Grundzüge der chinesischen Malerei

Ebenso wie die schönen Künste, wurde auch die theoretische Reflexion über sie im kulturellen Umfeld der südlichen Höfe gepflegt. Es ist kein Zufall, dass in einem solch intellektuellen Klima die erste Kunstkritik entstand.

Die Kriterien des Xie He

Xie He, von dessen künstlerischem Werk nichts auf uns gekommen ist, lebte um 500 in Nanking. Er stellte sechs Prinzipien zur Beurteilung von Kunstwerken auf und wurde damit zum Begründer der chinesischen Kunstkritik. Obwohl abstrakt und allgemein formuliert, sind sie dennoch zum praktischen Gebrauch gedacht - für Künstler wie auch für den Betrachter. Er führte dies vor, indem er seine sechs Kriterien ausschließlich auf Werke anwandte, welche er mit eigenen Augen sehen konnte, also „Übungen am Original“, ohne Vermittlung von Beschreibungen oder Kopien. Seine Methode, die er an 27 Malern aus dem Nankinger Umkreis erprobte, ist kennzeichnend für die chinesische Neigung, konkrete Anwendung in Regeln zu fassen. Eben dies, sowie die Interpretationsfähigkeit seiner Thesen, machte ihre ungeheuere Wirkung aus. Jahrhundertelang beriefen sich Künstler und Kunstkritik auf diese Regeln und suchten sie im jeweiligen Zeitgeist zu deuten. Auch zeitgenössische westliche Autoren geben verschiedene Übersetzungen und Interpretationen von Xie He’s Forderungen an ein Kunstwerk. Nur die größten Meister konnten allen diesen Ansprüchen zugleich genügen.

  1. Lebendiger Geist

  2. Zeichnerische Struktur der Pinselführung

  3. Gestalttreue

  4. Artgemäßheit der Farbe

  5. Anordnung der Gegenstände

  6. Übertragung eines Vorbildes.

Bei diesem letzten Punkt treffen wir sogleich auf eine völlig andere Bewertung des Kopierens als in der europäischen Kunst. Wenn auch zum Studium alter Meister als nützlich erachtet, blieb es im abendländischen Kunstverständnis stets nur ein Hilfsmittel. Eine Kopie gilt bei uns als zweitrangig, zumindest seit Ende des Mittelalters. Der chinesische Maler erlernte sein Handwerk jedoch ausschließlich durch Kopieren, nicht durch Naturstudien. Beherrschte er die traditionelle Malweise, konnte er sie an seine Schüler weitergeben. Nur den Bedeutenderen gelang es, durch Übertragung des alten Vorbildes eine eigene Ausdrucksweise, einen persönlichen Stil zu entwickeln, der dann selbst wieder tradiert wurde.

Dementsprechend schätzte man auch die Kopie anders ein, als bei uns. Die Originalität der Komposition wurde weniger hoch bewertet als die Frische und Lebendigkeit des zeichnerischen Vortrags. Daher konnte eine Kopie, selbst in enger Anlehnung an das Vorbild, zu einem Kunstwerk von eigenem Rang werden.

Drei Arten von Kopien entwickelten sich: die identische Kopie, auch mit Hilfe von Pausen, die Freihandkopie, wobei Abweichungen vom Original auftreten, und die freie Interpretation in der Art eines bestimmten Meisters. Wird aber der Kopie ein eigener Wert zugemessen, so ist der Plagiatvorwurf unsinnig. In der Tat kennt ihn die chinesische Kunstkritik nicht. Ja durch Inschriften und Stempel späterer Sammler wurde manche Kopie mit dem Vorbild gleichgesetzt, ihr wurde sozusagen die „höhere Weihe“ des Originals zugeteilt. Ihr Wert stieg mit dem Ruf der Sammlung. Die Fülle der Kopien alter Werke seit der Tang-Zeit und besonders seit dem 10. und 11. Jahrhundert, schuf Zuschreibungsprobleme für die Kunstgeschichte, zugleich aber unschätzbare Werke, darunter auch meisterliche Arbeiten, ohne die wir keine Vorstellung hätten von der frühen Malerei.

Die fünfte Regel des Xie He, Anordnung, ist uns geläufig. Sie betrifft Bildaufbau und Zusammensetzung des Bildes, also „Komposition“. Die Gegenstände sollen gemäß dem Bildgedanken einen sinnvollen Platz einnehmen.

Punkt vier, Artgemäßheit der Farbe, bedeutet Unterordnung der Farbe unter den dargestellten Gegenstand. Die Kolorierung soll kein so starkes Eigenleben führen, dass sie sich vordrängt und den Gegenstand vergessen lässt. Es handelt sich um die Warnung vor einer Übertonung der dekorativen Werte der Farbe, keinesfalls um die Forderung nach einer realistischen Farbgebung, die in keinem Werk der chinesischen Malerei je auftritt.

