Grabanlagen

Im Grabkult setzte man die Tradition der Monumental-Mausoleen fort. Bei kaiserlichen Anlagen in so gewaltigen Ausmaßen, dass ganze Landschaften umgestaltet wurden.

Das Mausoleum des Kaisers Gaozong

Das Grab des dritten Tang-Kaisers Gaozong, der 683 starb, liegt bei Qianxian, Shaanxi, nordwestlich von Xian. Es ist die „himmlisch-lichte“ Richtung „qian“, weshalb das Grab Qian ling heißt.

Seine Orientierung im Raum fügt es in eine kosmische Ordnung, die allumfassend ist. Yin und yang sind die Urprinzipien, die diese Ordnung in einem ewig schöpfenden Rhythmus erhalten. Sie manifestieren sich in Erde und Himmel, dunkel und hell, weiblich und männlich und einer ganzen Kette von Analogien. Alle Dinge sind diesen Gegensatzpaaren unterworfen. Ihre Vereinigung führt zur Harmonie. So beherrscht das Prinzip der Verdoppelung und der Symmetrie auch die gesamte Architektur. Die Wahl einer Grabstätte, eines Palastes, eines Tempels oder auch eines Wohnhauses oblag Spezialisten der Geomantik, einer alten daoistischen Wahrsagekunst: „Wind und Wasser“ (feng shui) siehe auch. Die Geomanten beobachteten das Wirken der Natur und setzten es in Bezug zum Universum. Elementare Kräfte wie Wind, Wasser, Erde, Sonne, Himmelsrichtung, Felsen, Bäume usw. verrieten, ob unheilvolle oder glückbringende Geister den Ort beherrschten. Erst dann konnte man mit der eigentlichen Bauplanung beginnen.

Am Qian ling bewachen zwei Hügel eine Prozessions-Straße, welche eine sechs Kilometer lange, über verschiedene Geländestufen hinwegführende Achse bildet, die schnurgerade nach Norden führt . Querachsen verbinden sie mit 17 Nebengräbern. Am Ende der Straße erhebt sich ein natürlicher Berg, den man in ein Mausoleum verwandelt hat.

Auf den beiden Wächterhügeln ragt jeweils ein 17 Meter hoher Ehrenturm empor. Im Einschnitt zwischen den Hügeln markieren zwei Säulen den Beginn des eigentlichen „Seelen- oder Geisterwegs“ (shen dao) . Das buddhistische Juwel bildet ihre Spitzen. Es folgt ein Paar geflügelter Pferde, die sich gegenüber stehen . Die gedrungene Kraft dieser Phantasiewesen erinnert an die Pferdedarstellungen aus der Han-Zeit, ihre blockhafte Massigkeit an den monumentalen Sui-Stil. Sie leiten eine 2,5 Kilometer lange Doppelreihe ein von steinernen Großplastiken, die bis zu zwei riesigen Pylonen am Fuße des Grabberges führt.

Fünf Pferdepaare von erdschwerer Wucht, ja Plumpheit, stehen gesattelt und gezäumt für ihren kaiserlichen Herrn bereit, zum Teil geführt von ihren Reitknechten . Hierauf folgen zwei Stelen mit dem Phönix des Südens . Er verhieß Glück und war zugleich Symbol der Kaiserin. Die wuchtige Monumentalität von zwanzig sich gegenüber stehenden Zivil- und Militärmandarinen deutet auf die gleiche Tradition wie die Pferde-Skulpturen des Grabweges: der vom „Naturalismus“ des Tang-Stils unberührte Strang der Überlieferung, welcher über die Liang-Grabskulpturen bis zum Grab des Han-Generals Huo Qu bing zurückreicht. Die statuarische Strenge der kolossalen Militärbeamten geht auf ehrfurchterregende Wirkung aus, ihre zeitlose Unbeweglichkeit soll den Augenblick der kaiserlichen Größe in die Ewigkeit verlängern. Sie bilden ein Ehrenspalier für den Geist des toten Kaisers, der einst in einer unvorstellbar prachtvollen Prozession an ihnen vorbeigezogen ist.

