Meister der Landschaft

Jeder der wichtigen Landschaftsmaler der Yuan-Epoche hat einen eigenständigen Stil entwickelt, der sich nicht nur von dem der übrigen Meister unterschied, sondern auch innerhalb des eigenen Oeuvres sich absetzte von dem Stil, in dem er andere Sujets malte.

Stil wurde zum höchsten Maßstab, nicht Einfühlung in die Natur, Schilderung einer Landschaftsstimmung oder gar die Abschilderung einer wirklichen Gegend. Stil wurde zur Manifestation der Persönlichkeit, eines Charakters. Wenn auch im persönlichen Stil das Naturvorbild umgeformt wurde, so blieb die höchste Forderung an ihn wie von alters her, dass er „vitale Energie“, „Lebensatem“ enthalte (qi yun) siehe auch. Es ist nicht mehr das vordringliche Anliegen des Malers, eine Landschaft zu malen, „als ob man in diesen Bergen sei …“. Undenkbar, über diese Bilder zu sagen: „… wenn man diese Klippen, Ströme und Steine sieht, hat man das Gefühl, als wandere man darin umher“ (Guo Si über Guo Xi), siehe auch siehe auch.

Die Neuerungen, welche die führenden Künstler trotz ihres Traditionsbewusstseins einführten, zeichnen sich besonders deutlich in der Landschaftsmalerei ab. Hier waren die Möglichkeiten, individuellen Haltungen und eigenen Empfindungen Ausdruck zu verleihen, am weitesten gefächert. Eine neue Bildsprache entwickelte sich, wobei die traditionellen Motive die gleichen blieben: Berg, Wasser, Baum, Fels. Dazwischen vereinzelt menschliche Behausungen, winzige, einsame Menschlein, nicht selten völlige Menschenleere. Bei den Süd-Song-Meistern erschien der Mensch noch als Betrachter, als Stimmungsträger, der die Gefühle des Künstlers gegenüber Natur und Kosmos zum Ausdruck brachte siehe auch. Nun spielt der Mensch als Mittler keine Rolle mehr.

Eine typische Yuan-Landschaft verrät das Bemühen um Vollständigkeit. Den Künstlern genügt nicht mehr die Andeutung wie im „Eineck-Stil“. Gegen eine geahnte Ferne, eine verschwimmende Atmosphäre, werden nun kompakte, geschlossene Formen gesetzt, die gleichwohl mit äußerster Sparsamkeit vorgetragen sein können. Diese Bilder sind eher geschrieben, als gebaut. Die einzelnen Motive sind entweder locker zusammengefügt, oder sie werden sozusagen übereinander gehäuft, zu dichten Texturen aufgetürmt. Nicht mehr die gewaltige Monumentalität eines Guo Xi oder Fan Kuan wird angestrebt, die ja nur mit Hilfe eines unverrückbaren Bildbaus zu erreichen war, mit veritablen Bildgebäuden. Sondern bescheidene Motive, beschränktere Landschaftsausschnitte. Der hohe Horizont, der die meisten Werke der Fünf-Dynastien und Nord-Song-Zeit kennzeichnet, wird ersetzt durch einen mittleren Horizont, einen „normaleren“ Blickwinkel, der sanftere Landschaftskonturen zur Folge hatte. Nicht mehr das Außergewöhnliche, sondern das Augenfällige wurde gesucht. Nur noch selten türmte man Klippen und Bergriesen auf. Die sanfteren Gebirgszüge, die nun meist den Bildhintergrund abschlossen, wurden näher gerückt dadurch, dass man sie mit der gleichen Deutlichkeit abbildete wie den Vordergrund - ein Rückgriff auf die Tang-Landschaftsmalerei. Auf diese Weise wurde die Bildtiefe reduziert, aus einer undefinierbaren, ahnungsvollen Weite zurückgeholt in überschaubare Dimensionen. Ein beliebtes Mittel, dennoch eine erwünschte Distanzwirkung zu erreichen, war eine weite Wasserfläche, die man zwischen Vorder- und Hintergrund legte. Auch dies ein Verfahren der Alten.

Lavierung wurde vermieden oder nur sparsam angewendet. Dies nicht allein, um die Tiefenillusion, die dunstige Atmosphäre, und den daraus entstehenden verschwommenen Lyrismus der Süd-Song zu meiden, sondern weil der Einzelstrich sichtbar bleiben sollte, der die Sicherheit und Eigenart der Handschrift enthüllte. Dies ist der wesentliche Grund, weshalb in der Yuan-Malerei die Linienstruktur dominierte. Deshalb wurde von manchen Meistern auch gerne wieder der „Hanffaser“-Strich aufgenommen, wie ihn Dong Yüan und Juran zur Definition von Oberflächen eingeführt hatten. Bei einer solchen Beschränkung der Mittel wurden Dichte oder Lockerheit des Tuschestrichs ein wichtiges Mittel, seine helle oder dunkle Tönung.

Entsprechend ihrem Intellektualismus, ihrer eher kühlen, unemotionalen Sichtweise, war das Ideal dieser Künstler eine Malerei, worin sich Strenge, Klarheit, Schärfe und Knappheit mit Lebendigkeit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks paarten wie in einer geglückten Kalligraphie. Insofern sahen diese Künstler nicht nur in der Struktur der Malerei eine Parallele zur Poesie und zur Schreibkunst, wie sie Zhao Mengfu formuliert hatte siehe auch, sondern auch ihrem Wesen nach. Malen wird zur Fortführung der Poesie mit anderen Mitteln. Was sich bei manchen Süd-Song-Meistern bereits andeutete siehe auch, wird nun zur Regel: ein Bild gilt erst dann als abgeschlossen, wenn der Künstler ihm ein Gedicht hinzugefügt hat. Manches Mal war das Gedicht Ausgangspunkt für das Bild. Beide Disziplinen wurden als gleichrangig angesehen, nicht selten wurden Kalligraphie und Dichtung höher bewertet. Beide jedoch dienten dem gleichen Ziel: den persönlichen Empfindungen des Maler-Dichters Ausdruck zu verleihen, seiner eigenen, individuellen Sicht. Diese Sicht orientierte sich jedoch weniger an einer idealistischen Vision von Natur und Kosmos, die sich dem Künstler in der Landschaft offenbarte, sondern sie sucht eine Natur, deren Formen sich zu symbolischen Aussagen eignen und die zu Ausdrucksträgern, zu Spiegelungen des eigenen Inneren werden können siehe auch. Dies konnte in einer der Natur angenäherten Weise geschehen, wie auch in einer Art erfundener „Wirklichkeit“. Von einer „realistischen“ Annäherung an die Natur, wie schon behauptet wurde, kann in der Landschaftsmalerei der Yuan-Zeit keine Rede sein.

Zhao Mengfu

Die eklektizistische Haltung Zhao Mengfus siehe auch erstreckte sich nicht allein auf die verschiedenen malerischen Genres, sondern auch innerhalb des gleichen Genres - hier in der Landschaftsmalerei - versuchte er sich in unterschiedlichen Ausdrucksweisen. Und zwar so sehr, dass man glauben könnte, gewisse Arbeiten stammten nicht von der gleichen Hand. Wie sein Lehrer Qian Xuan experimentierte er in der Landschaftsmalerei mit den Stilmitteln der Alten. Auch er malte Landschaften von gewollter Naivität. Im Unterschied zu Qian blieb er jedoch nicht im Dekorativen stecken.

Herbstfarben in den Qiao- und Hua-Bergen

Die kurze Querrolle „Herbstfarben in den Qiao (Que)- und Hua-Bergen“ aus dem Jahre 1296 (Nat. Pal. Museum Taipei) zeigt ein berühmtes Motiv aus Shandong, das er für einen Freund gemalt hat . Es ist ein höchst originelles Bild und fällt vollständig aus dem Rahmen der üblichen Formen chinesischer Landschaften, trotz seiner traditionellen Züge.

