittertüren gewähren Zugang von den Haupthimmelsrichtungen. Die 12 inneren Säulen sind um ein Drittel höher als die äußeren und haben etwa den doppelten Durchmesser. Sie tragen das Hauptdach. Zwischen den beiden Säulenringen ist ein breiter Umgang frei gelassen.
Die Pracht der Holzdecke gleicht jener der Decken im Himmelstempel . Strahlenförmig angeordnete Konsolenreihen steigen stufenweise an zu immer engeren ringförmigen Decken, deren Paneele vollkommen mit farbigem Schnitzwerk ausgefüllt sind. Die Muster sind stereotyp und stellen Lotos, Ranken, Wolken, Drachen und Phönixe dar. Im riesenhaften Rund der Kuppel winden sich zwei Drachen zwischen Wolkenornamenten, die nach der Glückskugel jagen, welche wie ein Stalaktit herabhängt. Das Drachenmotiv ist dem Dekor kaiserlicher Paläste entnommen und erscheint auch in den beiden Kuppeln des Himmelstempels. Hier tritt es als Zeichen der kaiserlichen Schutzherrschaft über den Tempel auf.
In der Hallenmitte erhebt sich anstelle eines Standbildes auf einem kreisrunden Sockel ein massives, reliefiertes Steingebilde bis zur Höhe der inneren Säulen . Der Block hat quadratischen Grundriss und Vorsprünge nach den Haupthimmelsrichtungen, die Grundform des kosmischen Diagramms: ein gewaltiger Schrein, dessen verwinkeltes Innere sich nach allen Seiten öffnet.
Von dieser Struktur gibt es einige Modelle in Form eines Votivschreins, eines davon im Britischen Museum, das den Aufbau in übersichtlicher Weise zeigt. Das Gebilde aus kostbaren Materialien, eine Cloisonnéarbeit mit Einlagen von Korallen, Silber und Jade, steht ebenfalls auf einem runden Sockel. Der Unterbau besteht aus einem quadratischen Block mit Vorsprüngen und Toren an allen vier Seiten. Das Geschoss darüber wiederholt verkleinert die Grundform des Unterbaus. Es ist ein von Säulen getragener Baldachin, der nach allen Seiten offen ist. Am Boden entfaltet sich das Bild einer geöffneten Lotosblüte. Über dem flachen Dach baut sich die übliche Bekrönung auf, die in den buddhistischen Symbolen und dem Ehrenschirm gipfelt.
Diese Spitze fehlt der aus blockhaften, kubischen Strukturen bestehenden flachen Überdachung des Schreins im Xu guang ge, was ihm eine ungewohnte Wirkung verleiht. Auch die bauchigen, mit Kanneluren versehenen Rundsäulen, die als Viererbündel die vorspringenden Tore flankieren, tragen dazu bei und erinnern an Barockportale.
Diese monumentale Konstruktion stellt ein dreidimensionales Mandala dar (tan cheng). Im geheimnisvollen Dunkel des Inneren verehrte man ein Kultbild, das „Buddha-König der Höchsten Freude“ (Shang le wang fo) genannt wurde und einer wahrscheinlich vorbuddhistischen Tradition Tibets entstammte. Der Schrein selbst wurde mit dem Weltberg Sumeru gleichgesetzt, der ja auch als eines der Buddha-Paradiese galt. Vermutlich war in dieses dreidimensionale Mandala die Gestalt des Buddhakönigs, die auch heute nicht sichtbar oder nicht mehr vorhanden ist, so eingebettet, dass er dem Verehrenden verborgen war und nur das Weltberg Symbol anschaulich blieb. Damit trat der Mandala-Aspekt vor dem des Kultbildes in den Vordergrund. Seine abstrakte Symbolik ist umfassender, als die eines Buddha- oder Bodhisattvabildes, welches immer nur einen bestimmten Aspekt der buddhistischen Vorstellungswelt darstellt.
Dieser Schrein ist der Kern der „Turmstadt“, deren Aufbau noch deutlicher als die Anordnung der Gebäude des Pu ning Tempels die Gestalt eines Mandalas zeigt: das äußere Quadrat mit den Toren in den Kardinalrichtungen, das zwei weitere Quadrate einschließt, die Terrassen. Das Zentrum bildet die richtungslose, unendliche Form des Kreises, verkörpert im Rundpavillon, worin das Mandala im Mandala ruht.
Mit dieser Anlage und den anderen Sakralbauten von Chengde hat die Baukunst der Qing-Epoche einen Beitrag zur Symbolarchitektur geleistet, der zu den bedeutendsten gehört in der Baugeschichte Chinas.
