Die frühesten Meister der Malerei
In der Atmosphäre höchster kultivierter Verfeinerung, wie sie an den Kaiserhöfen des Südens gedieh, erblühten die vier Künste Kalligraphie, Malerei, Musik und Poesie. In besonderem Maße wurde eine Naturlyrik gepflegt, welche noch nach Jahrhunderten die große chinesische Landschaftsmalerei inspirieren sollte. Ja, einige dieser Dichtungen verwuchsen so fest mit der Tradition, dass zum Beispiel die Darstellungen bestimmter Jahreszeiten nur denkbar war mit den Bildern dieser Poesie. So deutete dem Kenner die Darstellung des Mondes stets auf ein Herbstbild, eine Föhre auf den Winter:
„Im Frühjahr sind die Seen angefüllt von Wasser,
Im Sommer sammeln sich die Wolken auf den Höhen,
Im Herbst erglänzt der Mond mit seiner Pracht,
Im Winter entfaltet die kalte Föhre ihre Schönheit auf den Bergen“
Gu Kaizhi
Dieses Gedicht stammt von der ersten Malerpersönlichkeit der chinesischen Kunst, deren Namen wir mit bestimmten Werken verbinden können: Gu Kaizhi (344-406). Er wirkte am Kaiserhof der Östlichen Jin in Nanking, wo man ihn als eine Art Hofnarren ansah wegen seiner witzigen Reden und treffenden Antworten, die sprichwörtlich wurden. In seiner Kunst behandelte er konfuzianische und daoistische Themen, wie man sie im Süden noch pflegte. Wir hätten keine Vorstellung von seiner Kunst, gäbe es keine Kopien, denn aus der gesamten Epoche sind keine gesicherten Originale bekannt.
Ermahnungen der Hoflehrerin an die Hofdamen
In den „Ermahnungen der Hoflehrerin an die Hofdamen“, im Britischen Museum, haben wir vermutlich die älteste Bildrolle der chinesischen Kunst vor uns, eine Malerei von leichten Farben und Tusche auf Seide. Wenn es auch keinen Beweis gibt, dass die Rolle von der Hand Gu’s selbst stammt, so steht sie dem Stil der Sechs-Dynastien-Zeit doch sehr nahe: Haartracht, Typus und Gewänder der Hofdamen entsprechen dem, was man von Grabstatuetten der Zeit kennt. Altertümlich ist auch die Technik. Die Komposition ist mit einer dünnen Vorzeichnung in Rot angelegt, ein Verfahren, das auch die Han-Maler anwandten. Erst danach hat der Künstler das feine Gespinst der schwarzen Tuschezeichnung aufgetragen und mit wenigen Farben akzentuiert, vorwiegend mit Rot und etwas Blau. Immerhin ist die Tatsache einer skizzenhaften Untermalung bemerkenswert: bei einer Kopie wäre eine solche Vorzeichnung nicht unbedingt nötig gewesen. Das gleichmäßige, haarfeine Tuschelineament zeigt keinerlei kalligraphisches An- und Abschwellen. Plastizität vermittels eines Helldunkel-Kontrasts war noch unbekannt. Lediglich eine zart andeutende Modellierung begleitet das Linienspiel.
Wie in der Han-Malerei wird keine Raumtiefe angestrebt, jedoch eine gewisse Räumlichkeit durch die Positionen der Personen erreicht und durch Teppiche oder Mobiliar, das in Parallelperspektive schräg in den abstrakten, nicht durch Begrenzungen definierten Bildraum gestellt ist.
Bei diesen Illustrationen zu einem Text von Zhang Hua, einem Dichter des 3. Jahrhunderts, handelt es sich um ein typisch konfuzianisches Thema vom richtigen gesellschaftlichen Verhalten. Die letzte Szene zeigt die Hofmeisterin, in den Händen Schriftrolle und Pinsel, umgeben von Hofdamen, für welche sie ihre Belehrungen aufschreibt.