Aus einer ausgedehnten Ebene erheben sich unvermittelt zwei Berge, der rechte pyramidenförmig wie ein Zuckerhut, der linke erinnert an einen Brotlaib. Obwohl auf der hinteren Bildebene, sind beide so nahe gerückt und zugleich so wenig durch Hügel und Vorberge vorbereitet, dass der Eindruck einer Spielzeuglandschaft entsteht, in welche sie wie Versatzstücke gesetzt sind. Die gleiche Wirkung ergeben die auf der Ebene verstreuten Baumgruppen. Die ferneren - kaum kleiner als die des Vordergrunds - sind mit der gleichen akribischen Genauigkeit Blatt für Blatt und Ast für Ast ausgeführt wie die näher stehenden. Schilf und Binsen erreichen Baumhöhe und überragen teilweise die vereinzelt stehenden Häuser. Winzig klein dagegen sind Menschen, Schafe, Netze und Fischerkähne dargestellt. Diese Missachtung der Proportionszusammenhänge gibt dem Bild einen Zug des Naiven, des Traumhaft-Märchenartigen. Verstärkt wird dies durch den zarten, transparenten Farbvortrag, worin Blau und Grün dominieren. Obwohl die Landschaft von einem etwas erhöhten Standpunkt gesehen ist - die ferneren Baumwipfel überragen kaum die Horizontlinie - sind die Häuser nicht perspektivisch von oben gezeigt, sondern von der Seite, als befände sich der Beschauer auf gleicher Höhe mit ihnen. Die Ebene wirkt wie nach unten geklappt, die Bäume darauf sind flach wie Theaterdekorationen. Die bewusste, ja raffinierte Archaisierung gewinnt so den scheinbar naiven Charme einer Kinderzeichnung. Die Gegenstände werden einfach aufgereiht, sozusagen aufgezählt und nicht kompositionell miteinander verschränkt. Es wird keine atmosphärische Wirkung angestrebt. Die verschwimmende Ferne einer Süd-Song-Landschaft, erreicht durch flächenhafte Lavierung, wird hier ersetzt durch ein genau definiertes Ende der Ebene mit Hilfe dünner Tuschelinien. Die ausschließlich horizontal ausfransenden Seeufer weisen nirgends in die Tiefe, sondern verlaufen stets parallel zur Bildebene. Die Landzungen und Bodenformationen sind vermittels feiner, wellenartiger Linien dargestellt: die Hanffaserstriche, typisch für die Art Dong Yuans und Jurans. Die blau-grün Tönung ist ein Rückgriff auf die Tang-Tradition, die raumlose Bildstruktur geht auf die Han- und die Sechs Dynastien-Zeit zurück.

Die Bildabwicklung ist so einfach und undynamisch, dass keine formalen Probleme entstehen, wenn der leere Himmel, der sich über das obere Drittel der Rolle erstreckt, mit Texten angefüllt wird. Rechts Zhaos eigene Inschrift. Es ist das erste Mal, dass eine längere Kalligraphie als Teil eines Bildes erscheint. Die Song-Meister hatten ihre Inschriften gewöhnlich knapp gehalten, wenn sie überhaupt welche hinzufügten - zuweilen versteckten sie sogar ihre Signaturen. Ein weiterer Hinweis darauf, wie bedeutsam die Kalligraphie in der Yuan-Zeit wurde.

Der bewusste Archaismus Zhaos, seine Rückgriffe auf frühere malerische Haltungen, verführten ihn nie zu einer bloßen Stilimitation, sondern es gelang ihm, bestimmte wesentliche Bildelemente und -verfahren zu einer eigenen Syntax zusammenzufügen. So gelangte er zu einer neuen Bildsprache und wurde zugleich zum Übermittler traditioneller Ausdrucksweisen.

Kiefernpaar und weiter Ausblick aus der Ebene

Von gänzlich anderer Art ist die Querrolle „Kiefernpaar und weiter Ausblick“ (Sammlung C. C. Wang, New York) . Sie ist mit der Signatur und einer Widmung in der Kalligraphie des Meisters versehen. Das Bild zeichnet sich aus durch die gleiche Kühnheit der Vereinfachung wie „Edle Felsen und kahle Bäume“ siehe auch. Am Beginn der Rolle nehmen zwei Kiefern die gesamte Bildhöhe ein. Sie könnten von einem Nord-Song-Meister gemalt sein. Zu ihren Füßen wachsen dürre Sträucher zwischen einigen Felsen und Steinen. Links folgt eine Leerfläche, die gut Dreiviertel der Rolle einnimmt. Sie suggeriert eine weite Wasserfläche dadurch, dass im Vordergrund links ein Ufer angedeutet ist und im Hintergrund (am oberen Bildrand) sich einige flache Bergketten hinziehen, die in langgestreckte Landzungen auslaufen. Ein winziges Fischerboot, wie verloren auf dem ausgedehnten Gewässer, ruft eine Stimmung von Einsamkeit hervor und von lautloser Stille.

Das Bild lebt allein von der kalligraphischen Linie, die mit äußerster Ökonomie eingesetzt ist. Obgleich es sich praktisch nur um ein Landschaftsgerüst handelt, ist alles vorhanden, was auch die Landschaften der großen Song-Meister ausmachte, nur mit ungleich geringerem Aufwand an malerischen Mitteln. In der skizzenhaften Abkürzung ist alles enthalten: Stimmung und Weite. Obwohl der Bildraum durch die leicht hingeschriebenen Berge nach hinten abgeschlossen ist, wird doch die Wirkung von Ferne erreicht: durch die Wasserfläche und die Überschneidung des Horizonts durch die Kiefern. Genau genommen findet jedoch gar keine Überschneidung statt: automatisch ergänzen wir den Horizont, die fernen Berglinien enden an den äußersten Ästen. Hinter den Kiefern ist Leere. So gelingt es Zhao auch ohne Lavierung, Atmosphäre zu erzeugen, ohne die Deutlichkeit seiner Liniensprache zu verwischen. Allein Ni Zan erreichte später einen solchen Grad an Vereinfachung und kristallklarer Bildstruktur siehe auch.

Durch ein solches Werk wurde Zhao Mengfu zum Wegbereiter einer freien Subjektivität und von Malstilen, die allein aus der Handschrift lebten. Darin hatte er keine Vorläufer.

Gao Kegong

Zu den Malern, die neue Wege beschritten, indem sie das Alte aufsuchten, gehörte Gao Kegong (1248-1310). Weil er Spross einer zentralasiatischen Familie war, die sich in Datong (Shanxi) niedergelassen hatte, stand ihm unter den Mongolen eine Beamtenkarriere offen, da Turkstämmige im Rang gleich nach den Mongolen eingestuft wurden. Er diente im Süden, im Gebiet der untergegangenen Süd-Song Dynastie, deren kulturelles Erbe hier noch lebendig war. Er pflegte den Kontakt mit Malern und Literaten und wurde von vielen als Künstler hochgeschätzt. Zeitweise lebte er in Hangzhou. Die dunstige, feucht-warme Atmosphäre dieser Landschaft war von tiefgreifendem Einfluss auf seine Kunst. In Peking, wohin er als Präsident des Justizministeriums berufen wurde, verband ihn eine enge Freundschaft mit Zhao Mengfu. Unter anderem wird dies belegt durch Inschriften Zhaos auf Bildern Gaos. Auch Li Kan zählte zu seinen Freunden und ehrte ihn zuweilen mit einem Gedicht, das er einer Rolle Gaos hinzufügte. Wie Li gehörte Gao zu den hervorragenden Bambusmalern seiner Zeit.

Seine besondere Bedeutung lag jedoch in dem nachhaltigen Einfluss, den seine Landschaftsmalerei bis in die Ming-Zeit ausübte. Er war der Älteste jener Avantgarde, welche die Literatenkunst des 11. und 12. Jahrhunderts wiederaufleben ließ. Mit Zhao Mengfu teilte er dessen Begeisterung für Dong Yüan und Juran und orientierte sich zunächst an ihnen. Sein großes Vorbild aber wurde Mi Fu. Wie dieser wurde er oft kopiert, einmal wegen der Beliebtheit seines Stils, zum anderen nicht zuletzt deshalb, weil die scheinbare Einfachheit seiner Malweise geradezu dazu einlud. Die ihm zugeschriebenen Werke vermitteln jedoch eine Vorstellung seiner Kunst. Einige zeigen deutlicher strukturierte Landschaftsformationen, als sie gemeinhin bei Mi Fu erscheinen. Die Modellierung von Bergrücken und Bodenwellen wirkt fester, die Bäume sind genauer gezeichnet und verschieden charakterisiert, eher im Sinne Dong Yüans. Andere entsprechen dem Bildtypus Mi Fus und Mi Yourens, alle entsprechen dem Ideal des wenren: einfache Sujets mit sparsamen Mitteln darzustellen.

Berge im Regen

„Berge im Regen“ (Nat. Pal. Museum, Taipei) ist ein Beispiel nach Art der beiden Mi. Obwohl nur wenige Motive erkennbar sind, ist dennoch eine dichte Atmosphäre erreicht. Aus saftigen, weichen Pinselstrichen ersteht im Vordergrund eine Baumgruppe auf Felsen, alles summarisch skizziert. Dahinter, großenteils verdeckt, die Andeutung von Hausdächern und rechts eines Treppenweges, der ins Bild hineinführt: Spuren menschlichen Lebens. Menschen selbst tauchen nirgends auf. Im Mittelgrund am linken Bildrand flüchtig laviert ein Wäldchen und ein Bachlauf, der im Dunst verschwindet und vorne wieder auftaucht. Hoch oben türmt sich ein steiler Felskegel über den Regenwolken und links ragt schemenhaft eine Bergspitze hervor. Die breiten, waagerechten Pinselspuren, welche Vegetation und Ufer angeben, erinnern an die schrägen oder waagerechten Strichlagen Mi Fus. Dennoch ist die Gesamtwirkung kompakter als bei diesem und scheint weniger verschwommen. Wie auch bei Mu Qi ist die Linie zugunsten einer alles durchdringenden flüssigen Lavierung zurückgedrängt. Wolken und Nebel sind nichts als unbemalte Leerfläche, aus welcher in weichen Übergängen von grau bis schwarz die Landschaftselemente emportauchen. Diese „Wolken“ wirken raumbildend zwischen der Fels- und Baumgruppe des Vordergrundes und den entfernteren Berggipfeln. Beide Raumebenen behalten dabei das gleiche Gewicht; ein altertümliches Verfahren, Raumillusion zu schaffen. Die Naturstimmung wird erzielt durch abstrahierende Andeutung. Ohne auf realistische Details einzugehen, triumphiert der handschriftliche Duktus. Ohne also seine persönliche Eigenart aufzugeben, bewahrte Gao den Stil seines bewunderten Vorbilds und gab ihn weiter an spätere Generationen.

