Geschichte

Nach Ausrufung der neuen Dynastie Ming durch Zhu Yuanzhang siehe auch (Reg. 1368-1398) mit der Regierungsdevise Hongwu (Umfassendes Kriegertum), ging der neue Kaiser mit Energie daran, seine Macht zu festigen und das Reich zu konsolidieren. Dabei konnte er sich auf die Loyalität der Oberschicht stützen und auf die Masse der Bevölkerung, wenn diese auch ohne politischen Einfluss war. Denn erstmals seit dem Zusammenbruch des Nord-Song-Reichs 1126 war ganz China unter einer einheimischen Dynastie wiedervereinigt, auch Gebiete, die ehemals von den Fremddynastien Liao und Jin beherrscht worden waren. Außenpolitisch ging es darum, die immer noch bedrohliche Macht der Mongolen zu brechen, was jedoch bis zum Ende der Dynastie nie vollkommen gelang. Mehrere spätere Vorstöße in die Mongolei, wobei die Mongolen auch aus ihrem alten Machtzentrum Karakorum vertrieben wurden, blieben ohne dauernde Wirkung und verhinderten nicht, dass einzelne Stämme immer wieder in das Reichsgebiet einbrachen.

Im Innern führten Befriedung, Reorganisation der Staatsverwaltung und vor allem die Neubesiedlung weiter Gebiete des Nordens bald zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Steuerbefreiung für die Kleinbauern, die allerdings nach einigen Jahrzehnten wieder aufgehoben wurde, lockte an die 150.000 Familien in die verwüsteten Landstriche. Auch Zwangsumsiedlungen wurden vorgenommen, um den menschenarmen Norden und vornehmlich die Grenzgebiete wieder zu bevölkern. Und wie einst unter Qin Shihuang Di wurden reiche und einflussreiche Familien gezwungen, sich in der Nähe der neuen Hauptstadt niederzulassen. Die rege Bautätigkeit in den Städten, besonders den Hauptstädten (bis 1409 Nanking, danach Peking), die Gründung von Manufakturen und die Förderung des Kunstgewerbes zog auch tausende Handwerker und Kunsthandwerker an. Da bei der allgemeinen Verelendung die Nachfrage gefehlt hatte, konnten sie ihren Beruf bis dahin meist nur als Nebenerwerb betreiben bzw. im Rahmen ihrer Dienstverpflichtung für den Staat. Einher mit dem Anstieg der Produktion unterschiedlicher Güter in den verschiedenen Provinzen ging der Aufschwung des Handels. Die Kaufmannschaft kam zu Wohlstand, manche Familien erwirtschafteten Riesengewinne, besonders im Salzhandel. Ihrer wirtschaftlichen Macht entsprach jedoch nicht ihr politischer Einfluss. Die Mittelschicht und erst recht die breite Masse von Kleinbauern und abhängigen Pächtern blieben politisch unmündig.

War der chinesische Kaiserstaat schon immer vertikal gegliedert gewesen, so straffte Hongwu den Staatsaufbau noch weiter. Die Einflussmöglichkeiten der Beamten wurden beschnitten, selbständige Entscheidungen etwa von Provinzgouverneuren, unter den Yuan noch möglich, wurden eingeschränkt. Schon das System der Staatsprüfungen, bereits unter den Yuan zeitweise wieder eingeführt, verdeutlicht die Rolle, die der Kaiser den Beamten zuwies. Die Anforderungen an die Kandidaten waren hoch. Die konfuzianischen Klassiker waren nach einem festgelegten Schema zu kommentieren, Originalität jedoch streng verpönt. Das gewünschte Ergebnis war bei der Mehrzahl Erstarrung im Denken und Willfährigkeit der Obrigkeit gegenüber. Das Misstrauen des Aufsteigers aus der Unterschicht gegenüber der Beamtenkaste blieb bei Zhu Yuanzhang stets wach. Besonders im Alter sah er praktisch jeden Funktionsträger als potentiellen Umstürzler an. Dies führte 1380 zur Entmachtung und Hinrichtung des Kanzlers Hu Weiyong und in deren Gefolge zu einer regelrechten Beamtenverfolgung. Eines der Opfer war Wang Meng, einer der vier großen Landschaftsmeister der Yuan Zeit.