Die achte Szene wird beherrscht von einem schräg gestellten Alkoven, dessen Dach in Aufsicht gegeben ist und sich in Umkehrung der optischen Perspektive mit zunehmender Entfernung verbreitert. Dadurch bewahrt die Malerei ihre durchgängige Flächigkeit, gleichzeitig gewährt diese Darstellungsweise Übersicht und vermittelt gerade so viel Raumvorstellung, wie es für die Anschaulichkeit der Szene notwendig ist .
Unter den gerafften Vorhängen schaut eine vornehme Dame hervor, von welcher gerade nur das rechts gerichtete Profil, ein Teil der Frisur und ihr rechter Ärmel sichtbar sind. Sie blickt auf einen vornehmen Herrn, vielleicht der Kaiser selbst, welcher auf einer Bank am Rande des Bettgemachs sitzt und sich ihr zuwendet. Seine Sitzhaltung, das linke Bein untergeschlagen, den nackten rechten Fuß am Boden, wo seine abgestreiften Schuhe stehen, dies alles deutet auf die Intimität des Vorgangs.
Den Mittelpunkt der Komposition zwischen den Schriftbändern links und rechts nimmt der Kopf des Mannes ein. Sein Gesicht ist im Dreiviertelprofil mit wenigen haarfeinen Linien erfasst und wird von einer herabhängenden Girlande überschnitten, ebenso wie seine Gestalt durch einen geöffneten Türflügel teilweise verdeckt ist. Dieser Kunstgriff suggeriert scheinbare Beiläufigkeit, die Zufälligkeit der Beobachtung. Tatsächlich jedoch lenkt er die Aufmerksamkeit auf den Angelpunkt der Geschichte: auf den intensiven Blickkontakt des ruhig und ernst wirkenden Mannes und der aufmerksam ihm zugewandten Frau. Der dazugehörige Text lautet: „Wenn die Worte, die Du äußerst, gut sind, werden alle Männer in tausend Meilen Umkreis Dir Aufmerksamkeit schenken. Wenn Du aber von diesem Grundsatz abweichst, wird sogar Dein Bettgenosse Dir misstrauen.“
In einer anderen Szene erscheint offenbar das gleiche Paar. Der Mann wendet sich von der Dame ab, die Linke abwehrend erhoben, während sie mit bestürztem Gesichtsausdruck zurück bleibt . Ihre bauschigen Gewänder und Schärpen flattern wie vom Wind erfasst und drücken damit ihre Erregung aus. Ein glänzender Einfall, von dem wir nicht wissen, ob er Konvention war oder eine Erfindung des Künstlers. Er liebte das schwungvolle Spiel weit flatternder Stoffbahnen und duftig geblähter Hüllen, denen er mit unnachahmlicher Leichtigkeit Form und Rhythmus verlieh, als habe die Pinselspitze kaum den Malgrund berührt.
Auch den Gesichtern ist mit nur wenigen Linien ein sprechender Ausdruck verliehen. Alle möglichen Haltungen von Kopf und Körper werden souverän vorgeführt, besonders reizvoll bei einer von hinten gesehenen Hofdame, die sich in einem Handspiegel betrachtet, worin ihr Gesicht im Dreiviertel-Profil erscheint .
Zwar beherrschten schon die Han-Maler alle erdenklichen Wendungen der menschlichen Figur. Die Gesichter waren jedoch meist stark typisiert, ihr Ausdruck neigte zu karikierender, theaterhafter Übertreibung. Hier dagegen treffen wir erstmals auf einen feinen emotionalen Ausdruck, dessen Verhaltenheit Einfühlung in Mienenspiel und Körpersprache lebendiger Menschen verrät.