Ebensowenig verlangt das dritte Prinzip, Gestalttreue, einen Naturalismus im europäischen Sinne, sondern eine erkennbare Wiedergabe des Objekts, ob Pflanze, Tier oder Mensch. Es sei daran erinnert, dass Xie He die Landschaftsmalerei noch nicht im Blick hatte, dass aber seine sechs Grundsätze später auch auf diese angewendet wurden.

Der zweite Satz, Pinselführung, betrifft das Kardinalproblem der chinesischen Malerei, das höchste objektivierbare Kriterium, das noch auf Anschaubarkeit beruht. Er verlangt eine zeichnerische Struktur, mit deren Hilfe die Gestalt geschaffen wird, nicht durch die Farbe oder gar das Hell-Dunkel, mit dem in der abendländischen Malerei modelliert wird. Dieses zeichnerische Gerüst besteht aus Kontur und Binnenzeichnung, nach chinesischer Anschauung einem Knochengerüst vergleichbar. Der hier angewandte Terminus „Knochentechnik“ (gu fa), entstammt der Schreibkunst. Er bedeutet dort die Führung des Pinsels, die kraftvoll, spannungsgeladen und rhythmisch bewegt sein soll. Die Akzentuierung der Linie wird erreicht durch An- und Abschwellen des Pinselzuges, der wiederum abhängt von Druck oder Lockerung der Hand. Sie wirkt gleichsam wie der Seismograph einer inneren Bewegung und vermittelt Kraft, Konzentration, Temperament und Stimmungslage des Schreibenden bzw. Malenden. So entsteht der persönliche Ausdruck des Strichs siehe auch.

Ob Xie He die „Knochenmethode“ schon in diesem kalligraphischen Sinn verstanden hat, muss allerdings offen bleiben. Die überlieferten Kopien nach Vorlagen aus der Sechs-Dynastien-Zeit zeigen kaum eine kalligraphische Anwendung der Linie, sondern eine feine, eher gleichbleibende Strichstärke ohne Akzente. Allerdings gab es in der Han-Malerei bereits Ansätze hierzu siehe auch.

Versteht man gu fa in einem allgemeineren Sinne als zeichnerische Struktur, so stimmt dies mit der Stilhaltung der Zeit überein, soweit sie uns bekannt ist. Deutlich wird dies im Vergleich mit der europäischen Malerei: für die Chinesen ist sie „knochenlos“.

Der Vergleich mit dem Schreibvorgang ist dennoch zwingend: nicht nur Werkzeug, also Tusche und Pinsel, sowie die Technik, also steile Pinselhaltung, Arbeiten mit dem ganzen Arm, mit steifem Handgelenk und unbeweglichen Fingern, sind identisch, sondern insbesondere auch die Unmöglichkeit zu täuschen. Die Tuschelinie ist unkorrigierbar, sie muss auf „Anhieb sitzen“, sie verrät jede Regung, jede Unsicherheit der Hand - und also auch den Meister.

Qi yun - der lebendige Geist

In seiner Grundregel, lebendiger Geist, spricht Xie He das eigentlich Unerklärbare des Kunstwerks an, das für alle Kunst gilt. Es ist das Unerlernbare, nicht Fassbare, letztlich sich jeder Definition Entziehende. Wäre es anders, würden Urteile über Kunstwerke in jeder Epoche und jeder Kultur übereinstimmen.

Die vier Zeichen, mit welchen Xie He den hier mit „lebendiger Geist“ wiedergegebenen Begriff ausdrückt, lauten:

qi     yun   sheng  dong

Geist  Echo  Leben  Bewegung

zusammen also etwa: Widerhall des Geistes und Lebensbewegung.

Die Formel wurde zum Zentralbegriff der chinesischen Ästhetik und ist zugleich den vielfältigsten Deutungen offen. Sie löste im Laufe der Zeit eine Fülle von Interpretationen aus. Denn jedes dieser Zeichen besitzt einen variablen Sinngehalt, je nachdem, ob es alleine steht oder in Verbindung mit anderen einen Begriff bildet. Die vier Zeichen umkreisen einen doppelten Wesenskern: Geist und Leben.

Eine Ahnung von der Tiefe und Komplexität, mit welcher eine ganze Vorstellungswelt, ein vollständiges Gedankengebäude in einer einzigen Silbe komprimiert sein können, vermittelt allein schon das Zeichen qi. In solcher Sinnverdichtung gleicht es geradezu einer magischen Formel. Seine Bedeutung führt weit über den ästhetischen Zusammenhang hinaus.

Qi kann stehen für Luft, Hauch, Atem, Atmosphäre, Äther; zugleich aber auch für Kraft und zwar für vitale wie geistige Kraft. Der Begriff erscheint schon früh, etwa im 3. Jh. v. Chr., in daoistischen Texten mit der Bedeutung von Lebensenergie. Sie wird als kosmische Kraft aufgefasst, welche die gesamte Natur durchdringt. Sie ist im menschlichen Atem enthalten und kann durch Atemübungen vermehrt werden. Stärkung und Ansammlung des qi ist Ziel aller daoistischen Übungen, sei es in der Meditation, in den Kampfkünsten, oder in sexuellen Praktiken. Den daoistischen Meistern verlieh es außerordentliche Kräfte und Fähigkeiten bis hin zur Lebensverlängerung. Die größten unter ihnen wurden zu Unsterblichen. Der Verlust des qi dagegen führt zum Tod.