Der Kaiser unterstellte sich persönlich die sechs klassischen Ministerien, wie sie in der Tang- und der Song-Zeit bestanden hatten: die Ministerien für Beamtenwesen, Justiz, Heer, Riten, Finanzen und Arbeit. Alle Machtstränge liefen in seiner Person zusammen. Damit hatte er den absolutistischen Kaiserstaat errichtet, wie er in seinem Aufbau unter seinen Nachfolgern weiterbestehen sollte. Bei einer solchen Machtfülle war es unvermeidlich, eine Reihe von Kontrollinstanzen zu schaffen, die, zwar hierarchisch gegliedert, dennoch untereinander in Konkurrenz standen und später abwechselnd die Staatsgeschicke bestimmten. Das „Innere Kabinett“ (nei ge) bestand anfangs aus drei, später aus dreißig Großsekretären, welche die Ministerien überwachten. Obwohl sie nur beratende Funktion hatten, war ihr Einfluss dominierend wegen ihres unmittelbaren Zugangs zum Kaiser. Die Provinzverwaltungen wurden von einer Behörde aus drei Beamten geleitet, die ebenfalls dem Kaiser unmittelbar unterstanden. Das Zensorat, geführt von zwei Hauptzensoren, hatte die Aufgabe, alle Behörden zu überwachen, auch die obersten. Zwar wurde hier praktische Politik gemacht, indem man politische und Verwaltungsmaßnahmen kritisch überprüfte, das Zensorat verstand sich aber auch als Hort der konfuzianischen Ethik, die als Maßstab für alle Entscheidungen galt. Eine spezielle Polizeitruppe, die „Brokatkleidgarde“ hatte die Aufgabe, oppositionelle Bewegungen zu verfolgen. Typisch für einen absolutistischen Staat, machte sie sich unentbehrlich und entwickelte sich zu einem Geheimdienst zur Bespitzelung der gesamten Bevölkerung.

Der zweite Nachfolger des Dynastiegründers Zhu Di (Reg. 1402-1424) kam als Usurpator an die Macht. Als einer der 25 Söhne des Zhu Yuanzhang stürzte er gewaltsam und mit Blutvergießen den rechtmäßigen Kaiser, seinen Neffen. Dieser war ein Enkel Yuanzhangs und Sohn des vorher verstorbenen Kronprinzen. Der neue Herrscher trat seine Regierung an mit der Devise „Yongle“ (Ewige Freude). Er führte die von seinem Vater begründete Tradition fort, die Devise während seiner gesamten Regierungszeit in Kraft zu lassen. Frühere Herrscher hatten das Motto für eine Regierungsperiode, das ja auch eine Art Regierungsprogramm darstellte, jeweils nach mehreren Jahren gewechselt. Daher wurde es üblich, seit der Ming Zeit die Kaiser auch mit ihrer Regierungsdevise zu benennen, denn die persönlichen Kaisernamen waren tabuisiert. Gleichwohl blieben der postum verliehene Memorialname, der den Kaiser charakterisierte, in Benutzung, als auch der postume Tempelname, mit dem er auf der Ahnentafel verzeichnet wurde.

Auch die Maßnahmen und Institutionen, die sein Vater eingeführt hatte, ließ der neue Kaiser weitgehend bestehen. So die Landregistrierung, verbunden mit einer Volkszählung, um die Arbeitskräfte zu erfassen, die der Staat für Dienstleistungen (anstelle von Steuern) heranziehen konnte. Niemand durfte daher den ererbten Beruf wechseln. Zugleich galt die Landvermessung der Grundsteuererhebung, um die früher üblichen Steuerhinterziehungen zu unterbinden. Das System blieb mit verschiedenen Änderungen bis zum Ende des Kaiserreichs Fundament der Steuerpolitik. Die spätere Aufhebung der Steuerfreiheit für die Kleinbauern führte bald wieder zu deren Verarmung und brachte die meisten wieder als Pächter in Anhängigkeit von Großgrundbesitzern, während diese Steuerhinterziehung in großem Umfang betreiben konnten, indem sie die Zahl ihrer Pächter zu niedrig angaben. Auch gelang es ihnen teilweise, die Landregistrierung zu verhindern, einer der Gründe für die spätere wirtschaftliche Misere. Ebenfalls bereits unter Hongwu eingeführt wurde das Recht der reichen Landbesitzer zur Steuereintreibung. Als Gemeindevorsteher hafteten sie für die ihnen unterstellten Haushalte, welche, in Zehnergruppen eingeteilt, gut zu kontrollieren waren und sich gegenseitig überwachten. So war der absolutistische Staat von der Spitze bis in seine letzten Verästelungen durchorganisiert und unter Kontrolle.