Gu’s Porträtkunst wurde gerühmt. Jedoch steht er auch am Beginn einer Entwicklung, die zur reinen Landschaftsmalerei führen sollte. In den „Ermahnungen“ ist ein Berg dargestellt vor dem ein Armbrustschütze kniet . Er scheint einen Fasan oder einen Phönix jagen zu wollen, der im Begriff ist, von einem Felsvorsprung zum Gipfel aufzufliegen. Die nebenstehende Inschrift lautet: „Wer zu hoch hinauf will, wird stürzen.“
Der Berg dient also nicht dazu, eine räumliche Situation zu definieren, sondern ist inhaltlich von Belang. Er ist bevölkert von verschiedenen Tieren, von Vögeln, Hasen, Hirsch und Tiger, durchweg in anaturalistischer Übergröße im Verhältnis zu Bäumen, Wald und dem gesamten Berg. Wegen dieser „Landschaftsdarstellung“ hat es Zweifel am Alter der Rolle gegeben, da das Landschaftsbild erst später in Erscheinung getreten sei. In der Tat handelt es sich nicht um Landschaft im späteren Verständnis. Hier ist sozusagen „der Berg an sich“ gemeint, der Kosmische Berg, auf dem die Unsterblichen wohnen, der Boshan. So, wie er hier dargestellt wird, ist er schon seit der Han-Zeit bekannt, wo er auf Weihrauchbrennern und anderen Gefäßen oft erscheint, belebt von Tieren und Jagdszenen im selben übergroßen Maßstab siehe auch.
Dass es sich um den Kosmischen Berg handelt, belegen Sonne und Mond, die, von altertümlichen Wölkchen getragen, um den Gipfel schweben. Und zwar nicht als stimmungsbildende Akzente eines Landschaftsbildes, sondern in ihrer mythologischen Bedeutung: in der Sonne ist der dreibeinige Rabe dargestellt, im Mond der Mondhase, ähnlich wie schon auf dem Totenbanner der Markgräfin von Dai siehe auch.
Der Berg wird also nicht als Landschafts-Panorama aufgefasst, sondern als ein eigenständiges „Wesen“ wächst er aus dem unteren Bildrand hervor, nicht eingebettet in eine landschaftliche Umgebung. Er steht als „Figur“ im Figurenbild dem Schützen gegenüber.
Die Nymphe vom Luo Fluss
Von einem anderen Werk, das auf Gu Kai zhi zurückgeht, existieren mehrere Kopien vermutlich aus dem 10. oder 11. Jahrhundert: „Die Nymphe vom Luo-Fluss “, die Illustration einer Dichtung des hanzeitlichen Poeten Cao Zhi (192-232).
Am Fluss Luo erblickt der Dichter die bezaubernde Erscheinung einer Nymphe, die über dem Wasser schwebt . In ihr erkennt er seine tote Geliebte. Beide erneuern ihre Liebesschwüre, aber auf einem Phönix reitend entschwindet sie ihm.
Dem märchenhaften Ton der Dichtung entsprechen die duftigen Darstellungen zweier Seidenrollen im Palastmuseum Peking und in der Freer Gallery of Art, Washington, die sich stilistisch ähneln. Die Kopie des Britischen Museums, London, erscheint dagegen wie eine freie Interpretation der Song-Zeit, als das Landschaftsbild schon voll entwickelt war. Hier hat der Maler versucht, durch konventionell schematische Wellen und Wolken einen altertümlichen Eindruck zu erwecken, während Bäume, Felsstrukturen und Dunstschleier vor fernen, sich überschneidenden Bergen ganz dem naturnäheren Stil der Song-Epoche entsprechen. Das Gleiche gilt für die Darstellung von Menschen, Tieren und selbst der Fabelwesen.
Halten wir uns an die Pekinger Rolle, so dürften wir der Handschrift Gu Kai Zhis eher auf der Spur sein, seiner lyrischen Zartheit wie auch der zeitbedingten Auffassung von Bildaufbau und Bildraum. Die Sparsamkeit von Zeichnung und Farben, hier leichte Braun- oder Ockertöne, zartes Gelb und Grün, etwas Rot und Weiß, entsprechen den „Ermahnungen“. Ebenso die Behandlung des Nymphengewandes mit fließenden Bändern und Schärpen .
Die Handlung spielt im Unterschied zu den „Ermahnungen“ im Außenraum, benötigt also eine Kennzeichnung des Spielortes. Als solcher erscheint nun die Landschaft, jedoch nicht als großes Panorama, worin die Figuren agieren, sondern als fortlaufende Komposition von Landschaftsausschnitten, vertreten durch kleine Hügel, Felsen, Steine, Wasser und insbesondere einzelne Bäume . Dazwischen treten die handelnden Personen auf, und zwar wiederholt in verschiedenen Situationen wie in einem modernen Comicstrip. Sie besitzen noch ihre symbolische Übergröße im Vergleich zu den landschaftlichen Details, wie der Jäger gegenüber dem Berg in den „Ermahnungen“.
