Maler von Tieren und Pflanzen

Qian Xuan

Wie er in seinen Figurendarstellungen siehe auch und seinen Landschaften Traditionslinien der Tang-Malerei aufgriff, so folgte er in seinen „Blumen und Vogelbildern“, das heißt Tier und Pflanzenmotiven, Zhao Chang, dem großen Meister der Nord-Song-Akademie, wie sie Kaiser Huizong repräsentierte. In der Tat scheinen die Qian zugeschriebenen Werke auf den ersten Blick von einem Song-Meister zu stammen. Auf dem leeren Malgrund rhythmisiert ein silhouettenhaftes Muster die Bildfläche. Jedes Detail ist mit penibler Exaktheit wiedergegeben, und dennoch bestehen fundamentale Unterschiede.

Eichhörnchen auf einem Pfirsichast

Die kurze Handrolle im Nationalen Palast-Museum Taipei, darf wohl zu den wenigen authentischen Werken Qian Xuans gezählt werden, allein schon wegen seiner hohen Meisterschaft . Auch Qian wendet hier die Kompositionsmethode des „gebrochenen Astes“ an siehe auch und obwohl sie mit scharfer Präzision erfasst sind, erscheinen die Gegenstände zart und leicht, ganz ohne Härte. Zum Beispiel ist die Struktur der Rinde vollkommen erfasst, indem Schrunden und Astlöcher mit dem trockenen Pinsel aus der frischaufgetragenen Farbe weggetupft wurden, wodurch die Duftigkeit des Pfirsichastes erhalten bleibt. Ebenso erscheinen Blätter, Früchte und das Eichhörnchen wie hingehaucht. Diese Wirkung des Atmosphärischen, welches das gesamte Bild durchatmet, erreicht Qian mit Hilfe der „mei gu“-Technik, der „knochenlosen“ Malerei siehe auch. Die Umrisslinie, soweit er sie einsetzt, gilt ihm als Hilfsmittel, nicht als Ausdrucksträger. Er laviert die Binnenformen mit leichten Farben, jedoch nicht „impressionistisch“, sondern er bleibt keine Einzelheit schuldig, bis hin zu den Blattadern und den verwelkenden Blattspitzen. In einer ähnlichen Komposition Huizongs dagegen, wie dem „Fünffarbigen Papagei“ siehe auch bleibt der Hintergrund Leerfläche und die scharf gezeichneten Zweige, die Blüten und der Papagei bilden ein unverrückbares ästhetisches Muster.

Es ist jedoch nicht nur das Atmosphärische, was dieses kleine Werk so staunenswert macht, sondern die unglaubliche Lebendigkeit, die es suggeriert. Das Eichhörnchen hat soeben mit einem Sprung den Ast erreicht. Nur seine Vorderkrällchen berühren ihn. Noch schwingt der zarte Flaum des Schwanzbuschs - wie durchleuchtet - hoch in der Luft. Der Ast, vom Gewicht des Tieres gebogen, schwingt in einer Gegenkurve nach rechts und vermittelt so die Wirkung einer Schaukelbewegung. Die Augen des Eichkätzchens sind auf die Pfirsiche gerichtet, seine geduckte Haltung verrät, dass es im nächsten Moment in das saftige Fleisch der zarten Früchte beißen wird.

Keine Beschreibung also eines Tieres mit gleichsam naturwissenschaftlicher Kühle, sondern hier wird ein Naturgeschehen mit kaum zu überbietender Einfühlung geschildert. Während Huizongs Papagei wie erstarrt verharrt als sei er präpariert, ist Qian Xuans Eichhörnchen nicht nur ein lebendiges Wesen, sondern es ist auch in seine Umwelt eingebunden. Hier überflügeln also Einfühlung und teilnehmende Naturbeobachtung die intendierte Stilimitation.