Dieser Zug zur Gigantomanie trägt die Handschrift der Kaiserin Wu Hou. Schon der Titel, den sie sich zulegte, „Wu ze tian“, verrät ihren ungeheuren Anspruch: „Wu, deren Vorbild der Himmel ist“. Buddhistische Nonne, Konkubine zweier Kaiser, Gemahlin Gaozongs, Alleinherrscherin. Auf diesem Weg ließ sie die rechtmäßige Kaiserin ermorden und ihr zuvor Hände und Füße abhacken. Sie beseitigte jeden, der ihrer Machtgier im Wege stand, auch eigene Kinder und Enkel. Mit der gleichen Maßlosigkeit förderte sie den Buddhismus, da sie so eine breite Anerkennung ihrer Legitimität erhoffte. Ihre Bautätigkeit war gewaltig. Auch dieses Grabmal ließ sie erweitern, um für sich selbst einen würdigen Jenseits-Palast zu schaffen.

Ihre sechs Meter hohe Gedächtnisstele, die rechts am oberen Ende des Skulpturen-Spaliers steht, ließ sie angeblich deshalb ohne Inschrift, um die Unaussprechlichkeit ihrer Größe anzuzeigen . Es ist eher zu vermuten, dass keiner ihrer Nachfolger Anlass sah, sie durch eine Inschrift zu ehren. Die Zeichen auf der Stele stammen aus späterer Zeit. Sie war es selbst, entgegen jeder Tradition, die das Lob des Kaisers auf dessen Stele verfasste, die, weniger prächtig aber immerhin gleichrangig, auf der anderen Seite des Grabweges steht. Der Thronfolger durfte nur seine Handschrift leihen.

Hinter den Stelen erheben sich die Pyramidenstümpfe zweier Ehrentürme. Dahinter flankieren zwei riesenhafte, hoch aufgerichtet sitzende Löwen den Zugang zum inneren Grabbezirk .

Er war einst von einer ca. sechs Kilometer messenden Mauer umfasst mit Toren in jeder Himmelsrichtung. Unmittelbar hinter den Ehrentürmen ist eine Delegation von 60 lebensgroßen fremdländischen Trauergästen links und rechts des Grabwegs aufgestellt . Der Name eines jeden Gesandten ist auf seinem Rücken eingemeißelt. Mit einer Ausnahme wurde in späterer Zeit allen die Köpfe abgeschlagen, angeblich von abergläubigen Bauern, welche den fremden Teufeln die Schuld an Dürre und Missernte gaben. Kulthallen und Nebengebäude, insgesamt 378 Räume, waren rings um den Grabberg errichtet: eine komplette Hofhaltung in einem Areal von 40 Kilometern Umfang. Es ist eine der größten Grabanlagen, die je einem Menschen die ewige Ruhe sichern sollte. Seit dem Begräbnis der Kaiserin Wu im Jahre 705 ist das Grab, soweit bekannt, nicht mehr geöffnet worden. Eine Ahnung seiner Ausstattung können die in neuerer Zeit freigelegten Nebengräber vermitteln.