Im Kompositionsablauf übernehmen nun hier die Landschaftselemente die Funktion der senkrechten Schriftbänder: sie unterteilen die Szenen. Wo ein Intervall notwendig ist, erheben sich Hügel, Felsgruppen oder Bäume vom unteren Bildrand. Auf diese Weise wird die gesamte Bildentwicklung rhythmisiert. Es entstehen kleine Handlungsbühnen, die von eminenter Bedeutung in der späteren Entwicklung der Landschaftsmalerei werden sollten. Schon gut hundert Jahre später finden sich solche Raumnischen auf einem Sarkophag voll integriert in ein Landschaftsmotiv siehe auch.
Für Gu Kai zhi sind Felsen und Bäume noch „Figuren“. Er behandelt sie, gleich dem Berg in den „Ermahnungen“, genauso wie seine Personen als Einzelglieder im Erzählungsablauf, also nicht als Elemente einer zusammenhängenden Landschaft.
Im Versuch einer unterschiedlichen Charakterisierung der Bäume drückt sich eine Naturbeobachtung aus, die über die Auffassung von Landschaftselementen als Kulisse hinausgeht. Dies zeigt sich auch in seiner Schrift: „Über das Malen des Wolkenterassen-Berges“. Er beschreibt darin konkret, wie sich der Berg aufbauen sollte, wo steile Felsen, wo Bäume zu stehen hätten, welche Farben wo zu verwenden seien und wo die menschliche Figur am besten zur Wirkung käme. Er schildert Himmel, Wolken, Wasserfälle, die hinter Klippen hervorstürzen und in Abgründen verschwinden, sowie eine Fülle weiterer Details. Die uns so anschaulich vor Augen gestellte Landschaft des Wolkenterassen-Berges wirkt allerdings wie die Beschreibung einer klassischen Landschaft der Song-Periode und lässt sich nur schwer in Übereinstimmung bringen mit dem Landschaftsbegriff, den wir aus den Kopien kennen - so als sei der Text später redigiert worden.
Entscheidend jedoch ist, dass sich in diesem Text ein erwachendes Interesse an Natur und Landschaft in der Malerei ankündigt.
Zhang Songyou
Ein anderer Meister am Hofe von Nanking, von dessen Werk wir durch Kopien eine Vorstellung haben, war Zhang Songyou (ca. 500-550). Er war der berühmteste Maler am Hofe der Liang-Dynastie (502-557). Ihm wurde großer Erfindungsreichtum an phantastischen Gestalten und Formen nachgesagt, insbesondere von Drachen, ein beliebtes Thema der Epoche. Auch in der Wandmalerei tat er sich hervor. So soll er Konfuzius gemeinsam mit dem buddhistischen Heiligen Vimalakirti dargestellt haben. Die einzige überkommene Rolle, die vermutlich den Stil des Meisters zeigt, befindet sich im Städtischen Museum von Osaka .
Die fünf Planeten
Sie stellt die fünf Planeten und 28 Konstellationen siehe auch dar in Form von Tieren und Gestalten der chinesischen Astrologie. Die einzelnen Sternzeichen der Querrolle sind durch senkrechte Schriftbänder in der altertümlichen Siegelschrift der Vor-Han-Zeit getrennt. Die seltsamen Wesen bestätigen die dem Maler zugeschriebene Phantastik, die wohl in der vorgegebenen astrologischen Ikonographie begründet sein mag, der er aber überzeugende Wirklichkeit verlieh: ein fliegender Phönix, zwischen dessen Schwingen sitzend eine seltsame Gestalt die Rechte wie segnend erhebt. Auf dem Scheitel trägt sie einen Phönixkopf, der genau dem Kopf des Trägervogels gleicht. In weit gebauschtem Gewand reitet ein Mann mit Felliden-Haupt, die Beine untergeschlagen, auf einem leicht dahertrabenden Tier, dessen Leib einem Hirsch, dessen Kopf einem Eber gleicht. Oder ein halbnackter indischer Asket, der mit überkreuzten Beinen einen Zebu-Stier reitet .