Früher Herbst

Die Querrolle „Früher Herbst“ des Detroit Institute of Arts galt lange als eigenhändige Arbeit des Meisters . Trotz Stempel, Signatur und Beischriften wird dies heute von einigen Fachleuten angezweifelt und dem mingzeitlichen Maler Sun Long zugeschrieben, der in Qians Nachfolge stand. Wie dem auch sei, das hervorragende Werk weist die besten Eigenschaften der Tier- und Pflanzenbilder Qians auf: Atmosphäre und Lebendigkeit. Mit metikulöser Genauigkeit dargestellt kriechen, krabbeln oder fliegen Libellen, Käfer, Grillen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Mücken und Frösche in einem Stückchen Grasland umher, dessen genau bestimmter Pflanzenwuchs von einem Botaniker gemalt zu sein scheint. Die Atmosphäre einer feuchten und sumpfigen Niederung ist genau getroffen dadurch, dass die nur wenig entfernten Gewächse und Insekten bereits verschwimmen. Es entsteht die Wirkung eines lichtdurchfluteten Dunstes: ein Mikrokosmos voller Leben, der ganz für sich existiert, ein echtes Biotop.

Nicht vielen Künstlern ist es gelungen die identifizierende Beobachtung so weit zu treiben wie Qian Xuan. Doch sie hat Grenzen. Bei aller offenbar liebevollen Zuneigung zu Pflanze und Kreatur: die Genauigkeit der Darstellung impliziert beobachtende Distanz, welche eine vollständige Identifizierung nicht zulässt. Jene Idealvorstellung des Neokonfuzianismus, nämlich das vollkommene Erfassen des Wesens (li) siehe auch eines anderen Geschöpfes durch ein „Sich-Versenken in die Dinge“, das heißt die geistige wie emotionale Verschmelzung des beobachtenden Subjekts mit dem zu erfassenden Objekt, findet nicht statt. Dies wäre nur in einer rein intuitiven Malerei vorstellbar, für die Detailtreue nebensächlich ist. Die Chan-Malerei tendierte in diese Richtung, aber ihr war der Gegenstand nur Anlass, über ihn hinauszuweisen, nicht zur Identifikation mit ihm.

Qian Xuan liefert keine Herbarien, keine Insekten- oder Vogelsammlungen - eine Wirkung, welche die ästhetisierende Distanz mancher Werke der Song-Akademie hervorruft - sondern ihm gelingt es, Tiere und Pflanzen in ihrem Lebensraum und in ihrer Beziehung zueinander zu erfassen. Dadurch ergreift er ihr Wesen in einer Weise, dass sie keine beliebigen Einzelexemplare bleiben, sondern zu Repräsentanten ihrer Art werden. Zugleich aber sind sie einzigartig als Hervorbringungen der schöpferischen Vorstellungskraft des Künstlers.

Zhao Mengfu

Von der Vielseitigkeit Zhao Mengfus war bereits die Rede siehe auch. Zu seinen Lieblingsthemen von Jugend an gehörten nach eigenem Zeugnis Pferde. Es war dies natürlich ein Thema, das ganz den Geschmack der Mongolen traf. Doch wie bei seinen anderen Werkgruppen, konnte sich Zhao auch hier auf die große Tradition der Pferdemalerei berufen, auf Meister wie Yan Liben, Han Gan oder Li Longmian.

Das Pferdemotiv lässt sich weit zurückverfolgen in der chinesischen Kunst, sowohl in der Skulptur als auch in der Malerei. Die großartigsten frühen Beispiele finden sich bereits in der Qin- und der Hanzeit. In der Malerei hat sich die Pferdedarstellung allmählich zu einem eigenständigen Zweig entwickelt, der seinen ersten Höhepunkt unter den Tang hatte. Streng genommen handelt es sich um einen Zweig der Genremalerei. In der chinesischen Kunstgeschichtsschreibung wird der Themenkreis „fan ma“ genannt, Pferdezucht. Ein deutlicher Hinweis darauf, woher das Interesse an Pferden ursprünglich rührte. In der Han-Zeit war die Pferdezucht ja geradezu zu einem verteidigungspolitischen Faktor geworden. Dies mag auch der Grund sein, weshalb das Pferd in der Kunst kaum als eigenständiges Wesen geschildert wurde, wie etwa Vögel - sondern immer nur in seiner Beziehung zum Menschen. Daher erscheint das Pferd auch überwiegend in Begleitung des Menschen oder in irgendeiner anderen Verbindung mit ihm.