Ein daoistisches Universum: der Gedächtnistempel für Zhang Liang
Während im Norden Chinas unter dem Einfluss der Mandschu sich ein klassizistischer Traditionalismus verfestigte, dessen wesentliche Merkmale eine großflächige Bebauung und strenge Axialität der offiziellen Anlagen war, blieb man im Süden eher einheimischen Traditionen verhaftet mit lokalen Unterschieden, deren Gemeinsamkeit in einer größeren Beschwingtheit der Einzelformen bestand und in einer größeren dekorativen Vielfalt. Die auf Herrschaftsdenken beruhende Bedeutung der zentralen Achse spielte im Süden eine weit geringere Rolle. Wo sie auftritt wird sie umspielt von seitlichen Gebäudegruppen, Höfen oder Gärten und so ihre Dominanz abgeschwächt. Sowohl im Gesamt-Layout als auch in den Einzelgebäuden zeigt die südliche Architektur größere Beweglichkeit und größeren Formenreichtum.
In diesem Zusammenhang verkörpert der Zhang Liang Tempel im Qinling-Gebirge, Shaanxi, einen Angel- und Drehpunkt, denn hier treffen nördliches und südliches Architekturverständnis aufeinander und wurden in einem kontrastreichen Zusammenspiel vereint. Das Qinling Gebirge, in dem der Tempel liegt, stellt von alters her eine Scheidelinie dar zwischen dem Norden und dem Süden Chinas, nicht nur in geographischer, sondern auch in kultureller Hinsicht.
Es handelt sich um einen daoistischen Tempelkomplex, der sich in seiner Grundstruktur nicht von einer buddhistischen Anlage unterscheidet, jedoch von gänzlich anderen Inhalten geprägt ist. Seine Gründung soll bereits in der Han-Zeit erfolgt sein, als der erste Kaiser der Dynastie Gao zu für seinen Kanzler Zhang Liang einen Gedächtnistempel errichten ließ. Zhang, der als politischer und militärischer Berater des späteren Kaisers einen wesentlichen Anteil an der Gründung der Han-Dynastie hatte, stammte aus dieser Gegend und soll sich im Alter hierher zurückgezogen haben. Nicht zuletzt deshalb wurde er zum lokalen Heros. Der Ort scheint über Jahrhunderte im Gedächtnis der einheimischen Bevölkerung geblieben zu sein und hat als Verehrungsstätte für den Geist Zhang Liangs gedient, die, wenn auch oft von Zerfall bedroht, nie völlig vergessen wurde. Eine volkstümliche Legende wird mit der Tempelgründung in Verbindung gebracht: ein Berggeist, dessen Gestalt dem Lao ze ähnlich war, soll dem Knaben Zhang hier ein Buch überreicht haben, dessen Studium ihn zu seinen späteren Taten befähigte. Diese Legende ist bedeutungsvoll für die Ausrichtung des Komplexes.
Nach geomantischen Gesichtspunkten ist die Lage des Tempels glückverheißend: eingebettet in ein schützendes Tal, umgeben von bewaldeten Hängen, einen Berg im Rücken, einen Bachlauf zu Füßen. Der Eingang liegt im Norden, von wo aus sich die Achse des ersten Haupthofs nach Süden entwickelt. Die im nördlichen China so wichtige Ausrichtung von Süden nach Norden mit dem Rücken zu der gefahrbringenden Himmelsrichtung siehe auch hat hier im südlichen Shaanxi offenbar an Bedeutung verloren. Hätten diese Überlegungen bei der Tempelplanung eine wichtige Rolle gespielt, so hätte sich in der gebirgigen Gegend eine süd-nördliche Plan-Auslegung finden lassen mit gleich günstigen Auspizien. Hier jedoch waren örtliche Gegebenheiten vordringlich. Ausschlaggebend war die Stätte, wo Zhang der Überlieferung nach das Buch des Unsterblichen in Empfang nahm. Auf sie bezogen wurde ein zweite Hauptachse angelegt .
Die Gebäude wurden zwischen 1846 und 1860 im Stil der Zeit erneuert. Zwei seitliche Torhallen bildeten im Osten und Westen in einiger Entfernung vom Haupteingang die äußeren Eingänge. Eine alte Passstraße über das Gebirge führte durch sie hindurch vorbei an der Nordseite des Tempels. Sie passierte einen kleinen Vorhof, der im Norden von einer Geistermauer abgeschlossen war, im Süden von einem Pai lou . Er ist heute der Eingang zu dem Tempelkomplex, der nach den Zerstörungen der Kulturrevolution wieder aufgebaut wurde. Von hier aus beginnt die erste Tempelachse.