Dies Walten des qi im Menschen geht vor sich analog dem Naturgeschehen. Denn auch Himmel und Erde atmen. Zwischen Mitternacht und Mittag atmen sie das lebendige qi ein, zwischen Mittag und Mitternacht atmen sie verbrauchtes qi aus. Um sich in Einklang mit den Naturkräften zu bringen, ist es für den Menschen nur sinnvoll zur Zeit des lebendigen qi die Lebensenergie zugleich mit Himmel und Erde aufzunehmen.

In der Natur verdichtet sich qi zu Nebel und Wolken, welche die Lebenskraft als Regen der Erde zuführen: Vereinigung von Himmel und Erde, von yang und yin.

Im letzten und tiefsten Sinne ist qi die Ursache allen Seins. Als yuan qi ist es der Ur-Atem, die Ur-Energie, in welcher die gegensätzlichen Prinzipien von yin und yang noch ununterschieden enthalten sind. Aus dem yuan qi entstand das Universum. Es stieg auf als reine Energie, und bildete den Himmel. Getrübt sank es herab und formte die Erde.

Das qi, dieser unsichtbare Lebensatem, wirkt als Energie, zugleich als vegetative wie als geistige Energie. Es ist an keine Form gebunden, kann aber dennoch als Form in Erscheinung treten in der Poesie, der Musik, in der Kalligraphie und der Malerei siehe auch.

Zu erklären, auf welche Weise sich nun qi im Bildwerk ausdrückt, blieb und bleibt die ewige Schwierigkeit der Kunstkritik. Dies ändert nichts an der Gültigkeit der ersten Forderung des Xie He. Sie blieb der höchste Maßstab in der chinesischen Kunst.

Der schöpferische Weg

Seinem Bild qi yun zu verleihen, war also das höchste Ziel des Künstlers. Er musste sich dazu in Übereinstimmung bringen mit den formenden Kräften der Natur. Das bedeutet vollkommenes Aufgehen im Gestaltungsvorgang, sodass er sich gleichsam von selbst vollzog, so, wie die Natur aus sich heraus wirkt. Es erforderte die Ausschaltung der Eigenpersönlichkeit im Sinne eines bewussten Wollens. Erst wenn das Stadium eines sozusagen absichtslosen, nicht mehr willensbestimmten, bewusstseinsfreien Schöpfens erreicht ist, tritt das wahre Wesen der Persönlichkeit zwangsläufig hervor auf einer höheren Ebene, der Ebene der Meisterschaft. Erst dann hat sich der unverwechselbare persönliche Stil herausgebildet. Die überlieferten Vorbilder oder die realen Gegenstände sind dann nur noch Anlass und Kristallisationspunkt für die eigene Bildsprache.

Malerei wird so zu einem Weg der Charakterbildung, jedoch nicht als Selbstzweck zur Ausformung eines Individuums. Charakterbildung heißt hier die Entwicklung einer inneren Kraft, mit den überindividuellen Wirkkräften der Natur zu kommunizieren, sich mit ihnen zu identifizieren, sich schöpfend mit ihnen zu vereinen.

Von dem Dichter und Maler Su Dongpo (1036-1101) stammt der Ausspruch: „Wer Bambus malen will, muss selbst zum Bambus werden“.

Der chinesische Maler spürt der Lebenskraft nach, nicht dem naturgetreuen Abbild. Erfasst er die Lebenskraft, so fasst er die innere Wahrheit eines Gegenstandes und somit auch das Wesentliche seiner äußeren Erscheinung. Das Bildmotiv ist lediglich Anlass, die künstlerischen Emotionen so zu verdichten, dass sie Form werden.

Mit Beharrlichkeit, ja Besessenheit, bearbeiteten viele große Meister immer wieder den gleichen Gegenstand, weil sich gerade in ihm die eigene innere Bewegung am deutlichsten zum Ausdruck bringen ließ. Wäre es diesen Meistern um die äußere Ähnlichkeit des Bildes mit seinem Modell gegangen, sie hätten dieses Ziel bald erreicht. Das Thema wäre schnell abgehandelt und sie hätten sich einem neuen zugewandt, das Interesse und die Leidenschaft für ihren Gegenstand wären bald erloschen.

Malerei als magischer Vorgang

Diesem Identifikationsstreben liegt ein ursprünglich magisches Weltverständnis zugrunde. Wie der Jäger bestimmter archaischer Kulturen sich beim Jagdzauber in das Tier verwandeln musste, das er jagen wollte, so suchte der Maler die Unterscheidung von Subjekt und Objekt, die Trennung zwischen dem Künstler und seinem Gegenstand zu überwinden.