Drei Prinzengräber

Vor allem drei prinzliche Bestattungen sind es, die ihrer Wandbilder wegen von besonderem Interesse sind. Sie gehören zum besten dieser Art, was aus der Tang-Zeit bekannt ist. Die Grabanlagen ähneln einander in architektonischer Gliederung und Raumfolge . Am Ende eines Geisterweges erhebt sich jeweils ein pyramidenförmiger Hügel, dessen Gipfel abgeplattet ist. Etwa 50 Meter davor führt eine Rampe schräg in die Tiefe, die nach Abschluss der Arbeiten zugeschüttet worden war . Nach etwa 20 bis 25 Metern folgen mehrere Erweiterungen des Ganges (zwischen vier und sieben). Über ihnen führten senkrechte Schächte an die Oberfläche, durch welche der Bauschutt abtransportiert wurde und die für die Lüftung während des Ausbaus und der Bestattungsfeier sorgten. Am Fuße eines jeden Schachtes sind links und rechts des Grabweges Seitennischen eingelassen, welche das Grabgut enthielten in Form persönlicher Gegenstände des Toten, Tongefäßen und eines ganzen Hofstaats an Keramikfiguren . Hierauf führt der Korridor waagerecht weiter bis zu einer Vorkammer, vor die jeweils ein Holz- bzw. Steinportal gesetzt war. Nach einem weiteren Korridor folgt am Ende die Grabkammer, die nach links aus der Achse verschoben ist. Der einer Palasthalle nachgebildete Sarkophag ist nach links gerückt, sodass in der Verlängerung des Korridors der Raum bis zur Rückwand der Kammer freiblieb. Dieser Linksknick ist schon bei den Großgräbern der Han zu beobachten. Wie dort, diente er auch hier vermutlich der Dämonenabwehr. Die Kammern befinden sich jeweils etwa 30 Meter unter der Hügelspitze. Die Gesamtlänge der unterirdischen Räume liegt zwischen 70 und 100 Meter.

Wandmalerei

Die durch Feuchtigkeit angegriffenen Wandgemälde sind nur noch teilweise in situ. Ein Großteil wurde abgenommen und befindet sich jetzt im Shaanxi Provinz Museum, Xi’an. Es handelt sich nicht um Fresken, die ja ohne Bindemittel nass in nass auf den noch feuchten Kalkputz aufgetragen werden, sondern um eine temperaartige Technik, wobei die hier verwendeten Erd- und Mineralfarben mit einem Bindemittel vermischt auf den trockenen Kalkputz gemalt wurden. Als Unterputz verwendete man mit Häcksel und Hanf vermischte Lehmschichten. Die abgenommenen Partien sind durch maßstabgetreue Kopien ersetzt.

Die Prinzessin Yongtai war eine Enkelin der Kaiserin Wu Hou. Eine Grabinschrift besagt, sie sei mit neunzehn im Kindbett gestorben. Nach historischen Quellen wurde sie jedoch vermutlich zu Tode gepeitscht, da sie die Kaiserin beleidigt habe. In ihrem Grab, das nach dem Tode der Wu Hou im Jahre 705 errichtet wurde, sind noch einige Wandabschnitte so gut erhalten, dass die hohe Qualität der Malerei erkennbar blieb.

Am Beginn der Rampe findet sich links, also an der Westwand, der Tiger des Westens, eines der Symboltiere der Himmelsrichtungen . Ihm gegenüber ein gewaltiger Drache, Schutztier des Ostens. Davor zu beiden Seiten die Palastwachen. Sie sind in Grußhaltung dargestellt . Die übrigen Malereien des Korridors sind zerstört.

An der Westwand der Vorkammer bewegen sich zwei Gruppen von Hofdamen aufeinander zu . Ein Pfeiler in der Mitte markiert die offene Palasthalle. Angeführt von ihren Oberhofdamen betreten hier zwei Abteilungen des Palasthaushalts die innersten Privatgemächer der Prinzessin. Sie tragen Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie Schminkkästchen, Gefäße, Fächer, Wedel, Szepter . Die intime Atmosphäre wird auch deutlich an manchen tiefen Dekolletés, welche die eleganten Damen in der Öffentlichkeit mit ihren langen Schals verhüllen würden. Zwei von ihnen tragen Männerkleidung . Mit wenigen, sicher hingeschriebenen Pinselzügen sind Anmut und graziöse Körperbewegung festgehalten. Es ist im wesentlichen das schwungvolle Lineament, was den Figuren Rhythmus, Leben und Spannung gibt. Die Farbe dient als dekorativer Akzent, welcher die Lebendigkeit erhöht.

