Buddhistische Heilsgestalten
Diese Ikonographie entstand gewiss im Dialog mit geistlichen Schriftgelehrten. Es war zum Beispiel unmöglich, sämtliche Merkmale (lakshana = xiang) des Buddha darzustellen, von denen es in der Literatur über achtzig gibt, 32 galten als kanonisch. Andererseits musste jeder Gläubige das von ihm angerufene Wesen erkennen können. Und das Wichtigste: eine Ikone konnte erst kultisch wirksam werden, wenn alle ihre Kennzeichen korrekt wiedergegeben waren.
Als sich der Glaube in China durchzusetzen begann, traten, neben den bereits in Indien verehrten, andere Heilsgestalten in den Vordergrund, gemäß ihrer Popularität.
Einige der wichtigsten seien hier zusammengefasst, wie sie im allgemeinen in Erscheinung treten.
Buddha, „Der Erleuchtete“ (Fo)
Auf seinem Scheitel trägt er den Schädelauswuchs, auf der Stirn ein Erleuchtungszeichen in Form einer Haarlocke, als Knopf oder Kristall. Er hat langgezogene Ohrläppchen von dem fürstlichen Schmuck, den er einst trug. Das Rad der Lehre auf Fußsohlen und Handflächen. Der Buddha wird geschlechtslos dargestellt. Er trägt ein einfaches Mönchsgewand und keinen Schmuck. Diese grundsätzlichen Kennzeichen gelten praktisch für alle Buddhas. Unter dem Begriff „Buddha“ ohne zusätzliche Bezeichnung versteht man den historischen Buddha. Er ist
Shakyamuni, „Der Weise aus dem Geschlecht der Shakyas“ (Shijia)
Er erscheint aufrecht stehend, ohne Körperdrehung, und im Lotossitz, d. h. mit kreuzweise übereinandergelegten Beinen, wobei die Fußsohlen nach oben gerichtet sind.
Die verschiedenen Handhaltungen verkörpern eine Symbolsprache, die aus der indischen Tanzkunst abgeleitet ist. Diese Gesten nennt man „Siegel oder Zeichen“ (mudra = yinxiang).
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Meditation: die Hände liegen im Schoß übereinander, die Flächen nach oben.
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Erdberührung: die rechte Hand berührt mit den Fingerspitzen die Erde, den Handrücken nach außen. Im Moment der Erleuchtung ruft Shakyamuni die Erde als Zeugin seines Sieges über den Versucher Mara auf.
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Das Drehen des Rades der Lehre: die Hände sind vor die Brust gehoben, Daumen und Zeigefinger der einen Hand berühren, gleichsam aufzählend, einen Finger der anderen. Es ist die Geste der Ersten Predigt, mit welcher Buddha das Rad der Lehre in Bewegung setzte.
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Belehrung oder Darlegung (der Lehre): Zeigefinger und Daumen einer Hand berühren sich ringförmig, die übrigen Finger sind ausgestreckt.
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Schutzgewährung: die offene Fläche der erhobenen rechten Hand ist dem Anbeter zugewendet, die Fingerspitzen zeigen nach oben.
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Wunsch- oder Segengewährung: die gleiche Geste der linken Hand, nur zeigen die Fingerspitzen nach unten. Diese beiden letzten Handhaltungen kommen am häufigsten vor, die meisten ostasiatischen Buddha-Statuen zeigen beide Gesten zugleich.
Amitabha, „Unermesslicher Glanz“ (O mi to)
Er ist der Buddha des Westlichen Paradieses. Einer der fünf in ewiger Meditation verharrenden Dhyani (Meditations-) Buddhas. Shakyamuni gilt als seine Inkarnation. Seine Gesten sind die der Meditation, der Schutz- und Wunschgewährung, häufig berühren sich dabei Daumen und ein Finger ringförmig zur Lehrgeste.