Huang Gongwang

Der in späteren Jahrhunderten einflussreichste Landschaftsmaler, zugleich der älteste der „Großen Vier“, war Huang Gongwang (1269-1354). Die anderen drei, welche nach chinesischer Auffassung die Literatenmalerei in künstlerischer Haltung und Lebensführung idealtypisch vertraten, waren Wu Zhen siehe auch, Ni Zan siehe auch und Wang Meng siehe auch. Alle stammten sie aus dem Süden, dort wo das kulturelle Erbe des Südlichen Song-Reiches noch kräftig nachwirkte.

Huang Gongwang wurde in Pingjiang, Jiangsu, geboren in einer Familie Lu. Mit zehn Jahren wurde der hochbegabte Junge in die Familie Huang aufgenommen, die in Yongjia, Zhejiang, lebte. Sein Adoptivvater, der bis zu seinem neunzigsten Jahr vergeblich auf einen männlichen Nachkommen gewartet hatte, gab ihm den Namen Gongwang, worin das lange Warten auf einen Sohn ausgedrückt sein soll.

Als junger Mann trat er in den Dienst der Provinzverwaltung, wo er sich mit Grundsteuerfragen zu befassen hatte. Er machte sich unbeliebt bei einigen einflussreichen Leuten und wurde entlassen. Noch unglücklicher verlief sein Versuch, eine Beamtenlaufbahn in Peking einzuschlagen, wo er bei der Zensurbehörde arbeitete, in eine Korruptionsaffäre geriet und für drei Jahre ins Gefängnis musste. Nach seiner Entlassung 1318 kehrte er in den Süden zurück und widmete sich intensiv daoistischen Studien. In Suzhou, Jiangsu, gründete er die „Halle der Drei Religionen“, wo Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus gleichberechtigt nebeneinander gelehrt wurden. Wegen seiner umfangreichen Kenntnisse in Literatur, Philosophie und den klassischen Künsten der Literaten - Musik, Poesie, Kalligraphie und Malerei - genoss er hohe Autorität. Aber erst mit etwa Fünfzig begann er ernsthaft zu malen und wurde bald zum führenden Kopf einer erneuerten Landschaftsmalerei, denn er verfasste auch eine Schrift, worin er in zweiunddreißig Kommentaren theoretische und genaue maltechnische Hinweise gab. 1347 ließ er sich in den Fuchun Bergen bei Hangzhou nieder, wo er sein Alter verbrachte und das Leben eines daoistischen Einsiedlers führte.

Ohne Zweifel sah er in dem fünfzehn Jahre älteren Zhao Mengfu ein Vorbild und er teilte dessen Ideen über die Bedeutung des Kalligraphischen in der Malerei und die Mustergültigkeit der Alten, insbesondere der frühen Song Meister. Im Unterschied zu Zhao hatte er kein Interesse, alle Sparten der Malerei zu beherrschen, sondern hielt offenbar allein die Landschaft für kunstwürdig.

Dies steht im Einklang mit seiner daoistischen Weltsicht, in dem Streben, die Natur als Ganzes zu begreifen. Es ist überliefert, dass er viel umherwanderte, stundenlang Berge, Wolken, Sturm, Regen und Wildwasser beobachtete, kurz alle denkbaren Naturphänomene meditierend durchdrang. Wie er es in seinen Kommentaren empfahl, führte er stets Pinsel, Tusche und Papier mit sich, um vor Ort eine ungewöhnliche Szenerie oder besonders gewachsene Bäume festzuhalten. Dieses in der chinesischen Malerei nicht eben häufig überlieferte Verfahren diente ihm als Gedächtnisstütze und „um den (noch auszuführenden) Bildern Leben zu verleihen“. Dies bedeutete also keineswegs, dass Huangs Landschaften vor der Natur entstanden sind, sondern im Gegenteil: seine Malerei bewegt sich geradezu am Rande der Abstraktion, entstanden aus einer inneren Sicht, die wiederum einem tiefen Verständnis des Landschaftswesens entsprang. Entsprechend fordert er in seinem Essay als das wichtigste in einem Bild „li“, das Prinzip, das Absolute siehe auch. Den vieldeutigen Begriff darf man hier vielleicht als eine dem Bild innewohnende grundsätzliche Folgerichtigkeit verstehen. Eine gemalte Landschaft muss in sich stimmig sein, wenn sie „natürlich“ wirken soll. Diese Wirkung entsteht nicht dadurch, dass die Natur imitiert wird, sondern dadurch, dass alle Bildelemente in selbstverständlicher Weise miteinander korrespondieren. Es ist der Zusammenklang der bildnerischen Mittel, welcher die „Natur“ im Bilde schafft. Und es ist die künstlerische Handschrift, welche diese Mittel in seinen Bildern so unverwechselbar macht.

Sie sind ausgesprochen unprätentiös. Seine Technik ist in chinesischem Verständnis eigentlich „amateurhaft“: er legte eine dünnlavierte Vorzeichnung an, die er dann überarbeitete. Zwar wird von solchen skizzenhaften Bildanlagen, die als Studien (fen ben) bezeichnet wurden, auch aus älterer Zeit berichtet, doch scheint kein Künstler vor Huang mit solcher künstlerischen Aufrichtigkeit dieses Verfahren unverhüllt angewendet zu haben. Denn es entsprach ja dem Ideal hoher Kunst, wenn ein Bild aus der Vorstellung in einem Zug und mit allen wesentlichen Akzenten „niedergeschrieben“ wurde. Die Betonung des Amateurmäßigen, die Verachtung oder mindestens Vermeidung jener bravourösen Geschicklichkeit, die von vielen Künstlern gepflegt und von Sammlern geschätzt wurde, hatte er gemein mit einer Reihe der bedeutendsten Literatenmaler, wie etwa Mi Fu. Dem entsprach die im Vergleich mit den Nord-Song Meistern unaufdringliche Bescheidenheit seiner Motive und die Schlichtheit des malerischen Vortrags, der keine Könnerschaft demonstrierte.

Von den zahlreichen Stilfacetten Zhaos wählte er dessen Linearstil, der seiner Vorstellungswelt am nächsten kam, um darauf aufzubauen. Es waren Werke wie „Kiefernpaar und weiter Ausblick“, deren Lakonik und sparsame Linienzeichnung er aufnahm und weiterentwickelte. Durch die zart lavierte Untermalung, über die in weiteren Arbeitsgängen Einzelheiten wie Bäume und Felsen mit halbtrockener Tusche gelegt wurden, erreichte er eine saftigere Wirkung und dichtere Textur. Die Untermalung bestand nicht aus breit lavierten Flächen, sondern aus relativ breiten Umriss- und Strukturlinien. Auf diese Weise erhalten die Berg- und Geländeformationen bereits Relief und Plastizität durch Formungsstriche, die dem Gefälle der Berge folgen. Diese Strukturzeichnung gleicht den Hanffaser-cun seiner erklärten Vorbilder Dong Yüan und Juran.

Die Offenlegung seiner Stilmittel, der Einsatz von Naturformen als bildnerische Elemente und insbesondere die Betonung des handschriftlichen Duktus entsprachen in so hohem Maße den Vorstellungen der Literatenmaler der späten Ming- und der frühen Qing-Zeit, dass er als der größte Meister der Yuan-Zeit angesehen wurde, als Zhao Mengfu schon beinahe vergessen war. Naturgemäß wurde er daher gerne kopiert und oft imitiert, wenn auch seine Einfachheit und die Lebendigkeit seiner Pinselführung schwer zu treffen waren. Gerade aber wegen der Durchschaubarkeit seiner Arbeitsweise sind die mutmaßlichen Kopien den wenigen als authentisch anerkannten Werken sehr nahe.