Der zierliche Torbau aus Ziegelmauerwerk besteht aus einem kleinen Mittelturm mit zwei niedrigen Seitenflügeln. Er hat nur einen Durchgang, der von einem Bogen überwölbt wird. Die drei Dächer zeigen nur leicht angehobene Dachecken und sind dicht mit Firstschmuck und Tierplastiken dekoriert. Die Scheinkonsolen unter den Traufen formen einen breiten Fries. Die Seitenflügel sind mit Scheinfenstern aus reichem Keramikornament versehen. Darüber sind fächerförmige Keramiktafeln eingemauert, in die Inschriften eingeschnitten sind. Über dem Torbogen ist in der üblichen Weise die Tafel mit dem Tempelnamen angebracht. Unterhalb der Fenster steht auf jeder Seite ein Inschriftenstein. Architektonisch von einfachem und klarem Zuschnitt, ist das kleine Gebäude fast vollständig von ornamentalem Schmuck überzogen. Die gliedernde Struktur von Stützen und Tragbalken, die so typisch ist für die Schmucktore des Nordens, fehlt hier.
Dahinter überquert eine kleine Brücke den Bach. Sie führt zum „Großen Bergtor“ (Da shan men), das jedoch nur bescheidene Ausmaße aufweist . Es ist mit einem einfachen Satteldach gedeckt, dessen First und Dachränder allerdings aufgemauerte Ornamentfriese tragen und kleine Tierfiguren. Die Traufen kragen nur wenig vor. Giebel- und Frontseiten bestehen aus Ziegelmauern. Nur in der Mitte der Außenseite ist eine Türöffnung eingelassen, während sich das Tor nach dem angrenzenden Hof hin öffnet zu einer kleinen dreijochigen Halle. Die beiden mittleren Holzsäulen sind oben durch ein filigran geschnitztes, mit Blumen- und Rankenmotiven bemaltes Brett verbunden, das wie eine Girlande an den Säulenschäften hinabführt - ein im Norden unbekanntes Schmuckelement, das den Eintretenden gleichsam mit einem portalartigen Blumenflor empfängt. Auch hier wird die einfache Form des Satteldachhauses durch phantasievolle Ornamentik belebt.
An den Gebäuden des folgenden Hofs finden sich Dachformen des Nordens und des Südens nebeneinander. Die den Hof ringsum begrenzenden Hallen sind mit Satteldächern gedeckt - die auch im Süden bei Wohnhäusern verbreitete Dachform - und mit jenen üppigen Grat- und Firstverzierungen der Eingangstore geschmückt, bei denen sich die apotropäischen Phantasietiere nicht nur an den Enden der Dachgrate befinden wie im Norden, sondern über die gesamten Dachränder und Firste verteilt sind. Das Hauptgebäude der Dreiergruppe, die den Hof im Süden abschließt und wo die erste Tempelachse endet, trägt ein erhöhtes Fußwalmdach mit stark hochgebogenen Dachecken. Auch die Hallen an den Hofseiten sind Einzelbauten mit eigenen Zugängen, die zu dreiflügeligen Gebäuden zusammengefasst wurden, das mittlere Dach stets etwas erhöht und mit einem Knauf in der Firstmitte. Die Säulen der dreijochigen Hallen sind in ähnlicher Weise geschmückt wie das Bergtor mit Schnitzwerk, das sich nach unten verjüngend an den Seiten herabführt. Muster und Umrisse dieser Schmuckbretter wechseln von Halle zu Halle.
Die Mittelachse flankierend erheben sich südlich des Bergtors zwei freistehende Pavillons, der Glocken- und der Paukenturm. Beide haben einen Sechseck-Grundriss, über dem an jeder Ecke eine leicht einwärts geneigte Holzsäule steht. Bis auf die Eingangsseite im Süden sind die Zwischenräume vermauert, sodass eine leicht geböschte Außenwand entsteht, die weiß verputzt wurde. Oberhalb der Wand, die mit einem Querbalken abschließt, ist der Raum zwischen den Stützen bis unter die Traufen frei gelassen. Auf den sechs Säulen lagert ein verwickelter Dachstuhlaufbau. Er trägt ein sechsgratiges Zeltdach, dessen Traufen tief einwärts gebogen sind. Die Dachgrate beschreiben eine schwungvolle S-Form, die durch einen hohen, aufgesetzten Keramikfries noch hervorgehoben wird. Die äußeren Spitzen des Dekors ziehen die angehobenen Dachecken noch weiter nach oben. Ein Knauf in Form eines flaschenförmigen Doppelgefäßes krönt das Dach.