Vairocana, „Der überallhin Leuchtende“ (Pi lu she na)
Der höchste der Meditations-Buddhas. Er beherrscht den Zenit. Sein Siegel ist die Weisheitsfaust: die Linke umfasst den Zeigefinger der rechten Hand.
Bhaishajya-guru, „Lehrer der Heilmittel (oder des Heils)“ (Yo shi)
Er ist Herr über das Östliche Paradies. Die Rechte hält er in der Belehrungsgeste, in der Linken die Ambrosiaflasche mit dem Ewigkeitstrunk.
Maitreya, „Der Liebreiche“ (Mi le)
Er ist der Buddha der Zukunft und thront im Himmel Tushita, „Freudenvoll“. Er sitzt in „europäischer“ Haltung, die Füße auf den Boden gestellt, manchmal gekreuzt, um sich erheben zu können, wenn seine Zeit gekommen ist. Seine Handzeichen sind das Drehen des Rades der Lehre oder die Geste der Schutz- und Wunschgewährung.
Die fünf Dhyani-Buddhas, „Meditations-Buddhas“ (Wu zhi ru la)
siehe auch siehe auch Außer den genannten treten sie in Ostasien nicht einzeln auf. Gewöhnlich sind sie auf der Gloriole eines Buddha dargestellt auf Lotosblüten sitzend. Die in diesem Äon auf Erden erscheinenden Menschen-Buddhas sind ihre Inkarnationen. Meist tragen sie Kronen und Juwelenschmuck.
Die sieben Tathagata-Buddhas
siehe auch „Die Sogewordenen, Vollendeten“ (Ru lai). Es sind die sechs Vorgänger Shakyamunis vergangener Zeitalter und er selbst. Auch sie werden als Gruppe dargestellt, oft auf Lotosblüten, deren Stengel wie ein siebenarmiger Leuchter gewachsen sind. Sie erscheinen ebenfalls zumeist in einer Nische oder in der Gloriole hinter einem Buddha.
Die Bodhisattvas
„Deren Wesen Erleuchtung ist“ (Pu sa). Ihr Aussehen entspricht dem Idealbild eines altindischen Prinzen. Sie tragen Ohrringe, Armreifen, Ketten und Kronen. Der Oberkörper ist nackt, meist nur mit langen, schalartigen Bändern lose bedeckt. Hüften und Beine umschließt ein indischer Dhoti, ein Gewandtuch, unter dem sich die Beine abzeichnen. Manchmal erscheinen die Bodhisattvas ganz von langen Gewändern eingehüllt, stets aber mit Schmuck und Krone. Nur ganz bestimmte Bodhisattvas sind Ausnahmen und werden schmucklos im Mönchsgewand dargestellt. Wenn die geschmückten Bodhisattvas nicht als Einzelstandbild verehrt werden, treten sie als Begleiter eines Buddha auf.
Avalokiteshvara
„Der Herr, der (mitleidvoll) auf die Welt herabblickt“ (Guan yin). Er ist der große Nothelfer, den man in höchster Gefahr anruft. Sein Hauptmerkmal ist die Lotosblüte, daher sein Beiname Padmapani, „Lotosträger“. In seiner Krone führt er den Buddha Amitabha, dessen Emanation er ist. Er tritt in 33 Erscheinungsformen auf. Er kann die Haltung der Schutzgeste annehmen, der Wunschgewährung, die Darlegungsgeste, die Meditationshaltung und ihre Kombinationen. Als Begleiter Buddhas nimmt er oft die Anbetungshaltung an, die Hände zusammengelegt. Er kann in der herabhängenden Linken ein Ambrosiafläschchen halten, die erhobene Rechte in Belehrungsgeste, während er zugleich eine Lotosblüte oder einen Weidenzweig hält. Als Begleitfigur kann er einen Fliegenwedel halten. In seiner „tausendarmigen“ Variante sind seine Arme wie ein Pfauenrad entfaltet, in den Händen verschiedene Symbolgegenstände. Und er kann als Elfköpfiger auftreten, wobei zehn kleine Köpfe aus seiner Krone wachsen. Wenn er nicht stehend dargestellt ist, nimmt er die Sitzhaltung der „königlichen Lässigkeit“ ein, wobei ein Bein untergeschlagen und das andere aufgestellt ist oder er sitzt in „gelöster Haltung“, d. h. ein Bein untergeschlagen, das andere von Sitz herabhängend. Auch die Lotos- oder Meditationsstellung kann er einnehmen. Allmählich verwandelt sich der, wenn auch geschlechtslose, doch bis dahin als männlich empfundene Avalokiteshvara in die Göttin der Barmherzigkeit siehe auch. Man erwartete vorwiegend Kindersegen von ihr. Sie erscheint stehend oder in der Sitzhaltung der „königlichen Lässigkeit“, oft in Begleitung eines Kindes. Von allen buddhistischen Erlösergestalten ist Guan yin die meist Verehrte.