Orchideen Pavillon

Zu diesen gehört das Albumblatt „Orchideen Pavillon“ (verschollen, heute nur durch Reproduktionen bekannt). Der Titel bezieht sich nicht auf das Dargestellte, sondern auf den Kolophon, worin Huang die Orchidee besingt (Symbol der Freundschaft), an deren Duft man sich gewöhnen könne wie an das Zusammenleben mit einem Freund. Ihm widmete er das Blatt 1342 und nannte sich den „Großen Narren und Daoisten Huang Gongwang“. Das Motiv könnte kaum unscheinbarer sein, es ist absolut unmonumental und ohne besonderen landschaftlichen Reiz: ein paar Hütten an einem Flussufer, hinter denen ein bewachsener Hügel und einige Felsen aufsteigen. Nach altem Muster führt rechts eine Brücke ins Bild hinein, links eine Treppe in die Landschaft und sozusagen aus dem Bild hinaus. Die Häuser sind mit wenigen Linien gezeichnet und wirken etwas unbeholfen und naiv. Man kann wie von oben in sie hinein sehen, die Trennungslinien zwischen Wänden und Fußböden sind in perspektivischer Schräge gegeben, die Giebelseiten jedoch frontal, sodass sie wie aufgeklappt wirken. Das wäre auch im Sinne der asiatischen Parallelperspektive „falsch“.

Es zeigt, wie unbekümmert um akademische Regeln er verfuhr, und das Ergebnis gibt ihm recht: die Häuser fügen sich wie selbstverständlich in die Bildstrukturen ein, zwischen Bäumen und Felsen. Niemand würde auf die Idee kommen, etwas stimme nicht an ihnen. Denn Gestein und Vegetation sind ebensowenig realistisch wie das Liniengefüge der Hütten. Sie sind nichts als graphische Zeichen, die sich über den Hügel verteilen und zwar nach kompositorischen und rhythmischen Bedürfnissen. Die Bäume sind botanisch kaum unterschieden - nur rechts ist etwas Blattwerk angedeutet und eine Kiefer - ansonsten bestehen sie aus senkrechten Strichen und waagerechten Tupfen. Oben sind kleinere Bäume oder Buschwerk mit der Pinselspitze gestupst, ähnlich den „Moospunkten“ (dian tai) des Juran. Felsen und Boden sind mit nervösen, kurzen, oft abgesetzten Strichen mit halbtrockener Tusche angerissen und nur an wenigen Stellen durch Lavierung verstärkt. Kaum finden sich durchgezogene Linien, nur an Häusern und Steg, einigen Baumstämmen und Wasserfällen. Trotz des skizzenhaften Charakters dieser Malweise entsteht ein dichtes Gewebe aus Einzelformen von nur scheinbarer Detailgenauigkeit ohne die geringste atmosphärische Wirkung und Raumtiefe. Es schließt sich zu einem graphischen Muster zusammen, das sich in der Fläche wie ein Teppich entfaltet und nur ein geringes Relief aufweist. Die in vielen Fällen störende Inschrift des Qing-Kaisers Qianlong (1736-1795) betont in diesem Fall die flächige Wirkung, verdeckt jedoch die wohlkalkulierte Leere des Bildgrundes. Der Stempel auf der Kuppe des Hauptberges ist allerdings eine Barbarei. Durchpulst von einer Handschrift voll vibrierenden Lebens, gewinnt das bescheidene Landschaftsmotiv seinen besonderen Rang. Vergleicht man es mit allen vorhergehenden Landschaften, wird deutlich, welch geradezu revolutionäre Bildauffassung Huang hier demonstriert, obwohl er sich als Traditionalisten sah. Es kann als Musterbeispiel für das Wesen der Yuan-Landschaftskunst gelten und zugleich ist es von erstaunlicher Modernität.

Leben in den Fuchun Bergen

Bereits in hohem Alter, schuf Huang das Werk, das er selbst für sein bedeutendstes hielt: „Leben in den Fuchun Bergen“ (Nat. Palast Museum, Taipei) . Er malte es für seinen Freund, den daoistischen Meister Wuyong und arbeitete über drei Jahre daran von 1347 bis 1350. Die Rolle hat eine wechselvolle Geschichte. Sie kam in die Hände verschiedener Sammler und wurde einmal fast verbrannt, da einer von ihnen sie mit ins Grab nehmen wollte. 1746 wurde sie für die kaiserliche Sammlung erworben und da Qianlong bereits eine Version der Rolle besaß, die er für echt hielt, beehrte er diese mit seinen schriftlichen Lobpreisungen. Da es sich offenbar um eine Kopie handelt, blieb dem Original die Schreibwut des Kaisers erspart.

Trotz der beträchtlichen Ausdehnung der Rolle (6,37 Meter) ist die Malweise an keiner Stelle mechanisch oder „festgefahren“ wie es bei einer Arbeit dieser Größe leicht geschehen kann, besonders da sich gewisse Motive wiederholen. Dies ist nicht zuletzt Huangs Arbeitsweise zu verdanken. Er legte die Komposition locker mit dünner Tusche an, er „spielte mit dem Pinsel“, wie er in seiner Beischrift selbst bezeugt, und malte nur, wenn er in „Stimmung“ war. Auf diese Weise war er nicht gezwungen, die hohe Konzentration und Anspannung aufrecht zu erhalten, die unabdingbar ist, ein solches Format in einem Zuge auszuführen. Er betont die Lockerheit, Gemächlichkeit und Muße, bei der gelegentlichen Arbeit daran. So wuchs das Werk über einen langen Zeitraum. Diese Vorgehensweise befähigte ihn, geistige Wachheit und Spontaneität zu bewahren und der Landschaft durchgehend lebensvollen Atem zu verleihen.

Es ist der Lebensraum seiner letzten Jahre und er erfasste ihn in seiner Wesensart, nicht topographisch: bewaldete Hügel, flache Ufer, weite Gewässer. Einige Gipfel sind vom oberen Bildrand angeschnitten. Wo sie sichtbar bleiben, runden sie sich wie die „Alaun-Köpfe“ (fan tou) des Juran und geben damit ein charakteristisches Merkmal dieser Landschaft wieder. Auch dessen „Moospunkte“ (dian tai) und „Hanffaserstriche“ (pi ma cun) der Berghänge finden sich hier wieder siehe auch. Auch hier - wie auf dem Albumblatt - sind nur einige Bäume des Vordergrundes genauer bestimmt, die ferneren sind rein graphische Akzente, welche in dunklen, kräftigen Tönen über die weitgehend belassene, zarte Untermalung gesetzt sind. Entsprechend den Bergspitzen oben, sind eine Reihe dieser Bäume vom unteren Bildrand angeschnitten, als wüchsen sie von unten in das Bild hinein. Auf diese Weise dehnt es sich nicht nur in der horizontalen Leserichtung, sondern in der ergänzenden Vorstellung des Betrachters auch nach oben und nach unten. Und im Unterschied zum „Orchideen Pavillon“ dehnt es sich auch in die Tiefe bis zu fernen Bergketten. Meisterlich wird hier Tiefenraum suggeriert, ohne jedoch die Bildfläche zu durchstoßen: stets führen die entfernteren Partien parallel zum Bildablauf. Wenn auch die Leerflächen Dunst evozieren, so sind die fernen Höhenzüge selbst bei dünner Lavierung klar umrissen und definieren damit sozusagen das Ende, die Begrenzung des Bildraumes. Etwa im Zentrum der Rolle wird Raumtiefe erreicht durch eine hintereinander gestaffelte Hügelkette, die diagonal nach links mit dem Bildablauf zu einem fernen, hohen Horizont führt. Am Bildende entsteht Raum dadurch, dass ein zuckerhutförmiger Hügel eine breitgelagerte Bergkette überschneidet. Im Gesamtablauf der Rolle wechselt die Horizonthöhe, was in der räumlichen Logik eines real gedachten Raumes zu Diskrepanzen führen müsste. Dies wäre der Fall, wenn die Rolle als einheitlicher Bildraum aufzufassen wäre. Aber sie ist aus den gleichen Raumnischen siehe auch zusammengesetzt, die schon am Beginn der chinesischen Landschaftsmalerei den Bildvorgang bestimmen. Im Normalfall sieht der Betrachter, ebensowenig wie der Künstler, die Gesamtrolle nicht auf einen Blick. Vielmehr liest er Abschnitt für Abschnitt und bewegt sich so von einer Raumzone zur anderen. Dies gibt dem Künstler die Freiheit, die Landschaft aus wechselnden Blickwinkeln darzustellen. Aber auch vollständig ausgerollt erscheint die Fuchun Rolle durchaus organisch, folgt man dem Auf-und-Ab ihrer Hügel und Täler, den flachen Ufern und Halbinseln mit den weiten Wasserflächen als verbindendes Element. Vereinzelte kleine Fischerboote, Stege, versteckte Hütten, winzige Menschlein, ja sogar punktkleine Entchen auf dem Wasser betonen die Größe und Weite des wechselnden Panoramas.