Anordnung und Stoffwahl dieser Kompositionen verdeutlichen, was hier das künstlerische Programm ist: ein fürstliches Dasein in einem Jenseits-Palast als Spiegel und Fortsetzung des irdischen Lebens. Dies wird noch anschaulicher in den beiden anderen Prinzengräbern.

Prinz Yide war der Bruder der Yongtai. Wie sie wurde er im Jahre 701 mit 19 Jahren hingerichtet, ohne dass sein Vater, der nominelle Kaiser Zhong Zong, Sohn der Wu Hou, eingeschritten ist. Da er von seinem Vater postum zum Thronfolger ernannt wurde, erhielt das Grab des Yide im Jahre 706 kaiserliche Dimensionen. Allein die unter der Erde liegenden Grabgewölbe erstrecken sich über 100 Meter.

Die Malereien beginnen auch hier an der Zugangsrampe unmittelbar unter der Erdoberfläche. Zu beiden Seiten sind Wächter in Rüstungen dargestellt. Hinter ihnen die Symboltiere der Himmelsrichtungen: der Drache an der Ostwand, der Tiger an der Westwand. Pavillons auf pyramidenförmig geböschten Türmen kennzeichnen das Südtor der Palaststadt, die von zinnenbewehrten Mauern umschlossen ist . Im Hintergrund ist eine bergige Landschaft angedeutet. Im Vordergrund sind Gardetruppen mit Ehrenwagen und Pferden aufgezogen. Die Offiziere sind abgesessen und bilden ein Ehrenspalier . Neben ihnen zivile Würdenträger, die in ehrfurchtsvoller Haltung ihre Beamtenszepter emporheben. Den pompösen Aufzug begleiten Jäger mit Geparden, Hunden und Falken . Treffend geschildert ist ein Jagdhund, der seinen Herrn anbettelt, während dieser mit einem Falken beschäftigt ist . Es folgen die Palastwachen und aufgepflanzte Hellebarden, deren Anzahl jeweils den Rang des Toten anzeigt. Hier sind es zwölf auf jeder Seite. Darauf eine Kutsche mit Begleitpersonal und in den hinteren Gangteilen sowie den beiden Kammern aufwartende Hofdamen mit verschiedenen Gebrauchsgegenständen. Dem Künstler gelang es, mit wenigen Mitteln, mit der phantasieanregenden Andeutung Atmosphäre zu schaffen: ein paar Steine und einige Bäumchen zwischen den Figuren deuten den Palastgarten an. Hier, im intimsten Bereich, versehen die Vorsteherinnen der Schlafquartiere ihren Dienst. Sie tragen Zeremonialfächer, die Schmetterlingsnetzen ähneln .

Der Grabpalast des Prinzen Zhanghuai entspricht den anderen Mausoleen im Aufbau. Auch er fiel der Kaiserin zum Opfer. Er war ihr eigener Sohn. Die Wandbilder haben hier privaten Charakter im Unterschied zum offiziellen des Yide-Grabes. Sie erzählen vom Leben eines kaiserlichen Prinzen. Abgesehen von ihrem künstlerischen Wert, stellen sie eine einmalige kulturhistorische Dokumentation dar.