Zunächst prosperierte das Reich. Unter dem Yongle Kaiser erreichte es einen glänzenden Höhepunkt. Er verlegte die Hauptstadt nach Peking, wo er früher residiert hatte und das von nun an zu einer wahrhaft imperialen Hauptstadt ausgebaut wurde siehe auch. Die Stabilisierung im Innern und das wirtschaftliche Erstarken des Landes erlaubten eine Außenpolitik, die an den Anspruch des Tang Reichs anknüpfte, die führende Macht Asiens zu sein. Erneut drangen chinesische Heere tief nach Zentralasien und in die Mongolei ein. Im Süden wurde 1406 Annam erobert und dem Reich für mehrere Jahrzehnte einverleibt.

Teils dieser imperiale Anspruch, teils die Notwendigkeit der Verteidigung, führten zwangsläufig dazu, dass auch nachfolgende Ming Regierungen in Auseinandersetzungen mit äußeren Feinden gerieten. Im Norden waren es immer wieder die Mongolen, welche die Grenzgebiete beunruhigten, trotz mehrerer erfolgreicher Feldzüge gegen sie. 1449 kam es zum Debakel, als Kaiser Yingzong (Zhengtong, erste Reg. 1436-1449) mit seinem Heer von den Mongolen eingeschlossen wurde und in Gefangenschaft geriet, woraus er erst nach sieben Jahren gegen ein Lösegeld befreit wurde. Cliquenkämpfe an der Regierungsspitze waren die wesentliche Ursache dieser Niederlage. Als Konsequenz der Mongoleneinfälle befestigte man im Ostteil des Reichs die Große Mauer siehe auch und errichtete erneut Militärkolonien entlang der Grenze. Wie wenig solche Bollwerke gegen einen geschickten und entschlossenen Angreifer nützten, zeigte sich im 16. Jahrhundert, als die Mongolen unter Altan Khan wiederholt ins Reich einbrachen und 1550 sogar Peking belagerten. Erst 1571 kam es zu einem Friedensschluss mit den Mongolen.

Im Nordosten unterhielten die Ming Militärgarnisonen in der Mandschurei. Dort lebten, neben aus China vertriebenen Mongolen, verschiedene tungusische Stämme, die sich untereinander bekämpften. Sie waren Nachkommen jener Stämme, die einst das Jin Reich gebildet hatten. Als einer ihrer Stammesfürsten, Nurhaci (1559-1626), die Oberhand über die übrigen Stämme gewann und sich anschickte, die gesamte Mandschurei zu unterwerfen, wurden die Ming mit ihm in Kämpfe verwickelt. Die Konfrontation mit dieser neu aufsteigenden Macht sollte zum Untergang der Ming Dynastie führen. Letztlich waren es aber die Zustände im Inneren, welche das Reich derart schwächten, dass es erneut einer Fremdherrschaft anheimfiel.