Von den zahlreichen Zhao Mengfu zugeschriebenen Pferdebildern, - meist sogar mit Signatur versehen - sind nur wenige von solcher Qualität, dass sie Anspruch auf Echtheit erheben können. Die unter seinem Namen bekannten Werke dieses Genres sind in Stil und Ausführung so verschieden, dass man sich kein schlüssiges Bild machen kann vom Stil des Meisters. Das einzige, was diese Bilder gemeinsam haben, ist eben, dass sie Pferde darstellen, meist in Begleitung eines oder mehrere Stallknechte, in der freien Natur, auf der Weide, bei der Tränke. Motive, die ursprünglich durchaus von Zhao stammen könnten. Darunter befindet sich eine der selteneren Darstellung von Pferden „auf freier Wildbahn“, das heißt ohne Wärter in einer japanischen Sammlung.

Alte Bäume und ungefesselte Pferde

Die Pferde repräsentieren den kraftvollen Typus, den man von den Han Gan zugeschriebenen Pferdebildern kennt siehe auch .

Und wie bei dem Tang-Meister zeigen nur wenige Requisiten das Umfeld an, worin sich die Tiere bewegen: ein paar Grasbüschel, ein knorrig verwachsener Baum, woran sich ein Pferd genussvoll reibt. Es ist das Verhalten der Tiere, welches die Nähe des Menschen verrät: ausgelassen tollen sie umher, balgen und beißen sich, als seien sie soeben aus dem Stall auf die Weide gelassen worden. Der Künstler hat komplizierteste Drehungen, Bewegungen und Überschneidungen überzeugend dargestellt, hell-dunkel Werte geschickt kontrastierend gegeneinander ausgespielt und den Tierleibern durch modellierende Lavierung Plastizität verliehen. Es fehlt der Malerei jedoch die Frische und Leichtigkeit, die man von einem Original Zhaos erwarten könnte. Ein solches mag dem Maler der Handrolle vorgelegen haben, denn das Erfassen des Tiercharakters, der rhythmische Bildablauf und nicht zuletzt die Anspielung auf ein klassisches Tang-Vorbild sprechen für Zhao als geistigen Urheber.

Das Pferd trainieren

siehe auch Ein Albumblatt des Nationalen Palastmuseums, Taipei, gehört zu den wenigen Werken, die in Geist und Ausführung dem nahekommen, was man sich unter einem echten Zhao Mengfu vorstellen darf . Das signierte kleine Blatt zeigt ein Pferd und seinen Pfleger. Vielleicht handelt es sich um den Abschnitt einer ehemaligen Querrolle, der später als Albumblatt montiert wurde. Das Bild atmet etwas von jenem „klassischen Geist“, den Zhao von sich und anderen forderte: es ist, mit wenigen Mitteln vorgetragen, von erstaunlicher Einfachheit und es erinnert an die „Fünf Tributpferde mit ihren Knechten“ von Li Longmian siehe auch, mit dem Zhao sich übrigens gleichsetzte und der wiederum sich auf die Tang Tradition stützte.