Keine Andeutung von Raumtiefe findet sich hier, der Seidengrund steht für die Weite des Universums. Die kräftige Farbigkeit ist in den Körperpartien modellierend eingesetzt, sodass eine plastische Wirkung erzielt wird. Die feine, fast unmerklich an- und abschwellende Linienzeichnung tritt in den dunkleren Zonen fast völlig zurück.
Yangzihua
Konfuzianische Gelehrte beim Redigieren der klassischen Texte
Nach einem Hofbericht malte Yangzihua, Hofmaler der Nördlichen Qi (550-577) in Anyang, „Konfuzianische Gelehrte beim Redigieren der klassischen Texte“ . Die Querrolle im Museum of Fine Arts in Boston ist eine Kopie aus dem 11. Jahrhundert. Wenn auch aus der zarten Delikatesse dieser Malerei die verfeinerte Stilhaltung der Song-Epoche hervorscheint, so mögen doch das Traditionsbewusstsein, die sorgfältige Pflege der Überlieferung in jener Zeit, eine gewisse Garantie sein für die Ähnlichkeit der Kopie. Zumindest einige wesentlichen Charakteristika des Malstils der Sechs-Dynastien-Zeit können wir ablesen.
Die streng an die Gegenstände gebundene Lokalfarbe ist flächig und fast ohne Modellierung gegeben. Die feine Zeichnung verleiht den Dingen die letzte Genauigkeit. Sie ist sparsam eingesetzt, das Faltenspiel deutet knapp die Körpervolumen an, ohne die Flächigkeit des Ganzen zu stören. Sie zeigt keinerlei Akzente, Verdickungen, Auf- und Abschwellen eines handschriftlichen Pinselduktus: typisches Kennzeichen der frühen Auffassung von der Funktion der Linie als Gerüst, welcher hier noch keine eigene Sprache und Ausdruckskraft zugestanden wird. Raum wird lediglich verdeutlicht durch Drehungen und Wendungen der Figuren und ihre Überschneidungen, sowie durch das in Parallelperspektive angelegte Podest. Diese Stilmittel entsprechen denen des Tang-Meisters Yan Liben (ca. 600-673) siehe auch, dessen Malweise von den Meistern der Sechs-Dynastien-Zeit beeinflusst ist.
In Reaktion auf den missionarischen Eifer des Buddhismus gab Kaiser Wen Xuan der Nördlichen Qi den Befehl, alle konfuzianischen Texte zu sammeln und zu redigieren. Die Szene zeigt die Gelehrten, die sich auf einem Podest niedergelassen haben. Während einem noch die Schuhe von einem Diener abgestreift werden, sind die anderen bereits in eine Diskussion verwickelt, eine Beobachtung von psychologischer Einfühlung. Mit Liebe zum Detail sind eine Reihe Einzelheiten dargestellt. So deutet beispielsweise einer der Gelehrten mit dem Schreibpinsel auf eine Stelle des Manuskripts, das er vor sich hält, und schaut mit gesenktem Kopf über das Blatt hinweg. Der Ausdruck angestrengten Nachdenkens ist mit einem einzigen Pinseltupfen erreicht: mit der Pupille, deren Blickrichtung ins Leere führt. Dienerinnen bringen Schreibutensilien und Erfrischungen oder tragen fertige Rollen weg. Ihre Gesichter sind vergleichsweise stereotyp gegeben, Stirn und Nasenrücken scheinbar weiß geschminkt, während die Züge der Gelehrten eine gewisse Individualität zeigen. Die sparsamen Farben, helles Gelb, Ocker, gelbliches Weiß, Hellgrün, treten nur wenig aus dem Seidengrund hervor, stärker dagegen das Braun des Podestes und einige Gewandpartien in leuchtendem Rot. Die stärksten Akzente bilden die Frisuren der Dienerinnen mit ihren zwei hörnchenartigen schwarzen Haarknoten, dunkele Gewandstreifen sowie einige Gegenstände: Schreibbänkchen, Brett und Schalen.