Diese Wesensvereinigung machte das Malen zu einem magisch-mystischen Vorgang. Einfühlung und Versenkung in Formen und Wirkungsweise der Natur führt zur Teilhabe an ihren vitalen Kräften und dadurch zur mühelosen Nachschöpfung oder besser Neuschöpfung des Motivs. Das auf diese Weise aufgenommene qi vermehrt die Lebenskraft des Künstlers. Gelingt es ihm, sie auf das Bild zu übertragen, wird auch dieses von qi erfüllt. Hier jedoch endet sein Wirken nicht: es kann sich dem Betrachter übertragen, der sich in die Anschauung des Dargestellten versenkt.

So war also nicht nur der künstlerische Schöpfungsakt von einem magischen Geschehen durchströmt, sondern auch das vollendete Bild konnte Kräfte besitzen, die sich in magischer Weise übertrugen.

Diesem subtilen Vorgang der Übertragung geistiger und vitaler Kräfte entsprach schon früh die Überzeugung, dass ein Bildwerk die Lebenskräfte des Dargestellten an sich ziehen könne und daher die gleiche Wirkung ausübe wie sein Naturvorbild. Nach legendären Überlieferungen genügte allein schon die Darstellung regenbringender Drachen auf den Wänden einer Palasthalle und schon ballten sich Wolken zusammen und es erhob sich ein Gewittersturm. Fischförmige Dachreiter, die nach solchen Vorstellungen Wasser anziehen, sollten Gebäude vor Feuer und Unheil schützen. Ebenso wirkten Bilder von Tür- und Hausgöttern bis in die Neuzeit. Dämonenabwehrende Ungeheuer und Grabwächter, Dienerschaft und Hofstaat in Form von Gemälden oder Skulpturen sollten in den Gräbern ihre Funktion wie wirkliche Lebewesen erfüllen.

Wenn in diesen Bildwerken Naturtreue angestrebt wurde, dann nicht als ästhetisches Ideal, sondern zur Erhöhung der magischen Wirksamkeit. Die dargestellten Wesen sollten „herbeigezaubert“ werden, wie die wirklichen erscheinen und ebenso wirken. Das berühmteste Beispiel dieser Art von „magischem Realismus“ ist die unterirdische Armee des Ersten Kaisers von China siehe auch.

Die in zahlreichen Kulturen bekannte Zeremonie des Augenöffnens einer Kultstatue wurde auch in China geübt. Man erweckte das Bildnis dadurch zum Leben, dass man ihm die Pupillen in die Augen einmalte.

Was hier in aller Deutlichkeit zu Tage tritt, das Malen als magischer Vorgang, zeigt sich in verschlüsselter Form sogar in der Landschaftsmalerei. Der Landschaftskünstler gibt keine reale, topographisch genau erfasste Gegend wieder, sondern entwirft eine Ideallandschaft, eine Art Paradies, in welches der Betrachter eintreten kann. Dies wird durch die spezielle Art des Bildaufbaus ermöglicht, ja provoziert siehe auch. Der große Tang-Maler Wu Dao zi soll vor den Augen des Kaisers in sein eigenes Wandbild eingetreten und darin verschwunden sein.

Malerei als meditativer Vorgang

Allein schon der Vorbereitung auf den Malvorgang haftet etwas Magisch-Zeremonielles an. Der Künstler versetzt sich in einen meditativen Zustand, worin er sich sammelt und seinen Geist entleert. Manchen dient Musik, anderen der Weinrausch als Hilfsmittel. Von dem großen Landschaftsmaler Guo Xi (1020-1087) wird berichtet, dass er, bevor er zu malen begann, sich an einem hellen Fenster vor einem aufgeräumten Tisch niederließ, links und rechts Weihrauch verbrannte, die feinsten Pinsel und die beste Tusche auswählte. Sodann wusch er sich die Hände und reinigte den Reibestein für die Tusche, als erwarte er einen hohen Gast. Dabei beruhigte und sammelte er seinen Geist.

Ist das Innere des Künstlers leer von allen anderen Dingen, so sucht er sich seinen Gegenstand genau und in allen Einzelheiten vorzustellen. Li Kan (1245-1320), einer der bedeutendsten Bambusmaler der Yuan-Zeit, beschreibt es so: „Der Maler muss sich geistig sammeln, bis er sich vollkommen auf sein Bewusstsein verlassen kann und den Bambus vollständig im Gedächtnis hat. Jetzt kann er den Pinsel führen und nach dem Vorbild arbeiten, das ihm (im Geiste) vorschwebt. Hat er sich nicht in dieser Form geistig vorbereitet, wird er vergeblich zum Pinsel greifen und nur gebannt auf das ihm Vorschwebende schauen, ohne es wiedergeben zu können.“

Das Sich-Versenken in ein Motiv, die Heraufrufung des Bildes vor sein geistiges Auge, bedeutet nichts anderes als die Aufnahme von qi. Während der Arbeit muss der Maler versuchen, diesen Lebensatem in sich zu erhalten, um ihn seinem Werk mitzuteilen.

Einer ähnlichen Praxis der Meditation folgten auch die alt-indischen Bildhauer, ehe sie ein Götterbild schufen. Es ist dies eine offenbar dem östlichen Bewusstsein gemäße Form der Annäherung an einen Gegenstand. Der traditionelle Formenkanon war dem östlichen Künstler dabei eine starke Stütze.