Im Laufe des 15. Jahrhunderts landeten japanische Kaufleute an der Südostküste, denen man zunächst den Handel gestattete. Nach Schließung der Häfen für Japaner, da es zu Streitereien gekommen war, begannen japanische Piraten Küstenorte zu überfallen und im 16. Jahrhundert gelang es ihnen sogar, mehrere Hafenstädte in ihre Gewalt zu bringen, da die Ming über keine schlagkräftige Flotte verfügten. Wie im Norden suchten sie sich mit dem Bau von Festungsanlagen einzuigeln. Auch in Korea stand man Ende des 16. Jahrhunderts zwei japanischen Invasionen gegenüber, als man der verbündeten Yi Dynastie zu Hilfe kam, um die eigene Nordostflanke zu schützen. Chinas Ohnmacht zur See lockte geradezu seefahrende Nationen an, sich an seinen Küsten festzusetzen. 1517 kamen zum ersten Mal Portugiesen nach Kanton, 1557 nach Macao, das später Kolonie wurde. Es folgten Spanier, die sich auf den Philippinen und Holländer, die sich auf Formosa Stützpunkte schufen, ebenso die Engländer. Der Handel mit diesen Fremden war für die Zentralregierung unerheblich und wurde daher nur geduldet, wenn es auch immer wieder zu Vertreibungen kam wegen des in chinesischen Augen barbarischen und anmaßenden Verhaltens der Fremden, die sich natürlich nicht als Tributgesandtschaften verstanden, als welche die chinesischen Behörden sie behandelten. Es ist erstaunlich, dass ein Reich mit einer solchen riesigen Küste darauf verzichtete, eine Seemacht zu werden, trotz schlimmer Erfahrungen und obwohl bekannt sein musste, welch wirtschaftlichen Gewinn ein aktiver Überseehandel bringt. All dies wurde gering erachtet angesichts möglicher fremder Einflüsse, welche die herrschenden Kreise scheuten. Es ist kennzeichnend, dass zu einer Zeit, als die Cliquenwirtschaft am Hofe einen Höhepunkt erreichte, nämlich 1436 unter Yingzong, ein Edikt erschien, das den Chinesen verbot, die Küstengewässer zu verlassen und Handel mit Fremden zu treiben. Es spiegelt die geistige Haltung der Führungsschichten: im Überlegenheitsgefühl einer alten Kulturnation glaubte man auf Anregungen von außen verzichten zu können, ja man mochte sie unbewusst fürchten und wählte eine „Splendid Isolation“, die vordergründig dem Schutz des Reiches dienen sollte. Die Ideologie wog mehr, als die Erfordernisse einer praktischen Politik. Diese Einstellung wurde zum Grundzug des politischen Handelns und des geistigen Klimas bis zum Ende der Dynastie.

Die Isolationspolitik stellte eine völlige Umkehr dessen dar, was Yongle und seine nächsten Nachfolger für nützlich und notwendig erachtet hatten: die Erforschung der Küstenländer und der Inseln des Südens und Westens. Sicherlich nicht vorwiegend des Handels wegen, sondern mehr noch, um die Einflusssphäre des wieder erstarkten Reiches der Mitte zu erweitern. In sieben Reisen zwischen 1405 und 1433 gelangten chinesische Flotten, einige von ihnen bis zu sechzig Schiffen stark, nach Java und Sumatra, Ceylon und Indien, in den Persischen Golf, ans Horn von Afrika und bis nach Djidda im Roten Meer, der Hafenstadt Mekkas. Sämtliche dieser Unternehmungen wurden einem Manne anvertraut, der vermutlich arabischer Herkunft war und sich als Chinas fähigster Seefahrer erwies, Zheng He. Neben fremden Fürsten, Tributbotschaften, exotischen Tieren und Schätzen, die der „Beruhiger der Meere“ nach Peking brachte, war das wichtigste Ergebnis dieser Expeditionen die Kenntnis der Seewege, neuer Länder und Kulturen. Vor allem aber der Nachweis der Seetüchtigkeit chinesischer Dschunken und ihrer Mannschaften.

Nicht allein, dass diese vielversprechenden Unternehmen danach nie mehr aufgenommen wurden, chinesische Historiographen übergingen sie, ja die offiziellen Berichte darüber verschwanden aus den Annalen. Die Beschreibung Zheng Hes ist erhalten geblieben. Die Dokumentierung politischer Ereignisse und die offizielle Geschichtsschreibung lag in den Händen hoher Zivilbeamter, die, ihrer Ausbildung und Herkunft aus den Oberschichten gemäß, Konfuzianer waren. Ihnen lag alles daran, herausragende Leistungen, wie die des Zheng He, die sie ohnehin missbilligten, zu verkleinern oder gänzlich aus der Erinnerung zu löschen. Denn Zheng He war Eunuche.