Während Li aber seine verschiedenen Pferderassen von den Wärtern lediglich vorführen lässt - und gleichzeitig diese selbst als unterschiedliche Typen verschiedener Volksstämme vorführt - schildert der Maler dieses Bildes eine Beziehung zwischen Pferd und Wärter sowie eine Situation, die sie verbindet. Offenbar durch ein plötzliches Verharren des Tieres veranlasst, wendet sich der Pferdepfleger um und lässt das Seil locker durchhängen, an dem er den Rappen führt. Der hat den Kopf gesenkt, um etwas Gras zu rupfen. Das Gras ist nicht erkennbar, aber dass es ein besonders zarter Leckerbissen sein muss, ist dem geöffneten Maul und dem aufmerksam nach unten gerichteten Auge des Tieres anzusehen. Im gleichen Moment fährt ein kräftiger Windstoß über die beiden hin, der Schwanz und Mähne durchweht, Bart und Gewand des Mannes erfasst. Er muss seine Kappe festhalten und sein langer Ärmel flattert waagerecht im Wind. Die kräftige Gestalt zeichnet sich unter den Falten des langen Mantels ab, was mit wenigen, klar gezogenen Linien erreicht wird. Ebenso einfach hat Li Longmian seine Pferdeführer gezeichnet, nur in einem etwas kantigeren Duktus, während hier die Linien gerundeter und fließender auftreten. Auch Muskulatur und Falten des Rappen sind, wie seine Umrisse, mit sparsamen, dünnen Linien gezeichnet ohne Druckunterschiede. Sie verschmelzen fast mit dem dunkelbraun lavierten Tierkörper. Die wehende Mähne, der Schweif des Pferdes und die Barthaare des Mannes sind mit hauchdünnen, gewellten Linien gezeichnet, fast schon etwas zu sorgsam onduliert, aber dennoch so, dass man die hindurchfahrende Bö zu spüren glaubt.

Schaf und Ziege

Das berühmteste Tierbild Zhao Mengfus - und vermutlich wirklich authentisch - ist die kurze Handrolle ‘’Schaf und Ziege“ der Freer Gallery, Washington . Es zeigt wiederum nicht einfach zwei Tiere unterschiedlichen Charakters, sondern gleichzeitig ihre Beziehung untereinander. Das schafsmäßig blickende Schaf hat den Kopf der Ziege zugewandt, wodurch sich der von vorne gezeigte Tierkörper zu einer annähernden Kugelgestalt schließt, aus welcher nur die dünnen Beine herausschauen. Eine einzige, flockige Konturlinie umschließt das Ganze. Zusammen mit der fleckig getupften Binnenlavierung entsteht so ein überzeugender Eindruck von Dichte und Weichheit des Fells. Ganz gegensätzlich die Ziege. Sie ist etwas tiefer gesetzt und hat den Kopf gesenkt. Scheinbar will sie nach dem Schaf stoßen, zugleich aber möchte sie grasen, denn ihre weit offenen, hellwachen und zugleich gierig blickenden Augen sind nach unten gerichtet. Ihr Umriss ist bewegter: der hochstehende Schwanz, das in dichten Strähnen fallende Haarkleid von der spannungsvoll gebogenen Rückenlinie ausgehend, die scharf gezeichneten Hufe, all dies ergibt den Eindruck von Aggressivität, unterstützt durch die geschwungenen Hörner des Tieres. Es sind also nicht allein illustrative Mittel, wodurch Haltung und Ausdruck der Tiere so treffend charakterisiert sind, sondern wesentlich die formalen Elemente.

Doch Zhao gibt sich bescheiden. In der Inschrift links, die ein kompositionelles Gegengewicht zu der dunkelhaarigen Ziege rechts schafft, beklagt er, dass er es den AIten nicht gleichtun konnte. Er habe die Tiere nach dem Leben gemalt, zu seinem Vergnügen und weil ein Freund ihn darum bat. Einige Ming Gelehrte glaubten die Rolle symbolisch deuten zu können: als verschlüsselte Parallele zu dem Han-General Su Wu, der als Gefangener der Xiongnu Vieh hüten musste und mit dem Zhao das eigene Schicksal verglich.

Die Rolle ist übersät von gefühllos gesetzten Sammlerstempeln, besonders störend zwischen den Tieren, wodurch ihr ursprüngliches Verhältnis verloren geht. Man muss sich die Rolle nur mit den Tieren, ein oder zwei Stempeln am Rande und der Kalligraphie vorstellen, die viel bewundert worden ist und nach übereinstimmender Meinung die Hand Zhaos zeigt. Er hat darin einmal mehr der Richtschnur seiner Kunst Ausdruck gegeben, der er auch in diesem Bild gefolgt ist: Studium der Natur und Nachfolge der alten Meister.