Dem abendländischen Künstler fehlt seit Ende des Mittelalters dieses „Gerüst“ der Tradition, an welches er seine Vorstellung festmachen konnte. Vom Naturvorbild ausgehend, entwickelt er von Skizze zu Skizze, von Entwurf zu Entwurf sein Konzept bis das vollendete Werk daraus hervorgeht. Der Vorgang gleicht dem Kleist’schen „Entwickeln des Gedankens beim Reden.“ Nur wenigen europäischen Künstlern gelang ausnahmsweise der erste Wurf auf Anhieb und ohne Korrektur.

Dies aber war die Forderung an den östlichen Meister. Dem Gelingen ging jedoch unendliche Übung voraus bis zur absoluten Beherrschung des Handwerks. Über Gu Kaizhi (344-406) heißt es: „Seine Konzeption war schon fertig, noch bevor er den Pinsel aufsetzte. War das Bild vollendet, enthielt es die Konzeption und war daher erfüllt von der geistigen Lebenskraft.“

Malerei als Mittel konfuzianischer Ethik

Die kontemplative und meditative Haltung, die hier zum Ausdruck kommt, die Einfühlung und Versenkung in das Wesen der Dinge, die damit verbundene Naturmystik entspringen dem allumfassenden irrationalen Seinsverständnis des Daoismus. Die rationale Gegenwelt, die sich schon während der Han-Zeit in der Kunst durchzusetzen begann, entstammt dem Konfuzianismus. Ethisch-moralische Motive in der Malerei haben ihren Ursprung in seinem gesellschaftsbezogenen Ordnungsdenken. Sie spielten eine zunehmende Rolle. Ihre belehrende Funktion wurde von den Autoren immer wieder betont. Die moralisierende Interpretation machte zur Song-Zeit (10-13. Jh.) auch vor eindeutig magischen Motiven nicht halt, wie dem tao tie siehe auch.

Naturgemäß betraf dieser ethische Anspruch an die Kunst das inhaltliche Programm: die großen Kaiser und Staatsmänner des Altertums, denen Usurpatoren gegenübergestellt wurden, Bildnisse tugendhafter Frauen, die Beispiele der Kindesliebe nach den „Biografien vorbildlicher Söhne“, die 78 v. Chr. verfasst wurden siehe auch, die „Ermahnungen der Hoflehrerin“ siehe auch oder berühmte Gelehrte und Weise. Moralisierend konnte sogar ein Landschaftsbild aufgefasst werden, wenn es etwa eine Anspielung auf einen beispielhaften Menschen enthielt. Dennoch: das eigentlich Schöpferische wurde von den Inhalten nicht berührt. Sein im Mystischen wurzelnder Urgrund war der Lebensquell, aus dem die großen Künstler immer wieder schöpften, gleich welchen Stoff sie behandelten. Er blieb das eigentliche Movens der Malerei, wie der Kunst allgemein.

Aber nicht nur in den genannten oder ähnlichen Bildmotiven, sondern gerade auch in dem, was nicht dargestellt wurde, zeigt sich der Einfluss konfuzianischen Denkens. Es ist auffällig, dass die hohe Kunst, wie sie die kulturtragende Oberschicht verstand, bestimmte Themen nicht kennt: weder die nackte menschliche Figur noch Liebesszenen. Die Abwesenheit des Aktes, insbesondere des weiblichen, und die Unterdrückung erotischer Darstellungen, gehen auf das moralische Verdikt des Konfuzianismus zurück. Allerdings sind auch aus der erotisch freizügigeren Frühzeit keine Motive dieser Art überliefert, vielleicht, weil sie verloren gegangen sind oder ausgemerzt wurden. Aus der Literatur jedenfalls sind genügend Beispiele bekannt, die zeigen, dass jede erotische Anspielung getilgt, verändert oder umgedeutet wurde. Im klassischen Buch der Lieder, Shi jing, der ältesten Anthologie der chinesischen Poesie, finden sich Liebesgesänge, die später als sittliche Allegorien interpretiert wurden.

Gänzlich ließ sich das Erotische nicht verdrängen. Es lebte fort im Volkstheater, und dem volkstümlichen Roman, der gerne mit Holzschnitten ausgestattet wurde, in illustrierten Anweisungen zur Liebespraxis, oft mit daoistischem Hintergrund, als Dekormotive und verschlüsselt in einer Tier- und Pflanzensymbolik, deren Andeutungen in Malerei und Dekoration beliebt waren siehe auch.

Tatsächlich wurde erotische Kunst in großen Mengen hervorgebracht, besonders seit der Ming-Zeit. Künstlerisch war sie jedoch zumeist auf recht niedrigem Niveau und erreichte niemals die Höhe der japanischen Farbholzschnitte des erotischen und Sitten-Genres, des Ukiyo-e. Die Gebildeten sahen eindeutig erotische oder gar sexuelle Darstellungen als ästhetisch unbefriedigend an, den Themen der großen Kunst nicht würdig. Solche Produkte dienten als Stimulans aller Art sexueller Praktiken.