Das graphische Repertoire, womit den Landschaftsformationen Relief und Plastizität verliehen wird, ist das gleiche wie auf dem „Orchideen Pavillon“. Es ist der gleiche freie Umgang mit den einzelnen Naturformen: sie werden zu graphischen Mustern, die sich unabhängig vom Sujet entwickeln in lebendigem Wechsel von aufgelockerter Struktur und Verdichtung. Die Leerstellen, die sich dem Auge als weite Wasserflächen darstellen, bilden darin die großen Ruhezonen wie in der Musik die Pausen. Der Landschaftsrhythmus und der graphisch-malerische Ablauf verhalten sich zueinander wie die Ober- und Untertöne einer musikalischen Komposition. Der Vortrag ist von grundsätzlich kalligraphischem Charakter. Kalligraphisch ist nicht nur der einzelne frei gesetzte Pinselzug, sondern die Verteilung der Akzente, die einen eigenen Rhythmus bilden und das Ganze zeichenhaft durchwirken.

Dieses Werk stellt nicht nur einen Höhepunkt, ja wahrscheinlich den Höhepunkt der Yuan Landschaftskunst dar. Es wurde richtungsweisend für alle spätere Landschaftsmalerei.

Wu Zhen

Gewiss nicht allein wegen seiner Meisterschaft in der Pflaumen- und Bambusmalerei zählte man später Wu Zhen zu den Großen Vier der Yuan-Malerei, auch seine späten Landschaften begründen eine solche Bewertung. Seiner zurückgezogenen Lebensweise und Menschenscheu - er verkehrte mit Vorliebe nur mit Daoisten und buddhistischen Mönchen - entsprach die Kompromisslosigkeit seiner Malerei. Er machte keinerlei Zugeständnisse an den Zeitgeschmack, weshalb er zu seinen Lebzeiten kaum Anerkennung fand - die er auch wohl nicht suchte. Denn Malerei war für ihn in erster Linie spontaner Ausdruck der Persönlichkeit und Freude am schöpferischen „Spiel“ mit Tusche und Pinsel. Die meisten seiner Bilder verschenkte er an Freunde. Der Stil seines Nachbarn in Jiaxing, Sheng Mou, einer der talentierten Maler der Zeit, war insofern erfolgreicher, als er gefälliger und farbig dekorativer malte und in manchem Detail die akribische Maltradition der Song Akademie fortsetzte. Erst als die künstlerische Auffassung der Literaten zunehmend verstanden wurde, trat Wu Zhens Bedeutung hervor.

Daoist wie Huang Gongwang, war er von gänzlich anderem Temperament. Zeugt Huangs Malerei von heiterer Gelassenheit und einem durchdachten Arbeitsprozess, so finden sich in Wus Bildern größere Emotionalität und Wärme.

Die wenigen vermutlich authentischen Werke Wu Zhens bieten die seltene Gelegenheit, bestimmte Entwicklungsschritte eines Meisters zu verfolgen. Denn gewöhnlich sind es nur Werke aus einer einzigen Periode eines früheren Künstlers, die noch bekannt sind und die man daher als typisch ansieht.

Zwei Kiefern

Eine Hängerolle im Nationalen Palastmuseum Taipei zeigt „Zwei Kiefern“ und ist 1328 datiert . Eine flache Hügellandschaft staffelt sich hintereinander. In ihrer Mitte schlängelt sich ein schmaler Flusslauf zum Horizont und verschwindet zwischen fernen Bergen. Zwischen den Hügeln verstreut stehen gradwüchsige Nadelwälder in gleichförmiger Wiederholung. Am Waldrand duckt sich ein Weiler. Das Bildzentrum beherrschen zwei Kiefern in grotesker Umschlingung. Der verdrehte, knorrige Wuchs der beiden Baumcharaktere erinnert an die Art Li Chengs und Guo Xis. Eine etwas unbeholfene Zeichnung sucht den gewundenen Formen nachzuspüren in tastenden, suchenden Umrisslinien, ohne die augenscheinlich angestrebte Plastizität überzeugend zu erfassen. Hier fehlt noch gänzlich jene großzügige, sichere und saftige Pinselführung, womit Wu Zhen in seinen späten Bambusdarstellungen siehe auch so souverän den Eindruck von Wachstum und Plastizität vermittelte. Die sorgfältige und kleinteilige Durchführung der Landschaft mit modellierender Lavierung und immer wiederkehrenden „Moospunkten“ stützt sich auf Juran, allerdings ohne dessen ausgeprägte „Hanffaser“-Striche zu verwenden. Trotz der naiv wirkenden Unbeholfenheit, ja vielleicht einer gewissen Ängstlichkeit in der Darstellungsweise, herrscht in dieser Landschaft eine Stimmung von Leere und Einsamkeit, die anrührt.

Freuden des Fischers (nach jing Hao)

Eine weitere Phase seiner Entwicklung belegt Wu Zhens Querrolle von 1347 „Freuden des Fischers “ (Freer Gallery, Washington) : eine liebliche Flusslandschaft mit flachen Ufern und gewellten Hügeln, aus welchen zuweilen kegelförmige Erhebungen hervorwachsen, die an erloschene Vulkane erinnern. Manchmal eine Baumgruppe am Ufer und ein paar moosüberzogene Felsen oder eine einsame Hütte, die, in komischer Übertreibung von oben gesehen, so wirkt, als rutsche sie einen Hügel hinab. Es ist, als bewege man sich beim fortschreitenden Betrachten der Rolle selbst auf einem behäbig dahinfließenden Strom und die Szenen zögen langsam vorbei. Dabei begegnet man Booten, deren Insassen den Müßiggang pflegen: manche angeln, andere ruhen, einige betrachten die Landschaft oder schauen auch nur ins Wasser. Die kleinen Figuren und ihre Boote sind mit wenigen lakonischen Strichen festgehalten, die verschiedenen Typen in Haltung und Gestik mit teilnehmendem Humor dargestellt. Jeder Szene hat der Meister einen poetischen Kommentar in seiner flüssigen Kalligraphie hinzugefügt. Menschen und Landschaft strahlen eine ruhige und gelöste Heiterkeit aus.

Jedes Zögern, jede Unsicherheit im Malvortrag ist nun geschwunden. Linien und Konturen sind scharf und sicher gesetzt. Doch tauchen sie nur selten auf in Booten, Hütten, Figuren, Bäumen oder Schilf. Die Landschaft, weitgehend ohne Umrisslinien, ist von einer sanften, pelzigen Vegetation überzogen. Die mit stumpfem Pinsel gestupsten, rund modellierten Geländestrukturen bestehen zwar aus Hanffaserstrichen, doch sind sie nur zart getönt und weich verwischt, während Einschnitte, Hügelkuppen oder nahe Felsen dunkel punktiert sind. Diese von Juran und Dong Yüan sattsam bekannten Stilmittel sind nun jedoch vollkommen verwandelt in eine eigenwillige, unverkennbare Malweise voller Wärme und atmosphärischer Dichte. Man glaubt die Feuchtigkeit der Flussniederung zu spüren, ohne dass sich die zarten Silhouetten der fernen Hügel im Dunst verlieren.

Die hohe Meisterschaft im differenzierten Umgang mit der Tusche, wie sie die Fischer-Rolle und einige Landschaften aus der gleichen Periode belegen, wird noch übertroffen von einigen späten Albumblättern, um 1350 entstanden, in einigen ostasiatischen Sammlungen (Museum Osaka: Sammlung Abe; Sammlung Siu So, Hongkong; ehemalige Sammlung Saito). Es sind skizzenhafte Landschaften, die nur aus wenigen, kühn gesetzten Pinselhieben bestehen, welche Baum, Fels oder Hütte evozieren. Sie zeigen den Meister auf der Höhe seines „Tuschespiels“, ebenbürtig dem seiner besten Bambusbilder.

Ni Zan

Den Literatenmalern der Ming Zeit galt Ni Zan als Musterbeispiel des ungebundenen Gelehrten-Künstlers, für den die Malerei ein Mittel war, seine Gefühle, seine Weltsicht, seine innere Freiheit auszudrücken. Demzufolge gibt es in seinen Bildern keinerlei Konzessionen an einen wie immer gearteten Publikumsgeschmack. Die gleiche distanzierte Darstellungsweise wie in seinen Bambusbildern siehe auch findet sich auch in seinen Landschaften.

Das Rong xi Studio

Als ein Beispiel für viele mag hier die Hängerolle „Das Rong xi Studio“ dienen (Nationales Palastmuseum, Taipei) . Die scheinbar emotionslose Kühle, die so typisch ist für Ni Zans Landschaften, entsteht durch eine gewisse Kantigkeit der Linienführung, welche weich fließende Rundungen meidet. Die Strukturdarstellung der Felsen und Berge aus verdünnter Tusche und halbtrocken darüber gerissenen Linien zeigt gewöhnlich horizontale Tendenz, spitz gezackte Strichlagen, denen man die Bezeichnung „gefaltete Schärpe“ (zhedaicum) gab. Spitz zulaufende Landzungen und kantige Gesteinsabbrüche bekräftigen den spröden Charakter der Zeichnung. Er wird aufgelöst zu transparenter Klarheit durch zarte Tuschtönungen. Die Konturen umreißen die Gegenstände nur leicht in einem sanften sfumato. Nur in Gesteinsvertiefungen und an den Blättern einiger karg belaubter Bäume sind dunklere Akzente gesetzt, die von Vegetation andeutenden „Moospunkten“ ergänzt werden. Diese Akzente sind nicht unbedingt an Berg, Fels oder Baum gebunden, sondern weitgehend unabhängig von ihnen, allein entsprechend den graphischen Notwendigkeiten. Ni Zan verfährt hier mit der gleichen Freiheit wie sein älterer Freund Huang Gongwang, dessen unrealistische Malweise, wenn auch nicht dessen Stil, ihm Vorbild war. Und so wie die Moospunkte auf Dong Yüan und Juran zurückgehen, deuten die waagerechten Pinselzüge auf eine innere Verwandtschaft mit Mi Fu.