Jeder der großen Themenkreise der chinesischen Malerei hatte bis zur Yuan-Zeit grundsätzliche Anliegen, worin die Künstler weitgehend übereinstimmten. Zusammenfassend könnte man sagen, dass sie in der Figurenmalerei ihre Vorstellungen ausdrückten über Mythologie, Religion, Geschichte, klassische Literatur und das menschliche Zusammenleben, also im Genrebild. In Tieren und Pflanzen suchten sie das Kreatürliche auf, mit dem sie Übereinstimmung anstrebten. Die Landschaft verkörperte für sie die All-Natur, das Kosmische. Gewiss glaubten sich auch die Yuan Meister diesen Zielen verpflichtet. Erstmals mit Zhao Mengfu trat jedoch eine neue Qualität hinzu. Während er in den beschriebenen Tierbildern sich noch eng an seine Vorbilder hielt, entfernt er sich in seinen Pflanzendarstellungen von der üblichen Behandlung des Stoffes. Natürlich bezieht er sich auch darin auf Vorläufer wie die Bambusmaler der Nord-Song, allen voran Wen Tong, aber er übertrifft sie an Leichtigkeit, Freiheit und VieIfältigkeit des Pinselduktus.

Bambus, Felsen und ein alter Baum

Die Hängerolle „Bambus, Felsen und ein alter Baum“ im Nationalen Palastmuseum, Tapei, zeigt dies mit aller Deutlichkeit . Es ist wenig darauf zu sehen: ein paar Gräser, drei Steinblöcke, hinter denen einige Bambusstauden ausfächern, silhouettenhaft in dunkeln, saftigen Tuschetönen gemalt. In zarter heller Lavierung hebt sich vor ihnen ein abgestorbener Baum ab, dessen ausgetrocknetes, graues Holz allein durch die meisterhafte Pinselführung suggeriert wird. Ohne Kontur und mit äußerst sensiblen Druckunterschieden ist er mit wenigen Pinselzügen ausgeführt. Ebenso sparsam ist die Gesteinsoberfläche behandelt: mit verdünnter Tusche und breitem Pinsel sind ein paar gerissene Strukturlinien zu Felsen geworden. Scheinbar flüchtig hingeworfen, voller Spontaneität und dennoch Kontrolliert mit der Meisterschaft unendlicher Übung, beruht diese Malerei ganz auf der Erfahrung der Kalligraphie. Alles entsteht aus der „Pinselkraft“, der absoluten Beherrschung des Pinsels.

Edle Felsen und kahle Bäume

Noch freier, mit breitem Pinsel im wahrsten Sinne des Wortes hingeschrieben, ist die Querrolle des Palastmuseums, Peking, „Edle Felsen und kahle Bäume“ . Mit großzügigem Schlenker sind die Felsblöcke umrissen, mit solcher Leichtigkeit, dass der Pinsel das Papier stellenweise kaum berührte. Sicher und locker mit ein paar Wischern angedeutet sind die Bäume, dazwischen bilden Bambus und Gras festigende Akzente. Das Ganze ist schon fast abstrakt zu nennen. Niemals zuvor hat irgendjemand gewagt, so zu malen, außer ein oder zwei Chan-Meister. Auf einem gesonderten Blatt hat Zhao seine Auffassung von der Einheit zwischen Malerei und Kalligraphie dargelegt siehe auch.

Obwohl er überzeugt war, ganz im Sinne der Alten zu malen, war dies die eigentliche Neuerung in der Malerei. Die Handschrift wurde nun auch in der Malkunst zum Ausdruck der Eigenpersönlichkeit. Von nun an war sie - bewusst oder unbewusst - Teil des Bildthemas, ja sie wurde allmählich zum Hauptthema und - damit der Künstler als Individuum.