Sexualität wurde auch vom Konfuzianismus keineswegs im puritanischen Sinne verteufelt. Sie gehörte nach seinen Maximen jedoch gänzlich dem privaten Bereich an. Denn schließlich war es die Familie, auf welcher der Staat beruhte und deren Fortbestehen durch Zeugung von Nachkommen geradezu sittliche Pflicht des Familienvaters war. Der Staat wurde in genauer Parallele zur Familie gesehen: wie die Söhne im Vater die Ahnen ehrten, da diese Grund und Ursprung der Familie waren, so war alles Tun des Untertan, vermittelt durch die Staatsbeamten dem Wohl des Kaisers verpflichtet, der das Heil des gesamten Volkes garantierte. Entzog der Untertan als Sohn dem Kaiser als Vater dadurch die schuldige Liebe, dass er sie Ehefrau, Konkubine oder Kurtisane zuwandte, konnte sich dies unheilvoll für das Ganze auswirken. Daher galt die Sohnesliebe zum Vater als höchste ethische Norm. Ihr sollten, wenn nötig, auch die Liebe zur Gattin oder sogar zu den Kindern geopfert werden, ja das eigene Leben. Als Würdenträger, Gelehrter, Paterfamilias stellte sich so das Idealbild des Mannes dar, in der Gesellschaft wie in der Kunst.

Diesem offiziellen Rollenmuster entsprach in genauer Umkehrung die Rolle der Frau. Anerkannt höchstens als Mutter von Söhnen, lebte sie als Dienerin und Sexualobjekt des Mannes ins Haus verbannt, ob als Ehefrau, Konkubine oder Bediente. Ihre Funktion hatte sie allein in der privaten Sphäre, die nach außen hin abgeschirmt war. So erschien sie in der hohen Kunst entweder als Göttin bzw. Nymphe, oder als Hofdame, gebildete Kurtisane, Musikantin, Tänzerin oder Dienerin im intimen Bereich des Höfischen oder im Haushalt eines Vornehmen. Solche Darstellungen waren jedoch stets von äußerster Dezenz, sogar da, wo die Vergnügungen eines großen Herrn das Thema bilden siehe auch.

Negierung der nackten Figur

Die Abbildung einer nackten Frau wurde als unschicklich empfunden, die eines Mannes als würdelos. Ausnahmen finden sich nur in der buddhistischen Kunst, mit ihren von der indischen Ikonographie inspirierten Gestalten: die spärlich bekleideten Bodhisattvas, die muskulösen Ringerfiguren der Verteidiger des Glaubens , leicht gewandete Göttinnen und halbnackte Höllengestalten in Unterweltsszenen.

Die Tatsache fehlender Aktdarstellung in der chinesischen Kunst ist weniger verwunderlich, wenn wir Abstand nehmen von einer eurozentrischen Sichtweise, die auf klassische Antike und Renaissance fixiert ist. Denn auch in unserem Kulturkreis war die Darstellung des nackten Körpers nicht immer selbstverständlich. In der griechischen Archaik tritt uns die weibliche Gestalt im Peplos entgegen, erst im Hellenismus erscheinen Göttin oder Nymphe unbekleidet. Das christliche Mittelalter verdrängte die nackte Figur fast völlig und erst seit der Renaissance gilt sie nach griechischem Vorbild wieder als eines der vornehmsten Themen der europäischen Kunst.

Praktisch alle Kulturen, welche die nackte menschliche Figur zum künstlerischen Thema machten, erlebten sie im täglichen Umgang. Am deutlichsten zeigen dies die Kulturen Schwarzafrikas, Ägyptens, der Südsee und Indiens. Griechen und Römern war der nackte Körper vom Wettkampf und der Badekultur her selbstverständlicher Anblick.

In China gehörte der nackte Mensch nicht in die Sphäre alltäglichen Erlebens. Von Anfang an wurde der Mensch einzig als Gewandfigur dargestellt. Er begriff sich als Teil innerhalb der Weltordnung. Nie wurde er zum „Maß aller Dinge“, auch nicht als Gewandfigur, und deshalb auch niemals zum Hauptmotiv der Kunst.

Auftragskunst und freie Kunst

Es waren also zwei große geistige Strömungen, welche sich oft durchdrangen und die in der chinesischen Malerei immer wieder zum Ausdruck drängten: eine ethisch-rationalistische, die sich ideologisch im Konfuzianismus ausprägte, und eine magisch-mystische bzw. religiöse, die sich im Daoismus und Buddhismus manifestierte. Den Themen beider Richtungen waren die Künstler verpflichtet, soweit sie für Auftraggeber arbeiteten. Ob sie vorbildliche Staatsmänner darstellten, beispielhafte Erzählungen, fromme Legenden, Unsterbliche oder Erlösergestalten, es war eine zweckgebundene Kunst, die der Verherrlichung des Staates und der Ethik diente oder dem religiösen Kult.