Mit seiner Ablehnung jeder Kunstfertigkeit, seinem Streben nach Einfachheit, nach Sparsamkeit der Mittel ohne technische Raffinessen, erreicht Ni Zan jene kristallin Klarheit, die jedes seiner Bilder auszeichnet. Mit Recht wurde von ihm gesagt, dass er mit Tusche so sparsam umgehe, als sei sie Gold. Seine Zurückhaltung, die Vermeidung jeder sichtbaren Emotionalität, ging so weit, dass er seinem Pinselduktus den Charakter des Handschriftlichen entzog, ihn jeder kalligraphischen Gestik entkleidete. Jeder Pinselstrich ist vollkommen kontrolliert und überlegt hingesetzt ohne Verschwendung jener überschüssigen Energie, die im emotionalen Niederschreiben freigesetzt wird.

Die Gegenstände sind so behutsam umschrieben, sie sind so stark auf das Wesenhafte reduziert, dass sie ihren Objektcharakter verlieren und zu Chiffren werden. Es ist genau dies, was Ni Zan meinte, als er über eines seiner Bilder sagte, dem Bambus darauf mangele es an äußerer Ähnlichkeit, aber gerade das sei schwer zu machen.

Obwohl die Binnenstrukturen oft stärker betont sind, als die Umrisszeichnungen, handelt es sich um eine von der Linie bestimmten Malerei, deren sparsame Lavierungen keine tonigen, flächenhaft geschlossenen Zonen bilden, sondern lediglich das Liniengefüge begleiten und stellenweise vertiefen, wobei sie den Gegenständen eine gewisse Plastizität verleihen.

Der kühlen Klarheit der Liniensprache entspricht die Deutlichkeit des Kompositionsschemas. Man kann hier von einem Schema sprechen, da Ni den gleichen Bildaufbau unermüdlich variierte. Und natürlich fand dieses eingängige System immer wieder Nachahmer, welche den scheinbar leicht zu imitierenden Stil Ni Zans mehr oder weniger glücklich trafen. Aber auch für ihn gilt wie einst für Mi Fu: er schuf das Einfache, das schwer zu machen ist. Die noch erhaltenen und in seiner Manier gemalten Bilder sind zum überwiegenden Teil Imitationen, trotz malerischer Qualitäten, Signatur und Inschriften.

Der kompositorische Aufbau des „Rong xi Studios“ gilt für die meisten Landschaften Ni Zans. Er besteht aus drei Teilen, die trotz ihrer deutlich voneinander abgesetzten Gliederung niemals auseinander fallen. Im Vordergrund bilden eine Gruppe von wenigen Bäumen und einige Felsen oder Steine eine Uferzone. Es folgt eine stille, weite Wasserfläche und im oberen Bildteil mittelhohe Bergzüge, ferne Gestade und Landzungen. Darüber bleibt genügend Raum für ein Gedicht des Malers und Inschriften von Freunden. Boden- und Gesteinsstrukturen des Vordergrundes verbinden sich mit den Bergen des Hintergrundes durch ähnliche Proportionen. Sie sind in der Nähe nicht detaillierter als in der Ferne. Dadurch wird die Weite suggerierende Wirkung der Wasserfläche - bildnerisch eine reine Leerfläche - wieder aufgehoben und die fernen Berge nahe gerückt. Die raumbildende Luftperspektive wird vermieden. Das Desinteresse des Künstlers an realistischen Effekten wird hier besonders deutlich. Aus dem gleichen Grund vermeidet er Überschneidungen, die ebenfalls Tiefenraum erzeugen können: das Astwerk der Bäume berührt nicht einmal die Horizontallinien der gegenüber liegenden Ufer. Nähe und Ferne entstehen in der Vorstellung des Betrachters. Der Maler ist mit der Fläche befasst. Sein eigentliches Interesse gilt nicht dem Naturmotiv, sondern dem persönlichen Stil, mit welchem er „dem ungebundenen Gefühl in der Brust“ Ausdruck verleiht.

Gewiss sind diese Landschaften Reflexe jener Gegenden Jiangsus, die er auf seinen jahrelangen Fahrten im Hausboot auf den heimatlichen Seen und Flüssen in sich aufgenommen hat. Und dennoch findet sich in keinem dieser Bilder ein Landschaftsporträt, sondern die wenigen, immer wieder verwendeten Bildgegenstände fließen ihm stets zur gleichen Vision zusammen. Ferne wie nahe Ufer verschwimmen, Gebirge und Inseln sind mit rauchigen Linien hingewischt und in manchen Bildern erheben sich Berge auf einer schiefen Ebene: nichts ist fest gegründet in dieser Welt der Illusion. Wenige Variationen genügen, um diesen anspruchslosen Motiven immer wieder einen neuen Reiz abzugewinnen.

Wenn es eine Entwicklung in Ni Zans Kunst gab, dann war es die von einer subtilen Differenzierung der Tusche, hin zu größerer Souveränität der Vereinfachung, zu einer kraftvolleren Pinselführung und noch größerer Unbekümmertheit um die Naturnähe des Motivs oder Eleganz des Vortrags. Inhalt und Stimmung seiner Bilder blieben unverändert.

Ihre höchst spannungsvolle Wirkung ergibt sich durch die Einbindung der betonten Horizontaltendenzen zumeist in ein schmales Hochformat. Dadurch erscheint die Landschaft in einem schwerelosen Schwebezustand, der ihr die Aura des Irrealen verleiht. Es ist eine Natur der Vorstellung, eine Art Geisterwelt. Manchmal, wie in unserem Bild, findet sich eine leere Schutzhütte darin. Sie steigert die Stimmung von Einsamkeit und Verlassenheit. Nichts bewegt sich in diesen Landschaften, weder Wind noch Gewässer, weder Tier noch Mensch. Selbst die seltenen Wasserfälle scheinen still zu stehen. Über dieser menschenleeren Welt von unberührter Reinheit schwebt eine Stimmung von Melancholie und dennoch zugleich einer stillen Heiterkeit.

Diese schwer zu beschreibende Atmosphäre, die sich unverwandelt über dreißig Jahre in allen Werken Ni Zans findet, unterscheidet ihn von allen seinen Zeitgenossen und allen früheren Landschaftsmeistern.

Wang Meng

Der jüngste der „Vier Großen Meister“ der Yuan-Zeit war Wang Meng (1308-1385). Geboren in Wuxing, Zhejiang, entstammte er der bedeutendsten Malerfamilie der Epoche: mütterlicherseits war er ein Enkel Zhao Mengfus und Guan Furens. Als Junge hat er noch seinen Großvater gekannt und von diesem gewiss künstlerische Anregung erhalten. Malunterricht erhielt er von seinem Onkel Zhao Yong siehe auch. Und ebenfalls war sein Vater ein anerkannter Maler und Kalligraph. Nach der Beamtenprüfung nahm er eine Stellung in der Justizverwaltung der Hauptstadt an, doch machte er keine Karriere wie sein Großvater. Gegen Ende der Yuan Zeit, als sich der Sturz der Dynastie abzeichnete, gab er seinen Posten auf und lebte zeitweise im Huangheshan, den Bergen des Gelben Kranichs in Zhejiang, um sich ganz der Malerei zu widmen. Darauf nahm er Bezug, wenn er sich „Holzfäller“ oder „Einsiedler vom Berge des Gelben Kranichs“ nannte. Sein Leben mochte stets von der Sehnsucht nach dem Eremitendasein erfüllt gewesen sein, so wie er es in praktisch allen seinen Bildern darstellte, doch er führte es nicht mit der gleichen Konsequenz wie Ni Zan. Wie dieser liebte er es, zu reisen und Freunde zu besuchen, deren landschaftliche Umgebung er gerne in freier, phantasievoller Interpretation darstellte. Doch nach Etablierung der Ming Dynastie versuchte er erneut eine Beamtenlaufbahn und diente als hoher Beamter (Richter oder Präfekt) in Taian, Shandong. Die Rückkehr in den Staatsdienst, die Einmischung in die „Dinge der Welt“, wurde ihm zum Verhängnis: wegen eines Besuchs bei dem gestürzten Minister Hu Weiyong geriet er in den Verdacht, an einem Komplott beteiligt zu sein, wurde ins Gefängnis geworfen, wo er, ohnehin schon in hohem Alter, nach fünf Jahren an Entkräftung starb.