An der Ostwand der Zugangsrampe galoppiert eine Reitergruppe sozusagen aus dem Palast ins Freie . Einige führen Falken mit sich, andere Geparden auf dem Sattel hinter sich. Es ist der Prinz mit Gefolge beim Ausritt zur Jagd. Es folgen Reiter und Lastkamele: der Jagdtross . Eine Baumreihe im Vordergrund ragt über die gesamte Höhe des Frieses und überschneidet die Kavalkade. Auf diese Weise wird Raumtiefe suggeriert. An der Westwand ist eine Lieblingsbeschäftigung des Adels dargestellt: das Polospiel, das aus Persien eingeführt wurde . Voller Ungeduld tänzeln die Pferde der Auswechselspieler am oberen Bildrand, während sich unterhalb eine hügelige Landschaft dahinzieht. Kleiner und weiter entfernt erscheinen Reiter, die über große Leerflächen dahinjagen . Fels und Baum sind Akzente, die Raum definieren, schattierte Linien geben Bodenwellen an: Vorahnung der großen chinesischen Landschaftsmalerei. Es folgt rechts, nun etwa lebensgroß, eine Gruppe von drei chinesischen Hofbeamten, die in einem anscheinend intimen Gespräch zusammenstehen. Ihnen nähern sich verlegen und in devoter Haltung drei fremdartig gekleidete Männer, die als ausländische Barbaren erkennbar sind . Vermutlich handelt es sich um Trauergäste. Neben der meisterlichen Charakterisierung der rassischen Unterschiede, ist vor allem die psychologische Situation treffend geschildert. Zwei treten, leicht vorgebeugt, an die Höflinge heran. Der eine, offenbar ein Westasiate mit mächtiger Hakennase, reibt sich die Hände, der andere, ein Koreaner, hält sie in den Ärmeln seines Gewandes verborgen. Die Höflinge beachten sie jedoch nicht. Ihre verfeinerten Gesichtszüge heben sich deutlich von dem grobgesichtigen Typus der Fremden ab. Der dritte hält sich verlegen und etwas einfältig lächelnd im Hintergrund. Ebenso treffend ist eine Gruppe aufwartender Hofbeamter karikierend geschildert, deren grobe Gesichtszüge sie als Eunuchen charakterisieren .

In den kurzen Gangteilen zwischen den Einmündungen der Luftschächte zeigt die lebendig gruppierte Wache an, dass wir uns dem Palast nähern . Sie wird kommandiert von einem dickleibigen Offizier, der sich selbstbewusst mit der Linken auf sein Schwert stützt, während er die Rechte nach der Art Napoleons in den Brustausschnitt seines Mantels gesteckt hat . Nach den Ehrenhellebarden erleben wir nun links und rechts die Geschehnisse im Palastinnern. Diener und andere Bedienstete tragen zum prinzlichen Haushalt gehörende Gegenstände in die Privatgemächer, wie hier ein Bonsai jedoch nicht prozessionsmäßig hintereinander gereiht, sondern in locker gesetzten Einzelszenen. So demonstriert ein Kämmerer einer Hofdame seine Schlüsselgewalt, indem er auf einen Schlüssel weist, den er an einem fischförmigen Anhänger baumeln lässt, während sie hoheitsvoll abgewendet vorüberschreitet . Ein derbgesichtiger, scheinbar etwas verwachsener Mensch, offenkundig ein Palasteunuche, spricht breit grinsend eine Dienerin an, die sich nach ihm umwendet, während sie einen Hahn an die Brust drückt .

Mit gleicher Lebendigkeit sind die Vorgänge im Palastgarten geschildert, die sich an den Wänden der Vorkammer abspielen. Es ist, als blicke man aus einem offenen Pavillon ins Freie, denn die Szenen sind von Pfeilern getrennt, welche Balken und Konsolen tragen. Diese erscheinen als dunkelbraune Silhouetten, während die Gartenszenen sich sozusagen im hellen Tageslicht abspielen. Man findet Liliputaner, die zum Dienst bei Hofe aus allen Teilen des Landes herangezogen wurden zur Belustigung der Hofgesellschaft . Man sieht die Damen des Harems mit ihren Dienerinnen beim Spaziergang im Garten. Sie tragen zum Teil Männerkleidung, da im Harem keine Männer Dienst tun durften. Eunuchen wurden grob und hässlich dargestellt. In einer Szene sucht eine solche Dienerin in Männerkleidung mit dem langen Ärmel ihres Mantels eine Zikade zu fangen, die vor ihr am Stamm eines jungen Bäumchens sitzt. Eine der Damen schaut nach einem auffliegenden Vogel, während sie sich gedankenversunken mit der Haarnadel hinter ihrem aufgetürmten Haarknoten kratzt .