Zhao Yong

Wie sein Vater Zhao Mengfu diente Zhao Yong (1289 - um 1350) in hohen Positionen unter den Yuan Kaisern. Er wurde zum Daizhao am Pekinger Hof ernannt und stieg später auf zum Gouverneur von Huzhou. Er wurde hauptsächlich bekannt als Pferdemaler, als welchen ihn die Mongolen schätzten. Vielleicht tut man ihm unrecht, wenn man ihn nur nach seinen Pferdebildern beurteilt, die den Stil seines Vaters etwas steif und uninspiriert fortsetzen. Er schuf auch Landschaftsbilder, die auf eine größere Selbstständigkeit hindeuten, wie zum Beispiel „Fünf weidende Pferde mit ihrem Wärter unter hohen Bäumen“ (Palastmuseum Peking) oder „Landschaft“ (Sammlung C. T. Loo, New York), worin er sich auf die Landschaftsauffassung Dong Yuans stützte.

Fünf Tributpferde nach Li Longmian

Eine seltene Vergleichsmöglichkeit ergibt die Gegenüberstellung einer Kopie Zhao Yongs nach einem der „Fünf Tributpferde“ Li Longmians siehe auch. Sie kann einigen Aufschluss geben über den Pferdemaler Zhao Yong (Freer Gallery, Washington) . Während Li mit der „ungeschmückten“ Linienzeichnung (bai miao) arbeitet und nur sparsam laviert, um das Fell des Apfelschimmels zu kennzeichnen, malt Zhao sorgfältig den gesamten Pferdeleib aus, großflächig und mit weichen Übergängen. Ebenso malt er Hut und Gewand des Pferdepflegers. Das intensive Rot des Mantels wird entlang der Faltenbahnen noch modelliert, was der Figur eine zusätzliche Plastizität verleiht. Wie das Pferd erscheint sie so vor dem leeren Hintergrund als kompakter Körper. Bei Li dagegen erscheinen Pferd und Pfleger leicht und transparent als feines Spiel einer ungemein sicher gesetzten Linienzeichnung. Sie ist lakonisch knapp, etwas kantig und erscheint dennoch locker. So getreu Zhao Yong Umriss und Binnenzeichnung der Vorlage folgt, er sucht sie zu runden und zu glätten. Er weicht ihre etwas herbe Prägnanz auf zugunsten einer dekorativen Kurvatur der Linien, deren Verlauf sich jedoch nicht schwungvoll und frei entfaltet, sondern wirkt wie gebogener Draht. Diese Auffassung der Linie entspricht ganz der dekorativen Farbigkeit, mit der sie sich bruchlos verbindet. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - des größeren Aufwands an Mitteln ist das Ergebnis steifer und trockener als das Vorbild und erreicht dessen Lebendigkeit bei weitem nicht. Vermutlich entsprach Zhao Yong damit dem Zeitgeschmack. Ganz sicher tat er dies mit der Veränderung des iranischen Typus, den der khotanesische Pferdeführer bei Li Longmian repräsentiert, in einen zentralasiatischen Mongolen.