Weder galt er als großer Kalligraph wie sein Großvater, noch war er ein bedeutender Literat oder Poet wie viele seiner großen Malerkollegen. Seine Inschriften wirken meist sachlich und gewissenhaft, wenn er Zeit und Entstehungsort des Bildes anmerkt und wem er es widmet. In erster Linie war er Maler und suchte auch nicht die Universalität der anderen Gelehrtenkünstler zu erreichen. Dennoch verkörperte er in seinem Werk ganz und gar den Geist der Literatenkunst: im Streben nach der Freiheit des persönlichen Ausdrucks. In einem eigentlicheren Sinne, als seine großen Zeitgenossen kann man ihn als Maler bezeichnen: weit ungehemmter als diese, setzte er vielfältige malerische Strukturen und die Farbe als Ausdrucksmittel ein. Nirgends wird dies deutlicher, als bei einem Vergleich mit Ni Zan, der Wang übrigens hochschätzte. Wo Ni Zan mit rein zeichnerischen Mitteln und höchster Sparsamkeit seine einfachen Motive vorträgt, überwältigt Wang Meng mit einer Fülle von Einzelmotiven und zuweilen mit einem üppigen Strukturendschungel, dessen Dichte durch die hineingewobenen Farbgeflechte noch erhöht wird. Und so werden die beiden Meister allgemein auch als Gegenpole in der Yuan Landschaftsmalerei angesehen.

Mit Vorliebe verwendet Wang Meng schmale Hochformate, worin er gewaltige Bergmassive auftürmt, die den Bildraum fast völlig ausfüllen. Es sind grotesk geformte Bergcharaktere, Bergwesen, wie sie auch schon Juran geschaffen hat, nur gänzlich anders geartet. Wangs Gebirgsmassive machen den Eindruck urweltlicher Giganten, die sich gleichsam mühevoll, mit ungeheuerer Anstrengung nach oben winden. Es ist, als stünden sie, eingezwängt in den engen Bildraum, unter dem Druck gewaltiger tellurischer Kräfte, die sie nach oben pressen. Solche Bergriesen, die ebenfalls den Fernblick verstellen, haben auch schon Li Cheng, Fan Kuan und Guo Xi geschaffen - und Wang Meng hat die Nord-Song Meister genau studiert. Aber keiner von diesen hat den Bergen so viel Eigenleben verliehen, außer vielleicht Guo Xi in seinem „Frühen Frühling“. Und anders als die Nord-Song Maler legt Wang Meng keine Dunstschleier oder Wasserfälle zwischen den Vorder- und Hintergrund. Darin erweist er sich ganz der allgemeinen Tendenz im künstlerischen Denken seiner Epoche verhaftet: er schafft eine nur sehr begrenzte Raumtiefe und er verbannt jede Andeutung von Atmosphäre aus seinen Bildern. Nahe Felsen und höchste Gipfel sind gleich detailliert durchgearbeitet.

Einsiedelei in den Sommerbergen

Die Bewegtheit der Großform entsteht in Wirklichkeit jedoch durch die Unruhe der Einzelformen, nicht durch eine ihr innewohnende Eigendynamik. Die Hängerolle „Einsiedelei in den Sommerbergen“ (Palast Museum Peking) beginnt unten mit einem Hain aus locker gruppierten Bäumen, die in minutiöser Kleinteiligkeit ausgeführt sind. Große Sorgfalt ist auf die unterschiedliche Strukturierung des Blattwerks gelegt, ohne erkennbare botanische Definition. Es handelt sich um rein graphische Muster, deren malerische Wirkung durch ihre flächenhafte Anwendung und durch verschiedene Tonwerte entsteht: Punkte und unregelmäßige Tupfen, kurze Strichlagen, Ovale und Kreise in wechselnder Dichte und Konturstärke. Unterscheidbar sind nur Weiden mit ihren herabhängenden Zweigen, die als kurze, gebogene Linien gegeben sind, so wie sie Zhao Mengfu dargestellt hat, und weiter oben Kiefern, deren Nadeln bürstenartig aufgerichtet sind.

Unter den Bäumen verstreut finden sich Behausungen, in denen man winzige Figuren von Gelehrten mit ihren Dienern erkennen kann. In Schluchten und Tälern versteckt ducken sich Klöster und Einsiedeleien.

Dies ist kein Bild, das sich auf einmal erschließt. Es gehört zu jenen, die man sich mit dem Blick erwandern muss, um das Vergnügen zu haben, immer wieder neue Einzelheiten in dieser vielgestaltigen Landschaft zu entdecken. Folgt man dem Wildbach aufwärts, der sich als Hauptader des Berges durch das Bildzentrum windet, so wird man in ein von steilen Hügeln flankiertes Tal geführt. Bachbett und Schlucht bilden das Rückgrat des Berges, Steine und Felsen des Baches seine Wirbel. Am oberen Ende des Tals schauen die Dächer eines Klosters zwischen den Klüften hervor. Darüber gibt es kein Anzeichen menschlichen Lebens mehr, nur noch wogende Felstürme mit immer spärlicherem Baumbestand und einen tief hinabstürzenden, fadendünnen Wasserfall, bis die gerundeten Gipfel erreicht sind, die den „Alaunköpfen“ des Juran ähneln. Denn dieser Bergorganismus ist mit dichter, weicher Vegetation überzogen, selbst da, wo die Felsen überhängen. Oft sind deren bewegte Formen derart übersteigert, dass sie Schaumkronen einer sich überschlagenden Welle gleichen. Wie die Haut eines uralten Riesen mit ihren Runzeln, Falten und Schrunden überzieht der pelzige Bewuchs die Knochen des Berges, seine Klippen und Felsen. Die Strukturlinien, mit denen der Maler diese Oberflächenbeschaffenheit darstellt, sind die altbekannten „Hanffaserstriche“ eines Dong Yuan oder Juran. Wangs reiche und zarte Abstufungen ihrer Tonwerte sind meisterhaft und oft gerühmt worden. Dort, wo er sie länger durchgezogen hat, wurden sie mit „hängenden Schnüren“ verglichen, wo sie sich krümmen und schlängeln mit „Drachenadern“ (long mo), die man als Lebensadern einer Landschaft auffasste. Auch die „Moospunkte“ der alten Meister verwendet Wang ausgiebig.

Der erste Eindruck eines solchen Bildes ist der einer sich gewaltig auftürmenden Monumentalität. Begeben wir uns jedoch in das Bild hinein, so befinden wir uns in einer Miniaturwelt: die winzigen Menschen, wie alle anderen Gegenstände, sind mit miniaturhafter Akribie gemalt, ihre Naivität erinnert an Kinderzeichnungen. Sorgfältig, mit unermüdlicher Freude am Detail ist so das gesamte Bild „zusammengehäkelt“, geradezu mit pedantischer Gewissenhaftigkeit wird kein Winkel ausgespart. Die Bewegungen der Einzelformen ergeben Unruhe, aber keinen zusammenfassenden Zug, der Monumentalität herstellt. Es ist eine „Als ob“-Monumentalität, ausgeliehen von den großen Vorbildern. Die Berggiganten erweisen sich als Wesen - durchaus lebendige Wesen - einer Spielzeugwelt, daran ändern auch die großen Formate nichts. Es ist eine erfundene Natur, so sehr Wang Meng sich mit ihren Einzelformen auseinandergesetzt haben mag. Nicht „Naturnähe“, wie oft gepriesen wurde, findet sich in einem solchen Werk, sondern vor allem ein ganz bestimmter Stilwille. Eine wesentliche Komponente darin ist seine eklektische Haltung: das Konzept des Berges als Riesenwesen hat er von den Nord-Song Meistern übernommen, die kindliche Naivität der Ausführung von Zhao Mengfu, wie dieser sie beispielhaft in „Herbstfarben in den Qiao- und Hua-Bergen“ siehe auch vorgeführt hat. Alles, was so gern als „realistisch“ in Wangs Bildern angesprochen wird, ist übersetzt in seine ganz persönliche Bildsprache. Auch die Farbe darin nutzt er nicht zu größerer Naturnähe.

Landhäuser bei Zhuchu

Das zeigt sich besonders deutlich in der Hängerolle „Landhäuser bei Zhuchu“ (Nat. Palast-Museum, Taipei): eine Felsenlandschaft, durch die sich ein Fluss schlängelt . Im Vordergrund links unten tritt er aus einer Schlucht hervor und in der Ecke ganz oben rechts erscheint er noch einmal in einem kleinen Ausschnitt, wodurch der hohe Standpunkt des Betrachters verdeutlicht wird. Die Komposition ist ganz ungewöhnlich, denn die Gipfel werden nicht gezeigt. Sie sind vom oberen Bildrand abgeschnitten, ähnlich wie manche modernen Landschaftsphotographien. Wie bei diesen wird auf solche Weise weniger die Silhouettengestalt der Landschaft, sondern vielmehr deren Struktur betont. Die gewundenen Gesteinsformationen, die dazwischen verstreuten Baumgruppen und einfachen Gelehrtenbehausungen bieten dem Künstler Anlass, sein schier überbordendes Strukturenrepertoire vor uns auszubreiten. Die winzigen Figuren von Einsiedlern, Wanderern oder Schiffern, die man wie in einem Suchbild darin entdecken kann, gehen in diesem Strukturendickicht nahezu verloren.