Seit etwa dem 10. Jahrhundert entwickelte sich jedoch allmählich neben dieser angewandten Kunst eine freie Malerei, deren Schöpfer ohne Auftrag ihre Themen selbst wählten, ein Phänomen, das in Europa erst in der Neuzeit auftrat. Diese Malerei befasste sich mit säkularen Motiven wie Pflanzen, Tieren, Landschaften, Genrebildern. Und dennoch konnte sie von den gleichen ethischen oder religiösen Impulsen getragen sein, ohne unbedingt Gottheiten oder Heilige zu zeigen.

Diese freie Auffassung von Malerei war es, die, neben Poesie, Musik und an erster Stelle Kalligraphie, zu den vier ästhetischen Kategorien zählte, welche man allein als wahre Kunst ansah.

Der Begriff „Dilettantismus“ in seinem ursprünglichen Sinn beschreibt in etwa die Art und Weise wie diese Künste ausgeübt wurden. Er hat für uns heute einen abwertenden Beigeschmack, man setzt ihn gleich mit Laienhaftigkeit, Oberflächlichkeit oder gar Stümperei. Seinem Wortsinn nach besagt er nichts anderes, als dass der Dilettant sich an seiner Kunst erfreute, sie als Liebhaber betrieb und nicht zum Broterwerb.

In China wurde dieser Dilettantismus im wohlverstandenen Sinne spätestens seit der Song-Zeit betrieben, jedoch nicht mit dem Unernst und der Unverbindlichkeit, welche dem Begriff bei uns gleichwohl noch anhaften. Die Malerei, die daraus hervorging, konnte Lebenserfüllung bedeuten, Frage nach dem Sinn des Daseins, existentielle Auseinandersetzung mit Natur und Welt.

Berufsmaler, Spezialisten für Wandmalerei oder Porträt betrachtete man nun nicht mehr als Künstler, sondern als Handwerker. Ebenso wie die Einschränkung des Kunstbegriffs auf die vier Künste, handelt es sich dabei um eine rein gesellschaftliche Wertung. Ganz deutlich wird dies im Falle der Bildhauerei und der Architektur, bei uns „die Mutter der Künste“: man rechnete diese Disziplinen nicht den Künsten zu. Denn diese Tätigkeiten wurden von „Vollprofis“ ausgeübt zum Erwerb des Lebensunterhalts. Künstlerischen Rang erkannte man fast ausschließlich gebildeten Laienmalern zu, Beamten, Dichtern, Gelehrten, Philosophen, Mönchen. Diese durchweg Schriftkundigen betrieben ihre Kunst als freies Spiel, sich selbst und einem engen Freundeskreis Gleichgesinnter zur inneren Bildung und Freude. Ihre Stellung als Beamte oder Landbesitzer machte sie unabhängig von öffentlichen oder privaten Aufträgen. Man bezeichnete sie nicht immer ganz zutreffend als „Literatenmaler“. Es waren in der Tat diese Künstler, welche die chinesische Malerei zu einem Gipfel der Weltkunst führten.

Problematik der Literatenkunst

Die Tragik und zuweilen Größe dieser Literatenkunst lag in einem letztlich unauflöslichen Konflikt begründet: im Streben nach persönlichem Ausdruck und der Unmöglichkeit, die innere Bindung an die Tradition in Frage zu stellen. Das Bewusstsein, auf den Schultern der Ahnen zu stehen, durchzog das gesamte Lebensgefühl. Pietät gegenüber dem Denken und den Leistungen der Alten war so vollständig verinnerlicht, dass sie geradezu als Voraussetzung von Kultur galt. Andererseits erlebte sich der freie Künstler in der Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand als Individuum. Versenkung und Einfühlung stellten ihn allein als Einzelpersönlichkeit Pflanze, Tier oder Mensch, der Natur und dem Kosmos gegenüber. Nicht mit Hilfe tradierter Formeln wie die „Handwerkskünstler“, wenn sie z. B. ein Kultbild schufen, sondern im eigenen, ganz persönlichen Erleben suchte er das Wesen seines Motivs zu erfassen. Es war ihm aber verwehrt, gleich dem europäischen Künstler einem neuen Lebensgefühl durch einen vergleichsweise plötzlichen Stilwandel Ausdruck zu geben. Denn die Formen und Inhalte der Malerei waren ihm ja vorgegeben und durch die Überlieferung sakrosankt. Der angestrebte individuelle Ausdruck konnte sich also nur zur Geltung bringen durch die Eigenart des malerischen Vortrags, durch den Pinselduktus, d. h. die persönliche Handschrift. Sie allein konnte eine allmähliche Stilveränderung bewirken durch Variationen des tradierten Formenkanons. Aber auch sie konnte sich nur innerhalb der festen Regeln einer traditionellen Technik entfalten, weshalb die Beherrschung des Handwerklichen eine so außerordentlich bedeutsame Rolle spielte.