Der Gegensatz zwischen der Beamtenschaft und den Eunuchen am Kaiserhof hatte sich bereits in der Han-Zeit gezeigt siehe auch und im Laufe der Geschichte in stets gleicher Konstellation wiederholt. Es waren meist Männer aus den Unterschichten oder Fremde, die im Dienst am Kaiserhof eine Aufstiegschance sahen und sich daher der Entmannung unterzogen. Gewöhnlich als Diener und zur Überwachung der Frauenpaläste eingesetzt, stiegen manche von ihnen zu kaiserlichen Privatsekretären auf, die den persönlichen Umgang mit dem Monarchen und ihre besondere Vertrauensstellung zur politischen Einflussnahme nutzten und die eigentlichen Amtsträger von der Macht verdrängten. Diese Verhältnisse führten regelmäßig zu Cliquenbildungen und Intrigen. Der Einfluss der Eunuchen verstärkte sich noch, wenn ihnen, wie bereits unter den Östlichen Han, gestattet wurde, Söhne zu adoptieren, da sie nun auch mächtige Sippen bilden konnten. Und allzu oft ließen die Kaiser ihre Vertrauensleute im kaiserlichen Namen regieren, was sich besonders bei dem absolutistischen Aufbau des Ming Staates unheilvoll auswirkte. Ein Beispiel ist die Katastrophe von 1449, als Kaiser Yingzong die Regierung seinem Obereunuchen Wang Zheng überlassen hatte. Da dieser die Befugnis besaß, über alle Empfehlungen des Inneren Kabinetts zu entscheiden, verfügte er praktisch über diktatorische Vollmachten. Hongwu hatte solche Gefahren vor Augen gehabt, die ja aus früheren Dynastien bekannt waren, als er nur hundert Eunuchen zum Palastdienst zuließ, ihnen verbot, Lesen und Schreiben zu lernen und sie von jeder politischen Funktion fernhielt. Yongle wich von diesen Maßnahmen ab. Er verlieh Eunuchen wieder politische Vertrauenspositionen und gründete ein Institut zu ihrer Ausbildung. Von da an wuchs ihre Macht wieder ständig. Da viele von ihnen Schlüsselpositionen besetzten, konnten sie Personen ihrer Wahl in wichtige Ämter einschleusen, vorwiegend in Polizei und Armee, wobei natürlich die Eignung eine untergeordnete Rolle spielte. Sie beherrschten den Umgang mit der Macht, wurden im allgemeinen aber keine eigentlichen Verwaltungsfachleute oder Militärs.

In den Augen der konfuzianisch gesinnten Beamten musste dies alles einer Aushöhlung der staatlichen Funktionen gleichkommen, als deren Träger sie sich begriffen. Das wiedergewonnene Selbstbewusstsein der gebildeten Beamten nach der Yuan-Zeit, als ihr Einfluss stark beschnitten worden war, rief bei ihnen ein verstärktes Staatsdenken und Verantwortungsgefühl hervor, gepaart mit einem strengen Konservativismus. Die Ablehnung der verachteten Emporkömmlinge war bei den Beamten allgemein, ihre Gegnerschaft blieb jedoch weitgehend wirkungslos, da sie selbst untereinander zerstritten waren und in sich bekämpfende Fraktionen zerfielen.

Nur zeitweise gelang es einzelnen überragenden Persönlichkeiten, den Einfluss der Eunuchenpartei zurückzudrängen. So einem der bedeutendsten Staatsmänner Chinas, Zhang Juzheng (1525-1585), Großsekretär unter Zhu Zaihou (Longqing, Reg. 1567-1572) und Zhu Yijun (Wanli, Reg. 1572-1620). Zhang hatte sich gleichzeitig mit seiner eigenen Schicht, den Literatenbeamten auseinanderzusetzen. Dennoch gelang es ihm, China während seiner Regierung wirtschaftlich und politisch weitgehend zu konsolidieren. Beispielsweise hob er 1567 des Handelsverbot an den Küsten auf, was den Güteraustausch und die Wirtschaft sofort aufleben ließ. Ebenso wurde ein „Kassensturz“ vorgenommen, um Überblick über die Staatsfinanzen zu bekommen. Eine Steuerreform sollte sich an den wirklichen ökonomischen Verhältnissen orientieren. Die während der Hongwu Periode eingeführte Papierwährung war zusammengebrochen, da sie nicht gegen Bronzemünzen oder Silber eintauschbar war. Amtlicher und Schwarzmarktkurs klafften immer weiter auseinander. Hinzu kam, dass die Steuern zunehmend in Silber abzuführen waren. Von den Spaniern, die ihren Chinahandel von den Philippinen aus betrieben, wurde der mexikanische Silberdollar eingeführt, sodass Silber auch im Außenhandel zunehmend eine wichtige Rolle spielte. Silber wurde zur eigentlichen Währung. Die Folgen hatten überwiegend die Kleinbauern zu tragen. Trotz gestiegener Produktion durch neue Reissorten und Wechselanbau von Weizen und Gerste in den Reisanbaugebieten, konnten sie den Preisverfall nicht mehr auffangen. Tausende von Existenzen wurden so vernichtet.