Hier sind die verschiedenartigsten „cun“ der Vorläufer versammelt: Laviertechniken, wie sie Wang Wei angewendet haben soll, „trockene“ Übermalungen, „Hanfstriche“, „lose Schnüren“ und besonders häufig die gewundenen „Drachenadern“. Die beiden letzten Techniken sind in der angewendeten Weise seine Erfindung, in der Übernahme bestimmter älterer Verfahren zeigt er sich wiederum als Eklektiker, eine Haltung, die so typisch für die Yuan Literatenmaler war. Doch es gelingt ihm in der Verschmelzung dieser tradierten Malweisen einen eigenen Bildorganismus zu schaffen.

Die zusammengedrängte Struktur- und Motivfülle lässt keinen Quadratzentimeter der Bildfläche frei. Sogar die Wasserfläche ist dicht mit Wellenornamenten überzogen, wobei Wang auf tang- und vortangzeitliche Vorbilder zurückgreift. So zeigen Kopien nach Zhan Ziqian und Gu Kaizhi diese Art ornamentaler Behandlung von Wasser. Die sich windenden Felsen in ihrem schnürenförmigen, züngelnden Lineament ähneln eher faltig verdrehten Stoffbahnen, als Gestein. Ihre Formationen wären in einem realistischen Sinne an vielen Stellen vollkommen unmöglich. Auch die kräftigen Farben - hauptsächlich in Häusern und Bäumen - tragen zu keiner größeren Naturnähe bei. Sie sind eingeflochten wie Kette und Schuss in ein Gewebe. Sie bilden ornamentale Flecken, schaffen aber keine Plastizität oder gar Raum. Raum ist so gut wie abwesend in dieser Landschaft. Es handelt sich vielmehr um ein dichtgefügtes, flächenhaftes Strukturenrelief, dessen vegetatives Wuchern nach allen Seiten über die Bildränder hinauszudrängen scheint. Erst wenn man sich in diese eng geknüpfte Textur hineinsieht, erkennt man überhaupt Klüfte, Vorsprünge, Vertiefungen. In der Gesamtwirkung ist ein teppichartiges Muster entstanden, ein Gobelin von wunderbarem Reichtum.

Nicht allein mit diesem Werk - aber besonders mit diesem - das in seiner Erscheinung, nicht in seinem Konzept, im Grunde untypisch ist für die chinesische Bildauffassung der Zeit, zeigt sich Wang Meng als der originellste Künstler seiner Epoche. Es ist kein Wunder, dass er zahlreiche Nachahmer fand und um so höher geschätzt wurde, je weiter der zeitliche Abstand war.

Cao Zhibo

Auf welch hohem Niveau sich die Literatenmalerei, die Kunst der „Amateure“ befand, mag der Blick auf einen Maler verdeutlichen, der von den chinesischen Kritikern nicht zu den Großen gezählt wurde und daher auch weniger bekannt ist.

Cao Zhibo (1272-1355) aus Huating, Jiangsu, ein jüngerer Zeitgenosse Zhao Mengfus und befreundet mit Huang Gongwang und Ni Zan, war zeitweise im Staatsdienst tätig. Offenbar erfolgreich als Bewässerungsingenieur, widmete er sich später ganz daoistischen Studien und teilte Anschauungen und Lebensweise seines Freundes Huang Gongwang.

Er fühlte sich nicht als Neuerer, sondern lehnte sich an Li Cheng und Guo Xi an, übersprang also in der Wahl seiner Vorbilder die Süd-Song Meister, wie die „fortschrittlicheren“ seiner Kollegen.

Alte Bäume

Trotz seines Traditionalismus zeigt sein Werk ganz zeittypische Züge. Die Hängerolle „Alte Bäume“ im Nationalen Palast Museum, Taipei , stellt eine Gruppe Kiefern und dürre Bäume dar, die durchaus an die grotesk verwachsenen Baumcharaktere des Li Cheng erinnern, wie zum Beispiel in den Bildern „Angeln im Nachen unter schneebedeckten Bäumen“ oder „Die Stele lesen“ siehe auch. Caos Bäume sind nicht ganz so expressiv übersteigert und mit weicheren, flüssigeren Linien gemalt. Anders als Li, der seine Bäume mit gleichbleibender Konturschärfe zeichnet, variiert Cao hier die Tonabstufungen seiner Tusche: die nur wenig entfernter stehenden Bäume sind zarter getönt als die vorderen, fast nur noch schemenhaft wahrnehmbar wie in dichtem Nebel. Er wendet damit das gleiche raumbildende Mittel an, wie Li Kan in seinen Bambusbildern: es entsteht keine Raumtiefe oder ahnungsvolle, unsichtbare Ferne wie bei den Süd Song Malern, sondern eine eng begrenzte Staffelung der Bildebenen.

Grünende Hügel im Nebel und alte Zedern

Mit anderen Mitteln kommt Cao Zhibo zu einem ähnlichen Ergebnis in der meisterhaft gemalten Rolle „Grünende Hügel im Nebel und alte Zedern“, ebenfalls in Taipei . Er demonstriert hier die souveräne Beherrschung einer kontrastreichen und flüssigen Laviertechnik, die etwas von der Lockerheit des Tuschespiels der Chan Meister hat, zugleich aber sich durch Prägnanz auszeichnet. Der Aufbau ist konventionell: links unten führt ein Steg ins Bild hinein zu einer Zederngruppe auf einem Felshügel über einem Fluss. Die knorrigen Bäume, wie auch die entfernter stehenden, zeigen die typischen „Krebsscheren“ der Astenden des Li Cheng. Rechts unten in einer Schlucht versteckt eine Einsiedlerhütte. Im Hintergrund erheben sich bewachsene Felskegel, deren unruhig bewegte Struktur und die Art, wie sie aus dem Dunst aufsteigen, an Guo Xi erinnern. Cao arbeitet mit großen Leerflächen - Fluss und Berge sind größtenteils unbemalt - und gibt dem Auge nur an gewissen markanten Stellen Orientierungshilfe. Damit schafft er zwar ein Panorama im Monumentalstil der Nord Song, gibt davon aber lediglich das Landschaftsgerüst, so also wie beispielsweise Zhao Mengfu in seiner Querrolle „Kiefernpaar und weiter Ausblick“ siehe auch verfuhr. Auffällig sind die tiefschwarzen Strukturflecke, die sich als rhythmische Akzente über das Bild verteilen, frei und allein nach malerischer Notwendigkeit, ganz wie Huang Gongwang seine Landschaftsstrukturierung einsetzte. Einmal können sie Bergvegetation darstellen, dann wieder Buschwerk, Geäst oder auch Steine im Bachbett. Indem Cao diese Flecke für Nähe und Ferne in gleicher Stärke benutzt, tat er nichts anderes als Ni Zan, wenn dieser Vordergrund und ferne Berge in identischer Weise strukturiert: er holt die entfernteren Bildpartien wieder heran und vermeidet so jede Unbestimmtheit der räumlichen Verhältnisse. Er formt ein klares Bildgerüst, in dem die atmosphärische Stimmung sich nicht in einer verschwimmenden Weite verliert.

Der Schöpfer eines solchen Bildes befand sich ganz auf der Höhe seiner Zeit, nicht weniger, als seine großen und berühmteren Zeitgenossen. Was von den beschriebenen malerischen Verfahren und Haltungen unbewusster Ausdruck des Zeitgeistes war, was Übernahme von den Weggefährten oder was eigene Erfindung, ist heute nicht mehr zu bestimmen. Keinesfalls war er ein bloßer Nachahmer seiner Vorbilder. Eine Reihe vergleichbarer Talente wirkte in dieser Epoche, ohne dass sie größere Anerkennung fanden. Vermutlich unter anderem deshalb, weil viele von ihnen nicht zu einem persönlichen Stil fanden, ein Kriterium, das in der chinesischen Kunstgeschichtsschreibung von wachsender Bedeutung wurde.

So kurz die Mongolenherrschaft in China währte, sie war eine der fruchtbarsten Epochen der chinesischen Kultur, insbesondere in der Malerei. Gerade durch die einschneidenden Veränderungen, durch den Sturz scheinbar gesicherter Werte, durch die Gewalt und den Antiintellektualismus der Herrschenden, war die kulturelle Elite auf sich selbst zurückgeworfen. Ihre Selbstgewissheit, die in der Song-Zeit nie in Frage gestanden hatte, war erschüttert. Eine neue Selbstfindung hat sie auf neue Wege gewiesen.