Etwas weiter nach Süden versetzt, genau auf der Hofachse, welche durch die Pflasterung deutlich angezeigt wird, bildet ein größerer Pavillon ein Dreieck mit den beiden kleineren . Alle drei Gebäude sind nicht nur durch ihre Stellung, sondern auch durch ihre Dachformen aufeinander bezogen. Der höhere Rang des Mittelpavillons wird neben seiner zentralen Position auch durch das doppelte Dach verdeutlicht. Die Konstruktion des Baus ist noch komplizierter, als die des Glocken- und Paukenpavillons. Der nach allen Seiten mit Holzpaneelen, bzw. Holztüren geschlossene Innenraum ist achtseitig mit acht runden Eckstützen, zwischen denen oberhalb reich dekorierte Holzfüllungen verlaufen. Aus den Schäften dieser Säulen treten geschnitzte Schmuckbretter vor, welche das untere Traufdach stützen, also die Funktion von Konsolen haben. Die niedrige quadratische Plattform, auf welcher der Bau steht, spiegelt die Grundform des Daches: es ist quadratisch und ragt weit über den Unterbau vor. Vier freistehende Rundsäulen fangen die Ecken des unteren Daches ab, die an den Diagonalseiten des achteckigen Unterbaus noch weiter überstehen. Sowohl die Ecken des umlaufenden Pultdachs als auch des Zeltdachs darüber sind so stark aufwärts gekrümmt, dass ihre Spitzen senkrecht nach oben stehen. Während die Grate des Pultdachs einen konkaven Bogen beschreiben, folgen die Grate des Zeltdachs einer S-Kurve, die durch ihren Endschwung noch stärker ausgeprägt ist, als die der kleinen Pavillons. Auch hier betont der hohe Wulst eines Keramikfrieses den Verlauf der Dachgrate. Die vier spitzen Enden des oberen Daches laufen aus in einem Dekor aus verschlungenen Drachenleibern. Eine vielgliedrige Dachbekrönung, deren Aufbau den Symbolspitzen buddhistischer Heiligtümer gleicht, bildet den Gipfel.
Der Pavillon ist jedoch nicht buddhistischen, sondern daoistischen Göttern geweiht: dem Ling guan, dem Namenspatron der Halle, und Wu cai shen, beide populäre Gottheiten, die in vielen daoistischen Heiligtümern gemeinsam verehrt werden. Ling guan verkörpert die dynamischen Kräfte, die in den Gebirgen und in der Erde wirken. Wu cai shen stellt den kämpferischen Aspekt des Gottes der Fülle und des Reichtums dar in der Gestalt eines Kriegers. Beide Gottheiten gehören zusammen und spielen im Kontext dieser Verehrungsstätte an auf die Tatkraft und die erfolgreiche Aktivität des Zhang Liang. Ihre Statuen stehen in der Hallenmitte Rücken an Rücken, Ling guan nach Norden gerichtet auf einem Drachen reitend, Wu cai shen nach Süden gerichtet auf einem Tiger.
Auch in den anderen Hallen des Hofs befinden sich zahlreiche Göttergestalten mit jeweils zwei Begleitfiguren, die wichtigsten in den drei Hallen der Südseite. Es ist eine dreifache Trias, die an den Rückwänden aufgestellt ist. In der mittleren, der größten Halle sind es die „Drei Reinen“ (San qing), die Bewohner der drei daoistischen Himmel. Links steht die „Halle der drei Gesetze“ (San fa dian) mit dem Donnergott in der Mitte, sowie dem schwerttragenden „Herrscher des dunkeln Himmels“, der die Dämonen tötet und dem „Himmlischen Lehrer“, der Macht hat über Tiere und Tierdämonen. Rechts erhebt sich die „Halle der Drei Herrscher“ (San guan dian), der Herrn des Himmels, der Erde und des Wassers. Hinter diesen Hallen dehnt sich eine Gruppe von Wirtschaftsgebäuden nach Süden und Westen aus.
Vor die mittlere der drei Hallen, die den Hof im Westen abschließen, sind zwei Ehrenmaste und zwei Wächterlöwen platziert, welche die kleine Treppe flankieren, die zur Halle führt. Diese Akzentuierung zeigt an, dass es sich hier um ein wichtiges Gebäude handelt: um das „Zweite Bergtor“ (Er shan men) , das den Weg zum Kern des Heiligtums einleitet, zur Gedächtnishalle des Zhan Liang. Es ist der Drehpunkt der beiden Achsen. Die zweite Hauptachse verläuft nun konsequent nach Westen auf den hinter dem Tempel ansteigenden Bergvorsprung zu, umgeben von zahlreichen Nebenhöfen und Anbauten, die Nebenachsen bilden und sich nach den Seiten hin ausbreiten, teilweise diagonal zu den Hauptrichtungen. Die südliche Front des Ling guan Pavillons im ersten Haupthof liegt genau auf der Mittellinie dieser zweiten Achse. Sie nimmt ihren Ausgang von einem Gebäude, das dem „Zweiten Bergtor“ gegenüber liegt, der „Östlichen Halle der Zierde“ (Dong hua dian), in der siebzehn Göttergestalten aufgereiht sind. Zusammen mit den übrigen Gottheiten dieses Hofs manifestieren sie den daoistischen Pantheon, in welchen der in diesem Tempel verehrte Geist aufgenommen wurde.