Diese katastrophale Entwicklung ist auf ein ungeheueres Versagen der Staatsverwaltung zurückzuführen. In der unbeirrbaren Meinung, wirtschaftliche und finanzielle Probleme ließen sich allein auf dem Verordnungswege lösen, waren die konfuzianischen Beamten mit wenigen Ausnahmen blind für die Realitäten. Der orthodoxe Konfuzianismus war zur Ideologie geworden, wonach die Wirklichkeit zurecht gebogen wurde. Im Glauben, vom konfuzianischen Standpunkt aus alle Probleme übersehen zu können, hatte die konservative Beamtenschaft schon immer jede Art von Spezialistentum bekämpft. Das hatte sich bereits in ihrer Gegnerschaft gegen die Reformen des Wang Anshi gezeigt siehe auch. So griff man immer wieder restriktiv in Handel und Wirtschaft ein. Dass der Binnenhandel trotz zahlreicher Einschränkungen dennoch gedieh, wie auch der Handel mit benachbarten Völkern, lag an der Ausdehnung des Reichs und seiner Einflusszonen, wo jede Region andere Güter produzierte. Das Festhalten an einem illusorischen Kurs der Papierwährung, ohne ihre Konvertierbarkeit zuzulassen, ist nur ein Beispiel für ein solches Versagen, wenn auch das folgenreichste.

Naturgemäß lagen die wirklichen Leistungen der Literatenschicht auf geistigem Gebiet. Aber gerade hierin lag auch die Ursache ihrer Zerstrittenheit. Die Schwierigkeit, die neuen Realitäten - Absolutismus und wirtschaftliche Entwicklung - mit den Grundsätzen des Konfuzianismus in Einklang zu bringen, brachte verschiedene philosophische Schulen hervor, die versuchten, ihre Theorien politisch umzusetzen.

Richtmaß der Dogmatiker war der Neokonfuzianismus des Zhu Xi siehe auch. Nur wenige Denker wagten es, dessen System weiterzuentwickeln oder gar eigene Ideen zur Diskussion zu stellen. Wang Yangming (1479-1529), der wohl bedeutendste Philosoph seiner Zeit, führte chan-buddhistische Züge in das neokonfuzianische System ein, indem er Intuition und Subjektivismus betonte, ein „angeborenes Wissen“, das jedem Menschen innewohnt. Er brachte damit genau das zum Ausdruck, was auch die künstlerische Haltung der bedeutenderen Literatenmaler der Epoche war. Politisch trat er für die Abschöpfung der großen Handelsgewinne ein, um damit die Staatsfinanzen zu stützen und die Landwirtschaft zu fördern.

Ein anderer Kritiker des dogmatischen Konfuzianismus wirkte am Ende der Dynastie: Wang Fuzhi (1619-1692). Gleichermaßen Gegner der Intuitionstheorie als auch der konfuzianischen Auffassung von der unveränderlichen Ordnung der Dinge und deren Idealzustand in den Urzeiten, sah er die Geschichte in Bewegung. Das heißt historische Abläufe führten zwangsläufig zu veränderten „materiellen Bedingungen“, welche auch die Gesellschaft veränderten. Dies rechtfertigte für ihn auch die absolutistische Regierungsweise, sofern sie von einer einheimischen Dynastie ausgeübt wurde. Fremdherrschaft lehnte er ab. In Reaktion auf das Mandschu-Regime siehe auch wurde er zum ersten national gesinnten Philosophen Chinas.

Um die Wende zum 17. Jahrhundert gab es auch die ersten Kontakte zwischen chinesischen und europäischen Gelehrten. So begegneten sich der Philosoph Li Zhi (1527-1602) und der Jesuit Matteo Ricci (1552-1610). Li Zhi suchte Buddhismus und Konfuzianismus zu einer Synthese zu bringen und zugleich die realen Gegebenheiten zu beachten, geriet aber so in Gegensatz zu beiden Lehren. Ricci war ein hochgebildeter Gelehrter auch auf dem Feld der abendländischen Naturwissenschaften, der dadurch, dass er sich mit der chinesischen Geisteswelt vertraut machte, auch erste Erfolge in der Missionierung erzielte. Nach ihm wirkten noch andere Jesuiten am Kaiserhof, die man aber vorwiegend wegen ihrer Kenntnisse in Mathematik und Astronomie schätzte.