Maitreya, „Der Leibreiche, Wohlwollende“ (Mi le)
Da er der Buddha der Zukunft ist, wird er auch als Bodhisattva angesehen, als einer, der in seiner nächsten Geburt ein Buddha werden kann. In den meisten Fällen flankiert er gemeinsam mit Guan yin einen Buddha, eine weit verbreitete Darstellungsform der buddhistischen Trinität. Hierbei nimmt er die Anbetungshaltung ein oder er hält Flasche und Lotos. Als Einzelstandbild und stehend zeigt er mitunter die Schutzgeste mit der Rechten und hält mit der Linken einen Gewandzipfel oder die Ambrosiaflasche. Auf seinen Thron sitzend hat er die Beine in „europäischer“ Sitzhaltung auf den Boden gestellt, selten parallel, sondern meistens über Kreuz. Dann hält er die Hände in den Gesten der Schutzgewährung, der Wunscherfüllung oder der Predigt, mit welcher er das Rad der Lehre in der Zukunft anstoßen wird. Dabei hält er zwei Lotosblüten mit einem Rad und ein Weihwassergefäß. Vereinzelt trägt er an seinem Diadem den Stupa, den halbkugelförmigen Reliquienschrein. Seine Meditationshaltung unterscheidet sich von allen anderen: nachdenklich stützt er das Gesicht mit einer Hand und hat einen Fuß über das Knie des anderen Beins gelegt. Eine Sonderform des künftigen Buddha entstand im 10. Jahrhundert, der sogenannte lachende oder Dickbauch-Buddha. Sein Bild prägt bis heute die Vorstellung des Europäers von einem Buddha. In China wird er als Maitreya-Buddha (mi le fo) angesehen. Er ist im wahrsten Sinne ein Bodhisattva, der in Gestalt eines immer vergnügten Mönchs auf Erden wandelte. Im Volke gab man ihm den Spitznamen „Hanfsack“ (Bu dai), da er immer einen riesigen Bettelsack mit sich herumschleppte. Er wird in vielen Variationen dargestellt, oft umtobt von einer Schar Kinder, von denen einige aus dem Sack herausschauen. Heute empfängt er mit lachendem Gesicht die Gläubigen am Eingang der ersten Tempelhalle, der Halle der Himmelskönige, halbliegend, den nackten Rundbauch vorgewölbt, das rechte Bein aufgestellt in der Haltung der „Königlichen Lässigkeit“. Er symbolisiert Reichtum, auch den des Gemüts, Zufriedenheit und Kinderliebe, eine der Haupttugenden der Chinesen. Seine Volkstümlichkeit gleicht der Guan yins.
Kshitigarbha, „Schoß der Erde“ (Di zang)
Auch er ist ein Bodhisattva in Mönchsgestalt, also kahlköpfig und schmucklos. Er führt die reuigen Seelen aus der Hölle heraus. Sein Hauptattribut ist der Rasselstab, der oben mit Ringen versehen ist. Er dient wandernden Bettelmönchen dazu, ihre Anwesenheit kundzutun. Seine Gesten sind Belehrung und Wunscherfüllung. Oft hält er das Wunschjuwel.