Techniken und Bildträger

Im Vergleich mit der europäischen Malerei waren die bildnerischen Mittel auf nur wenige Techniken beschränkt. Strenggenommen gab es nur eine einzige: die Pinselzeichnung, die farbig sein konnte, deckend wie auch transparent, oder schwarz-weiß, allein mit Tusche ausgeführt. Man kannte also weder Ölmalerei noch die verschiedenen Temperatechniken, sondern ausschließlich Tier-, Pflanzen- und Mineralfarben, die mit Leimen gebunden zu harten Stangen gepresst und getrocknet wurden, ähnlich unseren Aquarellfarben. Wie die Tuschesteine aus Ruß und Fischleim mussten die Farben auf dem Reibestein mit Wasser angerieben werden. Für die Pinsel wurden äußerst elastische Tierhaare benutzt, die immer wieder in ihre Ausgangslage zurückgingen, wodurch der Pinsel seine spitze Form behielt. Er gab so die feinste Bewegung der Hand wieder. Die Bildträger waren Papier oder Seide auf Brokate oder Seidenstoffe montiert.

Die verbreitetste Bildform war das Rollbild, das leicht aufbewahrt werden konnte. Als Querrolle betrachtet man es auf einem Tisch, so wie der europäische Graphiksammler von Zeit zu Zeit seine Blätter hervorholt. Wie die altchinesische Leserolle, aus der sie hervorging, wird auch die bemalte Querrolle von rechts nach links „gelesen“. Sie kann bis zu zwölf Meter lang sein und dreißig bis fünfzig Zentimeter hoch. Naturgemäß kann sie nur abschnittweise betrachtet werden, etwa wie ein europäisches Bilderbuch. Zwar achtete der Künstler bei der Gestaltung des Kompositionsablaufs auf einen bestimmten Rhythmus und gewisse Intervalle, jedoch kann sich der Betrachter seinen Ausschnitt selbst wählen. Wie beim Lesen ist er also dazu aufgefordert, das ihm Dargebotene mitzuvollziehen und nachzuerleben. Das erzählerische Element, seiner Herkunft von der illustrierten Schriftrolle entsprechend, bleibt stets Bestandteil der Querrolle. Demzufolge sind es meist literarische Vorwürfe, geschichtliche Ereignisse oder Genreszenen, die darauf zur Darstellung gelangen. Selbst die Landschaftsgestaltung nimmt auf ihr erzählenden Charakter an. Wenn sich auch der Betrachter einen Abschnitt aussuchen kann, um mit Muße über ihm zu verharren, muss er sich doch dem Bildablauf entlang führen lassen, will er dem Geschehen folgen. Das bedeutet, er kann keinen von ihm gewählten Standpunkt einnehmen, von dem aus sich das gesamte Panorama erschließt wie beim europäischen Bild. Er ist vor einem Rollbild in der gleichen Lage, wie beispielsweise vor den Wandmalereien der Tang-Gräber siehe auch, wo er von den Vorgängen parallel zum Prozessionsweg gleichsam zur Grabkammer geleitet wird. Auch hier dominiert der überindividuelle Aspekt: der Betrachter wird in eine allgemeine Ordnung einbezogen.

Die Hängerolle hatte ihren Platz im Tempel, Palast oder Wohnhaus und wurde in gewissen zeitlichen Abständen ausgewechselt. Sie entspricht in ihrer Verwendung dem europäischen Tafelbild. Ehemals Trägerin des buddhistischen Kultbildes, taucht die Hängerolle während der Fünf-Dynastien-Zeit erstmals mit profanen Themen auf. Es sind Tier- und Planzenmotive und vor allem die ersten reinen Landschaftsbilder. Auf diesen monumentalen Werken tritt die Landschaft selbständig auf und dient nicht mehr nur als Staffage oder Hintergrund eines Figurenbildes.

Eine weitere Bildform ist das Albumblatt. Sein Format bewegt sich zwischen zwanzig und dreißig Zentimetern Seitenlänge. Es wurde zwischen die Seiten eines Faltblattes montiert. Mehrere solcher Albumblätter zusammengeheftet ähneln einem europäischen Buch.

Gern montierte man auch bemalte Fächer wie Albumblätter. Hauptsächlich Tiere, Pflanzen und Landschaften waren die ihnen als gemäß empfundenen Motive, ebenso wie Genreszenen.

Der Stellschirm bot den Künstlern große Möglichkeiten zur Entfaltung des gleichen Themenkreises. Der faltbare Paravent diente als Raumteiler. Seine Mobilität hat er mit der Hängerolle gemeinsam. Beide waren zugeschnitten auf die Nutzung im leicht veränderbaren Innenraum einer Ständerarchitektur wie sie Wohnhaus und Wohnpalast darstellten.

Die fest und unverrücklich mit den Wänden verbundene Malerei war Tempel und Grabbau vorbehalten, sowie den Repräsentationshallen der zumeist verschwundenen Paläste. Die Technik dieser Wandmalerei entsprach nicht dem europäischen Fresko, wobei in den frischen, noch feuchten Putz gemalt wird. In China trug man die mit Leimen gebundenen Farbpigmente auf einen trockenen, feingeglätteten Muschelkalkputz auf.