Die hervorragendste Leistung konfuzianischer Gelehrter in der Ming Zeit war jedoch ein Kompendium allen damals bekannten Wissens: das Yongle Dadian (Yongle Enzyklopädie), 1403 vom Kaiser in Auftrag gegeben und bereits 1407 fertiggestellt. An den mehr als 11.000 Bänden arbeiteten über 2.000 Gelehrte.

Li Shizhen (1518-1593) schrieb einen Leitfaden durch die Pflanzenwelt, worin alle Pflanzen (und auch Tiere) beschrieben und illustriert sind, die als Heilmittel Verwendung fanden. Auch erschienen Spezialwerke über Geographie, Technik und andere Wissenschaften. Der Buchdruck verbreitete sich, der ja schon seit der Tang-Zeit bekannt war siehe auch. Bibliophile Werke in hervorragender Ausstattung wurden gesammelt, so wie Antiquitäten und Bilder. Alte Werke wurden neu aufgelegt, wodurch viele erhalten blieben.

Eine neuartige literarische Produktion entstand, die den Interessen der zu Wohlstand gelangten Mittelschicht Rechnung trug: Roman und Novelle. In der Volkssprache geschrieben, behandelten sie zeitgenössische Themen in historischem Gewand, geschichtliche Stoffe im Sinne eines erwachten nationalen Selbstbewusstseins, daoistische und buddhistische Legenden und Gespenstergeschichten. Viele dieser Werke sind durchsetzt mit satirischen Anspielungen und tragen humoristische Züge. Zu den im Westen bekanntesten zählen „Jinpingmei“ (Pflaumenblüte in der Goldvase), ein historischer Sittenroman, der jedoch Verhältnisse der Ming-Zeit schildert und wegen seiner erotischen Stellen auf den Index kam; „Xiyuji“ (Die Reise nach dem Westen), worin legendenhaft die Pilgerreise des Xuan Zang (7. Jh.) siehe auch nacherzählt wird; „Sanguo zhi yenyi“ (Die Geschichte von den Drei Reichen), die Schilderung der Kämpfe nach dem Untergang der Han.

Das Ende der Ming-Dynastie erscheint wie ein Wiederholung der Geschichte, der Ablauf der Ereignisse gleicht dem früherer Epochen. Nach dem Tode des Großsekretärs Zhang Juzheng 1582 begann unter Kaiser Wanli das alte Spiel der Hofcliquen um die Macht, aus dem die Eunuchenpartei als Sieger hervorging. Unter Kaiser Xizong (Tianqi, Reg. 1621-1627) erreichte die Eunuchendiktatur mit dem Obereunuchen Wei Zhongxian ihren Höhepunkt, als aufgrund von Proskriptionslisten hunderte von Beamten verfolgt, gefoltert und ermordet wurden. Auch unter dem letzten Kaiser Zhu Youjian (Chongzhen, Reg. 1627-1644) besserten sich die Verhältnisse nicht, auch wenn Wei Zhongxian beseitigt wurde. Nun kamen wechselnde Beamtengruppierungen zu Einfluss, ohne die Zustände im Reich zu ändern.

Denn infolge von Misswirtschaft, Korruption und nicht zuletzt Naturkatastrophen kam es zu Hungersnöten in Shanxi, Shaanxi und Gansu. Als dann noch die Steuern unvermindert eingetrieben wurden, brachen 1629 Aufstände aus. Zur gleichen Zeit drangen die Mandschuren im Norden ein, nachdem sie zwei Jahre zuvor von dem Gouverneur Yuan Shonghuan zurückgeschlagen worden waren. Den gleichen Mann kerkerte man nun aufgrund von Verleumdungen ein. Zwei große Rebellenarmeen bildeten sich. Während die eine unter Zhang Xianzhong (1605-1647) Sichuan eroberte, nahm Li Zicheng (1605-1645) mit seinem Bauernheer 1644 Peking ein und rief sich zum Kaiser aus. Kaiser Chongzhen erhängte sich. Der letzte kaiserliche General mit einer intakten Streitmacht Wu Sangui (1612-1678) verweigerte Li Zicheng die Gefolgschaft und stellte sich den Mandschuren zur Verfügung, die noch im gleichen Jahr Peking eroberten.