Das Schönheitsideal der Tang-Zeit verkörpern offenbar die fülligen Haremsdamen, die im Garten des innersten Palastes lustwandeln, d. h. hier an den Wänden der Sargkammer . Von ihren Dienerinnen umgeben, stehen oder sitzen sie zwischen rhythmisch und frei hingesetzten Bäumen und Bambussträuchern. Sie nehmen die höchsten Positionen ein, denn sie bewegen sich um den Schlafpavillon des Prinzen, den der Sarkophag darstellt.

In knapper Bildsprache und wenigen schwingenden Pinselstrichen erscheinen die Gestalten all dieser Grabmalereien wie hingeschrieben und mit hoher Charakterisierungskunst, auch in den Nebenfiguren. Die Farbe wird flächig verwendet, manchmal sparsam modellierend. Die Kunst dieser Maler ist an Frische und Unmittelbarkeit, an Eleganz und Treffsicherheit kaum zu überbieten. Selbst die skizzenhaften Vorzeichnungen lassen Meisterhand erkennen. Einige überlieferte Namen von Künstlern sind mit keiner Biographie verbunden. Sie bleiben für uns unbekannte Meister.

Keramikskulpturen des Grabguts

Das Grabgut in den Seitennischen ist auch in jenen Gräbern weitgehend unberührt geblieben, in welche Grabräuber eingedrungen waren. Sie suchten nach Gegenständen aus Edelmetall. Die Töpferwaren und Keramikfiguren waren für sie ohne Wert, für uns dagegen sind es Schätze, die zum Besten gehören, was aus dieser Epoche auf uns gekommen ist. Sie stellen einen weiteren Höhepunkt der Tang-Kunst dar. Da diese Beigaben zu hunderten für den Grabkult hergestellt wurden, sind natürlich nicht alle Stücke von gleicher Qualität. Sie wurden praktisch aus jedem geöffneten Tang-Grab geborgen, sodass heute wohl jede Sammlung chinesischer Kunst über gute Beispiele verfügt.

Die Motive der figurativen Grabkeramik sind äußerst vielfältig. Sie scheinen fast alle Lebensbereiche und soziale Gruppierungen einzubeziehen. Man findet Figuren, die mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt sind, Dienerinnen, die alle nur denkbaren Haushaltsgeräte tragen, Reiter, Soldaten, Jäger, Musikanten, sitzende Ärmeltänzerinnen, Schauspieler, Akrobaten, vornehme Damen und Herren des Hofadels, Beamte . Tieren galt besondere Aufmerksamkeit, vor allem Pferden, meist prachtvoll aufgezäumt und gesattelt . Kamele weisen auf die enge Verbindung mit Innerasien, ebenso wie eine Reihe Westasiaten oder mittelmeerischer Typen mit europäischen Gesichtszügen, Perser, Syrer und viele andere Volksgruppen. Sie erscheinen als Pferdeknechte, Kamelführer, Musikanten oder als Kaufleute mit Ochsenkarren .

Man nannte diese Figuren „Gegenstände für die Erleuchteten“, also für die Ahnen (ming qi). Solche Totenbegleiter fand man schon in den Gräbern der Shang- und der Zhou-Dynastie. Die Anzahl der ming qi war staatlicherseits für jeden Beamtenrang festgelegt. Ihre Aufstellung erfolgte nach gewissen Regeln, die vermutlich den Vorstellungen eines geordneten Haushaltswesens entsprachen, bei fürstlichen Bestattungen scheinen sie entsprechend dem Hofzeremoniell platziert zu sein.

Einer besonderen Gruppe gehören die Grabwächtergeister (zhen mu shou) an: geflügelte Mischwesen mit gehörnten Menschen- und Dämonenköpfen bewachten paarweise die Grabkammer . Ihr schrecklicher Anblick sollte unheilvolle Kräfte abwehren. Zu ihnen gesellten sich menschengestaltige Grabhüter in Rüstungen, die einen Dämonen zertreten. Sie gleichen den buddhistischen Himmelskönigen . Bei hochgestellten Personen kamen noch ein Militär- und ein Zivilbeamter hinzu.