Sowohl die Mittelhalle des „Zweiten Bergtors“, als auch die Flügelbauten sind zugleich Verehrungsstätten. Den Durchgang der mittleren, der eigentlichen Torhalle, flankieren zwei Gottheiten in eigenen kleinen Altarräumen, im nördlichen der „König der Heilkunst“ (Yao wang), im südlichen der Gott des Reichtums in seinem Aspekt als Schutzherr der Literaten und Beamten (Wen cai shen), wiederum ein deutlicher Hinweis auf das segenreiche Wirken und die geistigen und politischen Fähigkeiten des Zhang Liang. Im Hintergrund der rechten Halle sitzen die „Drei Heiligen Mütter“ (San sheng mu), die Glück und Kindersegen gewähren. An den Seitenwänden sind begleitende Geister aufgereiht, die Glück, aber auch Krankheiten verteilen. In der linken Halle wurden die Bodhisattvas Guan yin, Pu xian und Wen shu verehrt. Die Popularität dieser buddhistischen Erlöserfiguren war so groß, dass sie in den Pantheon der daoistischen Götter aufgenommen wurden. Dabei sind sie zu Richtern über die menschlichen Taten umgedeutet worden, worauf sich die Höllenszenen an den Seitenwänden beziehen.
Alle diese Gestalten illustrieren immer wieder den Grundgedanken der gesamten Anlage: ins Gedächtnis zu rufen, dass die Taten Zhang Liangs Glück, Wohlstand und Gerechtigkeit zur Folge hatten, die durch seine Verehrung noch immer herbeigerufen werden können.
Die Haupthalle des folgenden Hofs, der ebenfalls von zwei seitlichen Gebäuden eingeschlossen wird, ist die „Halle der Verehrung“ (Bai dian). Sie stellt eine Schwelle dar, den Ort ehrfurchtsvollen Verharrens, bevor der Verehrende den dritten Hof mit dem Gedächtnisschrein betritt. Es ist eine offene Durchgangshalle, die in der Breite in drei gleichmäßige Joche unterteilt ist. Sie steht auf einer niedrigen Plattform mit einer Mitteltreppe. Das Satteldach zeigt den gleichen reichen Schmuck auf First und Graten wie die Dächer des Vorhofs. Die mittleren Frontsäulen tragen breite, seitlich ausgreifende Flügelkonsolen, die ähnlich geschnitzt und bemalt sind wie die Schmuckbretter der vorigen Hallen. Doch führen sie in diesem Fall nicht am Säulenschaft entlang. Hier ersetzten zwei sich nach unten verkleinernde Voluten unmittelbar unter den Flügeln die Girlanden, was eine ähnlich schmückende Wirkung ergibt.
Im Hintergrund des dritten Hofs empfängt den Besucher das Hauptheiligtum, die Halle, die dem Geist des Zhang Liang errichtet wurde, die „Halle des Grafen von Liu“ (Liu hou dian) . Es ist ein Gebäude von bescheidenen Dimensionen, um so prachtvoller ist es ausgestattet. Es steht auf einer niedrigen Terrasse mit einer Mitteltreppe und einer niedrigen Balustrade. Das Dach weist eine komplizierte Konstruktion auf. Es ist ein leicht einwärts gebogenes Satteldach mit einem Fußwalmdach an den Schmalseiten, dessen weit ausladende Ecken sich stark nach oben krümmen. Von dem Fußwalmdach aus springt an den Breitseiten ein Pultdach vor mit dem gleichen Neigungswinkel wie das Satteldach, das erst von der Mitte der äußeren Joche aus ansteigt. Das Pultdach setzt also im unteren Dachbereich das Satteldach nach den Seiten hin fort und endet an den Ecken ohne Krümmung. Der First des Satteldachs und seine abwärts führenden Grate sowie die Grate des Fußwalmdachs sind hier besonders reich mit hohen Keramikfriesen geschmückt, auf denen die Schutztiere aufgereiht sind. An den Kanten des Pultdachs sitzen an jeder Seite zwei Tiere. Ebenso prächtig ist die Eingangsseite der offenen Halle gestaltet. Sie besteht aus drei Jochen, das mittlere breiter als die seitlichen. Von den Säulen kragen die gleichen flügelartigen Konsolen aus wie an der „Halle der Verehrung“. Nur stützen sie hier eine breite geschnitzte und bemalte Holzfüllung, die unterhalb des Querbalkens verläuft. Und von den Konsolen aus verlaufen ebenso geschnitzte Schmuckbretter sich allmählich verjüngend an den Seiten der Säulen bis zur Mitte des Schafts. In der Gesamtwirkung entsteht so an der Fassade ein geraffter Vorhang aus farbigen, durchbrochenen Blumengirlanden. Drei Schrifttafeln unter der Traufe huldigen dem Geist des Ministers der Han-Zeit. Seine Statue ist im Inneren aufgestellt, eine Sitzfigur mit zwei Begleitern. Wie auch die anderen Götter- und Geisterdarstellungen des Tempels, sind diese Figuren nur als Bedeutungsträger bemerkenswert. Künstlerischer Rang ist ihnen nicht zuzusprechen.