Manjushri, „Der Glückhafte“ (Wen shu)
Er ist der Bodhisattva der Weisheit. Seine Attribute sind Buch und Schwert, mit dem er das Dunkel der Unwissenheit spaltet. Er reitet auf einem Löwen.
Samantabhadra, „Der ringsum Segensreiche“ (Pu xian)
Er ist Beschützer der Verbreiter des Glaubens, welche die Lehre darlegen. Er reitet auf einem weißen Elefanten, der sechs Stoßzähne besitzt: die Hindernisse überwindende Kraft der Weisheit.
Begleitfiguren der Buddhas
Neben den Bodhisattvas flankieren oft auch zwei kahlköpfige Mönche einen Buddha, zumeist in Anbetungs- oder Verehrungshaltung. Sie stehen unmittelbar an seiner Seite. Es sind die bedeutendsten Schüler des Shakyamuni. Links der jüngere Ananda, Kashyapa, der ältere, rechts.
Arhat, „Verehrungswürdiger“ (Luohan)
Ein Jünger Buddhas, der schon in diesem Leben die höchste Stufe der Erkenntnis erreicht hat und nach seinem Tode das Nirvana erlangen wird. Kahlköpfig und im Mönchsgewand tritt er immer in einer Gruppe von 16, 18 oder mehr Arhats auf (bis zu 500), alle in verschiedenen Haltungen, die ihre Individualität betonen. Sie sind von asketischem Aussehen und haben zuweilen grotesk übersteigerte Charakterköpfe.
Vidyaraja, „Wissenskönig“ (Ming wang)
Sein zorniges Gesicht, sein drohend erhobener Arm, der nackte, muskulöse Oberkörper zeigen an, dass er alle bösen Kräfte vernichten wird, die es wagen, sich einem buddhistischen Heiligtum zu nähern. Mit einem zweiten Wissenskönig schützt er den Tempelzugang. Der Rechte schwingt den Vajra, den „Donnerkeil“. Gemeinsam nennt man sie „die beiden Könige“ (Er wang). Der Linke ruft mit weit offenem Mund die mystische Bannsilbe „A“, der Rechte summt mit geschlossenem Mund die Bannsilbe „Hum“, gemeinsam also das zaubermächtige „Om“. Durch diese unsichtbare Schranke dringt keine dem Glauben feindliche Macht.
Dharmapala, „Wächter der Lehre“ (Hu fa oder ebenfalls Ming wang)
Sie ähneln den Vidyarajas und werden zum Teil mit ihnen identifiziert. Sie sind also ebenso „Könige mystischen Wissens“. Am verbreitetsten sind sie im tibetischen Buddhismus, der zeitweise auch in China wirksam war. Es sind schreckliche Erscheinungen mit grimmig verzerrtem Gesicht, rollenden Augen, mit einem dritten, dem Weisheitsauge auf der Stirn. Sie sind meistens geschmückt mit einer Schädelkrone auf dem gesträubten Haar und mit Knochen- und Schädelketten. Ihr muskulöser Körper ist nur von einem Lendentuch oder einem Tigerfell eingehüllt.
Lokapala, „Weltenwächter“ (Tian wang), wörtlich „Himmelskönig“
Es gibt vier von ihnen. Jeder bewacht eine andere Himmelsrichtung. Sie schützen den Weltberg Sumeru, die vier Seiten eines Schreins oder eines sonstigen Heiligtums. In Helm und Harnisch, oft auch bewaffnet, zertreten sie einen Dämon.
Göttinnen treten zahlreich im indischen und tibetischen Buddhismus auf, selten im chinesischen. Zu den Begleitern der Buddhas gehören die Apsaras, himmlische Nymphen und die Gandharvas, himmlische Sänger und Musikanten. Stets fliegend dargestellt, umschweben sie die Häupter der Buddhas oder bevölkern die Tempeldecken, die buddhistischen Paradiese preisend und den Triumph des Mahayana.