Trotz seiner malerischen und zeichnerischen Versiertheit unterläuft Zhao Yong im akademischen Sinn ein veritabler Fehler. Obwohl der im Wesentlichen von der Seite gezeigte Hengst in angedeutetem Dreiviertelprofil von vorne zu sehen ist, das heißt mit Aufblick auf Brust und alle vier Schenkel, stehen die hinteren Hufe tiefer als die vorderen, also näher am Betrachter. Es ist aber keine Biegung des Pferdekörpers angedeutet. Zudem müsste in diesem Fall die Hinterhand im Dreiviertelprofil von hinten gezeigt sein. Bei Li stehen die Hufe auf einer Ebene und insofern perspektivisch richtig. Zhao Yong war also offenbar so auf seine ästhetisierende Linienführung konzentriert, dass er den räumlichen und damit den anatomischen Zusammenhang aus dem Auge verlor. Auch bei Li finden sich kleine Fehler dieser Art, die Yong übernommen hat. So sind zum Beispiel die beiden linken Hufe des Pferdes in Dreiviertelansicht von hinten gezeichnet, die Unterläufe aber in Seitenansicht, eine Drehung, die einem Pferdebein nicht möglich ist. Was bei Li aber noch künstlerisch überzeugend wirkt, verstärkt bei Yong den Eindruck anatomischer Unmöglichkeit. Damit soll nicht gesagt sein, dass anatomische Richtigkeit ein künstlerischer Maßstab sei. Aber es ist ein Maßstab, den die akademische Malerei sich selbst anlegte und woraus sie einen Gutteil ihrer Überzeugungskraft zog. Für Zhao Yong indes, und einem Großteil der konventionellen Yuan Maler, gab es jedoch ein noch höheres Gebot: das der harmonischen Schönheit der Linie, gegebenenfalls verbunden mit der dekorativen Wirkung starker Farben. Indem er die Muskulatur und die Falten des Tieres - bei Li noch richtig dargestellt - sowie Umrisse und Binnenzeichnung von Mann und Pferd in ein elegantes, dekoratives Muster verwandelt, vergibt er die Chance einer größeren Wirklichkeitsnähe, wie sie die Akademiker ja anstrebten, und verfehlt vor allem jene Lebendigkeit, die sein Vorbild so sehr auszeichnet.

Ren Renfa

Generationsgenosse Zhao Mengfus, war Ren Renfa (1254-1327) im gleichen Sinne Archaiker wie dieser. Und ebenso hinderte ihn seine traditionelle Gesinnung nicht, ein Amt unter den Mongolen anzunehmen. Er wurde Vizeinspektor für Fluss- und Bewässerungswesen und daneben einer der bekanntesten Pferdemaler seiner Zeit. Er verband seinen Rückgriff auf die großen Pferdemaler der Tang Zeit mit den Tugenden der Song-Akademie: möglichste Naturnähe und ästhetisierendes Arrangement der Motive, dekorative Farbe und elegante, dünne Pinselzeichnung ohne kalligraphischen Duktus. Eher noch auf ihn, als auf Zhao Mengfu, mag die akademische Pferdemalerei zurückgehen, die während der Mongolenherrschaft so beliebt war und wie wir sie bei Zhao Yong kennengelernt haben. Auch Ren scheint weniger Wert gelegt zu haben auf anatomische Exaktheit, als auf den schönen Verlauf der Linie.

Fünf Pferde mit Wärtern

Eine ihm zugeschriebene Querrolle des Fogg Art Museums, Cambridge, Massachusetts, „Fünf Pferde mit Wärtern“, datiert 1314, zeigt fünf prächtige, kraftstrotzende Hengste vom gleichen Typus des Zhao Yong Bildes mit den gleichen kleinen anatomischen Ungereimtheiten der Muskulatur, der Falten und der Gelenke .

Ein fettes und ein mageres Pferd

Eine Besonderheit in der Pferdemalerei der Yuan Zeit stellt eine Querrolle des Palast Museums, Peking, dar: „Ein fettes und ein mageres Pferd“ . Es zeigt einen kraftvoll ausschreitenden Schecken, hinter dem ein elender, dürrer Klepper hertrottet mit hängendem Kopf und hervorstehenden Rippen. Die hohe handwerkliche Perfektion der Malerei in Verbindung mit der mechanisch anmutenden Präzision der Zeichnung ähnelt der obigen und anderen Ren zugeschriebenen Rollen. Und ebenso wie auf diesen sind die Pferde im Passgang dargestellt, eine Eigenart, die sie gemeinsam haben mit den „Fünf Tributpferden“ des Li Longmian oder dem berühmten „Fliegenden Pferd“ aus der Östlichen Han-Zeit siehe auch. In einer Beischrift vergleicht der Maler das heruntergekommene Tier mit dem Elend der Armen, die bis zur Erschöpfung arbeiten müssen, das kräftige, wohlgenährte, stolze Ross mit den Reichen. Es ist eine Allegorie, wie sie vielleicht auch aus einigen Pferdebildern Zhao Mengfus herauszulesen ist, die jedoch nie mit solcher Deutlichkeit einen sozialen Bezug herstellt.