Nordwestlich der Gebäudegruppe schließt am Fuße des Berges ein Garten an mit Galerien, Gästehäusern und Pavillons, von denen ein offener, quadratischer Steinpavillon mit stark gekurvtem Fußwalmdach besonders prächtig ornamentiert ist. Auf die Darstellung der „Acht Trigramme“ (Ba gua) an der Decke bezieht sich der Name des Pavillons Ba gua ting. Es sind magische Zeichen, die das wechselnde Mit- und Gegeneinander der Kräfte des ying und yang veranschaulichen.
Oberhalb der Halle des Zhang Liang steht auf einem Bergvorsprung ein kleiner Rundpavillon, zu dem von Norden und Süden ein gewundener Treppenweg hinaufführt, ein Ruhepunkt vor dem Aufstieg zum Ziel- und Endpunkt der ost-westlichen Tempelachse, zu dem sich eine Steintreppe, von Balustraden eingefasst, hinaufwindet. Auf dem Gipfel erhebt sich ein zweigeschossiger Pavillon, dahinter steigt das Gebirge weiter an. Der Grundriss ist quadratisch, in beiden Geschossen führt an jeder Seite eine Säulengalerie von drei Jochen um den Innenraum. Die konkave Krümmung des umlaufenden Traufdachs steigert sich in dem steil ansteigenden Zeltdach: seine Ecken schwingen dynamisch aufwärts. Der Pavillon markiert die Stelle, wo Zhang das Weisheitsbuch des Berggeistes entgegennahm, daher der Name des Gebäudes: „Turm, wo das Buch überreicht wurde“ (Shou shu lou) . Die Lage des Turms am Ende der Achse, an deren Beginn eine Versammlung daoistischer Gottheiten steht - nämlich in der „Halle der östlichen Zierde“ - deren Blicke auf die Stelle des großen Ereignisses gerichtet sind, verdeutlicht einmal mehr den Symbolcharakter der bildnerischen und architektonischen Konzeption. Dabei zeigen sich Parallelen zu buddhistischen Anlagen der Qing-Zeit: der Turmpavillon steht am Ende der Tempelachse, also dort, wo bei einer Reihe buddhistischer Komplexe die Pagode steht.
Der „Turm der Buchübergabe“ bildet einen architektonischen Schlussakkord, der das ringsum von Mauern und Gebäuden eingeschlossenen Heiligtum in die Landschaft hinein ausdehnt und auf diese Weise Menschenwerk und Natur ineinanderfügt.
Der Westgarten Tempel (Xi yuan si)
Während im Norden die riesigen kaiserlichen Parkanlagen dominierten, entstanden im Süden bereits in der Song-Zeit Privatgärten von hohen Beamten, Großgrundbesitzern oder reichen Kaufleuten. Die besondere Atmosphäre von Ruhe und Abgeschiedenheit dieser Gärten war von solchem Reiz, dass sie in den kaiserlichen Anlagen nachgebaut wurden, wie zum Beispiel der „Garten des Harmonischen Vergnügens“ (Xie qu yuan) im Sommerpalast bei Peking siehe auch. Vorwiegend in den Städten am Unterlauf des Yang zi kiang und in den Gebieten südlich des Flusses, in Hangzhou, Nanking, Yangzhou, Wuxi und vor allem in Suzhou blühte die Gartenkunst auf. Diese Gärten wurden um den Wohnsitz des Besitzers angelegt und verbanden so die Annehmlichkeiten des Landlebens mit denen der Stadt. Es waren Treffpunkte von Malern, Dichtern, Philosophen, die sich inmitten einer vollkommen durchgestalteten kleinen Welt in die freie Natur versetzt fühlen konnten. Das Gefühl von Freiheit, von Befreiung aus dem Zwang der alltäglichen Geschäfte des öffentlichen Lebens mit seinem starren Formalismus, konnte sich in der Gestaltung des eigenen Gartens ausleben. Der Privatgarten wurde so zum Gegenbild allen öffentlichen Bauens. Wo dort strenge Axialität und Symmetrie herrschen, finden sich hier im Layout asymmetrische Formen, wie Kurven und Zickzacklinien, und organische Bewegtheit. Wo im Grundplan öffentlicher Bauten Konzentration und Zusammenfassung angestrebt wurden, ist es im privaten Raum des Gartens Zerstreuung, was sich in der lockeren Anordnung der Gebäude ausdrückt. Wo die offizielle Anlage durch geometrische Strukturen Ordnung und Gesetzlichkeit signalisiert, spricht sich im intimen Bereich des Gartens das Bemühen aus, ihn in höchstmöglicher Natürlichkeit erscheinen zu lassen, die nicht den Gesetzen der Geometrie unterworfen ist. Wachstum und Vergänglichkeit, Dynamik also, im Gegensatz zu hieratischer Bewegungslosigkeit. Diese größere Gestaltungsfreiheit zeigt sich auch in der Formenvielfalt der Einzelgebäude, der Pavillons und Galerien und ihres Dekors.