Diese Grabkunst, deren Blütezeit im 7. und 8. Jahrhundert lag, zeigt die gleiche Naturnähe wie die buddhistischen Großplastiken. Sie ist insofern noch „naturalistischer“, als sie Details genau beobachtet und festhält, die dem vergänglichen Weltleben angehören und nicht der Ewigkeitssphäre des Heiligen. So sind zum Beispiel Modeströmungen in Kleidung, Schmuck und Haartracht zu erkennen. Auch die treffende Charakterisierung fremder Rassen gehört hierher. Selbst die schrecklichen und phantastischen Wächterfiguren sind von überzeugender Lebendigkeit.

Teilweise wurden diese Terrakotta-Plastiken kalt bemalt, also ohne die Farbe einzubrennen. Dabei konnte der Farbauftrag genau kontrolliert werden, was den Realismus der Figuren erhöhte. Der Gipfel dieser Keramik-Kunst aber war die Dreifarben-Glasur der Tang (tang san cai) . Den verwendeten Bleiglasuren setzte man Kupfer zu und erhielt Grün, durch Eisen erzielte man Braunabstufungen bis hin zum Gelb, Blauwerte mit Hilfe von Kobalt. Wegen ihrer Bleibasis hatten die Glasuren einen niedrigen Schmelzpunkt, was zur Folge hatte, dass die verschiedenen Farben meist ineinander verliefen. Die Keramiker lernten es, diesem Mangel höchste künstlerische Wirkung abzugewinnen. Der großzügige, abstrakte Farbfluss steht im Gegensatz zu der naturnahen Gestaltung der Skulpturen. Gerade dies verleiht ihnen ein eigenes Leben. Noch heute erscheinen die Farben von solcher Frische als seien sie soeben erst aufgetragen worden.

Keramikgefäße

Diese Technik fand auch Verwendung in den vielgestaltigen Tongefäßen . Den Gefäßfuß ließ man gern unglasiert, auch bei einfarbiger Ware. Das Formenvokabular verbindet Strenge mit einem untrüglichen Gefühl für ästhetische Proportionierung der Gefäßkörper, die selbstverständlich und ungekünstelt wirkt. Westlich beeinflusste Ware neigt zu einer gewissen Komplizierung des Ornaments, so zum Beispiel Vasen mit Vogelköpfen oder Amphoren mit Drachenköpfen an den Henkeln, die syrische Gläser zum Vorbild hatten sowie sassanidische Silberschmiedearbeiten. Bedeutend war der iranische Einfluss auf dem Gebiet des Dekors. Hier fanden besonders Blüten-, Ranken- und Pflanzenmuster Eingang in die chinesische Formensprache.

Schon den Shang-Keramikern war die Herstellung von Proto-Porzellan gelungen. Aber erst den Tang-Meistern war es vergönnt, Anfang des 10. Jhds. den Traum eines reinen weißen Scherbens zu realisieren. Sie verwendeten eine Tonerde, die bei sehr hohen Temperaturen (1.450 Grad) zu einem cremeweißen Ton gebrannt werden konnte: das Porzellan. Nach ihrem Fundort am Berg Gaoling (Jiangxi), wurde die Erde Kaolin genannt. Die frühen Porzellangefäße zeigen eine große Klarheit der Formen, eine Sicherheit des Geschmacks, die sich meist schon allein in der Gefäßgestalt aussprach, ohne schmückendes Beiwerk.

So brachte die Tang-Dynastie auf allen Gebieten der Kunstübung einzigartige Schöpfungen hervor, was ihr mit Recht den Ehrentitel die „klassische“ eintrug. Von allen Künsten aber verkörperte sich der Geist der Epoche am unmittelbarsten und am vergeistigsten in der Malerei. Die Grundlagen, die sie schuf, ihre Fragen und Problemstellungen wirkten über Jahrhunderte fort.