Es ist gewiss kein Zufall, dass gerade im Süden während der Ming- und der Qing-Zeit die Gartenkunst erneut zur Blüte gelangte. Einmal war das übermächtige kaiserliche Peking weit entfernt, welches ja die materiellen Ressourcen und die kulturellen Kräfte der weiteren Umgebung an sich zog. Zum andern entwickelte sich im Süden ein wachsender Wohlstand, von dem die gebildeten Schichten profitierten und der Kaufmannsstand, so etwa in Yangzhou durch den Salzhandel oder durch die Seidenfabrikation in Suzhou. Damit verbunden war ein kultureller Aufschwung und ein zunehmendes Selbstbewusstsein, welches dazu beitrug, dass man sich vom nördlichen Einfluss absetzte und einheimischen Traditionen und Neigungen den Vorzug gab. Die südliche Mentalität beeinflusste die Architektur, ja sie war geradezu stilbildend. Ihre Ausdrucksmittel entsprachen den Tendenzen und Haltungen, die sich in den Gärten manifestierten: lebhafte Linienführung, schwungvolle, bewegte Formen, unmonumental im Entwurf, zierlich in der Gliederung, erfindungsreich und phantasievoll im Dekor.
Von den vielbewunderten Gärten Suzhous ist der „Westgarten“ (Xi yuan) sicherlich nicht der bedeutendste. Dort steht jedoch ein Gebäude, das, stellvertretend für zahlreiche andere, exemplarisch ist für die südliche Architektur der späten Qing-Zeit. Und nicht zuletzt ist die Anlage deshalb interessant, weil hier Elemente des Privatgartens und eines konventionellen Tempel-Layouts miteinander verwoben sind, dessen Strukturen ja weitgehend mit einem Palastplan übereinstimmen. Ursprünglich verbunden mit dem gegenüber liegenden „Garten des Verweilens“ (Liu yuan), ist der Xi yuan die Stiftung eines kaiserlichen Beamten, der den westlichen Teil seines Anwesens Anfang des 17. Jahrhunderts buddhistischen Mönchen für den Bau eines Klosters überließ. Nach dessen Zerstörung im Tai ping-Aufstand siehe auch wurde Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Tempelanlage im Qing-Stil errichtet .
Die zentrale Achse ist in üblicher Weise von Süden nach Norden ausgerichtet. Sie beginnt mit einem Pailou, dessen dreifaches Dach mit den steil nach oben gebogenen Dachecken über dem dreijochigen Durchgang wie schwebend erscheint .
Darauf folgt das „Große Tor“ (Da men) und danach die „Halle der Himmelskönige“ (Tian wang dian) mit den vier Wächtergottheiten, den Verteidigern der Lehre, und dem dicken, lachenden Mönch Bu dai, dem künftigen Buddha.
Im großen Hof hinter der Halle überquert die „Blumenduft-Brücke“ (Xiang hua qiao) ein Wasserbecken. Eine breite Marmorterrasse ist dem Hauptgebäude vorgelagert, der „Schatzhalle des Großen Helden“ (Da xiong bao dian) . Wie alle Gebäude des Tempelkomplexes ist sie in konventioneller Weise gebaut: fünfjochig in der Breite mit drei mittleren Toren, einem doppelten Fußwalmdach, dessen Ecken stark aufwärts gekrümmt sind, was dem Gebäude jedoch seine sonstige Steifheit nicht nimmt. Die Konsolen unter den gerade verlaufenden Traufen sind kaum sichtbar und gleichförmig aufgereiht. Im Innern ist eine Buddha-Trias mit Begleitfiguren aufgestellt. Nach einem hinteren Hof endet die Achse mit dem „Turm der Sutren-Bibliothek“ (Zang jing lou). Östlich der Achse sind verschiedene Höfe und Gebäude angefügt, ohne dass eine axiale Gliederung zu erkennen ist. Vom Hof vor der Buddha-Halle Da xiong bao dian zweigt eine Querachse ab, die ost-westlich verläuft. Sie bricht die Absolutheit der Hauptachse. Beginnend mit der „Guan yin-Halle“ im Osten kreuzt sie den Haupthof und führt zum Vorraum der „Arhat-Halle“ (Luohan tang). Beide Hallen beherbergen eine große Anzahl Bodhisattva- und Luohan-Standbilder, durchweg im Manierismus der späten Qing-Zeit. In der „Arhat-Halle“ sind es neben einer „tausendarmigen“ Guan yin Figur „fünfhundert“ dieser populären Mönchsgestalten in verschiedenen Haltungen und Gebärden.
Im Westen schließt sich der Garten an, in den die Ost-West Achse mit der „Arhat-Halle“ hineinragt. Hier nun beginnt sich das Achsensystem zu lockern. Einige Gebäudegruppen sind im Bezug auf die Süd-Nord Ausrichtung schräg gestellt. An das letzte Gebäude hinter der Luohan tang, welches die Querachse abschließt, fügt sich nach Nordwesten versetzt die „Terrasse der Frühlingsfülle“ an (Su tai chun man), eine Halle unmittelbar an dem See, der das Zentrum und den wichtigsten Teil des Gartens bildet. Der nördliche Arm des Sees biegt nach Osten ab und dann nach Süden in Nachahmung eines Flusslaufs. In den „See der Befreiung“ (Fang sheng chi) setzten die Mönche einst auf dem Markt gekaufte Fische und andere Wassertiere aus, als ein Akt des Mitleids mit allen Lebewesen, wie es für den Buddhisten in der Gestalt Guan yins verkörpert ist.
Von der „Terrasse der Frühlingsfülle“ aus führt ein Steg im Zickzack zu einer Insel mitten im See und dann weiter zu einer Uferterrasse mit einer kleinen Halle. Die beiden Ufergebäude bilden die Endpunkte einer weiteren Achse, deren Rückgrat der gezackte Steg ist, und die ungefähr in ost-westlicher Richtung verläuft, etwas nach Norden abweichend. Mittelpunkt und Hauptakzent dieser Achse ist die künstliche Insel. Sie besteht aus einer Achteck-Plattform, über der sich ein Pavillon von gleichem Grundriss und mit doppeltem Dach erhebt, der „Pavillon im Herzen des Sees“ (Hu xin ting) .
Eine offene Galerie führt um den kleinen Innenraum des Pavillons. Acht schlanke, äußere Rundsäulen tragen das weit auskragende untere Dach. Acht weitere Säulen bilden das Gerüst des Inneren. Zwischen ihnen sind nach den Stegseiten hin vergitterte Holztüren eingelassen, die übrigen Seiten sind mit weiß verputzten Wänden geschlossen, die von Sechseckfenstern mit filigranen Gittermustern durchbrochen sind. Unter den Querbalken des äußeren Umgangs verläuft ein luftiger Vorhang aus feingliedrigem Holzgitterwerk mit Swastikamustern. Die geschlossene Steinbrüstung des Umgangs trägt ein Geländer mit einem einfachen Muster aus Holzstäben. Zwischen dem umlaufenden Pultdach und dem oberen Zeltdach ist zwischen den Stützen ein Fensterband angebracht, das Licht von oben einlässt. Die Flächen des Zeltdachs sind stark einwärts gewölbt, die durch Wulstgesimse hervorgebenen Dachgrate beschreiben eine steile, konkave Kurve und gipfeln dort, wo sie zusammenlaufen, in einem vasenförmigen Knauf. Die Wülste auf den Dachgraten sind ohne Figurenschmuck. Sie sind mit seitlichen Rillen versehen, was ihnen eine besondere Dynamik verleiht, die den Schwung der Dachgrate erheblich verstärkt. Alle sechzehn Dachecken schwingen steil nach oben aus und enden in schnabelartigen Spitzen.
Alle Elemente dieses Bauwerks sind darauf ausgerichtet, Durchsichtigkeit und Schwerelosigkeit zu erreichen. Die Dynamik der Dachformen scheint die Dächer von ihrem Gewicht zu befreien, wozu die Zierlichkeit der Stützen beiträgt, deren glatte Rundungen sie noch schmaler erscheinen lassen. Die zurückgesetzten Wände des Innenraums verstärken den Eindruck als schwebe das Dach. Die zahlreichen Öffnungen und Wanddurchbrüche, die Feingliedrigkeit der Ornamente verleihen dem Gebäude Luftigkeit. Nicht zuletzt sind es die lebhafte Farbigkeit, aus der das Weiß der Wände und das Rot des Holzwerks kontrastreich hervorstechen, und das vibrierende Spiegelbild des Pavillons im Lichtspiel des Wassers, welche die schwebende Leichtigkeit und die hohe Lebendigkeit dieses Bauwerks ausmachen.